Zusammenfassung des Urteils VO140066: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. reichte beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein, das Schlichtungsverfahren betrifft. Das Obergerichtspräsident entscheidet über die Beurteilung von Gesuchen vor Einreichung der Klage. Um die unentgeltliche Rechtspflege zu erhalten, muss die Gesuchstellerin ihre finanzielle Situation ausführlich darlegen. Das Gesuch wird abgewiesen, da die Begehren als aussichtslos und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes als nicht notwendig erachtet werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO140066 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 16.05.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Gesuch; Schlichtungsverfahren; Rechtspflege; Obergericht; Anspruch; Gericht; Verfahren; Bestellung; Person; Rechtsbeistand; Rechtsbeistandes; Fürsorgerische; Entscheid; Beurteilung; Einkommen; Sachverhalt; Unterbringung; Akten; Obergerichtspräsident; Stadt; Gesuchs; Genugtuung; Kantons; Friedensrichteramt; Kreise; Mittellosigkeit; Bedürftigkeit |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 49 OR ;Art. 60 OR ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 69 I 160; |
Kommentar: | Spühler, Schweizer, Basler Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung,2. Auflage, Art. 119 OR, 2013 |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO140066-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Urteil vom 16. Mai 2014
in Sachen
Gesuchstellerin
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 8. Mai 2014, hierorts eingegangen am 13. Mai 2014, reichte A.
(nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Obergericht des Kantons
Zürich ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ein. Das Gesuch betrifft ein Schlichtungsverfahren beim Friedensrichteramt der Stadt Zürich, Kreise
, betreffend Forderung gegen Dr. B. (act. 1).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung setzt zusätzlich voraus, dass diese zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermögens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Andererseits braucht es ganz besondere Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO als notwendig erscheint.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin führt aus, sie werde zurzeit von den Sozialbehörden unterstützt und reicht hierzu den Leistungsentscheid des Sozialzentrums der Stadt Zürich ins Recht, wonach sie bis zum 30. November 2014 mit Fr. 1'929.- für die Mietkosten inkl. Nebenkosten und den Lebensunterhalt unterstützt werde (act. 2/2). Gemäss der ins Recht gereichten Steuererklärung 2012 und dem Einschätzungsentscheid des kantonalen Steueramtes Zürich vom 15. April 2014 verfügte die Gesuchstellerin sodann per 31. Dezember 2012 über keine Vermögenswerte. Zudem wies sie Schulden von Fr. 5'298.- aus (act. 2/5-6). Ihre Mietkosten von Fr. 850.- belegt sie sodann mittels Untermietvertrags vom 1. Juli 2006 (act. 2/7). Die Kosten für die Krankenkassenprämie werden direkt von der Sozialbehörde beglichen (act. 2/2 S. 2), weshalb sie in der Bedarfsrechnung nicht zusätzlich zu berücksichtigen sind. Die Abonnementskosten von Fr. 81.- pro Monat belegt die Gesuchstellerin nicht (act. 1 S. 6), weshalb sie keinen Eingang in die Bedarfsrechnung finden. Dennoch kann die Gesuchstellerin unter Berücksichtigung des massgebenden Grundbetrags von Fr. 1'200.- bei diesen finanziellen Verhältnissen (Einkommen: Fr. 1'929.-, kein Vermögen, Notbedarf: Fr. 2'050.-) nicht angehalten werden, die Kosten des Schlichtungsverfahrens selbst zu bestreiten. Ihre Mittellosigkeit ist damit ausgewiesen.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Die fehlende Aussichtslosigkeit ist glaubhaft zu machen (Botschaft ZPO, S. 7303). Dabei sind die Rechtsbegehren und der massgebende Sachverhalt in geraffter Form anzugeben. Zudem hat sich die gesuchstellende Partei über ihre Beweismittel hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 117 ZPO zu äussern, wobei sie im Hinblick auf ihre Mitwirkungspflicht schon mit dem Gesuch die relevanten Urkunden einzureichen hat (Rüegg, in Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar
zur Schweizerischen Zivilprozessordnung,2. Auflage, Basel 2013, N 1 zu Art. 119).
Im Schlichtungsverfahren ersucht die Gesuchstellerin sinngemäss um Zusprechung einer Genugtuung von Fr. 10'000.- (vgl. auch act. 5) sowie um Löschung der Fürsorgerischen Unterbringung vom tt. März 2013 aus den Akten (act. 1 S. 4). Zur Begründung bringt sie vor, die Beklagte in der Hauptsache habe sie am besagten Tag mit einem Krankenwagen in die geschlossene Station der Psychiatrischen Universitätsklinik einweisen lassen. Dort sei sie bis zum 28. März 2013 stationiert geblieben. Die Fürsorgerische Unterbringung sei unnötig und ungerecht gewesen. Dies hätten sowohl der Gutachter als auch das Bezirksgericht Zürich entschieden. Letzteres habe die Fürsorgerische Unterbringung am 28. März 2013 aufgehoben (act. 1 S. 5).
Nach Art. 49 OR hat derjenige, der in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern es die Schwere der Verletzung rechtfertigt und diese nicht anders wieder gut gemacht worden ist. Art. 60 OR sieht sodann vor, dass der Anspruch auf Genugtuung in einem Jahre von dem Tage hinweg, wo der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, verjährt, jedenfalls aber mit dem Ablaufe von zehn Jahren, vom Tage der schädigenden Handlung an gerechnet. Das Bezirksgericht Zürich hat die Beschwerde der Gesuchstellerin gegen die Einweisung der Beklagten in der Hauptsache vom tt. März 2013 bereits mit Urteil vom 28. März 2013 gutgeheissen und die Klinik anwiesen, die Gesuchstellerin zu entlassen (act. 6). Die Einweisung der Gesuchstellerin und ihre Entlassung aus der Fürsorgerischen Unterbringung erfolgten damit vor über einem Jahr, weshalb gestützt auf die vorhandenen Akten davon ausgegangen werden muss, dass der Genugtuungsanspruch bereits verjährt ist. Woraus die Gesuchstellerin sodann einen Anspruch auf Löschung der Akten betreffend den Fürsorgerischen Freiheitsentzug ableitet und welche Akten gemeint sind, macht sie nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Gemäss § 21 der Verordnung der
obersten kantonalen Gerichte über die Archivierung von Verfahrensakten vom 16. März 2001 (Archivverordnung der obersten Gerichte, LS 211.16) sind Gerichtsakten, d.h. auch jene des Bezirksgerichts Zürich, in aller Regel fünfzehn Jahre in den Gerichtsarchiven aufzubewahren. Dies gilt auch für die Akten des Verfahrens FF130068 betreffend Fürsorgerische Unterbringung. Ein Anspruch auf Löschung besteht daher im jetzigen Zeitpunkt nicht. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, ein Obsiegen der Gesuchstellerin im Schlichtungsverfahren erscheine beträchtlich wahrscheinlicher als ein Unterliegen, weshalb es am Kriterium der fehlenden Aussichtslosigkeit fehlt. Damit erweisen sich die Begehren als aussichtlos, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bereits aus diesem Grund abzuweisen ist.
Im Übrigen fehlt es auch am weiteren Erfordernis der Notwendigkeit der Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung. Damit die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände. Eine Partei hat dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (so Emmel, a.a.O., Art. 118 N 5). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fähigkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).
Das Erfordernis der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist vorliegend zu verneinen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen und des festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bestehen. Der Sachverhalt ist überschaubar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich besonders komplizierte Rechtsfragen stellen könnten. Allein aus dem Um-
stand, dass die Gesuchstellerin in der Vergangenheit vorübergehend fürsorgerisch untergebracht wurde (act. 6), kann nicht geschlossen werden, sie benötige zwingend einen unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Schlichtungsverfahren. Der Gesuchstellerin ist es zuzumuten, den dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt vor der Schlichtungsbehörde darzulegen. Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist daher abzuweisen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Es wird erkannt:
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt der Stadt Zürich, Kreise , betreffend Klage gegen B. wird abgewiesen.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Gesuchstellerin,
das Friedensrichteramt der Stadt Zürich, Kreise ...
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 16. Mai 2014
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.