Zusammenfassung des Urteils VO140087: Obergericht des Kantons Zürich
Der Gesuchsteller A. reichte beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für ein Schlichtungsverfahren gegen C. ein. Das Obergerichtspräsident bewilligte die unentgeltliche Rechtspflege, da A. mittellos war und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erschien. A. musste seine finanzielle Situation detailliert darlegen und konnte die Kosten des Schlichtungsverfahrens nicht selbst tragen. Die Gegenpartei C. hatte keine Parteistellung in diesem Verfahren. Die Stadt Illnau-Effretikon trägt die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO140087 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 24.06.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchs; Recht; Gesuchsteller; Rechtspflege; Schlichtungsverfahren; Einkommen; Unterhalt; Obergericht; Gericht; Verhältnisse; Hauptsache; Kanton; Obergerichts; Klage; Gesuchstellers; Beurteilung; Verfahren; Kantons; Friedensrichteramt; Abänderung; Schlichtungsverfahrens; Person; Bedürftigkeit; Antrag; Entscheid; Illnau-Effretikon; Urteil; Berufsbeiständin |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 286 ZGB ;Art. 395 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO140087-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Urteil vom 24. Juni 2014
in Sachen
Gesuchsteller
vertreten durch Beiständin B. ,
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 19. Juni 2014 liess A. (nachfolgend: Gesuchsteller) durch seine Berufsbeiständin beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für ein beim Friedensrichteramt Illnau-Effrektion hängiges Schlichtungsverfahren stellen (act. 1). Das Schlichtungsverfahren betrifft eine Klage des Gesuchstellers gegen C. auf Abänderung der Unterhaltsleistungen (act. 2/1 S. 4 und act. 2/26).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Über-
schuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermö- gens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Zu seinen Einkünften lässt der Gesuchsteller ausführen, aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme habe er einen Antrag auf die Ausrichtung einer Invalidenrente gestellt. Darüber sei noch nicht entschieden worden. Zurzeit werde er von der Arbeitslosenversicherung unterstützt (act. 2/1 S. 5). Seine monatlichen Nettoeinkünfte beziffert der Gesuchsteller mit Fr. 3'715.(act. 2/1 S. 2) und belegt sie mittels Abrechnung der Arbeitslosenkasse der UNIA vom 14. April 2014 (act. 2/19). Zu seinen Vermögensverhältnissen führt er aus, er verfüge über Kontoguthaben und Bargeld von insgesamt Fr. 2'514.- (act. 2/1 S. 3). Aktuelle Belege hierzu hat er indes nicht ins Recht gereicht. Der Steuererklärung 2012 kann entnommen werden, dass der Gesuchsteller per 31. Dezember 2012 Vermögenswerte von Fr. 10'490.- besass (act. 2/18). Mangels glaubhaften Nachweises, dass sich sein Vermö- gen auf obgenannten Betrag reduziert hat, ist auf die Vermögenswerte der Steuererklärung 2012 abzustellen. Ebenso wenig hat der Gesuchsteller die geltend gemachten Schulden von Fr. 99'372.- (act. 2/1 S. 4) belegt. Es ist daher auf die Schuldenaufstellung per 31. August 2013 abzustellen, wonach offene Schulden von insgesamt Fr. 95'339.30 bestanden haben (act. 2/25). Dafür, dass der Gesuchsteller diese in der Zwischenzeit getilgt hätte, bestehen keine Anhaltspunkte und ist gestützt auf seine finanziellen Verhältnisse wenig wahrscheinlich.
Die notwendigen Lebenshaltungskosten beziffert und belegt der Gesuchsteller sodann wie folgt: Mietkosten Fr. 1'115.- pro Monat (act. 2/2), Heizkosten Fr. 11.95 pro Monat (act. 2/3), Krankenkassenprämien KVG Fr. 236.45 pro Monat (inkl. IPV, act. 2/4-6), Hausrat-/Haftpflichtversicherung Fr. 27.70 pro Monat (act. 2/9), öffentlicher Verkehr Fr. 197.- pro Monat (act. 2/8), Unterhaltsbeiträge an die Tochter C.
Fr. 921.- pro Monat (act. 2/10), Arztkosten Fr. 172.45 pro Monat (act. 2/12, Selbstbehalt und Arztkosten in 7 Monaten), Wehrpflichtersatz Fr. 33.35 pro Monat (act. 2/16) sowie Steuern Fr. 195.70 pro Monat (act. 2/17). Die Kosten für Telefon und Elektrizität sind bereits im Grundbetrag enthalten und können nicht zusätzlich berücksichtigt werden (DIKE ZPO-Kommentar, Huber, Art. 117 N 44 und 49). Die Krankenkassenprämien VVG finden ebenfalls keinen Eingang in die Bedarfsrechnung (DIKE ZPO-Kommentar, Huber, Art. 117 N 47). Die Zahnarztkosten wurden sodann nicht ausgewiesen und sind daher nicht in die Bedarfsrechnung aufzunehmen. Dennoch kann der Gesuchsteller bei diesen finanziellen Verhältnissen (Einkommen: Fr. 3'715.-, kein anrechenbares Vermö- gen, Notbedarf: Fr. 4'010.60 inkl. Grundbetrag von Fr. 1'100.-) nicht angehalten werden, die Kosten des Schlichtungsverfahrens selbst zu begleichen. Die Bedürftigkeit des Gesuchstellers ist damit ausgewiesen.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Der Gesuchsteller begründet seine Klage in der Hauptsache damit, sein Einkommen sei deutlich höher gewesen, als die Unterhaltszahlungen an die Tochter im Jahre 2006 festgesetzt worden seien. Die Unterhaltszahlungen an die Tochter müssten daher reduziert werden (act. 2/1 S. 5).
Gemäss Art. 286 Abs. 2 ZGB setzt das Gericht den Unterhaltsbeitrag bei erheblicher Veränderung der Verhältnisse auf Antrag eines Elternteils des Kindes neu fest hebt ihn auf. Die Abänderung des Unterhaltsbeitrages ist damit nur bei einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse möglich.
Aus dem ins Recht gereichten Urteil des Bezirksgerichts Pfäffikon vom
6. September 2006 geht nicht hervor, welches gesuchstellerische Einkommen dem Entscheid zugrunde gelegt wurde (act. 2/28). Der Gesuchsteller lässt hierzu im Gesuch keine Ausführungen machen. Er hält einzig fest, infolge seiner gesundheitlichen Probleme könne nicht mehr mit einem monatlichen Einkommen von über Fr. 3'700.- gerechnet werden. Aufgrund des Umstandes, dass der Gesuchsteller ab dem 27. August 2013 bis zum
31. März 2014 zu 50% arbeitsunfähig war und ihm gemäss ärztlichem Zeugnis vom 21. Mai 2014 eine Arbeitsfähigkeit von 70-80% nur in einem wohlwollenden Arbeitsumfeld attestiert wird (act. 2/33), kann im jetzigen
Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Einkommen des Gesuchstellers seit dem Urteil vom 6. September 2006 erheblich reduziert hat und die Unterhaltsleistungen an die Beklagte in der Hauptsache deshalb zu reduzieren sind. Das Begehren in der Hauptsache kann demnach nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Folglich ist dem Antrag des Gesuchstellers zu entsprechen und ist ihm für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt Illnau-Effretikon betreffend oberwähnte Abänderungsklage die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Einen Antrag um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin in der Person von B. lässt der Gesuchsteller nicht stellen, zumal es sich bei ihr um seine Berufsbeiständin gemäss Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB handelt (act. 2/27).
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur Schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Stadt IllnauEffrektion. Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Dem Gesuchsteller wird für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt Illnau-Effretikon betreffend Klage auf Abänderung Unterhalt gegen C. die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Stadt Illnau-Effretikon.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an:
die Berufsbeiständin des Gesuchstellers, zweifach, für sich und den Gesuchsteller, gegen Empfangsschein,
das Friedensrichteramt Illnau-Effretikon, gegen Empfangsschein,
die Gegenpartei in der Hauptsache, C. , vertreten durch X. ,
[Adresse], gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 24. Juni 2014
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
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