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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VR180005)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VR180005
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VR180005 vom 22.02.2019 (ZH)
Datum:22.02.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rekurs gegen Verrechnungsanzeige
Zusammenfassung:Der Text handelt von einem Gerichtsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich, bei dem es um die Verrechnung von Prozesskosten und anderen Verfahrensschulden geht. Die Rekurrenten, vertreten durch Rechtsanwalt X., haben gegen die Verrechnungsanzeige der Zentralen Inkassostelle der Gerichte (Rekursgegnerin) Einspruch erhoben. Es wird diskutiert, ob die Verrechnung der Prozesskostenvorschüsse mit einer Rückforderung aus der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung rechtens war. Die Rekursgegnerin verteidigt die Verrechnung, während die Rekurrenten argumentieren, dass die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Am Ende wird der Rekurs abgewiesen, die Kosten den Rekurrenten auferlegt und auf das Rechtsmittel der Beschwerde ans Bundesgericht hingewiesen.
Schlagwörter: Rekurrent; Recht; Rekurrenten; Verrechnung; Rekurs; Gericht; Rekursgegnerin; Prozesskosten; Bezirksgericht; Verfahren; Zahlung; Gerichtskosten; Beschluss; Winterthur; Verfügung; Prozesskostenvorschüsse; Schuld; Forderung; Rechtsmittel; Obergericht; Verfahrens; Zeitpunkt; Rechtspflege; Entschädigung; Entscheid; Zahlungspflicht; Rückforderung
Rechtsnorm: Art. 102 ZPO ; Art. 110 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 120 OR ; Art. 123 ZPO ; Art. 176 OR ; Art. 319 ZPO ; Art. 325 ZPO ; Art. 68 OR ; Art. 75 OR ; Art. 95 ZPO ; Art. 98 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hauser, Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich, 2002
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr. VR180005-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. M. Burger, Oberrichterin

Dr. D. Scherrer und Oberrichterin lic. iur. F. Schorta sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Beschluss vom 22. Februar 2019

in Sachen

  1. A. ,

  2. B. ,

Rekurrenten

1, 2 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, Zentrale Inkassostelle der Gerichte,

Rekursgegnerin

betreffend Rekurs gegen Verrechnungsanzeige

Erwägungen:

I.

  1. Mit Beschluss vom 16. Juli 2018 wurde das beim Bezirksgericht Winterthur

    hängige Verfahren Nr. CG140022-K, in welchem A.

    (fortan Rekurrent 1) Kläger war, infolge Abschlusses eines Vergleichs erledigt. Dabei vereinbarten die Parteien unter anderem den Klagerückzug durch den Kläger, die Übernahme der Kosten des Verfahrens je zur Hälfte sowie den Verzicht auf Zusprechung von Parteientschädigungen. Das Gericht setzte die Entscheidgebühr auf Fr. 3'000.- fest und auferlegte die Kosten den Parteien je zur Hälfte (act. 13/97).

  2. Am 2. August 2018 liess die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (fortan Rekursgegnerin) dem Rechtsvertreter des Rekurrenten 1 eine Abrechnung mit einer Gutschrift von Fr. 56.20 zukommen (act. 3/4 = act. 11/5). Aus dieser ging hervor, dass eine Verrechnung der Forderungen für die Gerichtsgebühr und den unentgeltlichen Rechtsbeistand mit den geleisteten Kostenvorschüssen vorgenommen worden war. Mit Schreiben vom 13. August 2018 (act. 11/6) liess der Rekurrent 1 der Rekursgegnerin über seinen Rechtsvertreter mitteilen, er könne sich mit der Nachzahlung nach Art. 123 ZPO nicht einverstanden erklären, da die beiden Kostenvorschüsse nicht vom Rekurrenten 1 selbst, sondern von dessen Rechtsvertreter in eigenem Namen geleistet worden seien. Zudem stamme das Geld ohnehin vom Bruder des Rekurrenten 1, B.

    (fortan Rekurrent 2), mit der Folge, dass der Rekurrent 1 daran zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen sei.

  3. Mit Verfügung vom 6. September 2018 nahm die Rekursgegnerin dazu unter Hinweis auf das Rechtsmittel des Rekurses Stellung und hielt an der Verrechnung fest (act. 11/7).

  4. Mit Eingabe vom 8. Oktober 2018 liessen die Rekurrenten 1 und 2 innert Frist Rekurs erheben und die folgenden Anträge stellen (act. 1):

    «1. Es sei die Verfügung der Zentralen Inkassostelle der Gerichte, Obergericht des Kantons Zürich, vom 06. September 2018, mit welcher die am 2. August 2018 erfolgte Verrechnung bestätigt wurde, vollumfänglich aufzuheben.

    1. Es sei die Zentrale Inkassostelle der Gerichte, Obergericht des Kantons Zürich, zu verpflichten, den Betrag von Fr. 35'000.00 inkl. Zins von 5% seit dem 2. August 2018 an den Rekurrenten 2 zu bezahlen.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Rekursgegnerin (zzgl. 7.7% MwSt.).»

  5. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2018 (act. 5) wurde die Rekurseingabe der Rekursgegnerin zur Stellungnahme zugestellt. Diese beantragte nach einmaliger Fristerstreckung (act. 7) am 22. November 2018 die Abweisung des Rekurses (act. 8).

  6. Am 10. Dezember 2018 wurde die Eingabe der Rekursgegnerin dem Rechtsvertreter der Rekurrenten zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 12). Zudem wurden die Akten des Bezirksgerichts Winterthur, Nr. CG140022-K, beigezogen (act. 13).

II.

  1. In der Verfügung vom 6. September 2018 (act. 11/7) brachte die Rekursgegnerin zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf Verrechnung vor, das Bezirksgericht Winterthur habe in der Verfügung vom

    26. Oktober 2017 den Rekurrenten 1 verpflichtet, die Kostenvorschüsse zu bezahlen. Für die Frage, ob eine Verrechnung zulässig sei, sei nicht relevant, welche Person den Kostenvorschuss geleistet habe, sondern welche Partei zur Leistung des Vorschusses verpflichtet worden sei. Die Entgegennahme eines Prozesskostenvorschusses von einer Drittperson führe nicht zu einer Schuldübernahme. Könnte man eine Verrechnung in Fällen, in denen der Prozesskostenvorschuss von einer Drittperson geleistet worden sei, nicht vornehmen, würde Art. 111 Abs. 1 ZPO seines Sinnes entleert und toter Buchstabe bleiben. Vor der Vornahme einer Verrechnung sei ferner zu

    prüfen, ob die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege, welche im massgeblichen Verfahren gewährt worden sei, noch bestünden. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen, da das Bezirksgericht Winterthur diese dem Rekurrenten 1 in der Zwischenzeit entzogen habe. Eine Verrechnung sei daher zulässig gewesen.

  2. Die Rekurrenten begründeten ihren Rekurs (act. 1) zusammengefasst damit, der Rekurrent 1 sei als Verfügungsadressat rekurslegitimiert, der Rekurrent 2 als in seinen schutzwürdigen Interessen Berührter, da die Kostenvorschüsse von ihm bezahlt worden seien. Die Verrechnung sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem die Hauptforderung, d.h. die dem Rekurrenten 1 zugesprochene Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand, noch gar nicht rechtskräftig gewesen sei. Eine Verrechnung sei daher nicht möglich gewesen. Im Weiteren wäre eine Verrechnung auch gar nicht zuläs- sig gewesen, da es an der Voraussetzung der Gegenseitigkeit gefehlt habe. Das Bezirksgericht Winterthur habe aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Rekurrenten 1 wissen müssen, dass die Prozesskostenvorschüsse nicht von ihm stammen konnten. Sie seien denn auch nicht vom Rekurrenten 1, sondern von dessen Bruder, dem Rekurrenten 2, via den Rechtsvertreter geleistet worden. Es wäre stossend, könnte die Rekursgegnerin argumentieren, die Prozesskostenvorschüsse seien nicht im Namen des Rekurrenten 2 bezahlt worden, zumal das Bezirksgericht Winterthur im Rahmen des Prozesses Nr. CG140022-K erfahren habe, dass der Rekurrent 2 die Vorschüs- se geleistet habe. Er sei der Prozessfinanzierer gewesen und habe daher auch an der Vergleichsverhandlung teilgenommen. Anlässlich dieser Verhandlung habe das Bezirksgericht Winterthur den Rekurrenten versichert, dass ihnen die Kostenvorschüsse zurückbezahlt würden. Die Verrechnung sei daher wider Treu und Glauben erfolgt. Nach Art. 111 ZPO sei eine Verrechnung nur mit Gerichtskosten zulässig, nicht hingegen mit rückerstattungspflichtigen Anwaltskosten.

  3. In ihrer Eingabe vom 22. November 2018 (act. 8) hielt die Rekursgegnerin an ihrem Standpunkt der Zulässigkeit der Verrechnung fest und führte zur

Begründung im Wesentlichen aus, den Ausführungen der Rekurrenten zum Zeitpunkt der Verrechnung könne nicht gefolgt werden. Gegen die Verfü- gung vom 18. Juli 2018 sei lediglich das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig gewesen, welches die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit nicht hemme. Selbst wenn die Verrechnungserklärung vom 2. August 2018 ungültig gewesen wäre, hätte die Verrechnung am 6. September 2018 ein weiteres Mal gültig ausgesprochen werden können. Im Weiteren bedürfe eine Schuld- übernahme des Einverständnisses des Gläubigers. Ein solches sei vorliegend nicht erfolgt - weder ausdrücklich noch stillschweigend. Ferner werde den Ausführungen zu den finanziellen Verhältnissen des Rekurrenten 1 entgegengehalten, dass das Bezirksgericht Winterthur diesem die unentgeltliche Rechtspflege entzogen habe, da er nicht mittellos gewesen und durchaus über Vermögenswerte verfügt habe. Die Verrechnung des Kostenvorschusses mit den Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung habe sodann auf Art. 120 OR basiert. Aufgrund des Hinweises im Beschluss vom 16. Juli 2018, dass das Verrechnungsrecht des Staates vorbehalten bleibe, könnten die Rekurrenten aus einer allfälligen Zusicherung nichts ableiten. Wären sie damit nicht einverstanden gewesen, hätten sie den besagten Beschluss anfechten müssen.

III.

  1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Verrechnung von Prozesskostenund weiteren Verfahrensschulden des Rekurrenten 1 mit geleisteten Prozesskostenvorschüssen durch die Rekursgegnerin. Der Bezug und die Verwendung von solchen Leistungen sowie damit zusammenhängende Verrechnungen betreffen eine Justizverwaltungssache (vgl. zum bisherigen Recht Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 204 N 12 und 15). Gegen diesbezügliche Anordnungen der Zentralen Inkassostelle ist der Rekurs an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich gegeben (§ 76 Abs. 1 Gerichtsorganisationsgesetz [GOG, LS 211.1], § 42 Abs. 2 GOG, § 18 Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Organisation des Obergerichts [LS 212.51]).

  2. Zur Rekurserhebung berechtigt ist, wer durch die angefochtene Anordnung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Änderung Aufhebung hat (§ 21 Abs. 1 Verwaltungsrechtspflegegesetz [VRG, LS 175.2]). Die Beschwerdelegitimation ist als rein prozessuale Voraussetzung von Amtes wegen zu prüfen. Die Legitimation des Rekurrenten 1, primärer Adressat der Schreiben der Rekursgegnerin vom 2. August 2018 (act. 11/5) bzw. vom

6. September 2018 (act. 11/7), ist ohne Weiteres gegeben. Die Legitimation des Rekurrenten 2 wird in der Rekursschrift damit begründet, dass er die massgeblichen Prozesskostenvorschüsse im Sinne von Art. 98 und Art. 102 ZPO geleistet habe (act. 1 Rz 4). Die Rekursgegnerin bestreitet dies in der Rekursantwort vom 22. November 2018 nicht, sondern macht lediglich geltend, es sei für das Gericht nicht ersichtlich gewesen, dass die Vorschüsse durch eine Drittperson bezahlt worden seien (act. 8 S. 2). Den der Eingabe vom 13. August 2018 beigelegten Kontoauszügen (act. 11/6) kann entnommen werden, dass der Rekurrent 2 Rechtsanwalt X. per 13. November 2017 Fr. 15'000.- für den Gerichtskostenvorschuss bzw. Fr. 20'000.- für den Beweiskostenvorschuss überwiesen hat (vgl. auch act. 13/76). Demzufolge ist er als Drittbetroffener ebenfalls zur Rekurserhebung befugt, weil er bei Obsiegen einen unmittelbaren persönlichen Nutzen aus dem Verfahrensausgang ziehen könnte (VRG Kommentar-Bertschi, § 21 N 10 ff., insb. N 17).

IV.

    1. Die Rekurrenten rügen, für eine Verrechnung des Rückerstattungsanspruchs für die Begleichung der Aufwendungen des unentgeltlichen Rechtsbeistandes von Fr. 33'943.80 fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Insbesondere könne Art. 111 ZPO hierfür nicht herangezogen werden (act. 1 Rz 16).

    2. Art. 111 ZPO hält fest, dass die Gerichtskosten mit den geleisteten Vorschüssen der Parteien zu verrechnen sind und ein allfälliger Fehlbetrag von der kostenpflichtigen Person nachzufordern ist. Als Gerichtskosten gelten nach Art. 95 Abs. 2 ZPO u.a. die Pauschalen für den Entscheid (Entscheidgebühr; lit. b) sowie die Kosten der Beweisführung (lit. c). Art. 111 ZPO regelt somit die Verrechnung von Vorschüssen mit Gerichtskosten, welche im betreffenden Verfahren angefallen sind. Er ermächtigt die Behörden, einen überschüssigen Kostenvorschuss zur Tilgung ausstehender Gerichtskostenforderungen zu verwenden (BSK ZPO-Rüegg, Art. 111 N 3; OFK Kommentar-Mohs, Art. 111 N 1; KUKO ZPO-Schmid, Art. 111 N 2 f.).

    3. Die Rekursgegnerin verrechnete vorliegend die für die Gerichtskosten und Beweiserhebungen erhobenen Prozesskostenvorschüsse von insgesamt Fr. 35'000.- mit einer Gerichtskostenforderung von Fr. 1'000.- sowie mit dem Rückforderungsanspruch aus der geleisteten Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand von Fr. 33'943.80 (act. 11/5). Während erstere Verrechnung in Anwendung von Art. 111 ZPO erfolgte (vgl. dazu nachfolgend Ziff. IV.6), konnte die Verrechnung des Prozesskostenvorschusses mit dem Entschädigungsanspruch entsprechend den Ausführungen der Rekurrenten nicht auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden. Entgegen der Ansicht der Rekurrenten bestand hierfür jedoch mit den analog anwendbaren Artt. 120 ff. OR durchaus eine gesetzliche Grundlage, da Art. 111 ZPO anderen Verrechnungsmöglichkeiten nicht entgegen steht bzw. solche nicht per se ausschliesst. Dies ergibt sich bereits aus dessen Wortlaut, welcher sich einzig mit der Verrechenbarkeit von Gerichtskostenforderungen und Vorschüssen befasst (KUKO ZPO-Schmid, Art. 111 N 4). Auch kann eine solche Schlussfolgerung aus dem Sinn und Zweck von Art. 111 ZPO abgeleitet werden. Mit dem Erlass dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber das Prozesskostenrisiko so weit als möglich auf die klägerische Partei übertragen und dadurch das Risiko des Staates von Forderungsverlusten reduzieren (Botschaft ZPO, S. 7299; OFK Kommentar-Mohs, Art. 111 N 1). Könnte aus Art. 111 ZPO die Unzulässigkeit von weiteren Verrechnungsmöglichkeiten abgeleitet werden, würde dies zu dem Art. 111 ZPO zugrunde

liegenden Gedanken der staatlichen Prozesskostenrisikominimierung im Widerspruch stehen.

Zu prüfen ist damit im Folgenden, ob eine Verrechnung zwischen den Prozesskostenvorschüssen einerseits und dem oberwähnten Rückforderungsanspruch aus der gewährten unentgeltlichen Rechtsverbeiständung andererseits in analoger Anwendung von Art. 120 OR zulässig war.

  1. Schulden zwei Personen einander Geldsummen andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen (Art. 120 Abs. 1 OR). Bezüglich der Fälligkeit genügt es, wenn die eigene Schuld des Verrechnenden erfüllbar ist, während die Schuld des Verrechnungsgegners fällig sein muss (BSK OR I-Peter, Art. 120 N 4 m.w.H.). Fäl- ligkeit bedeutet, dass die Forderung durchsetzbar, einredefrei und einklagbar ist (BSK OR I-Peter, Art. 120 N 21). Grundsätzlich ist für die Verrechnung also die Fälligkeit der Schuld des Verrechnungsgegners vorausgesetzt. Nebst den Gerichtskosten von Fr. 1'000.- betrifft dies die Rückzahlungspflicht aus der gewährten unentgeltlichen Rechtsverbeiständung von Fr. 33'943.80.

      1. Die Rekurrenten beanstanden den Zeitpunkt der Verrechnungserklärung vom 2. August 2018. Diese sei insoweit zu früh erfolgt, als die Forderung betreffend Entschädigung für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung noch nicht rechtskräftig festgelegt worden sei (act. 1 Rz 5). Damit machen sie sinngemäss geltend, die erwähnte Forderung sei noch nicht fällig und daher nicht verrechenbar gewesen.

      2. Den Ausführungen der Rekurrenten kann insofern gefolgt werden, als die Verfügung vom 18. Juli 2018, in welcher die Entschädigungsansprüche des unentgeltlichen Rechtsbeistandes des Klägers im Hauptverfahren festgelegt wurden, nach der Aufforderung des Gerichts zur Entscheidbegründung noch mittels Rechtsmittels angefochten werden konnte (vgl. act. 13/99 DispositivZiffer 3). Wie die Rekursgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 22. November

        2018 zutreffend ausführte (act. 8 S. 2), hätte es sich hierbei um das Rechtsmittel der Beschwerde im Sinne von Art. 319 ff. ZPO gehandelt (vgl. Art. 110 ZPO), mithin um ein Rechtsmittel, das weder die Rechtskraft noch die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides hemmt (Art. 325 Abs. 1 ZPO). In analoger Anwendung von Art. 75 OR änderte die Möglichkeit des Weiterzugs mittels Rechtsmittels jedoch nichts daran, dass die in der Verfügung vom 18. Juli 2018 enthaltene Forderung im Zeitpunkt des Eintritts der formellen Rechtskraft grundsätzlich entstanden war, d.h. in jenem Zeitpunkt, in welchem die Verfügung nicht mehr durch ein ordentliches Rechtsmittel (Berufung) angefochten werden konnte (vgl. auch KUKO ZPOSchmid, Art. 111 N 9; Stähelin in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO-Kommentar, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 336 N 13). Damit steht der Umstand, dass die massgebliche Verfügung noch weitergezogen werden konnte, einer Verrechnung nicht entgegen.

      3. Zu prüfen gilt im Weiteren, ob einer Verrechnung der Forderung über Fr. 33'943.80 die weitere Voraussetzung der gerichtlichen Feststellung der Nachzahlungspflicht nach Art. 123 ZPO entgegen steht. Dieser Bestimmung zufolge steht die Verrechnung unter dem Vorbehalt, dass das Gericht eine Partei, welcher die unentgeltliche Rechtsverbeiständung bewilligt wurde, nur dann zur Nachzahlung verpflichten kann, wenn sie dazu in der Lage ist, d.h. wenn die ermittelten finanziellen Verhältnisse eine Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht mehr zulassen würden (Urteil der II. Zivilkammer OGer ZH vom 27. April 2016, Nr. PC160013-O, E. III.4.3; Beschluss der Rekurskommission OGer ZH vom 21. September 2016, Nr. KD160006-O, E. 3;

    § 7 der Verordnung des Obergerichts über das Rechnungswesen der Bezirksgerichte und des Obergerichts sowie über das zentrale Inkasso). Zuständig zur Feststellung der Nachzahlungspflicht ist grundsätzlich dasjenige Gericht bzw. derselbe Spruchkörper, welcher für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. Rechtsverbeiständung zuständig war (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 123 N 4). Jedoch können andere Gerichte die Frage der Nachzahlungspflicht im Sinne einer Vorfrage überprüfen, zumal der Entscheid über das Entstehen der Nachzahlungspflicht rein deklaratorischer Natur ist (Beschluss der Verwaltungskommission OGer ZH vom 3. März 2009, Nr. VB080045, E. III.3; zur deklaratorischen Natur der Nachzahlungspflicht Urteil der II. Zivilkammer OGer ZH vom 27. April 2016, Nr. PC160013-O,

    E. III.4.3). Als Vorfrage gilt dabei jede im Rahmen des Verfahrens zu prü- fende Frage, welche formell ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs der prü- fenden Behörde liegt, jedoch Auswirkungen auf die Beurteilung der Hauptfrage hat (VRG Kommentar-Plüss, § 1 N 57).

    Ein Entscheid des zuständigen Gerichts betreffend Nachzahlungspflicht ist der Verwaltungskommission nicht bekannt. Keine der Parteien beruft sich denn auch auf einen solchen. Es ist demnach vorliegend im Sinne einer Vorfrage zu klären, ob der Rekurrent 1 zur Nachzahlung der offenen Forderung verpflichtet werden konnte. Dies ist zu bejahen. Den beigezogenen Akten kann entnommen werden, dass die Vorinstanz dem Rekurrenten 1 die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung mit Beschluss vom

  2. Oktober 2017 entzogen hat, nachdem dieser nicht mehr mittellos war (act. 13/72). Dies wurde nicht angefochten. Dementsprechend umfasst die mit Verfügung vom 18. Juli 2018 ausgesprochene Entschädigung von Fr. 33‘943.80 „lediglich“ die anwaltlichen Aufwendungen bis zum 6. Oktober 2017 (act. 13/99, act. 13/78). Die Feststellung der Mittellosigkeit im Verfahren betreffend Gewährung bzw. Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege wird nach denselben Rechtsgrundsätzen, Richtlinien und Zuschlägen ermittelt, wie sie bei der Ermittlung und Berechnung der Nachzahlungsfähigkeit im Rahmen der Feststellung der Nachzahlungspflicht erfolgt (Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens bzw. Vermögens und des notwendigen Bedarfs). In der Lehre wird dementsprechend die Meinung vertreten, dass eine Partei zur Nachzahlung im Sinne von Art. 123 ZPO in der Lage sei, wenn ihre Mittellosigkeit weggefallen sei, sodass die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege nun ganz teilweise ausgeschlossen wäre (BK ZPO-Bühler, Art. 123 N 6). Daraus ist zu schliessen, dass mit der Fäl- lung des Beschlusses vom 3. Oktober 2017 gleich auch die Nachzahlungsfähigkeit des Rekurrenten 1 festgestellt wurde. Das Kriterium der Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs von Fr. 33'943.80 war damit am 2. August 2018 (act. 11/5) erfüllt, weshalb eine Verrechnung insoweit ausgesprochen werden konnte.

  3. Die Rekurrenten stellen sich ferner auf den Standpunkt, das Kriterium der Gegenseitigkeit sei aufgrund der Leistung der Prozesskostenvorschüsse durch den Rekurrenten 2 nicht gegeben, weshalb eine Verrechnung mit dem Rückforderungsanspruch betreffend Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes auch aus diesem Grunde nicht in Frage komme (act. 1 Rz 6).

    Mit diesen Ausführungen verkennen die Rekurrenten, dass Gläubiger der Rückforderung nicht diejenige Person ist, welche den Prozesskostenvorschuss tatsächlich geleistet hat, sondern jene, welche sie geschuldet hat. Denn Kostenvorschussund Rückerstattungspflichten haben das Prozessrechtsverhältnis zwischen der vorschusspflichtigen Partei und dem Staat zur Grundlage. Die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses nach Art. 98 ZPO kann auch durch eine beliebige Drittperson erfolgen, da keine Pflicht zur persönlichen Leistung besteht (Art. 68 OR). Leistet eine solche Drittperson den Vorschuss, führt dies nicht automatisch zum Übergang der an die Kostenvorschussschuld geknüpften Rückforderung von der kautionspflichtigen Prozesspartei auf die zahlende Drittperson. Hierfür wäre seitens der Rekursgegnerin eine Schuldübernahme im Sinne von Art. 176 OR notwendig gewesen (Beschluss der Verwaltungskommission OGer ZH vom 5. August 2002, Nr. VB010039, E. 5). Eine ausdrückliche Annahmeerklärung der Schuldübernahme durch die Rekursgegnerin wird weder geltend gemacht, noch ergibt sich eine solche aus den Akten. Eine vermutete stillschweigende Schuldübernahme durch die vorbehaltslose Entgegennahme der Zahlungen durch die Rekursgegnerin liegt ebenfalls nicht vor, da für diese zum massgeblichen Zeitpunkt der Entgegennahme nicht erkennbar war, dass die Zahlungen von einer Drittperson stammten, zumal die Banküberweisungen durch den Rechtsvertreter des

    Rekurrenten 1 erfolgt waren (act. 10/1-2, act. 13/76). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Rekurrent 2 an der Monate später stattfindenden Vergleichsverhandlung am Bezirksgericht Winterthur teilnehmen durfte. Entgegen den Rekurrenten ergibt sich aus den Verfahrensakten, namentlich aus dem Protokoll des Verfahrens Nr. CG140022-K, nicht mit hinreichender Klarheit, dass das Bezirksgericht anlässlich der Zeugeneinvernahme des Rekurrenten 2 im März 2018 von dessen Zahlungsaufträgen Kenntnis erhalten hätte (act. 13 Protokoll S. 93 ff. und act. 1 Rz 8). Ebenfalls nicht überzeugend ist das weitere Argument der Rekurrenten, im Zusammenhang mit dem Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege am 3. Oktober 2017 sei das Bezirksgericht Winterthur über die finanziellen Verhältnisse des Rekurrenten 1 orientiert worden und hätte erkennen müssen, dass er die Prozesskostenvorschüsse nicht selbst leisten könne (act. 1 Rz 6 f.). Bei einem monatlichen Überschuss von rund Fr. 4'000.-, frei verwendbarem Vermögen von rund Fr. 26'000.- und einem hypothetischen Vermögen von Fr. 50'000.- (act. 13/72), wie dies das Bezirksgericht Winterthur im Beschluss vom 3. Oktober 2017 feststellte, konnte dies nicht zweifelsohne angenommen werden. Eine stillschweigende Annahme ist demnach auch nicht aus den Umständen abzuleiten (vgl. Art. 176 Abs. 3 OR). Die Rekursgegnerin hatte denn auch keinerlei Interesse an einem Schuldnerwechsel, der zum Ausschluss der Verrechenbarkeit der ausstehenden Rückforderung von Fr. 33'943.80 mit den Prozesskostenvorschüssen geführt hätte. Soweit die Rekurrenten diesbezüglich beanstanden, das Bezirksgericht Winterthur habe ihnen zugesichert, den Mehrbetrag zurückzuerstatten (act. 1 Rz 10), so ergibt sich ein Rückforderungsanspruch des Rekurrenten 1 als Kläger zwar auch aus dem Beschluss vom 16. Juli 2018, jedoch wurde darin das Verrechnungsrecht des Staates vorbehalten (act. 13/97 Dispositiv-Ziffer 3). Für den Fall, dass der Rekurrent 1 mit dem Vorbehalt nicht einverstanden gewesen wäre, hätte er dagegen mit den ordentlichen Rechtsmitteln vorgehen müssen. Im vorliegenden Verfahren kann dieses Argument indes nicht mehr vorgebracht werden (vgl. zum Ganzen Beschlüsse der Verwaltungskommission OGer ZH vom 5. August 2002, Nr. VB010039, E. 5, bzw. vom 30. März

    2006, Nr. VB060002, E. 6). Das Kriterium der Gegenseitigkeit der Forderungen ist demnach erfüllt.

  4. Im Zeitpunkt der Verrechnungsanzeige am 2. August 2018 waren damit alle in Art. 120 OR vorgesehenen Voraussetzungen für eine Verrechnung der empfangenen Prozesskostenvorschüsse in der Höhe von insgesamt Fr. 35'000.- mit der Rückerstattungsforderung aus der gewährten unentgeltlichen Rechtsverbeiständung von Fr. 33'943.80 erfüllt, weshalb die Rekursgegnerin eine solche insoweit gültig aussprechen konnte.

  5. Soweit die Rekurrenten sodann die Verrechnung der Prozesskostenvorschüsse mit den dem Rekurrenten 1 im Beschluss vom 16. Juli 2018 auferlegten Gerichtskosten von Fr. 1'000.- (act. 13/97) beanstanden (act. 1 Antrag 1 und Rz 5), so stützte die Rekursgegnerin diese zu Recht auf Art. 111 ZPO. Wie dargelegt, lässt Art. 111 ZPO eine Verrechnung von Gerichtskosten mit geleisteten Vorschüssen zu. In Bezug auf die Einwendungen der fehlenden Fälligkeit und Gegenseitigkeit (act. 1 Rz 5 und Rz 6 ff.) kann auf das unter Ziff. IV.3. f. Ausgeführte verwiesen werden. Die darin gemachten Erwägungen gelten auch in Bezug auf die Gerichtskostenforderung von Fr. 1'000.-. Eine Verrechnung war somit gestützt auf Art. 111 ZPO zulässig.

  6. Abschliessend bleibt damit festzuhalten, dass die Rekurrenten mit ihren Standpunkten nicht durchzudringen vermögen, weshalb der Rekurs abzuweisen ist.

V.

  1. Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.- festzusetzen (§ 13 VRG i.V.m. § 20 GebV OG). Ausgangsgemäss sind die Kosten des Verfahrens den Rekurrenten unter solidarischer Haftung aufzuerlegen. Parteientschädigungen sind keine auszurichten (§ 17 VRG).

  2. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel der Beschwerde ans Bundesgericht.

Es wird beschlossen:

  1. Der Rekurs wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'500.- festgesetzt.

  3. Die Kosten des Verfahrens werden den Rekurrenten unter solidarischer Haftung auferlegt.

  4. Parteientschädigungen werden keine entrichtet.

  5. Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:

    • den Rechtsvertreter der Rekurrenten, dreifach, für sich und die Rekurrenten

    • die Rekursgegnerin.

  6. Rechtsmittel :

Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Zürich, 22. Februar 2019

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

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