Zusammenfassung des Urteils VO140058: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchsteller A. und B. haben bei der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Meilen die Kündigung ihrer Wohnung angefochten und um kostenlose Rechtsvertretung gebeten. Das Gesuch wurde an den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich weitergeleitet. Die Gesuchsteller beantragten die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, da sie finanziell bedürftig sind. Aufgrund unvollständiger und widersprüchlicher Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen wurde ihr Gesuch abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens um unentgeltliche Rechtspflege trägt das Gericht.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO140058 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 23.05.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Obergericht; Einkommen; Rechtspflege; Obergerichts; Einkommens; Obergerichtspräsident; Verfahren; Entscheid; Schlichtungsbehörde; Meilen; Schlichtungsverfahren; Bestellung; Rechtsbeistandes; Frist; Beurteilung; Gericht; Pacht; Verhältnisse; Einkommenspfändung; Abzug; Pfändung; Kantons; Pachtsachen; Bezirks; Verfügung; Sinne |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 99 KG ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 107 III 83; 120 Ia 179; |
Kommentar: | Sutter, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 117 OR ZPO, 2013 |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO140058-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber
Urteil vom 23. Mai 2014
in Sachen
Gesuchsteller
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 24. April 2014 fochten A.
(nachfolgend:
Gesuchsteller 1) und B.
(nachfolgend: Gesuchstellerin 2) bei der
Paritätischen Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirks Meilen (nachfolgend: Schlichtungsbehörde Meilen) die per 30. April 2014 ausgesprochene Kündigung ihrer Wohnung an und beantragten (eventualiter) die Erstreckung des Mietverhältnisses. Gleichzeitig ersuchten sie um eine kostenlose Rechtsvertretung (vgl. act. 2/1). Mit Verfügung vom 28. April 2014 leitete die Schlichtungsbehörde Meilen das Gesuch um kostenlose Rechtsvertretung zuständigkeitshalber an den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich weiter (act. 1).
Mit Verfügung vom 6. Mai 2014 wurde den Gesuchstellern 1 und 2 Frist angesetzt, um ihr Gesuch im Sinne der Erwägungen zu vervollständigen (act. 3). Innert Frist reichten die Gesuchsteller 1 und 2 mit den Eingaben vom 17. und
19. Mai 2014 (Datum Poststempel) weitere Unterlagen zu den Akten (act. 4/1-6 und act. 6/1-13).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Gemäss Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO ist das Schlichtungsverfahren in Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen kostenlos. Folgerichtig beantragen die Gesuchsteller 1 und 2 lediglich die Bestellung eines unent-geltlichen Rechtsbeistandes im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO, nicht jedoch die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a und b ZPO (act. 2/1).
Eine Person hat Anspruch auf die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit), wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und wenn die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist (Emmel in: SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Zürich/Basel/ Genf 2013, N 7 zu Art. 117 ZPO). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel, a.a.O., N 9 zu Art. 117 ZPO). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., N 4 zu Art. 117 ZPO).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermögens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchsteller 1 und 2 führten zu ihren finanziellen Verhältnissen aus, der Gesuchsteller 1 erziele ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. 8'254.- zzgl. Kinderzulagen von Fr. 300.-, aufgrund einer Einkommenspfändung werde ihm jedoch lediglich ein Lohn von monatlich Fr. 4'530.- ausbezahlt. Die Gesuchstellerin 2 sei nicht erwerbstätig. Sie lebten zusammen mit ihrer 13jährigen Tochter und ihr monatlicher Bedarf betrage Fr. 3'680.- (Miete Fr. 2'800.-, Berufsauslagen Fr. 330.-, Elektrizität/Wasser/Heizen Fr. 300.-, Telefon Fr. 250.-; act. 4/1 S. 2). Sie verfügten über kein Vermögen, hätten jedoch Schulden von Fr. 164'641.50 (act. 4/1 S. 3 f.).
Aus der eingereichten 1. Seite der angeordneten Einkommenspfändung, welche im Dezember 2013 erfolgt sein dürfte, ergibt sich, dass das monatliche Einkommen des Gesuchstellers 1 netto ca. Fr. 8'254.- beträgt und dass die das monatliche Existenzminimum von Fr. 4'530.- übersteigenden Einkünfte voraussichtlich bis 12. Dezember 2014 gepfändet sind (act. 4/3). Der Lohnabrechnung für den Monat April 2014 ist jedoch zu entnehmen, dass der Gesuchsteller 1 (nach Abzug einer Lohnzession Fixer Abzug 9 von Fr. 3'090.10) einen Lohn von netto Fr. 6'909.10 erhalten hat (act. 6/8). Beim Abzug Lohnzession Fixer Abzug 9 dürfte es sich um die pfändbare Quote handeln, wird
dem Arbeitgeber bei einer Lohnpfändung doch in aller Regel in Anwendung von Art. 99 SchKG angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten kann, und würde eine allenfalls nach der Pfändung vorgenommene Abtretung (Zession) künftigen Einkommens der Pfändung gegenüber wirkungslos bleiben (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkursrechts,
9. Auflage, Bern 2013, § 23 N 78). Für eine vor der Pfändung erfolgte Lohnzession, welche der Pfändung vorgehen würde (BGE 107 III 83), finden sich in der 1. Seite der Einkommenspfändung keine Hinweise (act. 4/3). Die Gesuchsteller 1 und 2 haben keine Ausführungen zu diesen widersprüchlichen Belegen gemacht.
Die geltend gemachten Mietkosten von monatlich Fr. 2'800.- blieben unbelegt. Aus der 1. Seite der Einkommenspfändung ergibt sich lediglich ein Mietzins von monatlich Fr. 1'900.- (act. 4/3). Ebenfalls unbelegt geblieben sind die geltend gemachten Berufsauslagen von monatlich Fr. 330.- sowie die Kosten für Elektrizität/Heizen/Telefon, wobei die Kosten für Elektrizität und Kommunikation ohnehin aus dem Grundbetrag zu bezahlen wären (Huber, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], DIKE-Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, St. Gallen 2011, N 44 und 49 zu Art. 117 ZPO). Ausgewiesen sind monatliche Wasserkosten von Fr. 71.25 (act. 4/5). Unklar ist, was die Gesuchsteller 1 und 2 mit der Bemerkung gepfändet geltend machen wollen, welche sie im Formular bei den Krankenkassenprämien KVG, der Hausrat-/Haftpflichtversicherung und dem Anteil Steuern je Monat angebracht haben (vgl. act. 4/1 S. 2). Ein Beleg wurde in diesem Zusammenhang jedenfalls einzig zu den Staatsund Gemeindessteuern eingereicht, welche Fr. 621.90 pro Monat betragen (act. 6/5).
Es ist dem Obergerichtspräsidenten gestützt auf die sehr kurz ausgefallenen und teilweise unklaren Ausführungen der Gesuchsteller 1 und 2 sowie aufgrund der unvollständigen und teilweise widersprüchlichen Belege nicht möglich, die finanziellen Verhältnisse der Gesuchsteller 1 und 2 hinreichend zu beurteilen. Die Gesuchsteller 1 und 2 sind damit ihren Mitwirkungspflichten, welche ihnen mit Verfügung vom 6. Mai 2014 zur Kenntnis gebracht und erläutert
wurden (act. 3, insbesondere S. 2 f. [Erw. 4]), nicht nachgekommen. Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist damit androhungsgemäss (act. 3 S. 4 Dispositiv-Ziffer 1 letzter Satz) abzuweisen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Verfahren vor der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirks Meilen (MM140030-G) wird abgewiesen.
Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung je gegen Empfangsschein an
den Gesuchsteller 1
die Gesuchstellerin 2
die Paritätische Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirks Meilen (MM140030-G)
die Gegenpartei in der Hauptsache, C. AG, [Adresse]
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
Zürich, 23. Mai 2014
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Gürber
versandt am:
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