E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VO140098
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO140098 vom 17.07.2014 (ZH)
Datum:17.07.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ; Art. 113 ZPO ; Art. 117 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 122 ZPO ; Art. 145 ZPO ; Art. 207 ZPO ; Art. 272 OR ; Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:120 Ia 179; 131 I 113; 69 I 160;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Präsident

Geschäfts-Nr.: VO140098-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Urteilvom17.Juli2014

in Sachen

A. ,

Gesuchstellerin

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    1. Mit Eingabe vom 15. Juli 2014 liess A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) durch ihren Rechtsvertreter bei der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster eine Klage betreffend Erstreckung des Mietverhältnisses gegen B. einreichen (act. 4/1).

    2. Gleichentags liess sie sodann beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich den Antrag stellen, es sei ihr für das bei der genannten Schlichtungsbehörde eingeleitete Verfahren in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen (act. 1).

    3. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.

  2. BeurteilungdesGesuchs

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Die Gesuchstellerin beschränkt ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht auf die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung, da Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen im Schlichtungsverfahren kostenlos sind (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO).

    3. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird bestellt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit oder Bedürftigkeit), ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und die gerichtliche Bestellung zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

      Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).

    4. Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht oder nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).

    5. Die Gesuchstellerin lässt geltend machen, sie habe vier minderjährige Kinder. Es sei ihr nicht zumutbar, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, zumal das jüngste Kind gerade einmal fünf Jahre alt sei. Zurzeit werde sie vom Sozialamt mit Fr. 1'124.- pro Monat unterstützt. Zudem erhalte sie von ihrem Ehemann monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'600.- (act. 1 Rz 14). Dem Bestätigungsschreiben der sozialen Dienste des Bezirkes Uster vom 14. Juli 2014 ist zu entnehmen, dass die Gesuchstellerin und ihre Kinder für den Lebensunterhalt, die Mietkosten und die Krankenkassenprämien finanziell unterstützt werden und die Gesuchstellerin zusätzlich monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'650.- erhält (act. 4/4). Ihre Vermögenswerte belegt die Gesuchstellerin sodann mittels Kontoauszugs der Credit Suisse, woraus hervorgeht, dass ihr Konto per 2. Juli 2014 einen Saldo von Fr. 7.77 aufwies (act. 4/9).

      Die notwendigen Lebenshaltungskosten für ihre Familie beziffert und belegt die Gesuchstellerin sodann wie folgt: Mietkosten Fr. 1'778.- pro Monat (act. 4/2), Krankenkassenprämien KVG der vier Kinder insgesamt Fr. 330.- pro Monat (act. 4/11, act. 1 S. 6) sowie Krankenkassenprämien KVG Gesuchstellerin Fr. 364.55 pro Monat (act. 4/11). Die Kosten für Telefon und Billag sind bereits im Grundbetrag enthalten und können nicht zusätzlich berücksichtigt werden (DIKE-Kommentar, Huber, Art. 117 N 49). Gleiches gilt für die Rechnung des EKZ betreffend Auslagen für Strom (DIKEKommentar, Huber, Art. 117 N 44). Dennoch kann die Gesuchstellerin bei diesen finanziellen Verhältnissen (anrechenbare Einkünfte: Fr. 4'468.55 [inkl. Direktzahlungen des Sozialamtes], Vermögen: Fr. 7.77, Notbedarf: Fr. 5'622.55, inkl. Grundbeträge für sich und die Kinder) nicht angehalten werden, die im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren anfallenden Anwaltskosten selbst zu begleichen. Ihre Bedürftigkeit ist damit ausgewiesen.

    6. Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B.

      BGE 69 I 160). Zu prüfen ist, ob der geltend gemachte Anspruch aus den behaupteten Tatsachen rechtlich begründet ist. Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung der Sachund Rechtslage aufgrund des jeweiligen Aktenstandes zu beurteilen (BGE 131 I 113 E. 3.7.3). Zur Vornahme der Prüfung ist damit auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).

    7. Die Gesuchstellerin bringt vor, anlässlich der Schlichtungsverhandlung vor dem Bezirksgericht Uster vom 25. März 2013 sei das gekündigte Mietverhältnis erstmalig bis zum 30. September 2014 erstreckt worden. Es sei bereits anlässlich der Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass es für die Gesuchstellerin als Sozialhilfeempfängerin schwierig sein werde, eine neue Wohnung zu finden. Trotz intensiver Bemühungen sei ihre Suche bis heute erfolglos geblieben. Sie sei daher auf eine zweite Erstreckung angewiesen (act. 1 Rz 4 ff.).

      Nach Art. 272 Abs. 1 OR kann der Mieter die Erstreckung eines befristeten oder unbefristeten Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. Dabei sind bei der Interessenabwägung insbesondere die Umstände des Vertragsabschlusses und der Inhalt des Vertrags, die Dauer des Mietverhältnisses, die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten, ein allfälliger Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte, die Dringlichkeit dieses Bedarfs sowie die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohnund Geschäftsräume zu berücksichtigen. Da es der Gesuchstellerin aufgrund ihrer knappen finanziellen Verhältnisse nicht ein Leichtes sein wird, eine neue Wohnung zu finden (vgl. ihre bisherigen erfolglosen Bemühungen gemäss act. 4/5), kann eine weitere Mieterstreckung im jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung vom 25. März 2013 steht einer zweiten Mieterstreckung nicht entgegen (act. 4/3). Damit ist das Erfordernis

      der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache gegeben.

    8. Damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren schliesslich als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände,

      d.h. es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (so Emmel, a.a.O., Art. 118 N 5). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fä- higkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).

    9. Der Umstand, dass die Gesuchstellerin der deutschen Sprache nicht mächtig ist (act. 1 Rz 12), vermag für sich alleine keine Notwendigkeit zu begrün- den, da das Problem der fehlenden Verständigungsmöglichkeit mittels Beizugs eines Dolmetschers gelöst werden kann. Dennoch ist das Erfordernis der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes vorliegend zu bejahen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen und des geschilderten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die Klage durchaus anspruchsvolle Abklärungen erforderlich machen kann. Insbesondere die Prüfung der Frage, ob eine erneute Mieterstreckung verlangt werden kann, ist von gewisser Komplexität. Prozesse um wichtige Aspekte des Lebens wie der Wohnung gelten in aller Regel ohnehin als relativ schwere Fälle, welche die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes rechtfertigen. Die sachliche Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ist damit zu bejahen. Folglich ist dem Antrag der Gesuchstellerin um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das besagte Schlichtungsverfahren zu entsprechen.

  3. KostenderunentgeltlichenRechtspflege

    Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Die Kosten für den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das vorliegende Schlichtungsverfahren in Mietund Pachtsachen sind deshalb dem Kanton Zürich aufzuerlegen. Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.

  4. KostenundRechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

Eswirderkannt:

  1. Der Gesuchstellerin wird für das anhängig gemachte Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster betreffend Erstreckung des Mietverhältnisses gegen B. in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. , [Adresse], ein unentgeltlicher Rechtsbeistand i.S.v. Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO bestellt.

  2. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO der Kanton Zürich.

  3. Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • den Rechtsvertreter der Gesuchstellerin, zweifach, für sich und zuhanden der Gesuchstellerin, gegen Empfangsschein,

    • an die Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster, gegen Empfangsschein,

    • an die Gegenpartei in der Hauptsache, B. , [Adresse], gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 17. Juli 2014

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

versandt am:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz