Zusammenfassung des Urteils VR190004: Obergericht des Kantons Zürich
Die A. Ltd. stellte ein Gesuch um Einsicht in Handelsgerichtsakten, das abgelehnt wurde. Sie erhob daraufhin erfolglos Rekurs gegen das Urteil. Die Verwaltungskommission entschied, dass der Rekurs unbegründet ist. Es ging um die Akteneinsicht einer Drittperson, wobei neue Sachbegehren nicht gestellt werden konnten. Die Rekurrentin konnte nicht nachweisen, dass die Einsicht in die Akten für ein anderes Verfahren relevant war. Der Rekurs wurde abgewiesen, die Kosten der Rekurrentin auferlegt. Der Richter war der Obergerichtsvizepräsident Lic. iur. M. Langmeier.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VR190004 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 01.07.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rekurs gegen das Urteil des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich (XA180004-O) vom 29. April 2019 |
Schlagwörter: | Rekurs; Rekursgegnerin; Verfahren; Rekurrentin; Münchner; Recht; Akten; Handelsgericht; Interesse; Urteil; Sinne; Verfahrens; Gericht; Obergericht; Klage; Obergerichts; Einsicht; Handelsgerichts; Vorinstanz; Haftung; Schaden; Beihilfe; Entscheid; Beweis; Investition; Klageschrift; Bezug; ützen |
Rechtsnorm: | Art. 24 OR ;Art. 28 OR ; |
Referenz BGE: | 129 I 249; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr. VR190004-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtsvizepräsident lic. iur. M. Langmeier, Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Oberrichterin lic. iur. F. Schorta sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Beschluss vom 1. Juli 2019
in Sachen
Rekurrentin
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. X.
gegen
Rekursgegnerinnen
1 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y1. 2 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y2.
betreffend Rekurs gegen das Urteil des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich (XA180004-O) vom 29. April 2019
Erwägungen:
Mit Eingabe vom 20. Dezember 2018 stellte die A. Ltd. (fortan: Rekurrentin) als Drittperson im Sinne von § 131 Abs. 3 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG, LS 211.1) beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich ein Gesuch um Einsicht in die Akten des Handelsgerichts Nr. HG140077-O (act. 5/1). Nach durchgeführter Vernehmlassung wies dieser das Gesuch mit Urteil vom 29. April 2019 ab (act. 5/12).
Dagegen liess die Rekurrentin durch ihre Rechtsvertreterin am 28. Mai 2019 innert Frist (act. 5/13/1, § 22 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes [VRG, LS 175.2]) Rekurs erheben und die folgenden Anträge stellen (act. 1):
1. Es sei das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Rekurrentin Einsicht in die Akten des abgeschlossenen Verfahrens vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich mit der Verfahrensnr. HG140077-O zu gewähren.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Rekursgegnerinnen, eventualiter zu Lasten der Vorinstanz.
Die Verwaltungskommission eröffnete in der Folge das vorliegende Verfahren und zog die vorinstanzlichen Akten Nr. XA180004-O sowie die Akten des Handelsgerichts Nr. HG140077-O bei (act. 5/1-13; § 26a Abs. 1 VRG).
Der Rekurs erweist sich sofort als unbegründet, weshalb auf die Durchfüh- rung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet werden kann (Kommentar VRG-Griffel, § 26b N 6).
Anfechtungsobjekt ist ein schriftlich begründetes und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenes Urteil des Obergerichtspräsidenten über ein Akteneinsichtsgesuch im Sinne von § 6 Abs. 1 der Akteneinsichtsverordnung der
obersten Gerichte (LS 211.15), mithin eine das Verfahren abschliessende Anordnung i.S.v. § 10 Abs. 1 VRG i.V.m. § 19 Abs. 1 lit. a VRG i.V.m. § 19a Abs. 1 VRG. In der Sache geht es um die Akteneinsicht einer Drittperson; diese gehört als Teil der Verwaltungstätigkeit im eigentlichen Sinn (wie namentlich auch Personalgeschäfte, die Gerichtsorganisation, bauliche sowie disziplinarische Massnahmen) zum Gegenstand der Justizverwaltung (GOG Kommentar-Hauser/Schweri/Lieber, Vorbemerkungen zu §§ 67 ff. N 9 ff.). Die Rechtsprechung in Justizverwaltungssachen fällt in die Zuständigkeit der Verwaltungskommission (§ 18 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Organisation des Obergerichts [fortan: OrgV OGer]); diese ist daher zur Behandlung des vorliegenden Rekurses zuständig (§ 5 Abs. 1 VRG i.V.m. § 19b Abs. 3 VRG). Sie entscheidet über Justizverwaltungssachen in Dreierbesetzung (§ 16 Abs. 3 OrgV OGer).
Neue Sachbegehren können im Rekursverfahren nicht gestellt werden.
Neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel sind hingegen zuläs- sig (§ 20a Abs. 1 und 2 VRG).
Die Rekurrentin ist durch die angefochtene Anordnung berührt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ihre tatsächliche rechtliche Situation durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst wird. Aufgrund des Vorliegens eines schutzwürdigen Interesses an der Änderung der Anordnung ist von ihrer Berechtigung zum Rekurs auszugehen (§ 21 Abs. 1 VRG; Kommentar VRG-Bertschi, § 21 N 13).
Dem Verfahren liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde: Die B. B.V. (fortan: Rekursgegnerin 1) wurde Anfang 2011 auf eine Anlagemöglichkeit in den D. Fund aufmerksam gemacht, welcher exklusiv
über die C.
AG (fortan: Rekursgegnerin 2) mit Sitz in Basel und
Zweigniederlassung in Zürich vertrieben wurde. Sie zeichnete in der Folge Aktien im Betrag von Euro 6'500'000.-. Mit Klage beim Handelsgericht Zü- rich (Verfahrensnr. HG140077) verlangte die Rekursgegnerin 1 die Rückabwicklung des Investitionsgeschäfts gestützt auf absichtliche Täuschung, eventualiter Grundlagenirrtum. Subeventualiter verlangte sie Ersatz des ihr aus der Investition erwachsenen Schadens gestützt auf einen Anlageberatungsvertrag. Die Klage wurde vom Handelsgericht Zürich mit Urteil vom 6. April 2016 abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde vom Schweizerischen Bundesgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2016 (act. 5/10/48 und 5/10/58).
Die Rekursgegnerin 1 trat in der Folge ihre Schadenersatzforderung an eine D. gesellschaft mit beschränkter Haftung ab. Diese wiederum erhob vor Landgericht München I Klage gegen die Gesuchstellerin und Rekurrentin des vorliegenden Akteneinsichtsverfahrens.
In seinem Urteil vom 29. April 2019 (act. 4/1 = act. 5/12) erwog der Obergerichtspräsident im Wesentlichen, im Verfahren vor dem Handelsgericht Nr. HG140077-O sei es um eine Klage der Rekursgegnerin 1, gegen die Rekursgegnerin 2 auf Rückabwicklung des Investitionsgeschäftes gestützt auf absichtliche Täuschung im Sinne von Art. 28 OR bzw. eventualiter gestützt auf Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 OR bzw. subeventualiter auf Zusprechung von Schadenersatz aufgrund von Vertragsverletzungen gegangen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht München seien hingegen deliktische und zivilrechtliche Ansprüche. Die beiden Verfahren hätten daher teilweise unterschiedliche Ansatzpunkte. Ferner sei die Rekur-
rentin im deutschen Verfahren in der Position der Beklagten mit entsprechend (fehlender) Beweislast. Sie habe nicht behauptet, dass in der Münchner Klageschrift das Verhalten der Verantwortlichen der Rekursgegnerin 2 thematisiert worden sei. Namentlich habe sie das Vorbringen der Rekursgegnerin 1, wonach Wissen, Handlungen Unterlassungen der Rekurrentin vor Handelsgericht nicht Verfahrensgegenstand gewesen seien, nicht bestritten. Sie habe auch nicht geltend gemacht, dass ein zivilrechtliches Fehlverhalten der Rekursgegnerin 2 vorliege, das geeignet sei, einen allfälligen Kausalzusammenhang im Münchner Verfahren zu unterbrechen. Nachdem das Handelsgericht der Rekursgegnerin 2 ohnehin kein Fehlverhalten vorgeworfen habe, sei so so nicht einsichtig, inwiefern in diesem Zusammenhang der Aktenbeizug notwendig wäre. Das dargelegte Interesse sei zu unkonkret, als dass es im Sinne von § 131 Abs. 3 GOG schützenswert wäre. Im Weiteren würden sich die relevanten Vorbringen in den Rechtsschriften der Parteien aus dem umfangreichen publizierten Handelsgerichtsurteil ergeben, das in anonymisierter Form auf der Gerichtshomepage publiziert worden sei.
Die Rekurrentin lässt zur Begründung ihres Rekurses (act. 1) zusammengefasst vorbringen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig bzw. ungenügend ermittelt, eventualiter § 131 GOG verletzt bzw. subeventualiter ein unangemessenes Urteil gefällt. Unzutreffend sei, dass die beiden massgeblichen Verfahren unterschiedliche Ansatzpunkte hätten. Gegenstand des Münchner Verfahrens seien Ansprüche verschiedener Zedenten, welche ihre Ansprüche an die dortige Klägerin abgetreten hätten. Zum Kreise der Zedenten gehöre auch die Rekursgegnerin 1. In Bezug auf den Anspruch der Rekursgegnerin 1 gehe es um denselben Sachverhalt wie im Handelsgerichtsverfahren. Die Klägerin im Münchner Verfahren werfe der Rekurrentin in Bezug auf die Rekursgegnerin 1 u.a. Beihilfe zu Betrug im Sinne von
§ 830 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches vor. Die Täuschungshandlungen gegenüber der Rekursgegnerin 1 seien durch Mitarbeitende und Organe der Rekursgegnerin 2 begangen worden. Im Konkreten gehe es um die Art und Weise der Anpreisung des D. Funds als sichere und kurzfristige Geldanlage durch Vertreter der Rekursgegnerin 2. Im Verfahren vor dem Handelsgericht Nr. HG140077-O sei derselbe Vorwurf behandelt worden. Auch dort sei vorgetragen worden, der D. Fund sei der Rekursgegnerin 1 von der Rekursgegnerin 2 als kurzfristige und sehr sichere Anlage angepriesen worden, bei welcher Ineffizienzen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den USA mittels einer Arbitragestrategie ausgenutzt worden seien. Aus Sicht des Münchner Verfahrens sei im Verfahren vor Handelsgericht die Haupttat beurteilt worden, zu welcher die Rekurrentin angeblich Gehilfenschaft geleistet habe.
Ferner sei unzutreffend, dass die Rekurrentin nicht behauptet habe, dass in der Münchner Klageschrift das Verhalten der Verantwortlichen der Rekursgegnerin 2 thematisiert worden sei. Vielmehr habe sie im Akteneinsichtsgesuch darauf hingewiesen, dass es im Münchner Verfahren um das Verhalten der Rekursgegnerin 2 gehe. Im Weiteren verkenne die Vorinstanz, dass der Rekurrentin im Münchner Verfahren u.a. Beihilfe zu Handlungen der Rekursgegnerin 2 vorgeworfen würde. Relevant sei daher nicht, ob ein Kausalzusammenhang unterbrochen worden sei nicht, sondern dass ohne Fehlverhalten der Rekursgegnerin 2 auch keine Beihilfe hierzu vorliegen könne. Für das Münchner Verfahren sei somit entscheidend, weshalb es kein Fehlverhalten der Rekursgegnerin 2 gebe. Insoweit habe die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig bzw. unzureichend festgestellt. Hätte sie den Sachzusammenhang richtig erkannt, hätte sie das schützenswerte Interesse im Sinne von § 131 GOG anerkennen müssen. Der Sachverhalt im Münchner Verfahren sei in Bezug auf den Vorwurf der Beihilfe derselbe wie jener im Verfahren Nr. HG140077-O, und eine Verurteilung der Rekurrentin im Münchner Prozess würde von der Haupttäterschaft der Rekursgegnerin 2 abhängen, welche vom Handelsgericht verneint worden sei.
Im Weiteren - so die Rekurrentin - habe die Vorinstanz den Begriff des schützenswerten Interesses im Sinne von § 131 Abs. 3 GOG zu eng ausgelegt. Bei einer nur teilweisen Überlappung, wie sie die Vorinstanz festgestellt habe, wäre das Interesse der Rekurrentin zu bejahen gewesen. Selbst die
Vorinstanz stelle nicht in Abrede, dass Gegenstand der beiden Verfahren dieselbe Investition derselben Partei gebildet hätte, beide Verfahren das angeblich illegale Geschäftsmodell des D. Funds betroffen hätten und in beiden Prozessen behauptet werde bzw. behauptet worden sei, die Rekursgegnerin 1 sei von der Rekursgegnerin 2 diesbezüglich getäuscht worden. Sie habe denn auch von teilweise unterschiedlichen Ansatzpunkten gesprochen.
Schliesslich handle es sich beim vorinstanzlichen Urteil um einen unangemessenen Entscheid. Die Rekurrentin könne ohne Akteneinsicht den Vortrag der Klägerin im Bezug auf die Rolle der Rekursgegnerin 2 nicht wirkungsvoll bestreiten.
Wie dargelegt, sind im Rekursverfahren neue Tatsachenbehauptungen und Beweismittel zu beachten (§ 20a VRG). Soweit die Rekurrentin mit ihrer Rekursschrift massgebliche Unterlagen ins Recht gereicht hat, welche ihre Standpunkte stützen, sind diese demnach in die vorliegende Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.
Dritte können nach § 131 Abs. 3 GOG Verfahrensakten einsehen, wenn sie ein wissenschaftliches ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen privaten Interessen entgegenstehen (GOG Kommentar-Hauser/Schweri/ Lieber, § 131 N 1 f. und 16 ff.). Als schützenswertes Interesse gilt ein wissenschaftliches, ökonomisches anderweitiges Interesse. Es kann sich aus der Betroffenheit in einem spezifischen Freiheitsrecht wie etwa der persönlichen Freiheit aus einer sonstigen besonderen Sachnähe ergeben (Entscheid des Bundesgerichts 13Y_2/2018 vom 3. August 2018, E. 2.1.3. mit Verweis auf BGE 129 I 249 E. 3). Ein schützenswertes Interesse liegt bspw. vor, wenn die Einsichtnahme in Akten über die eigene Person verlangt wird wenn ein in Aussicht genommenes Verfahren nur in Kenntnis der Akten eingeleitet werden kann (VRG Kommentar-Griffel, § 8 N 25 mit weiterem Verweis). Es ist indes nicht leichthin zu bejahen.
Die Rekurrentin erachtet den Sachzusammenhang zwischen dem Münchner Verfahren und dem am Handelsgericht durchgeführten Prozess Nr. HG140077-O als gegeben (act. 1 Rz 9 ff.), während die Rekursgegnerin 1 diesen im vorinstanzlichen Verfahren verneinte (act. 5/6). Wie der Obergerichtspräsident im Urteil vom 29. April 2019, Nr. XA180004-O, zutreffend erwog, hatte das Handelsgericht in seinem Verfahren insbesondere zu prüfen, ob die Rekursgegnerin 2 gegenüber der Rekursgegnerin 1 eine absichtliche Täuschung nach Art. 28 OR begangen bzw. einen Grundlagenirrtum nach Art. 24 OR bewirkt hatte und ob die Rekursgegnerin 2 ihre aus dem Anlageberatungsvertrag resultierenden Pflichten verletzt hatte und dadurch schadenersatzpflichtig wurde (act. 5/12 E. 3.1.b). Gegenstand des Münchner Verfahrens ist gemäss der ins Recht gereichten Klageschrift der dortigen Klägerin vom 27. März 2018 der Vorwurf der Verletzung von § 826 BGB (sittenwidrige Schadenszufügung) bzw. der unerlaubten Handlungen im Sinne von § 823 i.V.m. § 830 BGB i.V.m. § 263 StGB/Deutschland. Wäh- rend sich im Verfahren Nr. HG140077-O sodann die B. B.V. als Klägerin (und hiesige Rekursgegnerin 1) sowie die C. AG als Beklagte (und hiesige Rekursgegnerin 2) gegenüberstanden, sind im vermutungsweise noch hängigen Münchner Verfahren zwei andere juristische Personen Parteien, nämlich die Rekurrentin als Beklagte und die D. gesellschaft mit beschränkter Haftung als Klägerin (act. 4/2). Aus der Klageschrift des Münchner Verfahrens vom 27. März 2018 (act. 4/2) ergibt sich indes, dass es sich bei der dortigen Klägerin offenbar um die Zessionarin der hiesigen Rekursgegnerin 1 handelt (act. 4/2 S. 18 f.), d.h. um eine Rechtsnachfolgerin der Letzteren, welche insoweit in deren Rechte eingetreten ist (wobei aber ein entsprechender Zessionsnachweis nicht ins Recht gereicht wurde). Insoweit ist zwischen den beiden Verfahren eine gewisse Sachnähe zu bejahen.
Im Weiteren kann der erwähnten Klageschrift entnommen werden, dass es die Rekursgegnerin 2 war, welche der Rekursgegnerin 1 den massgeblichen
D.
Fund empfohlen und ihr diesen anlässlich eines Gespräches im
April 2011 präsentiert hatte (act. 4/2 S. 27), zumal sie das exklusive Vertriebsrecht über die Anteilklasse A inne hatte (act. 4/2 S. 10). Gleiches geht aus dem Entscheid des Handelsgerichts vom 6. April 2016 hervor (act. 5/10/48 S. 18). Der Vertrieb des D. Funds erfolgte damit insbesondere über die Rekursgegnerin 2. Gemäss der im Münchner Prozess eingereichten Klageschrift vom 27. März 2018 war es - so zumindest der Standpunkt der dortigen Klägerin - sodann offenbar die dortige Beklagte und hiesige Rekurrentin, welche die Zielkonten der massgeblichen US Pensionsfonds verpfändet erhalten hatte. Auf diese Konten habe der D. Fund im April 2011 angeblich Geld in Millionenhöhe überwiesen. Das gesamte Investitionskapital sei in der Folge unter den Transaktionspartnern aufgeteilt worden, wobei die Rekurrentin für ihren Tatbeitrag mindestens Euro 75'000'000.- erhalten habe. Die Teilung des vereinnahmten Kapitals habe über manipulierte Preisbildungen bei Aktien-Future-Geschäften und sog.
non related transactions via die Derivate-Börse E.
stattgefunden.
Mittels eines ausgeklügelten und mit allen Transaktionspartnern abgestimmten Systems hätten die Rekurrentin und ihre Mittäter rund 462 Mio. Euro zulasten der deutschen Staatskasse versucht zu erschwindeln (act. 4/2 S. 11 f.). Weiter - so die Klägerin des Münchner Prozesses - habe die hiesige Rekurrentin bei der Schädigung der Anleger eine zentrale Rolle gespielt, indem sie upfront aus dem eingesetzten Investitionskapital zu Unrecht einen Betrag von mindestens Euro 75'000'000.- vereinnahmt und die Cum-ExLeerverkaufsgeschäfte orchestriert und ihre Strukturen zur Verfügung gestellt habe (act. 4/2 S. 13). Die Täuschungshandlungen zulasten der Zedenten (d.h. insbesondere der hiesigen Rekursgegnerin 1) seien unter anderem durch die Rekursgegnerin 2 als Vermögensverwalterin bzw. Beraterin begangen worden (act. 4/2 S. 140). Die Beklagte bzw. hiesige Rekurrentin hafte für deren unerlaubte Handlungen nach § 830 BGB (Haftung von Mittätern und Beteiligten). Sie habe die als Schaden zu qualifizierende Vermögensgefährdung der Zedenten mit direktem Vorsatz getragen. Es sei von mittäterschaftlichem Betrug auszugehen bzw. zumindest von Beihilfe an den Betrugshandlungen zum Nachteil der Zedenten. Als Nachweis für die Haftung der Rekurrentin verweist die Klägerin des Münchner Verfahrens sodann auf
den Entscheid des deutschen Bundesgerichtshofs Nr. XI ZR 195/08 (act. 4/2
S. 140). Darin hielt dieser mit Urteil vom 25. Januar 2011 fest, dass sich ein ausländischer Broker auch dann bedingt vorsätzlich an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung von Kapitalanlegern beteilige, wenn die Vermittlung chancenloser Terminoptionsgeschäfte und die Anweisung der einzelnen Kaufund Verkaufsorders für den Anleger nicht unmittelbar durch den inländischen Vermittler erfolgten, dem er ohne Überprüfung seines Geschäftsmodells bewusst und offenkundig den unkontrollierten Zugang zu ausländischen Börsen eröffnet habe, sondern mittelbar über einen dem Vermittler - nicht aber dem Broker - vertraglich verbundenen Untervermittler vorgenommen werde (vgl. Regeste, online abrufbar unter http://juris.bundesgerichtshof. de).
Auch wenn sich in den beiden massgeblichen Prozessen verschiedene Parteien gegenüberstehen bzw. gegenüberstanden, ergibt sich aus dem Obgenannten, dass die beiden Verfahren eine gewisse Sachnähe zueinander aufweisen und im weitesten Sinne denselben Lebenssachverhalt, nämlich
die Investition der Rekursgegnerin 1 in den D.
Fund betreffen. Die
Möglichkeit der Einsichtnahme der Rekurrentin in die Akten des Handelsgerichts Nr. HG140077-O wäre für sie insofern von Bedeutung, als sie damit dem Münchner Gericht nachweisen könnte, dass die Rekursgegnerin 2 gegenüber der Rekursgegnerin 1 in Bezug auf ihre Anlageberatungstätigkeit nicht schadenersatzpflichtig wurde bzw. keinen Willensmangel bewirkt hatte. Da die Klägerin des Münchner Prozesses vom Verhalten der Rekursgegnerin 2 auf dasjenige der Rekurrentin schliesst (act. 4/2 S. 140), könnte insoweit ein Interesse der Rekurrentin an der Einsichtnahme in die noch vorhandenen handelsgerichtlichen Akten abgeleitet werden, damit sie sich gegen- über dem Vorwurf der sittenwidrigen Schadenszufügung bzw. der betrügerischen Handlungen zur Wehr setzen könnte. Dieses Interesse ist indes nicht als schutzwürdig im Sinne von § 131 Abs. 3 GOG zu qualifizieren. Die Schlussfolgerung der Rekurrentin, aus dem als nicht täuschend qualifizierten bzw. keinen Grundlagenirrtum begründeten Verhalten der Rekursgegnerin 2 könne auf die fehlende Haftung der Rekurrentin geschlossen werden (act. 1
Rz 17), gilt nicht zwingend. So könnte das deutsche Gericht durchaus zum Ergebnis gelangen, dass die Rekurrentin trotz einem nicht bestehenden Willensmangel bzw. fehlenden Vertragsverletzungen seitens der Rekursgegnerin 2 sittenwidrig betrügerisch gehandelt hat und im Sinne des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches als Mittäter bzw. Alleintäter schadenersatzpflichtig ist. Namentlich kann aus dem Umstand, dass seitens der Rekursgegnerin 2 keine Verletzung des Anlageberatungsvertrages stattgefunden hat, nicht zwingend auf eine fehlende Schadenersatzpflicht der Rekurrentin aus § 826 BGB bzw. § 823 i.V.m. § 830 BGB i.V.m. § 263 StGB geschlossen werden. Schadenersatzforderungen aus Vertragsverletzungen können mit Schadenersatzforderungen aus sittenwidrigem Vorgehen bzw. aus unerlaubten Handlungen nicht gleichgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Gleiches gilt in Bezug auf die handelsgerichtliche Prüfung von Willensmängeln. Die Frage der Haftung der Rekurrentin gestützt auf § 826 BGB bzw. § 823 i.V.m. § 830 BGB i.V.m.
§ 263 StGB im Münchner Prozess ist unabhängig von der Haftungsfrage der Rekursgegnerin 2, d.h. von der Frage, ob eine Täuschung der Rekursgegnerin 1 nach Art. 28 OR ein Grundlagenirrtum nach Art. 24 OR vorlag, zu prüfen. Das Münchner Gericht ist denn auch nicht an das Urteil des Handelsgerichts vom 6. April 2016, Nr. HG140077-O, gebunden, selbst wenn dieses zur Frage einer allfälligen Mittäterschaft bzw. generell für seine Entscheidfindung relevante Erwägungen enthalten würde, und müsste dessen Rechtsansicht nicht teilen. Vielmehr hat das Münchner Gericht die Haftungsfrage der Rekurrentin entsprechend seinen Beweislastregeln und übrigen prozessualen sowie materiell-rechtlichen Bestimmungen zu prüfen. Auch hat es bei Bedarf die Haftung der Rekursgegnerin 2 als allfällige massgebliche Vorfrage zu prüfen bzw. abzuklären, ob die Klägerin diesbezüglich ihrer Beweis(führungs)last nachgekommen ist, d.h. die geltend gemachten Behauptungen bzw. entscheidwesentlichen Tatsachen hinreichend dargelegt hat. Was sodann den Hinweis der Rekurrentin anbelangt, sie könne den Vorwurf der Beihilfe nicht bestreiten, wenn sie keine Einsicht in die Akten des Handelsgerichts erhalte, in welchem die Haupttat behandelt werde (act. 1
Rz 17), so sei festgehalten, dass eine Bestreitung der Beihilfeeigenschaft auch ohne Einsicht in die Akten Nr. HG140077-O erfolgen kann, namentlich unter Hinweis auf das Urteil des Handelsgerichts vom 6. April 2016 und mit dem Antrag an das Münchner Gericht, dieses bei Bedarf von Amtes wegen beizuziehen. Denn auch hier gilt wiederum, dass das Münchner Gericht die Vorfrage, ob die Rekursgegnerin 2 eine Haupttat begangen hat, entweder von Amtes wegen zu klären entsprechend den Grundsätzen der Beweisführungslast zu ermitteln hat. Letzterenfalls obliegt es in erster Linie der Klägerin im Münchner Verfahren, die Beihilfeeigenschaft der Rekurrentin nachzuweisen. Aus der eingereichten Klageschrift geht nicht hervor, dass die Klägerin diesen Nachweis mittels Beweismitteln erbracht hätte (act. 4/2
S. 126 ff. ohne Hinweise auf Beweismittel). In Bezug auf den Vorwurf der Verletzung von § 823 i.V.m. § 830 BGB i.V.m. § 263 StGB kommt hinzu, dass eine strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens der Rekursgegnerin 2 in der Schweiz - soweit ersichtlich - bis anhin noch nicht erfolgt ist. Allein der Umstand, dass die Akten für ein Drittverfahren, in welchem die gesuchstellende Person Parteistellung inne hat, von Bedeutung sein können, vermag kein schutzwürdiges Interesse im Sinne von § 131 Abs. 3 GOG, nicht anonymisierte Akten eines Drittverfahrens einsehen zu können, zu begründen. Für solche Fälle hat die betreffende Partei vielmehr auf die Rechtsbehelfe zurückzugreifen, welche ihr im entsprechenden Drittverfahren zustehen, und beim dortigen Gericht diesbezügliche Anträge zu stellen.
Lediglich nebenbei sei erwähnt, dass selbst im Falle der Bejahung eines schutzwürdigen Interesses das weitere Kriterium der gegenteiligen öffentlichen privaten Interessen nicht erfüllt wäre. Die Rekursgegnerin 2 unterliegt unbestrittenermassen dem Bankgeheimnis im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG. Dieses erfasst alle im Verfahren Nr. HG140077-O enthaltenen Informationen, welche das Verhältnis zwischen ihr und der Rekursgegnerin 1 betreffen. Dieses private Interesse stünde einer Einsichtnahme durch die Rekurrentin ebenfalls entgegen.
5. Abschliessend ist damit festzuhalten, dass das Urteil des Obergerichtspräsidenten nicht zu beanstanden ist, weshalb der Rekurs abzuweisen ist.
Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens der Rekurrentin aufzuerlegen (§ 13 Abs. 1 VRG i.V.m. § 4 VRG i.V.m. § 20 GebV OG [LS 211.11]).
Prozessentschädigungen sind keine zu entrichten.
Hinzuweisen ist schliesslich auf das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesgericht. Die Beschwerde an das Verwaltungsgericht ist ausgeschlossen, nachdem die Verwaltungskommission vorliegend als Rechtsmittelinstanz entscheidet (§ 42 lit. c Ziff. 1 VRG; vgl. im Weiteren auch Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 29. April 2009, Gesetz über die Anpassung des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts, ABl 2010, S. 801 ff.,
S. 903; sowie auch Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 5. Dezember 2012, VB.2012.00755, E. 2.4.; Kommentar VRGBosshart/Bertschi, § 19b N 45).
Es wird beschlossen:
Der Rekurs gegen das Urteil des Obergerichtspräsidenten vom 29. April 2019 (Prozess-Nr. XA180004-O) wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Verfahren wird auf Fr. 2'000.- festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Rekurrentin auferlegt.
Es werden keine Prozessentschädigungen entrichtet.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Rechtsvertreterin der Rekurrentin, zweifach, für sich und die Rekurrentin,
den Rechtsvertreter der Rekursgegnerin 1, zweifach, für sich und die Rekursgegnerin 1, unter Beilage eines Doppels von act. 1,
den Rechtsvertreter der Rekursgegnerin 2, zweifach, für sich und die Rekursgegnerin 2, unter Beilage eines Doppels von act. 1 sowie an
die Vorinstanz.
Die Akten Nr. XA180004-O bzw. HG140077-O werden nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung eines allfälligen Rechtsmittels den zuständigen Instanzen retourniert.
Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Zürich, 1. Juli 2019
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu versandt am:
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