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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VU150025)

Zusammenfassung des Urteils VU150025: Obergericht des Kantons Zürich

Der Gesuchsteller schuldet dem Kanton Zürich insgesamt Fr. 19‘293.85 aus verschiedenen Verfahren und beantragt einen Erlass der Kosten über Fr. 9'000.-. Die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich prüft das Gesuch und berücksichtigt die finanzielle Situation des Gesuchstellers sowie seiner Ehegattin. Trotz mittelloser Situation des Gesuchstellers wird der Kostenerlass abgelehnt, da eine Verbesserung der finanziellen Lage in Zukunft möglich erscheint. Die Kosten des Verfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt, und ein Rechtsmittel an die Rekurskommission steht ihm offen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VU150025

Kanton:ZH
Fallnummer:VU150025
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VU150025 vom 01.06.2015 (ZH)
Datum:01.06.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Kostenerlass
Schlagwörter: Gesuch; Gesuchsteller; Mittellosigkeit; Obergericht; Erlass; Schuld; Verhältnisse; Kostenerlass; Kanton; Gesuchstellers; Gericht; Rekurs; Kantons; Obergerichts; Entscheid; Inkasso; Ehegattin; Verwaltungskommission; Verfahren; Inkassostelle; Zentrale; Person; Einkommen; Interesse; Rechtsvertreter; Einkünfte; Schulden; Schuldner; Rekurskommission
Rechtsnorm: Art. 159 ZGB ;Art. 163 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VU150025

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VU150025-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef, Oberrichter lic. iur.

P. Helm und Oberrichter lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Beschluss vom 1. Juni 2015

in Sachen

  1. ,

    Gesuchsteller

    vertreten durch Rechtsanwalt X.

    betreffend Kostenerlass

    Erwägungen:

    I.

(nachfolgend: Gesuchsteller) schuldet dem Kanton Zürich aus verschiedenen am Bezirksgericht Zürich bzw. am Obergericht des Kantons Zü- rich durchgeführten Verfahren einen Betrag von insgesamt Fr. 19‘293.85 (act. 3). Nach zahlreicher Korrespondenz zwischen seinem Rechtsvertreter und der Zentralen Inkassostelle der Gerichte (nachfolgend: Zentrale Inkassostelle) liess er am 5. März 2015 ein Gesuch um Erlass der Kosten in dem Fr. 9'000.- übersteigenden Betrag stellen (act. 4/20). Am 12. März 2015 lehnte der stellvertretende Generalsekretär das Teilerlassgesuch einstweilen ab (act. 4/30), was dem Rechtsvertreter des Gesuchstellers am 13. März 2015 mitgeteilt wurde (act. 4/31). Gleichzeitig wurde ihm eine Frist von dreissig Tagen angesetzt, um den Antrag zu stellen, das Teilerlassgesuch sei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vorzulegen (act. 4/31). Mit Schreiben vom 17. April 2015 teilte der Rechtsvertreter des Gesuchstellers mit, dass dieser an seinem Gesuch festhalte (act. 2). In der Folge überwies die Zentrale Inkassostelle dieses zuständigkeitshalber an die Verwaltungskommission (act. 1).

II.

  1. Gemäss § 18 Abs. 1 lit. q der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) entscheidet die Verwaltungskommission über nachträg- liche Gesuche um Stundung und Erlass von Verfahrenskosten (vgl. auch § 5 der Verordnung des Obergerichts über das Rechnungswesen der Bezirksgerichte und des Obergerichts sowie über das zentrale Inkasso vom 9. April 2003 [LS 211.14]).

  2. Der Gesuchsteller begründet das Gesuch um den teilweisen Erlass der Kosten im Wesentlichen damit, seine Einkünfte lägen nur knapp über dem Notbedarf, weshalb es ihm nicht möglich sei, die Ausstände über einem Betrag

von Fr. 9'000.- zu begleichen. Seine Ehegattin hafte für die vorehelichen Schulden nicht, weshalb ihre finanziellen Verhältnisse nicht von Bedeutung seien (act. 4/20).

    1. Der Erlass einer Kostenforderung setzt dauernde Mittellosigkeit der gesuchstellenden Person voraus. Von Mittellosigkeit ist auszugehen, wenn die betreffende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, um die Prozesskosten selbst zu tragen. Zur Bestimmung der Mittellosigkeit sind die Einkünfte unter Berücksichtigung der Vermögenswerte den notwendigen Lebensaufwandkosten gegenüber zu stellen. Dabei ist vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum auszugehen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 7 ff.). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich der Grundbetrag für Nahrung und Kleidung etc., die Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, die Transportkosten zum Arbeitsplatz, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden, sowie Steuerschulden zu berücksichtigen (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Die finanziellen Verhältnisse sind von der gesuchstellenden Person hinreichend darzulegen. Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).

    2. Ein Erlass der Kostenforderung führt zum endgültigen Untergang der Forderung. Damit kann diese auch dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in der Folgezeit in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Aufgrund dieser weitreichenden Bedeutung ist gemäss ständiger Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich ein Erlass der geschuldeten Kosten nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen bei ausgewiesener dauernder Mittellosigkeit zulässig. Allein die Tatsache, dass ein Schuldner zurzeit mittellos ist nur ein minimales Einkommen erzielt, vermag keine dauernde Mittellosigkeit zu begründen. Vielmehr setzt eine solche voraus, dass die gesuchstellende Person selbst unter Berücksichtigung der künftigen Einkommensund Vermögensentwicklung nicht fähig ist, die Schuld zu begleichen (sog. dauernde Mittellosigkeit). Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sind somit Einkünfte und Vermögenswerte zu berücksichtigen, die erst innerhalb der nächsten Jahre verfügbar werden kapitalisiert werden können (vgl. Jenny in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 112

      N 5; BSK ZPO-Rüegg, Art. 112 N 1; ZR 83 [1984] Nr. 75). Einem Erlassgesuch ist demnach nicht zu entsprechen, wenn die aktuelle Mittellosigkeit in Zukunft durch eigene Anstrengungen wie dem Nachgehen einer Erwerbstä- tigkeit bzw. der Veräusserung von Vermögenswerten durch einen absehbaren Vermögenszufluss (bspw. Leistungen aus Erbschaft bzw. Eherecht, Versicherungsleistungen) beseitigt werden kann.

    3. Selbst die dauernde Mittellosigkeit begründet indes keinen Anspruch auf den Erlass der Gerichtskosten. Als Ermessensentscheid ist der Erlass von einer Interessenabwägung abhängig. Abzuwägen sind die schutzwürdigen Interessen des Pflichtigen, die durch ein Weiterbestehen der Forderung betroffen werden, gegenüber den öffentlichen Interessen an einer gleichmässigen und konsequenten Durchsetzung staatlicher Ansprüche. Für einen Kostenerlass spricht, dass die Mittellosigkeit aufgrund längerer Arbeitslosigkeit bzw. Aussteuerung, drückender Familienlasten, Unterhaltspflichten hoher Krankheitsbzw. Pflegekosten, welche nicht von Dritten getragen werden, eingetreten ist. Bestehen hingegen Anhaltspunkte, dass die Bedürftigkeit im Hinblick auf den Prozess durch andere eigenverantwortliche Handlungen des Schuldners herbeigeführt wurde aufrechterhalten wird, kann trotz Mittellosigkeit kein Kostenerlass gewährt werden (vgl. Entscheid der Rekurskommission OGer ZH KD120010-O vom 21. Dezember 2012 E. 3.3; Entscheid der Rekurskommission OGer ZH KD150005-O vom 30. April 2015

E. 3.1.3; Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 21. August 2007, VZ.2007.31, E. III.2.b).

    1. Der Gesuchsteller stellt sich auf den Standpunkt, seine Ehegattin hafte für seine vorehelichen Schulden nicht, weshalb sie nicht zu deren Begleichung verpflichtet werden könne (act. 4/20). Soweit in den massgeblichen Entscheiden nur der Gesuchsteller zur Zahlung der Prozesskosten verpflichtet wurde, so handelt es sich bei ihm um den alleinigen Schuldner, weshalb das Gericht nur ihn belangen kann. Von der Pflicht zur Schuldentilgung zu unterscheiden ist aber die Frage des Anspruchs auf Erlass der Schuld. Wie beim Institut der unentgeltlichen Rechtspflege, dessen Bestimmungen für den Kostenerlass analog angewendet werden (vgl. Stämpflis Handkommentar, ZPO, Fischer, Art. 112 N 8), gilt eine Person nur dann als mittellos, wenn sie ihre notwendigen Lebenshaltungskosten nicht aus dem Einkommen bzw. dem Vermögen decken und auch nicht auf unterstützungspflichtige Drittpersonen zurückgreifen kann. Nach Art. 163 Abs. 1 ZGB sind Ehegatten verpflichtet, gemeinsam, jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie zu sorgen. Art. 159 Abs. 3 ZGB zufolge schulden sie sich gegenseitige Treue und Beistand. Diese eheliche Unterstützungspflicht gilt insbesondere für die Bevorschussung von Prozesskosten. Sie ist auch bei der Prüfung eines Kostenerlasses zu berücksichtigen. Es sind deshalb die finanziellen Verhältnisse der Ehegattin des Gesuchstellers in die Beurteilung seiner Mittellosigkeit sehr wohl einzubeziehen (vgl. BK ZPO-Bühler, Vorbemerkungen zu Art. 117-123, N 49).

    2. Zu den finanziellen Verhältnissen des Gesuchstellers kann den Akten entnommen werden, dass er im Jahre 2014 Nettoeinkünfte aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit in der Höhe von Fr. 60'679.- generierte (act. 4/22). Gemäss dem Kontoauszug der Postfinance wies sein Konto per 31. Dezember 2014 sodann einen positiven Saldo von Fr. 295.84 auf (act. 4/29).

      Die notwendigen Lebenshaltungskosten für sich, die Ehegattin und die beiden minderjährigen Kinder liess der Gesuchsteller wie folgt beziffern und belegen: Mietkosten Fr. 1'465.10 pro Monat (act. 4/23), Krankenkassenprä- mien KVG Gesuchsteller Fr. 266.50 pro Monat (act. 4/25), Krankenkassenprämien KVG Ehegattin Fr. 266.50 pro Monat (act. 4/26) sowie Krankenkassenprämien KVG Kinder insgesamt Fr. 100.- pro Monat (act. 4/27-28). Die Mietkosten für den Garagenparkplatz (act. 4/24) sind in der Bedarfsrechnung nicht zu berücksichtigen (BSK SchKG I-Vonder Mühll, Art. 93 N 26),

      ebenso wenig die überobligatorischen Krankenkassenprämien (DIKEKommentar ZPO, Huber, Art. 117 N 47). Gestützt auf diese finanziellen Verhältnisse (durchschnittliches mtl. Einkommen Fr. 5'056.60, Vermögen Fr. 295.84, mtl. Notbedarf: Fr. 4'798.10 zzgl. Grundbeträge von Fr. 1'700.- und Fr. 1'000.-) erscheint es dem Gesuchsteller aktuell als nicht zumutbar, die gegenwärtigen Ausstände innert nützlicher Frist zu begleichen. Wie dargelegt wären aber grundsätzlich die finanziellen Verhältnisse der Ehegattin des Gesuchstellers in die Beurteilung seiner aktuellen bzw. dauernden Mittellosigkeit einzubeziehen (vgl. BK ZPO-Bühler, Vorbemerkungen zu Art. 117-123, N 49). Eine Fristansetzung zur Nachreichung von Belegen betreffend ihre finanziellen Verhältnisse drängt sich vorliegend indes nicht auf, zumal das Gesuch ohnehin abzuweisen ist, wie nachfolgend zu zeigen sein wird.

    3. Den obigen Ausführungen zufolge generierte der Gesuchsteller im Jahre

2014 aus seiner Erwerbstätigkeit beim B.

der Stadt Zürich Einkünfte.

Gründe, weshalb er aktuell keiner Arbeitstätigkeit nachgehen könnte, ergeben sich aus den Akten keine und werden von ihm auch nicht dargelegt. So bestehen namentlich keine Hinweise, der Gesuchsteller könne aus gesundheitlichen Gründen keiner nur einer beschränkten Erwerbstätigkeit nachgehen. Es liegt somit durchaus im Bereich des Möglichen, dass der 55 Jahre alte Gesuchsteller bis zum Pensionsalter weiterhin eine Arbeitstätigkeit ausüben können und sich sein monatliches Einkommen bis dahin noch erhöhen wird. Im jetzigen Zeitpunkt kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass sich die finanzielle Situation des Gesuchstellers in absehbarer Zeit verbessern wird und er seine Schulden zumindest in Raten bezahlen kann. Damit kann aber nicht von dauernder Mittellosigkeit ausgegangen werden. Ein Kostenerlass kommt daher im jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage, zumal das öffentliche Interesse des Kantons Zürich an der Aufrechterhaltung der Forderung gegenüber dem Gesuchsteller unter den gegebenen Umständen höher gewichtet werden muss als sein Interesse an einem Kostenerlass. Das Gesuch ist daher abzuweisen. Für die Vereinbarung von Ratenzahlungen und/oder Stundungen hat sich der Gesuchsteller praxisgemäss an die Zentrale Inkassostelle zu wenden.

III.

  1. Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens dem Gesuchsteller aufzuerlegen. Der finanziellen Lage des Gesuchstellers ist durch eine tiefe Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.

  2. Prozessentschädigungen sind keine zu entrichten.

  3. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.

Es wird beschlossen:

  1. Das Gesuch um Kostenerlass wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 200.- festgesetzt.

  3. Die Kosten des Verfahrens werden dem Gesuchsteller auferlegt.

  4. Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:

    • den Rechtsvertreter des Gesuchstellers, zweifach, für sich und den Gesuchsteller sowie

    • an die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.

  6. Rechtsmittel :

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, bei der Rekurskommission des Obergerichts, Hirschengraben 13/15, Postfach 2401, 8021 Zürich, schriftlich Rekurs eingereicht werden.

Die Rekursschrift muss einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Der angefochtene Entscheid ist beizulegen. Die angerufenen Beweismittel sind genau zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen. Materielle und formelle Entscheide der Rekursinstanz sind kostenpflichtig; die Kosten hat die im Verfahren unterliegende Partei zu tragen.

Zürich, 1. Juni 2015

Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu versandt am:

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