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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VV110012)

Zusammenfassung des Urteils VV110012: Obergericht des Kantons Zürich

In dem vorliegenden Fall ging es um ein Ablehnungsbegehren gegen einen Bezirksrichter wegen Vorbefassung und Befangenheit. Die Gesuchsteller stellten das Begehren beim Bezirksgericht Bülach, das es an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich weiterleitete. Es wurde überprüft, ob der Richter befangen war, da er bereits in einem früheren Verfahren mitgewirkt hatte. Nach eingehender Prüfung wurde das Ablehnungsbegehren abgewiesen, da keine Anzeichen für Voreingenommenheit des Richters vorlagen. Die Gerichtskosten wurden den Gesuchstellern auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VV110012

Kanton:ZH
Fallnummer:VV110012
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VV110012 vom 04.07.2011 (ZH)
Datum:04.07.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ablehnung
Schlagwörter: Gesuchsteller; Abgelehnte; Recht; Verfahren; Richter; Vergleich; Verfahrens; Gericht; Zeuge; Entscheid; Ablehnung; Parteien; Zeugen; Prozessrisiko; Abgelehnten; Gesuchsgegnerin; Vergleichsgespräche; Richters; Aussage; Obergericht; Bezirksgericht; Befangenheit; Einschätzung; Bülach; Vorbefassung; Klage; Mitteilung
Rechtsnorm: Art. 404 ZPO ;Art. 405 ZPO ;Art. 58 OR ;
Referenz BGE:114 Ia 53; 115 V 263; 116 Ia 28; 134 I 238;
Kommentar:
Hauser, Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich, 2002

Entscheid des Verwaltungsgerichts VV110012

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VV110012-O/U

Mitwirkend: der Obergerichtspräsident Dr. H.A. Müller, Vorsitzender, Oberrichterin Dr. D. Scherrer und Oberrichter lic. iur. M. Burger sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Zweifel

Beschluss vom 4. Juli 2011

in Sachen

  1. A.

  2. B.

Gesuchsteller

1, 2 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

C. AG

Gesuchsgegnerin

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.

betreffend Ablehnung von [ ] lic. iur. D._ , Bezirksgericht Bülach, im Prozess CG100065 betreffend Forderung

Erwägungen:

I.

  1. Im Rahmen eines am Bezirksgericht Bülach hängigen Verfahrens betreffend

    Forderung (Werkeigentümerhaftung, CG100065) stellten A.

    und

    B. (nachfolgend: Gesuchsteller) mit Eingabe vom 21. April 2011 beim Bezirksgericht Bülach ein Ablehnungsbegehren gegen [ ] lic. iur. D. wegen Vorbefassung und Befangenheit (act. 1).

  2. Mit Schreiben vom 4. Mai 2011 überwies der Abgelehnte das Ablehnungsbegehren an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zü- rich zur Behandlung. Gleichzeitig gab er die gewissenhafte Erklärung ab, es liege kein Ausstandsgrund vor und er fühle sich nicht befangen (act. 2).

  3. Mit Verfügung vom 19. Mai 2011 wurde den Gesuchstellern eine Kopie der gewissenhaften Erklärung zur allfälligen Stellungnahme innert 10 Tagen zugestellt (act. 4). Am 3. Juni 2011 reichten die Gesuchsteller innert Frist eine Stellungnahme ein und hielten an ihrem Begehren fest (act. 5).

II.

  1. Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz die neue Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Bei Verfahren, die - wie das Vorliegende - bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht und damit die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich (ZPO/ZH) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) weiterhin bzw. bis zum Abschluss des Verfahrens vor der betroffenen Instanz (Art. 404 Abs. 1 ZPO).

  2. Nach § 101 Abs. 1 GVG sowie § 18 lit. k Ziff. 1 der Verordnung des Obergerichts über die Organisation vom 3. November 2010 (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission des Obergerichts als Aufsichtsbehörde über

Ausstandsbegehren, die sich gegen Mitglieder der Bezirksgerichte richten. Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung des Ablehnungsbegehrens gegen den abgelehnten Bezirksrichter zuständig.

III.

  1. Dem vorliegenden Verfahren liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Am tt.mm.1990 verunfallte die Ehefrau des Gesuchstellers 1 und Mutter des Gesuchstellers 2 auf dem Betriebsgelände der C. AG (nachfolgend: Gesuchsgegnerin) in E. , indem sie bei Dunkelheit in einen ungesicherten Treppenschacht von ungefähr drei Metern Tiefe stürzte. Die Geschädigte zog sich Verletzungen zu. Inzwischen ist die Geschädigte aufgrund eines Autounfalls verstorben. In der Folge klagten die Gesuchsteller in ihrer Stellung als Erben gegen die Gesuchsgegnerin aus Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR. Das Bezirksgericht Bülach wies die Klage ab. Die dagegen erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Zürich gut und wies das Verfahren zur neuen Entscheidung, insbesondere zur Durchführung eines Beweisverfahrens bezüglich der Frage, ob sich die Geschädigte mit Wissen der Gesuchsgegnerin bereits vor dem Unfall in deren Hinterhof aufgehalten habe, an die Vorinstanz zurück (act. 3/1). In der Folge wurde seitens des Bezirksgerichts Bülach zu Zeugeneinvernahmen am 8. April 2011 vorgeladen.

    Die Gesuchsteller werfen [ ] des Bezirksgerichts Bülach, lic. iur. D. , vor, er habe anlässlich der Beweisverhandlung vom 8. April 2011 ausgesagt, das Prozessrisiko sei für die Kläger (= Gesuchsteller) sehr gross, weshalb er als befangen erscheine. Die Gesuchsteller berufen sich sinngemäss auf den Ablehnungsgrund nach § 96 Ziff. 4 GVG sowie - allenfalls - auf den Ausstandsgrund nach § 95 Ziff. 3 GVG.

  2. In ihrer Eingabe vom 21. April 2011 machen die Gesuchsteller im Wesentlichen geltend, nach der Rückweisung des Verfahrens durch das Obergericht sei zu Zeugeneinvernahmen am 8. April 2011 vorgeladen worden. Im Anschluss an die Mitteilung D. s, dass ein Zeuge nicht erscheinen könne, habe er die Parteien gefragt, ob Vergleichsgespräche geführt worden seien.

    Dies sei verneint worden. Alsdann habe D.

    festgehalten, trotz des

    Rückweisungsentscheides erachte er das Prozessrisiko der Kläger als sehr gross. Sodann habe er bei der klägerischen Seite nachgefragt, ob sie sich einen Klagerückzug vorstellen könnte. Dies sei verneint worden. Es sei sodann die Befragung des Zeugen F. erfolgt. Die Mitteilung hinsichtlich des Prozesskostenrisikos - so die Gesuchsteller - sei aus eigener Initiative unmittelbar vor der Durchführung einer Zeugeneinvernahme erfolgt. Dadurch habe D.

    den Eindruck erweckt, er habe sich bereits eine abschliessende Meinung gebildet, welche durch die Zeugenbefragung nicht mehr geändert werden könne. Damit erscheine er als befangen. Bereits im

    ersten Rechtsgang habe D.

    anlässlich der Referentenaudienz vom

    10. April 2008 ausgeführt, die Gesuchsteller hätten wenig Chancen, den Prozess zu gewinnen. An dieser Beurteilung halte er auch im zweiten Rechtsgang fest. Die Vorbefassung sei geeignet, D. als befangen erscheinen zu lassen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beisitzern um Laienrichter handle und D. als Jurist damit einen erheblichen Einfluss auf deren Meinungsbildung habe (act. 1).

  3. Der Abgelehnte führt in seiner Erklärung vom 4. Mai 2011 aus, er habe anlässlich besagter Beweisverhandlung die Parteien ausserhalb des Protokolls gefragt, ob nach dem Rückweisungsentscheid der Rechtsmittelinstanz Vergleichsgespräche geführt worden seien. Dies sei verneint worden. Er habe dann die Parteien gefragt, ob ein Vergleich an diesem Tag möglich wäre. Die Gesuchsgegnerin habe dies verneint, habe aber darauf hingewiesen, dass bei einem Klagerückzug allenfalls auf eine Prozessentschädigung verzichtet werde. Erst aufgrund dessen habe er von der klägerischen Seite wissen wollen, wie sie zu einem Klagerückzug stehe, und habe er diesbezüglich den Hinweis angebracht, dass er das Prozessrisiko der Gesuchsteller als erheblich einstufe. Es treffe nicht zu, so der Abgelehnte, dass er sich bereits eine abschliessende Meinung gebildet habe. Die Aussagen der beiden Zeugen könnten für den Ausgang des Verfahrens durchaus von wesentlicher

    Bedeutung sein. Es dürfte den Parteien jedoch auch klar sein, dass die Zeugen zu einem zwanzig Jahre zurückliegenden Sachverhalt Aussagen machen müssten und die Beweislast bei den Gesuchstellern liege, weshalb seine, des Richters, Einschätzung durchaus realistisch sei (act. 2).

  4. In der Eingabe vom 3. Juni 2011 halten die Gesuchsteller nochmals fest, der Abgelehnte habe vor der Zeugenbefragung auf eigene Initiative und ohne Veranlassung bekannt gegeben, dass er das Prozessrisiko der Gesuchsteller trotz der obergerichtlichen Rückweisung nach wie vor als sehr gross erachte. Es werde bestritten, dass die Gesuchsgegnerin eine Vergleichsofferte gemacht habe. Selbst wenn dem so wäre, wäre die Prozessrisikobeurteilung auf Initiative des Richters hin erfolgt. In seiner Stellungnahme habe der Richter sodann an seiner Einschätzung des Prozessrisikos als durchaus realistisch festgehalten und damit seine Prozessrisikobeurteilung bekräftigt. Gemäss dem Bundesgericht sei bei Mitteilungen einer vorläufigen Einschät- zung der Prozessaussichten grosse Zurückhaltung geboten (act. 5).

IV.

  1. Wie dargelegt machen die Gesuchsteller sinngemäss geltend, der Abgelehnte habe bereits in gleicher Sache am Entscheid vom 9. Juli 2008 mitgewirkt. Damit ist zu prüfen, ob ein von Amtes wegen zu beachtender Ausschlussgrund gemäss § 95 Ziff. 3 GVG vorliegt.

  2. Der Ausschlussgrund von § 95 Ziff. 3 GVG bezweckt die Verhinderung mehrfacher Mitwirkung in der gleichen Sache in oberer Instanz bzw. in anderer amtlicher Stellung (sog. Vorbefassung; Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 95 N 24). Selbst wenn eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das Gericht bei Parteien immer dann entstehen kann, wenn einzelne Gerichtspersonen in einem früheren Verfahrensstadium mit der konkreten Streitsache schon einmal zu tun hatten, stellt die Mitwirkung der an einem

aufgehobenen Entscheid beteiligten Gerichtsperson am neuen Entscheid nach ständiger bundesgerichtlicher und kantonaler Rechtsprechung keine unzulässige Vorbefassung und damit keinen Ausschlussgrund dar. Begrün- det wird dies damit, dass Mitglieder einer Behörde nicht um einer früheren Entscheidung willen sich neuen Gründen einer nochmaligen Prüfung der Gründe verschliessen (BGE 116 Ia 28 und 32; ZR 18 Nr. 45 S. 89; ZR 100 Nr. 43 S. 139 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Dieser Praxis folgend liegt damit vorliegend aufgrund dessen, dass der Abgelehnte am Entscheid vom 9. Juli 2008 mitgewirkt hat und nun erneut urteilen wird, kein Fall von Vorbefassung i.S.v.

§ 95 Ziff. 3 GVG vor. Ebenso wenig stellt die Vorbefassung des Abgelehnten für sich alleine einen Ablehnungsgrund nach § 96 Ziff. 4 GVG dar (ZR 100 Nr. 43).

    1. Die Gesuchsteller machen sodann geltend, durch die oberwähnte Äusserung des Abgelehnten anlässlich der Beweisverhandlung vom 8. April 2011 habe er den Anschein der Befangenheit erweckt (act. 1). Der Abgelehnte bestreitet nicht, sich dementsprechend geäussert zu haben, anerkennt aber einen Ablehnungsgrund nicht (act. 2).

    2. Sowohl gestützt auf Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung wie auch Art. 6 Ziffer 1 EMRK, welche Bestimmungen für das kantonale Verfahrensrecht in den §§ 95 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes konkretisiert werden, hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Streitsache von einem unparteiischen Richter beurteilt wird. Jeder Justizbeamte gemäss § 95 GVG kann u.a. abgelehnt werden selbst den Ausstand verlangen, wenn andere Umstän- de als die in § 96 Ziff. 1-3 GVG aufgezählten vorliegen, die ihn als befangen erscheinen lassen (§ 96 Ziff. 4 GVG). Befangenheit ist die unsachliche innere Einstellung des Richters zu den Beteiligten und dem Gegenstand des konkreten Verfahrens, aufgrund welcher er in die Entscheidung unsachliche und sachfremde Elemente einfliessen lässt. Zu entscheiden ist, ob es unter den konkreten Umständen Anlass zu objektiv berechtigtem Misstrauen an der Unparteilichkeit des abgelehnten Justizbeamten gibt. Massgebend ist,

      ob bestimmte Umstände vorliegen, die auch in den Augen eines objektiven, vernünftigen Menschen geeignet sind, Misstrauen an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu wecken (BGE 115 V 263 mit Hinweisen; Pra. 1989 Nr. 221 S. 769). Bloss subjektives Empfinden der Befangenheit durch eine Partei genügt damit nicht. Nicht verlangt wird, dass der Richter tatsächlich voreingenommen ist; es genügt vielmehr bereits der objektiv gerechtfertigte Anschein, die für ein gerechtes Urteil notwendige Offenheit des Verfahrens sei nicht mehr gewährleistet. Angesichts der Bedeutung des Anspruchs auf ein unparteiisches und unabhängiges Gericht für die Akzeptanz des Urteils beim Rechtsuchenden bzw. bei den Rechtsunterworfenen sowie für die Legitimation der Rechtsprechung in einem demokratischen Rechtsstaat lässt sich eine restriktive Auslegung und Anwendung der zitierten Gesetzesbestimmungen nicht vertreten. Anderseits steht die Ablehnung eines Richters in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Der Eindruck der Befangenheit darf nicht leichthin angenommen werden und der Ausstand muss deshalb die Ausnahme bleiben, damit nicht die gesamte Verfahrensordnung ausgehöhlt und der Rechtsgang empfindlich gestört wird (BGE 114 Ia 53 E. 3b und c). Die Beurteilung eines Ablehnungsgrundes liegt im freien, pflichtgemässen Ermessen der erkennenden Behörde (Zum Ganzen Hauser/Schweri, a.a.O., § 96 N 31).

    3. In seiner neusten Rechtsprechung hält das Bundesgericht fest, eine Kontaktaufnahme des Referenten mit dem Rechtsvertreter des Beschuldigten während des Verfahrens und die Mitteilung an diesen, er, der Referent, werde gestützt auf die Akten wohl einen Antrag auf Abweisung der Berufung stellen, lasse Letzteren als befangen erscheinen. Der Kontakt erwecke den Anschein, der Referent sei in der Sache nicht mehr offen und voreingenommen. Die Partei könne mit Grund befürchten, der Referent unterziehe seine geäusserte Auffassung anlässlich der Verhandlung und Beratung nicht mehr einer unvoreingenommenen Prüfung. Daran vermöge der Einwand, es solle tatsächlich vorkommen, dass der Referent - soweit trotz entsprechender Mitteilung an der Berufung festgehalten werde - nach durchgeführter Verhandlung auf seine vorläufige Einschätzung zurückkomme, unter dem Gesichtswinkel des blossen Anscheins der Voreingenommenheit nichts zu ändern (BGE 134 I 238 E. 2.6). In seinem Entscheid vom 4. Mai 2011 erwägt das Bundesgericht sodann, generell sollte das Gericht mit Blick auf den Anspruch auf einen unbefangenen Richter vorläufige Einschätzungen der Prozessaussichten nur mit grosser Zurückhaltung vornehmen (1B_407/2010, Entscheid des Bundesgerichts vom 4. Mai 2011, E. 2).

    4. Vorliegend ist strittig, ob die Prozessrisikoabschätzung des Abgelehnten im Rahmen von Vergleichsgesprächen nach einer angeblichen Vergleichsofferte der Gesuchsgegnerin stattgefunden hat nicht (act. 2, act. 5 S. 3). Wäre dem so, so könnte dem Abgelehnten hinsichtlich der Darlegung seiner Einschätzung gegenüber den Parteien kein Vorwurf gemacht werden, da eine solche Beurteilung in der Regel gerade Bestandteil von Vergleichsverhandlungen ist. Im Rahmen von Vergleichsgesprächen ist es die Aufgabe des Richters herauszufinden, wozu die Parteien bereit sind und ob sie allenfalls einem Vergleich zustimmen würden. Dabei darf der Richter den Parteien seine Sicht der Dinge darlegen und die klagende Partei über ihre Ansicht zu einem Klagerückzug befragen. Dieses Vorgehen ist geradezu in der richterlichen Tätigkeit selbst begründet und entspricht dem Zweck von Vergleichsgesprächen, nämlich u.a. gestützt auf die Einschätzung des Falles durch den Richter eine Einigung zwischen den Parteien zu erlangen bzw. zu einem Verfahrensabschluss zu gelangen (Hauser/Schweri, a.a.O., § 96 N 45; ZR 83 Nr. 62 E. 3 ff.; siehe zum neuen Recht auch: Staehelin in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 124 N 10). Hat der Abgelehnte somit im konkreten Fall die massgebende Aussage tatsächlich im Rahmen von Vergleichsgesprächen gemacht - wie er geltend macht und worauf auch die unangefochten gebliebene Protokollnotiz Die Parteien sind nicht vergleichsbereit im Protokoll hindeutet (act. 3/Protokoll S. 8) - so kann daraus kein objektiv begründeter Anschein von Befangenheit abgeleitet werden. Vielmehr ist der Abgelehnte seiner Aufgabe als Richter, auf eine Einigung zwischen den Parteien hinzuwirken, nachgekommen.

    5. Selbst wenn die vorliegend massgebende Äusserung nicht anlässlich von konkreten Vergleichsgesprächen, sondern aus eigener Initiative des Abgelehnten erfolgt wäre, wie seitens der Gesuchsteller geltend gemacht wird, so wäre sie doch im Zusammenhang mit der Diskussion über eine allfällige Vergleichsbereitschaft bzw. einen möglichen Verfahrensabschluss erfolgt. Dies bestreiten denn auch die Gesuchsteller nicht; in ihrer Eingabe vom

21. April 2011 führten sie selbst aus, nach der Eröffnung der Beweisverhandlung habe der Abgelehnte zuerst über das Nichterscheinen des Zeugen G. informiert und sich in der Folge bei den Rechtsvertretern erkundigt, ob Vergleichsgespräche geführt worden seien, was verneint worden sei. Daraufhin habe der Abgelehnte aus eigener Initiative das Prozessrisiko der Gesuchsteller als hoch bezeichnet und sie gefragt, ob sie sich einen Klagerückzug vorstellen könnten (act. 1 S. 4). Damit ist unbestritten, dass die Äusserung des Abgelehnten nicht gänzlich unabhängig und losgelöst von der Diskussion über einen allfälligen Vergleich erfolgt ist. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem in BGE 134 I 238. Es trifft zwar zu und ist an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass Richter hinsichtlich vorläufiger Einschätzungen von Prozessaussichten zurückhaltend sein müs- sen. Angesichts der vorliegenden Umstände und insbesondere des Verfahrensstadiums, in welchem diese Aussage gemacht wurde, ist aber festzuhalten, dass die Aussagen des Abgelehnten im Rahmen dieser gebotenen Zurückhaltung gemacht wurden. Die Aussage vermag deshalb keinen Anschein von Befangenheit zu begründen. In der Erklärung vom 4. Mai 2011 hat der Abgelehnte ausgeführt, er habe sich keine abschliessende Meinung gebildet. Vielmehr sei ihm bewusst, dass die angerufenen Zeugen wesentliche Aussagen machen könnten (act. 2 S. 2). Dies erscheint - auch aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Menschen - überzeugend. Der Abgelehnte machte seine Äusserung gestützt auf die bisherigen Erkenntnisse und Beweismittel vor der Abnahme der weiteren, allenfalls massgebenden Beweise und im Wissen darum, dass noch nicht alle Beweismittel erhoben waren. Damit muss davon ausgegangen werden, dass der Abgelehnte seine Äusserung - wenn auch implizit - unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit gemacht hat und dass er für allfällige, im weiteren Verfahren erlangte neue Aspekte und Argumente offen sein und seine bisherige Ansicht daran überprü- fen wird. Allein durch die Aussage über das Prozessrisiko der Gesuchsteller anlässlich der Diskussion über eine allfällige Vergleichsbereitschaft hat der Abgelehnte weder zu objektiv berechtigtem Misstrauen hinsichtlich seiner Unparteilichkeit Anlass gegeben, noch hat er dadurch den Eindruck entstehen lassen, er würde auf seiner Ansicht unabhängig vom Ausgang der noch durchzuführenden Zeugeneinvernahmen beharren, zumal das Gericht gestützt auf § 148 ZPO/ZH ohnehin verpflichtet ist, alle massgebenden Beweismittel in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Dem Argument der Gesuchsteller, die Beisitzer am massgebenden Landgericht seien keine Juristen, sondern Laienrichter, weshalb der Meinung des Abgelehnten prozessentscheidende Bedeutung zukomme (act. 1 S. 6), kann sodann nicht gefolgt werden: Auch sogenannte Laienrichter sind gewählte Richter, welche in der Lage sind, sich eine eigenständige Meinung zu bilden und unabhängig zu entscheiden.

4. Abschliessend ist festzuhalten, dass den Akten keine Anzeichen auf ein voreingenommenes Verhalten des Abgelehnten entnommen werden können, welches geeignet wäre, in den Augen eines objektiven, vernünftigen Menschen Misstrauen an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu wecken. Unter Hinweis auf die gewissenhafte Erklärung des Abgelehnten erscheint mithin auch in den Augen eines aussenstehenden Dritten hinreichend gewährleistet, dass er sein Amt bei der Beweiswürdigung und Entscheidfällung unvoreingenommen und unparteilich wird ausüben können, wie dies Aufgabe und Pflicht eines jeden Richters gegenüber jeder Partei und jedem Rechtsvertreter ist. Das Ablehnungsbegehren ist daher abzuweisen.

V.

Ausgangsgemäss sind die Kosten den Gesuchstellern aufzuerlegen.

VI.

Für die Rechtsmittel gilt gemäss den Übergangsbestimmungen der Schweizerischen ZPO das Recht, das bei der Eröffnung des Entscheides in Kraft ist (Art. 405 ZPO). In Bezug auf die Rechtsmittel findet das kantonale Recht somit keine Anwendung mehr, weshalb das (kantonale) Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde (vgl. § 281 ff. ZPO/ZH) vorliegend nicht gegeben ist.

Es wird beschlossen:

  1. Das Ablehnungsbegehren wird abgewiesen.

  2. Die pauschale Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'000.- festgesetzt und den Gesuchstellern auferlegt.

  3. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Rechtsvertreter der Gesuchsteller, dreifach, für sich und zuhanden der Gesuchsteller (gegen Empfangsschein)

    • den Rechtsvertreter der Gesuchsgegnerin, zweifach, für sich und zuhanden der Gesuchsgegnerin (gegen Empfangsschein)

    • die Vorinstanz unter Rücksendung der beigezogenen Akten (gegen Empfangsschein)

  4. Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen.

Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) i.V.m. Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Zürich, 4. Juli 2011

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Zweifel

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