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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VR130004)

Zusammenfassung des Urteils VR130004: Obergericht des Kantons Zürich

Der Rekurrent wurde im Rahmen eines Verfahrens des Bezirksgerichts Uster dazu verpflichtet, Kostenvorschüsse und Sicherheitsleistungen zu leisten. Nach einem obsiegenden Urteil wurden die Gerichtskosten aus dem Vorschuss des Rekurrenten bezahlt. Die Zentrale Inkassostelle der Gerichte verrechnete ein Guthaben des Rekurrenten mit diversen Forderungen, woraufhin dieser Rekurs einlegte. Es ging um die Ausstellung von Verlustscheinsduplikaten und die Verrechnung von Sicherheitsleistungen. Das Obergericht des Kantons Zürich wies den Rekurs ab und setzte die Gerichtsgebühr fest. Es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VR130004

Kanton:ZH
Fallnummer:VR130004
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VR130004 vom 16.08.2013 (ZH)
Datum:16.08.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rekurs gegen Verrechnungsanzeige
Schlagwörter: Verlust; Gericht; Rekurs; Verlustschein; Rekurrent; Verlustscheine; Rekursgegnerin; Verrechnung; Rekurrenten; Parteien; Sicherheit; Parteientschädigung; Gerichtskosten; Recht; Sicherheitsleistung; Verfahren; Forderung; Gerichte; Kaution; Sicherheitsleistungen; Forderungen; Duplikat; Verlustes; Inkasso; Archiv; Zivilprozess; Gerichtskostenforderungen
Rechtsnorm: Art. 103 StPO ;Art. 107 ZPO ;Art. 111 ZPO ;Art. 115 OR ;Art. 120 OR ;Art. 149a KG ;Art. 22 KG ;Art. 98 ZPO ;Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:85 I 159;
Kommentar:
Hauser, Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich, 2002

Entscheid des Verwaltungsgerichts VR130004

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VR130004-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. M. Burger, Vizepräsident, Oberrichterin

Dr. D. Scherrer und Oberrichter lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Beschluss vom 16. August 2013

in Sachen

A. ,

Rekurrent

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, Zentrale Inkassostelle der Gerichte,

Rekursgegnerin

betreffend Rekurs gegen Verrechnungsanzeige

Erwägungen:

I.

  1. Im Rahmen des Verfahrens ER120027 des Bezirksgerichts Uster wurde

    1. (nachfolgend: Rekurrent) verpflichtet, Kostenvorschüsse nach

      Art. 98 ZPO in der Höhe von Fr. 11'000.- sowie Sicherheitsleistungen gemäss Art. 99 ZPO von Fr. 16'400.- für die Parteientschädigung zu leisten (vgl. act. 1 Rz 3 und act. 7 S. 1). In der Folge obsiegte der Rekurrent mit Urteil vom 5. Februar 2013, weshalb das Bezirksgericht die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 4'333.35 dem damaligen Beklagten auferlegte, sie aber aus dem Vorschuss des Rekurrenten bezog. Mit Schreiben vom 14. März 2013 wies die Zentrale Inkassostelle der Gerichte (nachfolgend: Rekursgegnerin) ein Guthaben des Rekurrenten von Fr. 23'066.65 aus, bestehend aus Fr. 16'400.- (Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung) und Fr. 6'666.65 (Restbetrag des Prozesskostenvorschusses für die Gerichtskosten), und verrechnete dieses im Umfang von Fr. 16'928.25 mit diversen Forderungen gegenüber dem Rekurrenten aus früheren Gerichtsverfahren (act. 5/2). Am 19. März 2013 teilte der Rekurrent der Rekursgegnerin mit, er anerkenne lediglich eine Verrechnung in der Höhe von Fr. 2'218.45 (Forderungen aus den Verfahren FO030277 und GF060003), im Übrigen seien die seitens der Rekursgegnerin geltend gemachten Forderungen verjährt (act. 5/3). Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien hielt die Rekursgegnerin am 11. April 2013 an der Verrechnung fest. Zur Begründung brachte sie vor, sie sei im Besitze von drei Verlustscheinsduplikaten, welche die massgebenden Forderungen umfassten. Gleichzeitig erliess sie eine anfechtbare Verfügung (act. 4/1).

  2. Mit Eingabe vom 13. Mai 2013 liess der Rekurrent durch seinen Rechtsvertreter gegen besagte Verfügung innert Frist Rekurs bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich erheben und folgende Anträge stellen (act. 1):

1. Es sei die Verfügung vom 11. April 2013 aufzuheben, insoweit darin die Verrechnung über Fr. 12'315.05 erklärt wird, und es sei die Rekursgegnerin zu verpflichten, dem Rekurrenten Fr. 12'315.05 zu bezahlen.

Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben, insoweit darin die Verrechnung über Fr. 7'866.85 erklärt wird, und es sei die Rekursgegnerin zu verpflichten, dem Rekurrenten Fr. 7'866.85 zu bezahlen.

  1. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Rekursgegnerin.

  2. Auf Fristansetzung seitens des Gerichts hin (act. 6) beantragte die Rekursgegnerin am 6. Juni 2013 die Abweisung des Rekurses, anerkannte aber die Verjährungseinrede des Rekurrenten in der Höhe von Fr. 2'394.85 erneut (act. 7). Mit Verfügung vom 3. Juli 2013 wurde dem Rekurrenten Frist zur Stellungnahme zu den Ausführungen der Rekursgegnerin angesetzt (act. 9). Am 10. Juli 2013 hielt der Rekurrent an seinen Anträgen fest (act. 10).

II.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Verrechnung von Prozesskostenschulden des Rekurrenten mit von diesem geleisteten Prozesskostenvorschüssen und Sicherheitsleistungen durch die Zentrale Inkassostelle der Gerichte. Der Bezug und die Verwendung von solchen Leistungen sowie damit zusammenhängende Verrechnungen betreffen eine Justizverwaltungssache (vgl. zum bisherigen Recht Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 204 N 12 und 15). Gegen diesbezügliche Anordnungen der Zentralen Inkassostelle ist der Rekurs an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich gegeben (§ 72 GOG, § 76 Abs. 1 GOG, § 42 Abs. 2 GOG, § 18 lit. a der Verordnung über die Organisation des Obergerichts, LS 212.51).

III.

1. Verlustscheine stellen amtliche Bescheinigungen dar, dass der betreibende Gläubiger in der Vollstreckung nicht nicht vollends befriedigt wurde. Es kommt ihnen der Charakter eines Beweismittels zu, nicht aber jener eines Wertpapieres (BSK SchKG I-Huber, Art. 149 N 19; Affolter, Der Verlustschein in der Betreibung auf Pfändung, Dissertation, Zürich 1978, S. 27). Die Forderungen sind daher nicht im Papier verkörpert und können auch ohne dieses geltend gemacht werden (Entscheid des Bundesgerichts 5P.196/2004 vom 11. August 2004, E. 1.2). Da die Verlustscheine selbst keine Rechtswirkungen gleich einem Wertpapier zeigen, müssen sie bei Verlust nicht wie ein Wertpapier kraftlos erklärt werden. Vielmehr kann im Falle eines Verlustes ein Duplikat ausgestellt werden, wobei diesem dieselbe Wirkung wie dem verloren gegangenen Original zukommt. Die Ausstellung eines Duplikats setzt jedoch voraus, dass der Verlust glaubhaft dargetan wird (BSK SchKG I-Huber, Art. 149 N 19; Affolter, a.a.O., S. 28; BlSchK 1967, S. 18 f.). Glaubhaftmachen bedeutet mehr als Behaupten, jedoch weniger als Beweisen (ZR 78 [1979] Nr. 9). Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Behauptung bzw. der behauptete Anspruch zutreffen (BSK ZPO-Sprecher, Art. 261 N 52). Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich der Beweis eines Verlustes insofern als schwierig erweist, als dass das massgebende Beweisstück gerade nicht mehr auffindbar ist. Der Nachweis beschränkt sich damit auf die glaubhafte Darlegung der Umstände des Verlustes des Verlustscheins.

    1. Der Rekurrent bringt vor, die Ausstellung von Duplikaten setze die glaubhafte Darlegung des Verlustes der gewaltsamen Vernichtung des Verlustscheines voraus. Die Rekursgegnerin vermöge diesen Nachweis nicht zu erbringen, da sie sich lediglich darauf berufe, dass die Verlustscheine bei der Konsultation des zentralen Archivs verloren gegangen seien. Nicht ersichtlich sei, wie bei der Konsultation eines Archivs der Archivinhalt verloren gehen könne. Die drei Verlustscheine stammten aus drei verschiedenen Jahren und beträfen drei unterschiedliche Verfahren. Dass drei Verlustscheine aus verschiedenen Jahren gleichzeitig verloren gingen, sei nicht glaubhaft. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Amtsbetrieb nicht geordnet geführt worden sei, was ein Glaubhaftmachen eines Verlustes ausschliesse. Demzufolge sei die Erstellung von Duplikaten unzulässig gewesen. Die Duplikate seien daher nichtig im Sinne von Art. 22 SchKG, weshalb sie die Verjährung nicht hätten unterbrechen können. Damit habe die Verjährungseinrede des Rekurrenten Bestand. Mangels Verrechnungslage stünde ihm ein Guthaben von Fr. 20'848.20 zu, wobei die Rekursgegnerin den Betrag von Fr. 8'533.15 bereits ausbezahlt habe (act. 1 Rz 9 ff.). In der Replik ergänzte der Rekurrent seine Ausführungen sodann dahingehend, die Rekursgegnerin habe davon abgesehen, glaubhaft darzulegen, dass die Verlustscheine im Rahmen einer der drei massgebenden Konsultationen verloren gegangen seien. Im Ergebnis anerkenne sie die Darlegung des Rekurrenten (act. 10 Rz 2 f.).

    2. Diese Argumentation des Rekurrenten überzeugt nicht. Gemäss Lehre und Rechtsprechung setzt die Ausstellung eines Duplikats einzig die glaubhafte Darlegung des Verlustes des Verlustscheins voraus. Nicht gefordert wird hingegen - wie dies der Rekurrent sinngemäss geltend macht -, dass der Verlustschein unverschuldet verloren ging, zumal bei einem Verlust eine gewisse Nachlässigkeit grundsätzlich nie ausgeschlossen und im Nachhinein meistens auch nicht mehr festgestellt werden kann. Die Rekursgegnerin legt in nachvollziehbarer Weise dar, wie es zum Verlust der massgebenden Verlustscheine gekommen sein könnte; sie prüfe alle offenen Gerichtskostenforderungen aus früheren Verfahren, sobald sie eine Forderung abrechne. Bestünden solche, erfolge das Inkasso für die Gesamtschuld. Beim Rekurrenten sei dies in den Jahren 2005, 2008 und 2012 der Fall gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Verlustscheine bei einer dieser Konsultationen des Archivs verloren gegangen seien (act. 4/1). In der Stellungnahme vom 6. Juni 2013 erläuterte sie sodann, dass alle auf denselben Schuldner lautenden Verlustscheine in sog. Packages aufbewahrt würden, weshalb es entgegen der Ansicht des Rekurrenten durchaus möglich sei,

      dass drei aus verschiedenen Jahren stammende Verlustscheine verloren gegangen seien (act. 7 S. 3).

    3. Diese Ausführungen erscheinen insbesondere mit Blick auf die grosse Anzahl verwalteter Verlustscheine durch die Rekursgegnerin - diese spricht von 50'000 an der Zahl - und die Tatsache, dass sich die Rekursgegnerin schon mehrmals mit den ihr zustehenden Forderungen gegenüber dem Rekurrenten befassen und sein Dossier mehrfach konsultieren musste, schlüssig. Im Übrigen erscheint auch die Vermutung der Rekursgegnerin, der Verlust der Verlustscheine könnte allenfalls im Rahmen ihrer Digitalisierung im Jahre 2010 erfolgt sein (vgl. act. 7 S. 3), nicht unglaubhaft. Die Rekursgegnerin führte hierzu aus, im besagten Jahr seien die rund 50'000 Verlustscheine, welche bis anhin in einer zentralen Ablage eingeordnet gewesen seien, digitalisiert worden. Dabei hätten die alphabetisch in Ordnern abgelegten Verlustscheine vorab von Heftklammern befreit und Beiblätter mit sensiblem Inhalt getrennt werden müssen. Anschliessend seien die Verlustscheine dem Unternehmen, welche diese gescannt habe, übergeben worden. Die Verlustscheine seien von Hand einzeln eingescannt worden. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass Verlustscheine nicht mehr bzw. falsch eingeordnet worden und daher bis heute nicht mehr auffindbar seien (act. 7

S. 3). Es erscheint plausibel, dass bei einem Digitalisierungsvorgang in diesem Ausmass Dokumente verloren gehen können bzw. verlegt werden. Zutreffend ist zwar in diesem Zusammenhang der Hinweis des Rekurrenten, eine verlegte Sache im Herrschaftsbereich des Besitzers gälte nicht als verloren. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verlustscheine nicht nur verlegt wurden, sondern verloren gingen, zumal es sich dabei lediglich um eine von mehreren von der Rekursgegnerin vorgebrachten glaubhaften Hypothesen handelt, wie es zum Verlust der Verlustscheine gekommen sein könnte. Dass die Rekursgegnerin nicht genau darzulegen vermag, wann und wo sie der Verlustscheine verlustig ging, schliesst ein Glaubhaftmachen des Verlustes nicht aus.

Allein aus dem Umstand, dass die Rekursgegnerin den Verrechnungsanspruch zugunsten des Rekurrenten mehrfach korrigierte (vgl. act. 1 Rz 14), kann sodann keine generell fehlende Ordnung im Amtsbetrieb abgeleitet werden. Zudem ist es für die Frage des Vorliegens eines Verlustes - wie dargelegt - ohnehin nicht massgebend, ob dieser auf fahrlässiges Verhalten zurückzuführen ist und hätte verhindert werden können.

    1. Der Rekurrent bringt im Weiteren vor, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Verlustscheine bewusst vernichtet worden seien. Dafür sprä- che der Umstand, dass das Archiv der Rekursgegnerin aufgrund der Menge von Verlustscheinen überfüllt sein müsste, würde sie von jedem der 15 bis 20 Jahre alten Verfahren mit offenen Forderungen die Inkassodokumentation aufbewahren. Es würde daher durchaus Sinn machen, wenn die Verlustscheine im Rahmen der Zentralisierung des Inkassos durch die Bezirksgerichte gar nicht überbracht worden wären im Rahmen der Neuarchivierung eine entsprechende Triage vorgenommen worden wäre. Ein freiwilliges Vernichten von Verlustscheinen rechtfertige die Anfertigung eines Duplikates nicht. Vielmehr sei die Forderung unter diesen Umständen nach Art. 115 OR untergangen (act. 1 Rz 15).

    2. Zutreffend ist zwar, dass ein freiwilliges Vernichten von Verlustscheinen keinen Verlust im obgenannten Sinne darstellt und daher die Anfertigung von Duplikaten nicht rechtfertigte. Die Ausführungen des Rekurrenten stellen jedoch blosse Behauptungen dar. In ihrer Stellungnahme vom 5. Juni 2013 verneinte die Rekursgegnerin denn auch eine solche Vernichtung bzw. die Vornahme einer Bereinigung des Verlustscheinarchivs (act. 7 S. 3). Dies erscheint insofern glaubhaft, als § 21 Abs. 2 der Verordnung der obersten kantonalen Gerichte über die Archivierung von Verfahrensakten (Archivverordnung der obersten Gerichte) vom 16. März 2001 (LS 211.16) eine Aufbewahrungspflicht von Verlustscheinen von 20 Jahren vorsieht (vgl. auch Art. 103 StPO). Es würde im Übrigen wenig Sinn machen, wenn sich die Rekursgegnerin zuerst um die Eintreibung der Forderung und damit zusammenhängend um die Ausstellung von Verlustscheinen bemühen, durch

die Vernichtung dann aber auf die daraus entstehenden Vorteile wie der Verjährung von 20 Jahren wieder verzichten würde, zumal hierfür das Original benötigt wird.

    1. Schliesslich stellt sich der Rekurrent mit Verweis auf die Praxis des Stadtrichteramtes der Stadt Zürich auf den Standpunkt, möglich wäre auch, dass die Rekursgegnerin die Verlustscheine auf Dritte übertragen habe, da auch im öffentlichen Recht ein Handel mit Verlustscheinen stattfinde (act. 1 Rz 16; vgl. auch act. 10 Rz 14 f.). Bereits in der Verfügung vom 11. April 2013 (act. 4/1) führte die Rekursgegnerin aus, sie sei zur Übertragung bzw. Abtretung von öffentlich-rechtlichen Forderungen nicht befugt, weshalb die Vermutung von Drittansprechern absolut unbegründet sei. In der Stellungnahme vom 6. Juni 2013 entgegnete sie diesem Vorwurf sodann, die Zentrale Inkassostelle der Gerichte sei u.a. gerade deshalb geschaffen worden, um die Bewirtschaftung der Verlustscheine zu zentralisieren. Es habe nie die Absicht bestanden, Verlustscheine an Dritte abzutreten (act. 7 S. 4).

    2. Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Rekurrenten stellen blosse Mutmassungen dar. Ihnen steht nicht nur die gegenteilige Darlegung der Rekursgegnerin entgegen, sondern - wiederum - die Aufbewahrungspflicht nach § 21 Abs. 2 der Archivverordnung der obersten Gerichte, welche eine Veräusserung der Verlustscheine an Dritte ausschliesst; die Aufbewahrungspflicht galt im Übrigen bereits vor dem Jahre 2001 (Verordnung des Obergerichtes über die Archive der Gerichte, der Friedensrichter-, Gemeindeammann-, Stadtammann-und der Betreibungsämter vom 29. Juni 1994, vgl. hierzu Ausführungen des Rekurrenten in act. 10 Rz 14).

5. Es ist damit festzuhalten, dass die seitens des Rekurrenten vorgebrachten Gründe, weshalb infolge der unterlassenen glaubhaften Darlegung des Verlustes der Verlustscheine keine Duplikate hätten ausgestellt werden dürfen und diese nichtig seien, nicht verhalten. Vielmehr hat die Rekursgegnerin glaubhaft dargetan, dass im Zuge der mehrfachen Konsultation der Dossiers des Rekurrenten im Zusammenhang mit verschiedenen Verfahren im Rahmen der Digitalisierung die Verlustscheine offenbar unauffindbar verlegt

bzw. verloren gegangen seien. Damit erweisen sich die massgebenden Verlustscheinsduplikate nicht als nichtig. Entsprechend ist auch bislang noch keine Verjährung eingetreten (Art. 149a SchKG).

    1. Zu prüfen bleibt daher die Eventualbegründung des Rekurrenten. Dieser beruft sich eventualiter, d.h. für den Fall, dass die Duplikate nicht als nichtig erachtet würden, für den Betrag von Fr. 16'400.- bzw. den noch nicht geleisteten Betrag von Fr. 7'866.85 auf den Verrechnungsausschluss. Zur Begründung bringt er vor, Sinn und Zweck von Art. 99 ZPO sei der Schutz des Beklagten vor der Zahlungsunfähigkeit des Klägers im Falle von dessen Unterliegen, nicht hingegen die Verschaffung von zusätzlichem Vollstreckungssubstrat für die Gerichtskasse. Eine Verrechnung des für eine allfällige Parteientschädigung an den Beklagten geleisteten Prozesskostenvorschusses durch die Gerichtskasse mit offenen Gerichtsforderungen widerspreche daher dem Zweck von Art. 99 ZPO. Zudem fehle es an einer Verrechnungslage, wenn die Sicherheit für die Parteientschädigung mittels Bankoder Versicherungsgarantie geleistet würde. Es gehe nicht an, dass die Frage, ob das Gericht verrechnen könne, von der Zufälligkeit abhänge, ob der Kläger die Prozesskostenkaution mittels Bankoder Versicherungsgarantie mittels Barhinterlage geleistet habe. Zum gleichen Ergebnis gelange man, wenn man von einem Anwendungsfall von Art. 125 Ziff. 1 OR ausgehe. Verpflichtungen zur Rückgabe hinterlegter Sachen könnten ohne Einverständnis des Gläubigers nicht mittels Verrechnung getilgt werden (act. 1 Rz 20 ff.).

    2. Die Rekursgegnerin erachtet diese Ansicht als unzutreffend und bejaht die Verrechnungsmöglichkeit von Vorschüssen für Parteientschädigungen für die Gegenpartei mit ausstehenden Gerichtskostenforderungen, ohne dies jedoch näher zu begründen (act. 4/1 und act. 7).

    3. Nach Art. 99 Abs. 1 lit. c ZPO hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei insbesondere dann für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie Prozesskosten aus früheren Verfahren schuldet. Die Sicherheitsleistung nach Art. 99 ZPO dient damit der Sicherstellung allfälliger Parteientschädigungen. Einer Partei, die für die Bezahlung der sie allenfalls

      treffenden Pflicht zur Leistung einer Parteientschädigung an die Gegenpartei keine hinreichende Gewähr bietet, soll die Inanspruchnahme der Gerichte ohne Sicherstellung dieser Kosten verwehrt werden. Die geleistete Sicherheitsleistung verbleibt der Gerichtskasse so lange, bis dass endgültig über den geltend gemachten Anspruch entschieden wird. Die Gerichtskasse ist

      § 17 Abs. 2 der Verordnung über die Verwaltung von Depositen, Kautionen und Effekten (LS 211.13) zufolge ermächtigt, die dem Gegner zuerkannte Forderung auf Ersatz seiner Aufwendungen nach rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens zu tilgen. Sicherheitsleistungen sind somit direkt der berechtigten Partei auszurichten (vgl. zum Ganzen BSK ZPO-Rüegg, Art. 100 N 5; BK ZPO-Sterchi, Art. 100 N 8; Suter/Von Holzen in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 101 N 16; vgl. auch Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 409 FN 22a; Stutzer, Die Kautionspflicht im ordentlichen zürcherischen Zivilprozess, Diss. Zürich 1980, S. 3 und 132).

    4. Nach bisherigem kantonalem Recht war die Zentrale Inkassostelle der Gerichte berechtigt, die in Anwendung von § 73 ZPO/ZH geleistete Kaution mit ausstehenden Gerichtskosten aus früheren Verfahren zu verrechnen (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,

      3. Auflage, Zürich 1997, § 81 N 1; ZR 75 [1976] Nr. 6). Dieses Verrechnungsrecht bezog sich auch auf die für die Sicherung der damaligen Prozessentschädigung geleistete Kaution, da § 73 ZPO/ZH zwischen Kautionsleistung für Gerichtskosten und Entschädigung nicht unterschied (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., § 81 N 1). Die eidgenössische Zivilprozessordnung regelt den Kostenvorschuss für Gerichtskosten und die Sicherheitsleistung für Parteientschädigungen hingegen abweichend von der bisherigen zürcherischen Regelung in zwei separaten Bestimmungen und setzt für deren Leistung unterschiedliche Erfordernisse voraus. Aus dem Umstand, dass eine Verrechnung von Kautionen für Parteientschädigungen unter zürcherischem Recht mit ausstehenden Forderungen der Gerichte verrechnet werden konnte, kann damit für das neue Recht nichts abgeleitet werden.

    5. Art. 111 ZPO hält sodann fest, dass die Gerichtskosten mit den geleisteten Vorschüssen der Parteien zu verrechnen sind und ein allfälliger Fehlbetrag von der kostenpflichtigen Person nachzufordern ist. Aus dieser Bestimmung kann jedoch bereits deshalb nichts zugunsten der vorliegend massgebenden Frage der Verrechenbarkeit von Sicherheitsleistungen mit Gerichtskostenschulden abgeleitet werden, da sie sich lediglich mit der Verrechnung von Vorschüssen mit Gerichtskosten, welche im betreffenden Verfahren angefallen sind, befasst. Zudem muss aufgrund der in Art. 98, Art. 102 und Art. 99 ZPO verwendeten unterschiedlichen Terminologie - Vorschuss (für die Gerichtskosten und die Beweiserhebungen) und Sicherheitsleistung (für die Parteientschädigung) - davon ausgegangen werden, dass sich Art. 111 ZPO einzig auf die Vorschüsse für die Gerichtskosten und die Beweiserhebungen und nicht auf Sicherheitsleistungen bezieht. Ein überschüssiger Kostenvorschuss kann damit zwar zur Tilgung ausstehender Gerichtskostenforderungen genommen werden (BSK ZPO-Rüegg, Art. 111 N 3; Stämpflis Handkommentar zur ZPO-Fischer, Art. 111 N 5), nicht möglich ist es hingegen, die Verrechnung einer überschüssigen Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung mit ausstehenden Gerichtskostenforderungen gestützt auf Art. 111 ZPO vorzunehmen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 100 N 5 und 111 N 4; BK ZPO-Sterchi, Art. 111 N 4; Stämpflis Handkommentar zur ZPOFischer, Art. 111 N 6; vgl. im Weiteren den Vorentwurf der Zivilprozessordnung, dessen damaliger Art. 101 VE-ZPO [heutiger Art. 111 ZPO] dahingehend lautete, dass Vorschuss und Sicherheitsleistungen den Parteien zurückerstattet würden, soweit ihnen der Entscheid nicht Kosten auferlege. Der Vorentwurf schloss damit aus, dass die geleisteten Vorschüsse und Sicherheitsleistungen an die Gerichtskosten der Gegenpartei angerechnet würden, auch nicht mit einem Rückgriffsrecht der vorschiessenden Partei [Vorentwurf ZPO S. 57]. Diese Bestimmung wurde in der Folge zur heutigen Version von Art. 111 ZPO abgeändert, welcher sich nur noch mit den Vorschüssen und nicht mehr mit den Sicherheitsleistungen befasst.).

    6. Zur Frage, ob Sicherheitsleistungen für Parteientschädigungen mit früheren Gerichtskostenforderungen verrechnet werden dürfen, lässt sich damit weder aus Art. 111 ZPO noch aus den übrigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung etwas ableiten. Zu prüfen bleibt jedoch, ob eine Verrechnung zwischen Forderungen der Gerichte und dem Anspruch der Partei auf Auszahlung der geleisteten Sicherheit für die Parteientschädigung gestützt auf die Voraussetzungen der grundsätzlich analog anwendbaren zivilrechtlichen Bestimmungen von Art. 120 ff. OR erfolgen kann.

    7. Rüegg geht davon aus, dass eine Verrechnung der Parteikostensicherheit durch den Staat mit Gerichtskostenforderungen aus früheren Verfahren nicht erlaubt sei, da der Staat die Sicherheit lediglich treuhänderisch halte (BSK ZPO-Rüegg, Art. 111 N 4). Dieselbe Ansicht vertritt der Rekurrent, indem er sich auf den Verrechnungsausschluss nach Art. 125 Ziff. 1 OR beruft (act. 1 Rz 22). Die bisherige Lehre und Rechtsprechung des Bundes und des Kantons Zürich begründeten das Recht zur Verrechnung damit, dass die Gerichtskasse Eigentümerin des übertragenen Betrags werde und dem Kautionspflichtigen lediglich ein obligationenrechtlicher Rückforderungsanspruch zustehe. Als Eigentümerin der Kaution sei die Kasse berechtigt, über eine zurückzubezahlende Kaution zu verfügen und diese insbesondere zur Verrechnung zu bringen (vgl. zum Ganzen BGE 85 I 159, Praxis 48 Nr. 184; ZR 75 [1976] Nr. 6; Guldener, a.a.O., S. 409 FN 22a; Stutzer, Die Kautionspflicht im ordentlichen zürcherischen Zivilprozess, Diss. Zürich 1980, S. 3 und 133; Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., § 81 N 1; Beschluss der I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Dezember 2012

E. IV.2., LP110003; SJZ 20 S. 213; von Tuhr/Escher, OR AT II, Zürich 1974,

S. 199 FN 67). Diese Ansicht wird teilweise auch in der neueren Lehre vertreten (Stämpflis Handkommentar zur ZPO-Fischer, Art. 112 N 16 f.). Auch im Anwendungsbereich der eidgenössischen Zivilprozessordnung drängt sich eine abweichende Rechtsauffassung nicht auf. Obwohl der Verrechnungsausschluss nach Art. 125 Ziff. 1 OR insbesondere für das sog. depositum irregulare, d.h. im Falle, in dem das Eigentum am deponierten Geld auf den Aufbewahrer übergeht, gilt (BSK OR I-Koller, Art. 481 N 10), kann sich der Rekurrent vorliegend nicht auf diese Bestimmung berufen. Der bisherigen kantonalen Praxis (ZR 75 [1976] Nr. 6) folgend ist davon auszugehen,

dass der privatrechtliche Verrechnungsausschluss nach Art. 125 Ziff. 1 OR nicht gilt, wenn sich der Anspruch auf Rückerstattung einer vom öffentlichen Recht - dem Prozessrecht - geregelten Kaution ebenfalls aus öffentlichem Recht ableitet. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung ist deshalb nicht angebracht, weil die kautionierte Summe nicht gestützt auf ein vertragliches Rechtsverhältnis übertragen wird, sondern gestützt auf eine gesetzliche Bestimmung (vgl. auch Oser/Schönenberger, ZK-Obligationenrecht, 3. Teil, Art. 419-529, 2. Auflage, Zürich 1945, Art. 481 N 20, wonach kein Hinterlegungsvertrag vorliege, wenn die jederzeitige Rückforderung ausgeschlossen sei; ähnlich Honsell, OR BT, 9. Auflage, Bern 2010, S. 396). Demzufolge besteht mit Blick auf beim Gericht hinterlegte Sicherheitsleistungen für Parteientschädigungen kein Verrechnungsverbot. Die Rekursgegnerin war damit vorliegend berechtigt, die ausstehende Parteientschädigung mit offenen Gerichtskostenforderungen des Rekurrenten zu verrechnen.

7. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass sich die Verrechnung der Rekursgegnerin von offenen Gerichtskostenforderungen mit der geleisteten Sicherheit für die Parteientschädigung im Sinne von Art. 99 ZPO als zulässig erweist. Der Rekurs gegen die Verrechnungsanzeige der Rekursgegnerin vom 11. April 2013 ist damit abzuweisen.

IV.

  1. Der Rekurrent unterliegt sowohl im Hauptals auch im Eventualbegehren, weshalb er grundsätzlich kostenpflichtig wird. Für eine abweichende Regelung - wie dies der Rekurrent beantragt (act. 1 Rz 24, act. 10 Rz 19) - bestehen keine ausreichenden Gründe im Sinne von Art. 107 ZPO, zumal die Rekursgegnerin die Auszahlung des von ihr anerkannten Betrags von Fr. 8'533.15 dem Rekurrenten bereits vor Einreichung des vorliegenden Rekurses angezeigt hat.

  2. Parteientschädigungen sind sodann ausgangsgemäss keine auszurichten.

Es wird beschlossen :

  1. Der Rekurs wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'500.- festgesetzt.

  3. Die Kosten des Verfahrens werden dem Rekurrenten auferlegt.

  4. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Dieser Beschluss wird den Parteien des Rekursverfahrens schriftlich gegen Empfangsschein mitgeteilt, der Rekursgegnerin unter Beilage einer Kopie von act. 10 und nach Eintritt der Rechtskraft unter Rücksendung der Akten.

  6. Rechtsmittel :

Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Zürich, 16. August 2013

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

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