Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VU150085 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 22.01.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Kostenerlass |
Zusammenfassung: | Der Gesuchsteller schuldet dem Kanton Zürich insgesamt Fr. 10'015.35 aus Verfahren vor den Bezirksgerichten Horgen und Zürich. Er beantragte einen Kostenerlass, da er finanzielle Schwierigkeiten geltend machte. Die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich wies das Gesuch jedoch ab, da keine dauernde Mittellosigkeit vorlag. Der Gesuchsteller verfügte über Vermögen und ein gutes Einkommen, weshalb der Kostenerlass abgelehnt wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Gesuchsteller auferlegt. |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Obergericht; Mittellosigkeit; Erlass; Kostenerlass; Verfahren; Obergerichts; Inkasso; Gesuchstellers; Kanton; Inkassostelle; Zentrale; Einkommen; Bezirksgericht; Gerichtsgebühr; Person; Wohnung; Rekurs; Kantons; Verwaltungskommission; Berücksichtigung; Recht; Erlassgesuch; Verordnung; Begründung |
Rechtsnorm: | Art. 163 ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr.: VU150085-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef, Oberrichterin Dr.
D. Scherrer und Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden sowie die Gerichtsschreiberin MLaw C. Funck
in Sachen
,
Gesuchsteller
betreffend Kostenerlass
I.
(nachfolgend: Gesuchsteller) schuldet dem Kanton Zürich aus je
einem am Bezirksgericht Horgen und am Bezirksgericht Zürich durchgeführten Verfahren einen Betrag von insgesamt Fr. 10'015.35 (act. 3). Nachdem der Gesuchsteller bei der Zentralen Inkassostelle der Gerichte (nachfolgend: Zentrale Inkassostelle) am 3. August 2015 ein Erlassgesuch gestellt hatte (act. 4/8), lehnte der stellvertretende Generalsekretär dieses am 27. August 2015 einstweilen ab (act. 4/9). Gleichentags bzw. am 14. September 2015 wurde der Gesuchsteller über die Ablehnung des Gesuchs orientiert. Gleichzeitig wurde ihm eine Frist von dreissig Tagen angesetzt, um den Antrag zu stellen, das Erlassgesuch sei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vorzulegen (act. 4/10 bzw. act. 4/12 = act. 3). Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 hielt der Gesuchsteller am Kostenerlassgesuch fest (act. 2 = act. 4/13). In der Folge überwies die Zentrale Inkassostelle das Erlassgesuch zuständigkeitshalber an die Verwaltungskommission (act. 1 = act. 4/14).
II.
Gemäss § 18 Abs. 1 lit. q der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission über nachträgliche Gesuche um Stundung und Erlass von Verfahrenskosten (vgl. auch § 5 der Verordnung des Obergerichts über das Rechnungswesen der Bezirksgerichte und des Obergerichts sowie über das zentrale Inkasso vom 9. April 2003 [LS 211.14]).
Der Gesuchsteller führt zur Begründung des Gesuchs um Kostenerlass aus, bei Verpflichtung zur vollständigen Bezahlung der Prozesskosten könnte er in finanzielle Schwierigkeiten geraten, etwa, wenn er arbeitslos werden wür- de. Er habe Jahre gebraucht, um sein Kontoguthaben anzusparen und ein
Notgroschen werde überdies gewährleistet. Seine Eigentumswohnung habe er im Jahr 2011 mit Pensionskassengeldern erworben, er könne sie nicht verkaufen, um an flüssige Mittel zu gelangen. Im Jahr 2012 habe er erneut geheiratet und eine neue Familienplanung wäre bei Belastung durch die Prozesskosten schwierig, da seine Mittellosigkeit verlängert werden würde, zumal er auch Alimente an seinen Sohn und Leasingraten bezahlen müsse. Ausserdem stehe im Scheidungsurteil, dass er lediglich die Hälfte und nicht die gesamten Prozesskosten übernehmen müsse (act. 2).
Mit Urteil vom 16. Mai 2007 im Verfahren FE060852 des Bezirksgerichts Zü- rich wurden dem Gesuchsteller die Hälfte der Gerichtsgebühren von Fr. 3'500.-, der Schreibgebühren von Fr. 466.-, der Zustellgebühren von Fr. 361.- sowie der Vorladungsgebühren von Fr. 480.- auferlegt. In Anwendung von § 5 Abs. 3 der damals geltenden Verordnung über die Gerichtsgebühren vom 30. Juni 1993 ermässigte sich die Gerichtsgebühr in der Höhe von Fr. 3'500.- auf die Hälfte, mithin Fr. 1'750.-, da auf eine Begründung des Entscheids verzichtet wurde. Insgesamt belaufen sich die Kosten aus dem Verfahren FE060852 des Bezirksgerichts Zürich auf Fr. 3'057.-, der hälftige Anteil des Gesuchstellers auf Fr. 1'528.50. Hinzu kommen die Kosten seines unentgeltlichen Rechtsvertreters von Fr. 8'086.85, was ein Total von Fr. 9'615.35 ergibt. Die vom Gesuchsteller zu tragenden Kosten des Verfahrens FP090004 des Bezirksgerichts Horgen betragen Fr. 400.- unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die dem Gesuchsteller zur Hälfte auferlegte Gerichtsgebühr von Fr. 1'200.- gemäss § 10 Abs. 2 der damals in Kraft stehenden Verordnung des Obergerichts über die Gerichtsgebühren vom 4. April 2007 mangels Begründung auf zwei Drittel verringerte. Insgesamt schuldet der Gesuchsteller dem Kanton Zürich somit Fr. 10'015.35, was von der Zentralen Inkassostelle korrekt in Rechnung gestellt wurde (vgl. act. 4/1). Der diesbezügliche Vorwurf des Gesuchstellers läuft somit ins Leere.
Voraussetzung für den Erlass einer Kostenforderung ist das Vorliegen von dauernder Mittellosigkeit der gesuchstellenden Person. Davon ist auszugehen, wenn die betreffende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Prozesskosten selbst zu tragen. Zur Bestimmung der Mittellosigkeit sind die Einkünfte unter Berücksichtigung der Vermögenswerte den notwendigen Lebensaufwandkosten gegenüber zu stellen. Dabei ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum auszugehen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 7 ff.). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich der Grundbetrag für Nahrung und Kleidung etc., die Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, die Transportkosten zum Arbeitsplatz, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden, sowie Steuerschulden zu berücksichtigen (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Die finanziellen Verhältnisse sind von der gesuchstellenden Person hinreichend darzulegen. Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Ein Erlass der Kostenforderung führt zum endgültigen Untergang der Forderung. Damit kann diese auch dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Aufgrund dieser weitreichenden Bedeutung ist gemäss ständiger Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich ein Erlass der geschuldeten Kosten nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen bei ausgewiesener dauernder Mittellosigkeit zulässig. Allein die Tatsache, dass ein Schuldner zurzeit mittellos ist nur ein minimales Einkommen erzielt, vermag keine dauernde Mittellosigkeit zu begründen. Vielmehr setzt eine solche voraus, dass die gesuchstellende Person selbst unter Berücksichtigung der künftigen Einkommensund Vermögensentwicklung nicht fähig ist, die Schuld zu begleichen (sog. dauernde Mittellosigkeit). Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sind somit Einkünfte und Vermögenswerte zu berücksichtigen, die erst innerhalb der nächsten Jahre verfügbar werden kapitalisiert werden können (vgl. Jenny in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 112
N 5; BSK ZPO-Rüegg, Art. 112 N 1; ZR 83 [1984] Nr. 75). Einem Erlassgesuch ist demnach nicht zu entsprechen, wenn die aktuelle Mittellosigkeit in Zukunft durch eigene Anstrengungen wie dem Nachgehen einer Erwerbstä- tigkeit bzw. der Veräusserung von Vermögenswerten durch einen absehbaren Vermögenszufluss (bspw. Leistungen aus Erbschaft bzw. Eherecht, Versicherungsleistungen) beseitigt werden kann.
Der Gesuchsteller ist verheiratet (act. 2, act. 4/5). Wie beim Institut der unentgeltlichen Rechtspflege, dessen Bestimmungen für den von natürlichen Personen beantragten Kostenerlass analog angewendet werden (vgl. Stämpflis Handkommentar-ZPO, Fischer, Art. 112 N 8), gilt eine Person nur dann als mittellos, wenn sie ihre notwendigen Lebenshaltungskosten nicht aus ihrem Einkommen bzw. Vermögen decken und auch nicht auf unterstüt- zungspflichtige Drittpersonen zurückgreifen kann. Bei Ehepaaren ist diesbezüglich insbesondere die eheliche Unterstützungspflicht im Sinne von Art. 159 Abs. 3 und Art. 163 Abs. 1 ZGB zu beachten. Ein Kostenerlass ist somit nicht zu gewähren, wenn unter Berücksichtigung der ehelichen Unterstützungspflicht die dauernde Mittellosigkeit nicht ausgewiesen ist. Es sind daher nicht nur die Einkommensund Vermögensverhältnisse des Gesuchstellers, sondern auch jene seiner Ehefrau zu berücksichtigen.
Zu den finanziellen Verhältnissen des Gesuchstellers und seiner Ehegattin kann den Akten entnommen werden, dass der Gesuchsteller ein durchschnittliches monatliches Einkommen von Fr. 6'488.- erzielt, seine Ehefrau ein solches von Fr. 877.- (act. 4/5). Der Steuererklärung des Jahres 2014 ist sodann zu entnehmen, dass der Gesuchsteller monatlich Hypothekarzinsen von Fr. 860.- sowie Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'505.60 an seinen Sohn bezahlt (act. 4/5). Hinsichtlich der weiteren Lebenshaltungskosten des Gesuchstellers und seiner Familie wie etwa der Nebenkosten der Wohnung, der Krankenkassenprämien und allfälliger krankheitsbedingter Kosten, der Berufsauslagen etc. besteht mangels Unterlagen und substantiierten Ausführungen des Gesuchstellers hierzu Unklarheit.
Der Gesuchsteller ist Eigentümer einer Wohnung (act. 2 und act. 4/5) mit einem Steuerwert von Fr. 407'000.- (act. 4/5). Darauf lastet eine Hypothek
von Fr. 470'000.- (act. 4/5 und act. 4/7), was stark darauf hindeutet, dass der tatsächliche Verkehrswert der Wohnung höher sein muss als der in der Steuererklärung aufgeführte Wert. Sodann verfügen der Gesuchsteller und seine Ehefrau über Guthaben der Säule 3b von insgesamt Fr. 32'441.- (act. 4/5) sowie - unter Berücksichtigung der glaubhaften Ausführungen des Gesuchstellers diesbezüglich (vgl. act. 4/8) - über Kontoguthaben von Fr. 17'326.40 ([Fr. 43'466.- - Fr. 21'716.- - Fr. 7'008.- + Fr. 2'258.42 + 2 *
Fr. 162.99], vgl. act. 4/3-5 und act. 4/7). Davon ausgehend, dass der Verkehrswert der Wohnung mindestens so hoch ist wie die darauf lastende Hypothek wenn nicht sogar höher, verfügte der Gesuchsteller somit über ein gewisses Vermögen. Dass der Gesuchsteller seine Wohnung nicht verkaufen will, verhindert nicht, dass der entsprechende Vermögenswert in die Beurteilung miteinzubeziehen ist. Allerdings ist mangels entsprechender Dokumente und näheren Ausführungen des Gesuchstellers offen, ob und falls ja in welchem Umfang ein Guthaben seiner Pensionskasse und somit gebundene Mittel in der Wohnung investiert sind. Entsprechend ist unklar, wie hoch das dem Gesuchsteller bei einer Versilberung nach Abzug der Hypothekarschulden und Rückzahlung des Betrags zur Wohneigentumsförderung verbleibende Guthaben wäre.
Zusammenfassend kann nicht abschliessend beurteilt werden, ob der Gesuchsteller tatsächlich mittellos ist, auch wenn sich aus dargelegten Überlegungen als wahrscheinlich aufdrängt, dass der Gesuchsteller über genü- gend Vermögen verfügt, um die Forderung der Zentralen Inkassostelle begleichen zu können. Grundsätzlich wäre dem Gesuchsteller eine Frist anzusetzen, um sich diesbezüglich zu äussern bzw. um entsprechende Belege ins Recht zu reichen. Davon kann indes abgesehen werden, da dem Gesuch ohnehin, d.h. selbst bei bestehender aktueller Unmöglichkeit, die gegenwärtigen Ausstände innert nützlicher Frist zu begleichen, nicht entsprochen werden kann, wie nachfolgend zu zeigen sein wird.
Wie dargelegt, setzt ein Kostenerlass nicht nur aktuelle, sondern vielmehr dauernde Mittellosigkeit voraus. Der Gesuchsteller wird in einem Monat 47
Jahre alt werden und wird bis zum Pensionsalter somit noch rund achtzehn Jahre arbeiten können. Er ist zu 100 % arbeitstätig und generiert ein gutes Einkommen. Gründe, weshalb er in naher Zukunft kein entsprechendes Einkommen erzielen gar keine Arbeitstätigkeit mehr ausüben können sollte, ergeben sich aus den Akten keine und werden vom Gesuchsteller auch nicht näher dargelegt. So bestehen namentlich keine Hinweise, der Gesuchsteller werde aus gesundheitlichen Gründen keiner nur einer beschränkten Erwerbstätigkeit nachgehen können. Die vom Gesuchsteller aufgeworfene Frage, wie es etwa wäre, wenn er seine Stelle verlieren würde, ist rein hypothetischer Natur. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesuchsteller - sofern ihm dies nicht jetzt bereits möglich ist - in Verlauf der nächsten Jahre seine Schulden zumindest in Raten abzahlen kann. Es kann zusammenfassend im jetzigen Zeitpunkt, welcher allein massgebend ist, nicht von einer dauernden Mittellosigkeit ausgegangen werden. Damit sind die Voraussetzungen für einen Kostenerlass nicht gegeben.
6. Aus diesem Grund ist das Gesuch um Erlass der Kosten abzuweisen. Für die Vereinbarung von Ratenzahlungen und/oder Stundungen hat sich der Gesuchsteller praxisgemäss an die Zentrale Inkassostelle zu wenden.
III.
Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Gesuchsteller aufzuerlegen. Prozessentschädigungen sind keine zu entrichten.
Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.
Das Gesuch um Kostenerlass wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 200.- festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.
Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Gesuchsteller, sowie
an die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.
Rechtsmittel :
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, bei der Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Zürich, Hirschengraben 13/15, Postfach 2401, 8021 Zürich, schriftlich Rekurs eingereicht werden.
Die Rekursschrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Materielle und formelle Entscheide der Rekursinstanz sind kostenpflichtig; die Kosten hat die im Verfahren unterliegende Partei zu tragen.
Zürich, 22. Januar 2016
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw C. Funck versandt am:
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