Zusammenfassung des Urteils VV110025: Obergericht des Kantons Zürich
Im vorliegenden Fall wurde ein Handelsrichter im Verfahren HG090209 wegen möglicher Befangenheit abgelehnt. Die Beklagte hatte Bedenken geäussert, da der Richter in anderen Fällen die Gegenpartei vertrat. Nach verschiedenen Stellungnahmen und Verfahrensschritten entschied die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, den Richter aus dem Verfahren auszuschliessen. Die Gerichtskosten wurden auf CHF 7'200 festgesetzt, und die Klägerin wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung von CHF 3'456 verpflichtet. Der abgelehnte Handelsrichter war männlich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VV110025 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 29.02.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ablehnung eines Handelsrichter |
Schlagwörter: | Recht; Ablehnung; Richter; Verfahren; Handelsrichter; Gerichts; Handelsgericht; Beklagten; Abgelehnte; Gericht; Obergericht; Anwalt; Obergerichts; Entscheid; Verwaltungskommission; Ablehnungsbegehren; Anwalt; Anschein; Befangenheit; Prozesspartei; Eingabe; Verfügung; Abgelehnten; Bundesgericht; Frist; Ausstand; Umstände |
Rechtsnorm: | Art. 183 ZPO ;Art. 30 BV ;Art. 404 ZPO ;Art. 405 ZPO ;Art. 50 ZPO ;Art. 6 ZPO ; |
Referenz BGE: | 116 Ia 135; 116 Ia 485; 135 I 14; 136 I 207; 137 III 424; |
Kommentar: | Frank, Sträuli, Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 1997 |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr.: VV110025-O/U
Mitwirkend: Obergerichtspräsident Dr. H.A. Müller, Vizepräsident lic. iur. R. Naef und Oberrichter lic. iur. M. Burger sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Beschluss vom 29. Februar 2012
in Sachen
AG,
Beklagte und Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
,
Klägerin und Gesuchsgegnerin
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
Erwägungen:
Im Rahmen des am Handelsgericht des Kantons Zürich seit dem
7. September 2009 hängigen Verfahrens HG090209 betreffend Forderung stellte die Beklagte und Gesuchstellerin (A. AG) (nachfolgend: Beklagte) mit Eingabe vom 7. Oktober 2011 ein Ablehnungsbegehren gegen Handelsrichter lic. iur. Z. (act. 3/46). Handelsrichter Z. hatte zuvor, nämlich am 28. September 2011, das Handelsgericht darüber informiert, dass er als Gegenanwalt die Gegenpartei der Beklagten in anderen Personenschadenfällen vertrete (act. 3/44). In der Folge setzte das Handelsgericht den Parteien mit Verfügung vom 29. September 2011 Frist an, um zu erklä- ren, ob sie auf der Grundlage der Erklärung des Handelsrichters Z. dessen Ausstand verlangten (Protokoll Handelsgericht S. 25).
Mit Verfügung vom 19. Oktober 2011 überwies das Handelsgericht das Ablehnungsbegehren sodann an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich (act. 1). Es wies dabei darauf hin, dass der Abgelehnte selbst keinen Ausstand verlangt habe und B. (nachfolgend: Klägerin) durch ihr Stillschweigen auf die Verfügung vom 29. September 2011 Verzicht auf ein Ausstandsbegehren zum Ausdruck gebracht habe, weshalb es sich um ein streitiges Ablehnungsbegehren im Sinne von § 101 GVG handle. Die Verwaltungskommission setzte dem abgelehnten Handelsrichter lic. iur. Z. hierauf mit Verfügung vom 25. Oktober 2011 Frist zur schriftlichen Vernehmlassung und Abgabe einer gewissenhaften Erklärung im Sinne von § 100 GVG an (act. 4). Am 1. November 2011 reichte der abgelehnte Handelsrichter eine Stellungnahme ein und gab die gewissenhafte Erklärung ab, sich nicht als befangen zu erachten (act. 5). Mit Verfügung vom
November 2011 wurde der Klägerin sodann Frist zur freigestellten Stellungnahme zum Ablehnungsbegehren und zur gewissenhaften Erklärung des Abgelehnten angesetzt (act. 7). Mit gleicher Verfügung wurde auch der Beklagten Frist zur Stellungnahme zur gewissenhaften Erklärung gesetzt
(act. 7). Am 11. November 2011 liess die Klägerin durch ihren Rechtsvertreter die Abweisung des Ablehnungsgesuchs beantragen (act. 8). Durch Eingabe vom 14. November 2011 liess die Beklagte das Festhalten am Ablehnungsgesuch bestätigen (act. 9). Nach einer weiteren Verfügung des Präsidenten des Obergerichts vom 18. November 2011 (act. 10) reichten die Beklagte am 28. November 2011 (act. 11) und am 1. Dezember 2011 (act. 13) sowie die Klägerin nach einmaliger Fristerstreckung (act. 12) am
15. Dezember 2011 (act. 14) je eine weitere Eingabe ins Recht und hielten an ihren Anträgen fest. Am 19. Dezember 2011 wurde den Parteien eine weitere Frist zu einer allfälligen Stellungnahme angesetzt (act. 15), woraufhin die Beklagte mit Eingabe vom 29. Dezember 2011 an ihren Anträgen festhielt (act. 16). Mit Verfügung vom 24. Januar 2012 wurde die Stellungnahme der Beklagten der Klägerin zugestellt (act. 17).
Seit dem 1. Januar 2011 gilt die neue schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Bei Verfahren, die - wie das vorliegende - bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gelten die bisherigen kantonalen Prozessvorschriften (Art. 404 Abs. 1 ZPO). Das sind ZPO/ZH und GVG.
Gemäss dem Beschluss des Obergerichts vom 7. Dezember 2011 über die Geschäftsverteilung unter den Kammern des Obergerichts im Jahre 2012 wird unter dem Titel Zuständigkeiten für übergangsrechtliche Ausstandsbegehren (Ziff. 4) festgehalten, dass die Verwaltungskommission altrechtliche Ausstandsbegehren zu beurteilen hat, wenn Handelsrichter abgelehnt werden. Nach § 16 Abs. 3 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission bei Geschäften der Justizverwaltungsrechtsprechung in Dreierbesetzung. Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung des Ablehnungsbegehrens gegen den abgelehnten Handelsrichter zuständig.
Die Beklagte stellt sich in ihren Eingaben vom 7. Oktober 2011,
14. November 2011, 28. November 2011, 1. Dezember 2011 und
29. Dezember 2011 zusammengefasst auf den Standpunkt, folgende Umstände führten zum Anschein von Befangenheit: Der Abgelehnte weise zum einen selbst darauf hin, dass er in anderen laufenden Personenschadenfäl- len die Interessen seiner Klientschaft gegenüber der Beklagten vertrete. Zudem sei zurzeit an einem Bezirksgericht ein Verfahren hängig, in welchem der Büropartner des Abgelehnten die Gegenpartei der Beklagten vertrete. Weiter erwecke der Abgelehnte aufgrund seiner Positionierung auf der Webseite C. .ch den Anschein von Befangenheit. Schliesslich trete
der Abgelehnte als Vertrauensanwalt des D.
auf, was den Anschein
von Befangenheit begründe (act. 2 = act. 3/46). Das Bundesgericht habe in seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass ein als Richter tätiger Anwalt als befangen erscheine, wenn in einem anderen Verfahren ein Vertretungsverhältnis zur Gegenpartei einer Prozesspartei bestehe bzw. bestanden habe. Dies müsse auch für den vorliegenden Fall gelten. Am Anschein von Befangenheit vermöge auch nichts zu ändern, dass der Abgelehnte heute offenbar nicht mehr Vertrauensanwalt beim D. sei und er die Homepage von C. .ch als veraltet bezeichne (act. 9).
Die Klägerin begründet ihren Antrag um Abweisung des Ablehnungsbegehrens in ihren Eingaben vom 11. November 2011 bzw. 15. Dezember 2011 im Wesentlichen damit, die Annahme eines Ablehnungsgrundes würde zu einem faktischen Ausschluss des Abgelehnten führen. Die seitens der Beklagten vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet, einen Ablehnungsgrund zu begründen. Konstellationen wie die Vorliegende lägen in der Natur des Spruchkörpers des Handelsgerichts; andere Handelsrichter kämen aus der Versicherungsbranche. Damit bestehe automatisch eine gewisse Nähe zu Versicherungsgesellschaften, die in Prozessen Parteistellung hätten. Würde man der Argumentation der Beklagten folgen, so könnten künftig auch Fachrichter, die zur Versicherungswirtschaft beruflich eine nahes Verhältnis hätten, von der geschädigten Partei als befangen abgelehnt werden (act. 8 und act. 14).
Der Abgelehnte hält in der Eingabe vom 1. November 2011 fest, der Umstand, dass er selbst Schadenersatzprozesse gegen die Beklagte führe, und die von der Beklagten angesprochene jahrelange Gegnerschaft müssten im Versicherungsbereich unbeachtlich bleiben. Das Handelsgericht sei in der Vergangenheit in der Regel mit Angestellten Organen der Versicherungswirtschaft besetzt gewesen. Den notwendigen Sachverstand hätten in aller Regel einzig Personen, die im Versicherungsbereich arbeiteten Vertreter von Geschädigten bzw. von Versicherten seien. Die geforderte Sachkunde korreliere damit mit der Tätigkeit in der entsprechenden Branche. Würde man aus dem Umstand, dass ein Handelsrichter in anderen Auseinandersetzungen Rechtsvertreter der Gegenpartei sei, einen Ablehnungsgrund ableiten, so wäre das Handelsgericht als Fachgericht im Versicherungsbereich generell in Frage gestellt. Im Übrigen bestehe im heutigen
Zeitpunkt keine Mitgliedschaft als Vertrauensanwalt beim D. (act. 5).
mehr
Gemäss § 60 GVG entscheidet das Handelsgericht Rechtsstreitigkeiten in einer Besetzung von zwei Mitgliedern des Obergerichts und drei vom Kantonsrat gewählten Handelsrichtern. Letztere werden für die einzelne Rechtssache nach Möglichkeit unter Berücksichtigung ihrer Sachkunde eingesetzt (§ 59 und § 60 Abs. 2 GVG). Handelsrichter sind nebenamtliche Richter und gehen in aller Regel einer weiteren Tätigkeit wie z.B. dem Anwaltsberuf nach. In diesem Zusammenhang können sich Probleme hinsichtlich des Anspruchs auf einen unabhängigen und unvoreingenommenen Richter stellen.
§ 3 Abs. 2 GVG enthält zwar detaillierte Bestimmungen über die Zulässigkeit berufsmässiger Vertretung vor Gerichten durch Mitglieder der Bezirksgerichte, des Obergerichts und des Kassationsgerichts. Anders als der seit dem
Januar 2011 in Kraft stehende § 6 GOG enthält das hier anwendbare kantonale Prozessrecht jedoch keine Bestimmungen für nebenamtliche Handelsrichter.
Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziffer 1 EMRK sowie §§ 95 ff. GVG hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Streitsache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter beurteilt wird. So kann gemäss § 96 GVG jeder Justizbeamte abgelehnt werden selbst den Ausstand verlangen, wenn andere Umstände als die in § 96 Ziff. 1-3 GVG aufgezählten vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen (§ 96 Ziff. 4 GVG). Der Einzelne hat Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie des verfassungsmässigen Richters verletzt (BGE 135 I 14 mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der Unvoreingenommenheit sind unter objektivem Gesichtspunkt namentlich auch die äusseren Umstände sowie Fragen funktioneller Natur und der inneren Organisation des Verfahrens von Bedeutung. Auch in dieser Hinsicht kann schon dem blossen Anschein der Befangenheit Gewicht zukommen (BGE 116 Ia 485 E. 3b mit Hinweisen).
In früheren Verfahren ist schon vorgetragen worden, Handelsrichter seien voreingenommen, weil sie als eigentliche Interessenbzw. Branchenvertreter anzusehen seien. Diese Sichtweise wurde vom Bundesgericht allerdings zurückgewiesen, indem es darlegte, Aufgabe der Handelsrichter sei es, unabhängig von Interessenbindungen ihre Fachkenntnisse in den Prozess einzubringen (BGE 136 I 207 E. 3.5.4 mit Hinweisen). Davon ist auch hier auszugehen. Der eidgenössische Gesetzgeber hat mit Art. 6 ZPO denn auch die Institution des Handelsgerichts als Fachgericht bestätigt. Und in diesem Zusammenhang hat er insbesondere auch mit Art. 183 Abs. 3 ZPO festgelegt, wie das Gericht mit einem sogenannten Fachrichtervotum eines Handelsrichters umzugehen hat (H.A. Müller, DIKE-Kommentar zur ZPO, N. 21 und 22 zu Art. 183 ZPO mit Hinweisen).
Übt jemand, der als Rechtsanwältin Rechtsanwalt praktiziert, neben dem Anwaltsberuf auch ein Richteramt aus, so kann sich im Einzelfall die
Frage stellen, inwieweit er in seiner richterlichen Tätigkeit wirklich von jeglichen Interessenbindungen frei ist. In der jüngsten Lehre wird ausgehend von der durch die American Bar Association aufgestellten Regel A judge shall not practice law mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass das Doppelmandat von Richter und Anwalt geeignet sei, die funktionalen Unterschiede zwischen den beiden Tätigkeiten zu verwischen und das Ansehen in die je spezifische Unabhängigkeit von Anwälten und Richtern zur Disposition zu stellen (Kiener/Medici, Anwälte und andere Richter, in SJZ 107/2011 S. 373 und 383).
Das Bundesgericht hat sich in verschiedenen Entscheiden mit derartigen Doppelmandaten befasst. So führte es in BGE 116 Ia 485 E. 3b aus, ein als Richter amtender Anwalt erscheine dann als befangen, wenn zu einer Prozesspartei ein noch offenes Mandat bestehe wenn er für eine Prozesspartei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig geworden sei, dass zwischen Prozesspartei und Richter eine Art Dauerbeziehung bestehe. Ein einzelnes abgeschlossenes Mandat vermöge im Normalfall allerdings den Anschein der Befangenheit noch nicht zu begründen. Nicht entscheidend sei, dass die bisherigen Mandatsverhältnisse in keinem Sachzusammenhang mit dem aktuellen Streitgegenstand stünden und für dessen Beurteilung ohne präjudizielle Bedeutung seien. Der Eindruck könne vielmehr auch in einem solchen Fall nicht von der Hand gewiesen werden, dass bei der Beurteilung eine unzulässige Rücksichtnahme wegen einer künftigen Mandatierung mitzuspielen vermöge. In BGE 116 Ia 135 E. 3c befasste sich das Bundesgericht mit dem Fall eines ausserordentlichen Präsidenten eines Strafgerichts, der im Hauptberuf als Anwalt tätig war. Das Bundesgericht bejahte einen Ablehnungsgrund, weil der Gerichtspräsident in seiner Eigenschaft als Anwalt ein bedeutendes Bankinstitut als Klienten hatte und dieses Bankinstitut ein erhebliches finanzielles Interesse an einem Geschäft hatte, das Gegenstand des Strafverfahrens war.
In einem Urteil vom 15. Mai 1992 (1P.665/1991, publiziert in ZBl 94/1993
S. 86f.) akzeptierte das Bundesgericht den Umstand, dass eine als Anwältin
tätige Richterin in einem früheren Prozess die Gegenpartei einer Prozesspartei vertreten hatte. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde hiess der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 21. Dezember 2000 gut (Recueil CourEDH 2000-XIII S. 416 Ziff. 47f). Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer Anlass gehabt habe, davon auszugehen, dass die betreffende Richterin ihn nach wie vor als Gegner ansehe. Der Gerichtshof stellte daher eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fest. An diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erinnerte das Bundesgericht in BGE 135 I 14 E.4.1, als es einen weiteren Fall eines Richters zu beurteilen hatte, der früher einmal die Gegenpartei einer Prozesspartei vertreten hatte. Es erwog dabei (BGE 135 I 14 E. 4.3), dass dann, wenn ein als Richter amtender Anwalt in einem anderen Verfahren nicht die Prozesspartei selber, sondern deren Gegenpartei vertrete vertreten habe, insofern ein Anschein der Befangenheit bestehe, als Erstere befürchte, der Richter könnte nicht zu ihren Gunsten, d.h. zu Gunsten der Gegenpartei seines Mandanten im anderen Verfahren, entscheiden wollen. Von einem Anwalt, der als nebenamtlicher Richter tätig sei, sei zwar zu erwarten, dass er zwischen seiner amtlichen und seiner beruflichen Tätigkeit zu unterscheiden wisse, und dass das Mandat, das in einem anderen Verfahren zu Gunsten der Gegenpartei bestehe bestanden habe, ihn nicht daran hindere, als Richter im fraglichen Prozess beiden Seiten gleichermassen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Von Bedeutung sei indessen, ob der Richter objektiv gesehen als befangen erscheine. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass eine Prozesspartei ihre negativen Gefühle gegenüber der Gegenpartei oft auf deren anwaltlichen Vertreter übertrage und der Anwalt der Gegenpartei für viele Parteien ebenso als Gegner wie die Gegenpartei selbst gelte, zumal er in aller Regel als der eigentliche Stratege im Prozess wahrgenommen werde. Das Bundesgericht kommt daher zum Ergebnis, dass es nachvollziehbar erscheine, wenn eine Prozesspartei von einem Richter, der sie in einem anderen Verfahren als Vertreter der Gegenpartei bekämpfe bekämpft habe und sie - aus ihrer Sicht - möglicherweise um
ihr Recht bringen wolle gebracht habe, nicht erwarte, er werde ihr plötzlich völlig unbefangen gegenübertreten.
Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung überzeugt; es gibt keinen Anlass, von ihr abzuweichen. Dass Rechtsstreitigkeiten von einem unabhängigen und unvoreingenommenen Gericht beurteilt werden, stellt ein verfassungsmässiges Recht dar. Jeder einzelne am Entscheid mitwirkende Richter muss daher dafür Gewähr leisten, dass er sich bei der Entscheidfindung einzig am Recht orientiert und das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Unabhän- gigkeit der Justiz erfüllt.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten und wird seitens des Abgelehnten selbst bestätigt (act. 3/44), dass er in weiteren, zurzeit hängigen Verfahren als Anwalt der Gegenpartei der Beklagten auftritt. Es bestehen damit offene Mandatsbeziehungen zu Gegenparteien der Beklagten in anderen pendenten Verfahren, und es liegt somit entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 135 I 14 E. 4.3.) eine Konstellation vor, welche zumindest den Anschein von Befangenheit zu begründen vermag (vgl. in diesem Sinne auch Kiener/Medici, a.a.O., S. 380). Damit besteht ein Ablehnungsgrund gegen den Abgelehnten i.S.v. § 96 Ziff. 4 GVG. Das Ablehnungsbegehren ist daher gutzuheissen und der Abgelehnte ist von der weiteren Ausübung seines Amtes im handelsgerichtlichen Verfahren HG090209 betreffend Forderung auszuschliessen.
Auf die weiteren von der Beklagten geltend gemachten Umstände, dass der Büropartner des Abgelehnten die Gegenpartei der Beklagten in einem anderen Verfahren vertrete und dass der Abgelehnte selbst als Vertrauensanwalt des D. auftrete, muss unter diesen Umständen nicht weiter eingegangen werden. Gleiches gilt hinsichtlich der Positionierung des Abgelehnten auf der Webseite C. .ch (act. 2 Rz 2 bis 4).
Da das dem Ablehnungsentscheid zugrunde liegende Ausgangsbegehren eine zivilrechtliche Angelegenheit darstellt, richtet sich die Gerichtsgebühr nach dem Streitwert. In Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 sowie § 7 der Verordnung des Obergerichts über die Gerichtsgebühren vom 4. April 2007 (LS 211.11) ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 7'200.- festzusetzen. Die Klägerin, welche die Abweisung des Ablehnungsbegehrens beantragt hat und damit unterlegen ist, ist für das Verfahren vor der Verwaltungskommission grundsätzlich kostenpflichtig (§ 64 Abs. 2 ZPO/ZH; vgl. zum Ganzen: Entscheid des Kassationsgerichts vom 24. Dezember 2010, AA090156 E. 4; Kostenfreiheit des Abgelehnten gestützt auf § 203 Ziff. 3 GVG). Mit Eingabe vom
16. Juni 2010 (act. 3/17) hat die Klägerin anlässlich der Replik im handelsgerichtlichen Verfahren ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes in der Person von Rechtsanwalt Dr. Y. gestellt. Darüber wurde bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden. Als Zwischenverfahren folgt das Verfahren betreffend die Ablehnung von Handelsrichter Z. denselben Regeln wie das Verfahren vor dem Sachgericht. Über die Frage der Gewäh- rung der unentgeltlichen Rechtspflege hat daher das Handelsgericht - auch für das Ablehnungsverfahren - zu entscheiden. Die Kostenauflage an die Klägerin erfolgt damit unter dem Vorbehalt der nachträglichen Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung durch das Handelsgericht (vgl. § 90 Abs. 2 ZPO/ZH sowie Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, § 90 N 3).
Die Klägerin ist sodann in Anwendung von § 68 Abs. 1 ZPO/ZH sowie § 3 Abs. 1 und 2, § 8 und § 7 der Verordnung des Obergerichts über die Anwaltsgebühren vom 21. Juni 2006 (LS 215.3) zu verpflichten, der Beklagten für das Ablehnungsverfahren eine Parteientschädigung im Umfang von Fr. 3'200.- zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer zu entrichten (vgl. Entscheid des Kassationsgerichts vom 24. Dezember 2010, AA090156 E. 4).
Für die Rechtsmittel gilt gemäss den Übergangsbestimmungen der schweizerischen Zivilprozessordnung das Recht, das bei der Eröffnung des Entscheides in Kraft ist (Art. 405 ZPO). In Bezug auf die Rechtsmittel findet das kantonale Recht somit keine Anwendung mehr, weshalb das (kantonale) Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde (vgl. § 281 ff. ZPO/ZH) vorliegend nicht gegeben ist. Die Verwaltungskommission entscheidet erstinstanzlich (BGer 5A_320 vom 8. August 2011 = BGE 137 III 424). Hinzuweisen ist im Sinne von Art. 405 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 ZPO und mit Blick auf den seit dem 1. Januar 2011 zu beachtenden Grundsatz des doppelten Instanzenzugs (BGE 137 III 424) auf das Rechtsmittel der Beschwerde an die Rekurskommission.
Es wird beschlossen:
In Gutheissung des Ablehnungsbegehrens wird Handelsrichter lic. iur.
Z. von der Ausübung seines Amtes im von der Klägerin und Gesuchsgegnerin gegen die Beklagte und Gesuchstellerin anhängig gemachten Verfahren am Handelsgericht HG090209 betreffend Forderung ausgeschlossen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 7'200.- festgesetzt und unter Vorbehalt der Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung durch das Handelsgericht der Klägerin auferlegt.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten für ihre Bemühungen eine Prozessentschädigung von Fr. 3'456.- zu entrichten.
Schriftliche Mitteilung an:
den Rechtsvertreter der Beklagten, zweifach, für sich und zuhanden der Beklagten (gegen Empfangsschein)
den Rechtsvertreter der Klägerin, zweifach, für sich und zuhanden der Klägerin (gegen Empfangsschein)
den abgelehnten Handelsrichter lic. iur. Z. (gegen Empfangsschein)
das Handelsgericht Zürich unter Rücksendung der beigezogenen Akten (gegen Empfangsschein)
Rechtsmittel :
Gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, bei der Rekurskommission des Obergerichts, Hirschengraben 13/15, Postfach 2401, 8021 Zürich, schriftlich Beschwerde eingereicht werden.
Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Materielle und formelle Entscheide der Beschwerdeinstanz sind kostenpflichtig; die Kosten hat die im Verfahren unterliegende Partei zu tragen.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Zürich,29. Februar 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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