Zusammenfassung des Urteils VW190006: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin hat beim Kanton Zürich Schulden aus einem Eheschutzverfahren und einem Berufungsverfahren. Sie beantragte den Erlass der Kosten, da sie angeblich nicht in der Lage sei, die Schulden zu begleichen. Die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich lehnte das Gesuch ab, da keine dauerhafte Mittellosigkeit nachgewiesen werden konnte. Ein Erlass der Schulden würde die gesetzlichen Bestimmungen zur Kostentragungspflicht umgehen. Das Gesuch wurde abgewiesen, die Kosten der Gesuchstellerin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VW190006 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 03.09.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Kostenerlass |
Schlagwörter: | Obergericht; Entscheid; Gesuch; Kostenerlass; Erlass; Obergerichts; Inkasso; Rekurs; Kanton; Entscheide; Inkassos; Kantons; Verwaltungskommission; Bezirksgericht; Inkassostelle; Zentrale; Verfahren; Dielsdorf; Rekurskommission; Gesuchs; Bezirksgerichts; Rechnung; Rechtsmittel; Rechtspflege; Beschluss; Rechtsvertreter; Zeitpunkt; Erlassgesuch |
Rechtsnorm: | Art. 117 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 425 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr.: VW190006-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. M. Burger, Oberrichterin Dr.
D. Scherrer und Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
in Sachen
A. ,
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Kostenerlass
I.
(nachfolgend: Gesuchstellerin) schuldet dem Kanton Zürich aus
dem beim Bezirksgericht Dielsdorf durchgeführten Eheschutzverfahren Nr. EE180058-D sowie aus dem am Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, durchgeführten Berufungsverfahren Nr. LE190005-O einen Betrag von insgesamt Fr. 2'100.- (act. 3). Mit Eingaben vom 3. bzw. 21. Mai 2019 liess sie durch ihren Rechtsvertreter bei der Zentralen Inkassostelle der Gerichte (nachfolgend: Zentrale Inkassostelle) um Erlass der Kosten ersuchen (act. 4/1 und act. 4/3). Die Gesuche wurden am 17. Mai 2019 durch den Fachspezialisten für Erlassgesuche (act. 4/5) und zu einem späteren Zeitpunkt durch den stellvertretenden Generalsekretär des Obergerichts des Kantons Zürich geprüft und mangels Erfüllung der Voraussetzungen einstweilen abgewiesen (act. 4/9). Die negative Einschätzung des stellvertretenden Generalsekretärs wurde dem Rechtsvertreter der Gesuchstellerin mit Schreiben vom 9. Juli 2019 mitgeteilt (act. 4/10). Gleichzeitig wurde er dar- über in Kenntnis gesetzt, dass bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich die Überprüfung des Gesuchs beantragt werden könne (act. 4/10).
In der Folge teilte die Gesuchstellerin der Zentralen Inkassostelle mit, dass sie an ihrem Erlassgesuch festhalte (act. 2). Mit Schreiben vom 27. August 2019 überwies die Zentrale Inkassostelle das Erlassgesuch daher zustän- digkeitshalber an die Verwaltungskommission (act. 1).
II.
Gemäss § 18 Abs. 1 lit. q der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission über nachträg- liche Gesuche um Erlass von Verfahrenskosten (vgl. auch § 5 der Verordnung des Obergerichts über das Rechnungswesen der Bezirksgerichte und des Obergerichts sowie über das zentrale Inkasso vom 9. April 2003 [LS
211.14]). Sie ist daher zur Behandlung des vorliegenden Gesuchs zustän- dig.
III.
1. Die Gesuchstellerin begründet ihr Gesuch um Kostenerlass damit, sie generiere ein monatliches Einkommen aus Unterhaltsbeiträgen von Fr. 1'500.-. Zudem übernehme der Ehemann die Krankenkassenprämien gemäss dem Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf vom 18. März 2019, Nr. EE180058-D, von aktuell Fr. 1'044.90 monatlich. Über weitere Einkünfte verfüge sie nicht, weshalb sie die ausstehenden Schulden nicht begleichen könne (act. 4/1, act. 4/3, act. 4/8).
Eigentlicher Zweck des Instituts des Kostenerlasses ist es, Kostenschuldnern bei bestehender dauernder Mittellosigkeit eine Gesamtschuldensanierung zu ermöglichen und damit einhergehend ihre Resozialisierung zu erleichtern bzw. ihr wirtschaftliches Fortkommen zu fördern. Für einen Kostenerlass massgeblich sind somit sozial-ethische Gedanken. Er gründet auf der sozialen Solidarität und hat seine Berechtigung im sozialen Anliegen des Gesetzgebers, besonderen Härten für den Kostenschuldner Rechnung zu tragen (vgl. dazu Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24. Juni 2015, Nr. VU150019-O, E. II.3.3). Als Akt der Justizverwaltung darf der Kostenerlass jedoch nicht dazu benutzt werden, von gesetzeskonform zusammengesetzten Spruchkörpern erlassene Entscheide zu korrigieren bzw. die von diesen angewendeten gesetzlichen Erfordernisse zu umgehen. Zur Aufhebung Abänderung rechtskräftiger Entscheide haben die Gesuchstellenden vielmehr auf die von den einschlä- gigen prozessualen Gesetzen vorgesehenen Rechtsmittel zurückzugreifen, zu denen ein Gesuch um Kostenerlass nicht zu zählen ist (vgl. auch Entscheide der Rekurskommission OGer ZH Nrn. KD170005-O vom 2. November 2017, E. 3.2, und KD160001-O vom 18. März 2016, E. 3.3). Aus dem Umstand, dass die Organe des Inkassos nicht befugt sind, Gerichtsentscheide abzuändern, folgt, dass der Erlass rechtskräftig festgesetzter Gerichtskosten nur mit Zurückhaltung bewilligt werden kann. So kann ein Kostenerlass in aller Regel dann nicht genehmigt werden, wenn es die gesuchstellende Partei im dem Kostenerlassgesuch vorausgehenden Gerichtsverfahren trotz bestehender Mittellosigkeit unterliess, um unentgeltliche Rechtspflege nachzusuchen, wenn ein solches Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen wurde (Art. 117 ff. ZPO; Art. 136 f. und Art. 425 StPO; Entscheid der Rekurskommission OGer ZH Nr. KD170003-O vom
17. Oktober 2017, E. 3.3). Denn sowohl im Zivilals auch im Strafprozess ist es bereits der Sachinstanz möglich, im Rahmen der Kostenauflage der finanziellen Lage der kostenpflichtigen Person Rechnung zu tragen (Art. 117 ZPO, Art. 425 StPO). In beiden Fällen kann sodann mit einem Rechtsmittel (oder beim Strafbefehl mittels Einsprache) gegen den Sachentscheid geltend gemacht werden, es sei dem nicht zu wenig Rechnung getragen worden. Eine spätere Korrektur durch die Organe des Inkassos ist grundsätzlich nicht möglich, zumal die in der Zivilund Strafprozessordnung vorgesehenen Bestimmungen zur unentgeltlichen Rechtspflege bzw. zum Erlass ihres Sinnes entleert würden, könnte man sie ohne Weiteres mit einem nachträglichen Kostenerlassgesuch umgehen. Das schliesst indes nicht aus, dass einer Partei, welche mangels Prozessarmut keine unentgeltliche Rechtspflege verlangen konnte deshalb mit ihrem Gesuch abgewiesen wurde, wegen nachträglich eingetretener finanzieller Schwierigkeiten ein Erlass der Kosten bewilligt wird.
Eine Gutheissung des vorliegenden Gesuchs um Erlass der Schulden in der Höhe von Fr. 2'100.- würde die gesetzlichen Bestimmungen zur Kostentragungspflicht umgehen und diese faktisch aufheben, zumal sie erst kürzlich gefällte Kostenentscheide ausser Kraft setzen würde, nämlich die Kostenentscheide des Bezirksgerichts Dielsdorf, Nr. EE180058-D vom 18. März 2019, betreffend Kosten von Fr. 900.- sowie des Obergerichts des Kantons Zürich, Nr. LE190005-O vom 4. März 2019, betreffend Kosten von Fr. 1'200.-. Hinweise, dass die Gesuchstellerin erst nach der Fällung der massgeblichen Entscheide in finanzielle Schwierigkeiten geraten bzw. mittellos geworden wäre, bestehen keine. Bereits im Verfahren vor Obergericht
ersuchte die Gesuchstellerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, welches Gesuch jedoch infolge Aussichtslosigkeit der Begehren abgewiesen wurde (act. 4/15 Dispositiv Ziffer 1). Damit ergeben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte, dass sich die finanzielle Situation der Gesuchstellerin seit den Entscheiden in den Verfahren Nr. LE190005-O des Obergerichts sowie Nr. EE180058-D des Bezirksgerichts Dielsdorf erheblich verschlechtert hätte bzw. eine allfällige Prozessarmut erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten wäre. Zudem ergibt sich aus dem Urteil des Bezirksgerichts Dielsdorf, dass der Gesuchstellerin aus dem Verkauf der Liegenschaft an der ... [Adresse] Fr. 500'000.- zustehen werden (act. 4/14 S. 5). Damit ist ohnehin fraglich, ob die Gesuchstellerin das Kriterium der dauerhaften Mittellosigkeit erfüllt. Jedenfalls kann festgehalten werden, dass - könnte die Gesuchstellerin bei diesen Gegebenheiten nur wenige Monate nach Ergehen der massgeblichen Entscheide die Kostenauflagen auf dem Weg des Erlasses korrigieren - die Kostenentscheide und Art. 29 Abs. 3 BV bzw. die weiteren massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen bedeutungslos würden (vgl. dazu auch Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission zur ZPO vom Juni 2003, S. 54). Die Gutheissung eines Kostenerlassgesuchs wäre mit dem öffentlichen Interesse an einer gleichmässigen und konsequenten Durchsetzung staatlicher Ansprüche, welche aus einem neueren Entscheid resultieren, nicht zu vereinbaren (vgl. auch Entscheide der Rekurskommission OGer ZH Nrn. KD170005-O vom 2. November 2017, E. 3.2, und KD160001-O vom 18. März 2016, E. 3.3; Entscheid VerwGer ZH KE.2011.0001 vom 23. August 2011; Entscheid OGer BE ZK 11 72 EIC vom
13. September 2011, mit Hinweis auf OGer SH 60/1999/44 vom 29. Dezember 2000). Ein Erlass der der Gesuchstellerin mit Beschluss vom 4. März 2019, Nr. LE190005-O, bzw. mit Urteil vom 18. März 2019, Nr. EE180058-D, auferlegten Kosten von insgesamt Fr. 2'100.- kommt daher im jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage.
3. Damit bleibt festzuhalten, dass das Gesuch um Kostenerlass abzuweisen ist. Für die Vereinbarung einer Stundung von Ratenzahlungen hat sich die Gesuchstellerin praxisgemäss an die Zentrale Inkassostelle zu wenden.
IV.
Die Kosten des Verfahrens gehen ausgangsgemäss zu Lasten der Gesuchstellerin. Sie sind auf Fr. 500.- anzusetzen.
Prozessentschädigungen sind keine zu entrichten.
2. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.
Das Gesuch um Kostenerlass wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 500.- festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Gesuchstellerin auferlegt.
Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Rechtsvertreter der Gesuchstellerin, zweifach, für sich und die Gesuchstellerin, sowie
an die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.
Rechtsmittel :
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der Zustellung an ge- rechnet, bei der Rekurskommission des Obergerichts, Hirschengraben 13/15, Postfach, 8021 Zürich, schriftlich Rekurs eingereicht werden.
Die Rekursschrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Materielle und formel-
le Entscheide der Rekursinstanz sind kostenpflichtig; die Kosten hat die im Verfahren unterliegende Partei zu tragen.
Zürich, 3. September 2019
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu versandt am:
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