Zusammenfassung des Urteils VO150094: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. hat am 21. September 2015 beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingereicht. Es geht um die gerichtliche Durchsetzung einer Darlehensforderung von CHF 115'000.- gegen die Beklagte. Der Obergerichtspräsident ist jedoch nicht mehr zuständig, da das Gesuch nach einer Gesetzesänderung beim Einzelgericht des örtlich zuständigen Gerichts behandelt werden muss. Selbst wenn die Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten gegeben wäre, würde er nicht auf das Gesuch eintreten, da er nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens unentgeltliche Rechtspflege bewilligt. Das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege ist kostenlos. Es wird entschieden, dass nicht auf das Gesuch eingetreten wird.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO150094 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 24.09.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Obergericht; Gesuch; Rechtspflege; Obergerichts; Obergerichtspräsident; Verfahren; Gesuche; Gericht; Obergerichtspräsidenten; Kantons; Zuständigkeit; Klage; Bestellung; Rechtsverbeiständung; Entscheid; Rechtsvertreter; Rechtsbeistand; Gesuchen; Einreichung; Behandlung; Gewährung; Interesse; Präsident; Gerichtsschreiberin; Sachen |
Rechtsnorm: | Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 63 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO150094-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Verfügung vom 24. September 2015
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Mit Eingabe vom 21. September 2015 liess A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) durch ihren Rechtsvertreter lic. iur. X.
beim Präsidenten des
Obergerichts des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einreichen und dabei folgende Anträge stellen (act. 1):
1. Es sei der Klägerin rückwirkend ab 8. Mai 2015 für die gerichtliche Durchsetzung der Darlehensforderung von CHF 115'000.- gegen die Beklagte die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und es sei ihr in der Person des Unterzeichnenden ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu ernennen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen (letztere zuzüglich MwSt.) zu Lasten der Beklagten.
Bis zum 31. Mai 2015 oblag die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht gemäss § 128 aGOG dem Obergerichtspräsidenten. Infolge einer Gesetzesänderung ist die Zuständigkeit per 1. Juni 2015 auf das Einzelgericht des in der Hauptsache örtlich zuständigen Gerichts übergegangen (§ 128 GOG). Es stellt sich damit die Frage, ob der Obergerichtspräsident für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs noch zuständig ist. Die Gesuchstellerin beantragt zwar insbesondere die rückwirkende Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung per 8. Mai 2015 (act. 1), das Gesuch stellte sie jedoch erst mit Eingabe vom 21. September 2015. In Fällen, in denen das Gesuch vor dem
Juni 2015 bei einer unzuständigen Behörde gestellt wurde und innert eines Monats seit dem Rückzug dem Nichteintretensentscheid der betreffenden Behörde bei der zuständigen Schlichtungsstelle bzw. beim zuständigen Gericht neu eingereicht wird, gilt Art. 63 Abs. 1 ZPO zufolge als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung. Unter diesen Umständen kann sich die Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten auch für Gesuche ergeben, welche bei ihm erst nach dem 1. Juni 2015 eingereicht wurden. Ein solcher Fall liegt vorliegend aber nicht vor. Vielmehr ersuchte die Gesuchstellerin erstmals am 21. September 2015 um rückwirkende Bestellung eines (vorprozessualen) unentgeltlichen Rechtsvertreters und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die gerichtliche Durchsetzung der geltend gemachten Forderung (act. 1 Rechtsbegehren 1 und Rz 3). Anders als in den Fällen von Art. 63 ZPO gilt das Gesuch damit nicht als per 8. Mai 2015, sondern als per 21. September 2015 gestellt, wobei eine Rückwirkung zu prüfen ist. Für dessen Behandlung ist daher nicht mehr der Obergerichtspräsident, sondern das Einzelgericht des in der Hauptsache zuständigen Gerichts zuständig. Auf das Gesuch ist daher nicht einzutreten. Eine Überweisung an das zuständige Gericht ist nicht vorzunehmen (DIKE-Kommentar ZPO, Müller-Chen, Art. 63 N 17).
Selbst wenn die Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten für die Behandlung des vorliegenden Gesuchs zu bejahen wäre, so wäre er auf den Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Verfahren vor dem Bezirksgericht nicht eingetreten. Zwar erlaubt Art. 119 Abs. 1 ZPO die Stellung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor während der Rechtshängigkeit der Klage. Praxisgemäss - und um nicht in das Verfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht einzugreifen - bewilligt der Obergerichtspräsident die unentgeltliche Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen jedoch nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens. In seine Zuständigkeit fallen damit einzig Gesuche betreffend die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zur Prozessvorbereitung sowie Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für ein Schlichtungsverfahren vor einer zürcherischen Schlichtungsbehörde, nicht hingegen Gesuche, welche vor der Einreichung der Klage beim Obergerichtspräsidenten gestellt werden, um die unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren zu erhalten. Begründet wird diese Praxis mit der Verfahrensherrschaft, welche mit Blick auf das Verfahren vor der ersten Instanz bei dieser und nicht beim Obergerichtspräsidenten liegen sollte. Zudem berücksichtigt der Obergerichtspräsident damit den Umstand, dass die Partei, welche um unentgeltliche Rechtspflege ersuchte, am Antrag - wie allgemein im Zivilprozess - ein schutzwürdiges Interesse aufweisen muss (Art. 59 Abs. 1 lit. a
ZPO, vgl. auch ZK ZPO-Zürcher, Art. 59 N 7), und dass das Interesse einer gesuchstellenden Person, durch den Obergerichtspräsidenten vor Klageeinreichung beurteilen zu lassen, ob in einem erstinstanzlichen Prozess die unentgeltliche Rechtspflege gewährt werde, kein solches schützenswertes Interesse darstellt. Namentlich genügt das Anliegen, zur Risikoabsicherung bereits frühzeitig einen entsprechenden Entscheid zu erwirken, nicht (vgl. Entscheid der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom
18. Februar 2013 E. II.2.3.1 und II.3.1 f., RU130001). Demzufolge verneint der Obergerichtspräsident - entgegen dem Wortlaut von § 128 aGOG - seine Zuständigkeit zur Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für ein noch nicht eingeleitetes bezirksgerichtliches Verfahren und tritt auf entsprechende Ersuchen nicht ein.
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Hinzuweisen bleibt auf das Rechtsmittel der Beschwerde ans Obergericht des Kantons Zürich gemäss Art. 121 ZPO.
Es wird verfügt:
Auf das Gesuch um rückwirkende Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und rückwirkende Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für ein bevorstehendes gerichtliches Verfahren in Sachen A. gegen B. betreffend Forderung wird nicht eingetreten.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an den Rechtsvertreter der Gesuchstellerin, zweifach, gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Oberge-
richt des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 24. September 2015
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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