Zusammenfassung des Urteils VO140081: Obergericht des Kantons Zürich
Der Gesuchsteller A. hat beim Obergericht des Kantons Zürich um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für ein Schlichtungsverfahren betreffend Ausweisung ersucht. Das Obergerichtspräsident hat das Gesuch bewilligt, da A. mittellos ist und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Ein Rechtsanwalt wird bestellt, um A. im Schlichtungsverfahren zu vertreten. Die Kosten trägt der Kanton Zürich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO140081 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 04.06.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Schlichtungsverfahren; Rechtspflege; Person; Rechtsbeistand; Verfahren; Obergericht; Kanton; Rechtsanwalt; Hauptsache; Rechtsvertreter; Obergerichts; Bestellung; Schlichtungsbehörde; Klage; Ausweisung; Beurteilung; Gericht; Einkommen; Kündigung; Entscheid; Kantons; Rechtsbeistandes; Mietsachen; Bezirkes; Schlichtungsverfahrens; ässt |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 266g OR ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO140081-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Urteil vom 4. Juni 2014
in Sachen
Gesuchsteller
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 2. Juni 2014 liess A.
(nachfolgend: Gesuchsteller)
durch seinen Rechtsvertreter beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. für ein hängiges Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirkes Zürich (MN140028) ersuchen. Das Schlichtungsverfahren betrifft eine Klage der der B. AG gegen den Gesuchsteller und einen weiteren Beklagten betreffend Ausweisung (act. 1 und act. 3/4).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Der Gesuchsteller lässt sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht auf die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung beschränken, da Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen im Schlichtungsverfahren kostenlos sind (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO).
Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird bestellt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit
Bedürftigkeit), ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und die gerichtliche Bestellung zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Zu seinem Einkommen macht der Gesuchsteller geltend, er sei bei der Stiftung C. im Rahmen eines Teillohnprojekts tätig (act. 3/2 S. 1). Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit belegt er mittels Lohnabrechnung September 2013, woraus ein monatlicher Nettolohn von Fr. 1'037.30 hervorgeht (act. 3/2/1/1). Gemäss den aktenkundigen Budgets des Sozialzentrums
der Stadt Zürich wird der Gesuchsteller sodann für den Lebensunterhalt, die Mietkosten, die obligatorischen Krankenkassenprämien und die auswärtige Verpflegung finanziell unterstützt. Im Dezember 2013 betrugen die Sozialhilfeleistungen Fr. 1'216.70 (act. 3/2/1/4). Insgesamt belaufen sich die anrechenbaren monatlichen Einkünfte damit auf Fr. 2'254.-. Seine Vermögensverhältnisse lässt der Gesuchsteller weder beziffern noch belegen. Insofern ist er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Dennoch kann der Gesuchsteller bei diesen finanziellen Verhältnissen nicht verpflichtet werden, die im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren entstehenden Anwaltskosten selbst zu begleichen, zumal allfälliges Vermögen aufgrund der Unterstützung der Sozialbehörde von geringer Höhe wäre und mit grosser Wahrscheinlichkeit zur Deckung der notwendigen Lebenshaltungskosten eingesetzt werden müsste. Das Erfordernis der Mittellosigkeit des Gesuchstellers ist damit gegeben.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Zur Begründung des Begehrens in der Hauptsache lässt der Gesuchsteller vorbringen, dem vorliegend massgebenden Ausweisungsbegehren liege eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 266g OR zugrunde. Im Schlichtungsverfahren sei die Wirksamkeit der Kündigung umstritten (act. 3/2 S. 2).
Gestützt auf die ins Recht gereichten Unterlagen (vgl. insb. act. 3/3/1/D) kann im jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesuchsteller mit seinem Standpunkt hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung vom 12. Juni 2013 auf den 13. September 2013 (vgl. act. 3/3/1/17) durchzudringen vermag. Damit ist das Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache gegeben.
Damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren schliesslich als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände,
d.h. es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (Emmel, a.a.O., Art. 118 N 5). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fähigkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).
Das Erfordernis der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist vorliegend zu bejahen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen und des geschilderten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass die Klage durchaus anspruchsvolle Abklärungen erforderlich machen kann. Insbesondere die Frage, ob die Kündigung unter den konkreten Umständen wirksam ist, ist von gewisser Komplexität. Die sachliche Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ist damit zu bejahen. Es ist deshalb dem Antrag des Gesuchstellers zu entsprechen und ihm für das Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirkes Zürich, MN140028, betreffend Ausweisung in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122
ZPO). Die Kosten für den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das vorliegende Schlichtungsverfahren in Mietund Pachtsachen sind deshalb dem Kanton Zürich aufzuerlegen. Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Dem Gesuchsteller wird für das Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirkes Zürich betreffend Ausweisung, Verfahren MN140028, in der Person von Rechtsanwalt lic. iur. X. , [Adresse], ein unentgeltlicher Rechtsbeistand i.S.v. Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO bestellt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO der Kanton Zürich.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Rechtsvertreter des Gesuchstellers, zweifach,
die Schlichtungsbehörde Zürich (Verfahren MN140028) sowie
die Gegenpartei in der Hauptsache, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y1. und Rechtsanwältin lic. iur. Y2. , [Adresse], zweifach.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 4. Juni 2014
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
versandt am:
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