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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VO140030)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VO140030
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO140030 vom 06.03.2014 (ZH)
Datum:06.03.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Zusammenfassung:Die Gesuchstellerin A. beantragte beim Obergericht des Kantons Zürich unentgeltliche Rechtspflege für ein Schlichtungsverfahren in Miet- und Pachtsachen. Das Gericht entschied, dass die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin notwendig sei, da die Gesuchstellerin mittellos war und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erschien. Der Kanton Zürich trägt die Kosten für den unentgeltlichen Rechtsbeistand. Der Richter, der das Urteil fällte, war der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef. Die Gerichtskosten betrugen CHF 0.
Schlagwörter: Recht; Schlichtungs; Kündigung; Gesuch; Rechtspflege; Verfahren; Schlichtungsverfahren; Hauptsache; Obergericht; Zeitpunkt; Kanton; Schlichtungsbehörde; Person; Bestellung; Pacht; Pachtsachen; Bezirkes; Meilen; Rechtsbeiständin; Gesuchs; Lebens; Rechtsvertreter; Kantons; Rechtsanwältin; Antrag; Beurteilung; Gericht; Miete; Einkommen; ücksichtigen
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ; Art. 113 ZPO ; Art. 117 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 122 ZPO ; Art. 145 ZPO ; Art. 207 ZPO ; Art. 271a OR ; Art. 272 OR ; Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:120 Ia 179; 131 I 113; 69 I 160;
Kommentar:
-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Präsident

Geschäfts-Nr.: VO140030-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Urteil vom 6. März 2014

in Sachen

A. ,

Gesuchstellerin

vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    1. Mit Eingabe vom 27. Februar 2014 liess A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) durch ihre Rechtsvertreterin beim Obergericht des Kantons Zürich den Antrag stellen, es sei ihr für das bei der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Meilen eingeleitete Verfahren MM140008-G in der Person von Rechtsanwältin lic. iur. X. eine unentgeltliche Rechtsbeiständin zu bestellen und sie für ihre Aufwendungen im Schlichtungsund im vorliegenden Verfahren zu entschädigen (act. 1).

    2. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.

  2. Beurteilung des Gesuchs

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Die Gesuchstellerin beschränkt ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu Recht auf die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung, da Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen im Schlichtungsverfahren kostenlos sind (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO).

    3. Eine unentgeltliche Rechtsbeiständin wird bestellt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit), ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint

      (Art. 117 ZPO) und die gerichtliche Bestellung zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).

      Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2013, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).

    4. Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).

    5. Die Gesuchstellerin lässt geltend machen, sie beziehe eine Invalidenrente von Fr. 638.- pro Monat und erhalte darüber hinaus Ergänzungsleistungen von Fr. 2'107.- pro Monat (act. 1 S. 3). Ihr monatliches Einkommen von insgesamt Fr. 2'745.- belegt die Gesuchstellerin mittels Verfügung der SVA Zü- rich vom 3. Januar 2014 (act. 4/9a) sowie mittels Zahlungsbeleg betreffend die Leistung der Invalidenversicherung (act. 4/9b).

      Zu ihren Vermögensverhältnissen lässt die Gesuchstellerin ausführen, sie verfüge über keinerlei Ersparnisse (act. 1 S. 3). Als Beleg reicht sie ein Bestätigungsschreiben der Sozialberatung der Stadt Uster ins Recht (act. 4/8).

      Hinsichtlich der notwendigen Lebenshaltungskosten belegt die Gesuchstellerin lediglich die Mietkosten in der Höhe von Fr. 1'200.- pro Monat (act. 4/2). Anderweitige Aufwendungen werden im Gesuch weder beziffert noch nachgewiesen, weshalb die Gesuchstellerin insoweit ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Da die Gesuchstellerin jedoch der Verfügung der SVA Zürich vom 3. Januar 2014 zufolge insbesondere für die Krankenkassenprämien Ergänzungsleistungen bezieht (act. 4/9a), ist davon auszugehen, dass ihre Einkünfte die notwendigen Lebenshaltungskosten nicht übersteigen. Die Mittellosigkeit der Gesuchstellerin ist damit ausgewiesen.

    6. Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zu prüfen ist, ob der geltend gemachte Anspruch aus den behaupteten Tatsachen rechtlich begründet ist. Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung der Sachund Rechtslage aufgrund des jeweiligen Aktenstandes zu beurteilen (BGE 131 I 113 E. 3.7.3). Zur Vornahme der Prüfung ist damit auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).

    7. Die Gesuchstellerin hat bei der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Meilen einen Antrag auf Kündigungsschutz gestellt (act. 4/6). Zur Begründung lässt sie vorbringen, im heutigen Zeitpunkt sei offen, ob die Kündigung rechtsgültig zugestellt worden sei, da sie an die für mietrechtliche Angelegenheiten nicht zuständige Beiständin der Gesuchstellerin zugesandt worden sei. Zudem müsse abgeklärt werden, ob die Gesuchstellerin im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung überhaupt urteilsund handlungsfähig gewesen sei, und ob der Rückzug der ersten Kündigung allenfalls die Sperrfrist gemäss Art. 271a Abs. 1 lit. e OR ausgelöst habe. Schliesslich seien allfällige Mieterstreckungsgründe zu prüfen (act. 1 S. 4).

      Als Belege für ihr Begehren in der Hauptsache reichte die Gesuchstellerin im hiesigen Verfahren den Mietvertrag vom 28. Juni 2013 (act. 4/2), das Kündigungsschreiben der Beklagten in der Hauptsache vom 23. Oktober 2013 (act. 4/3), das Schreiben der Beklagten in der Hauptsache betreffend Kündigungsrückzug vom 9. November 2013 (act. 4/4), die Kündigungsschreiben vom 29. Januar 2014 (act. 4/5) sowie das bei der Schlichtungsbehörde eingereichte Kündigungsschutzbegehren mit dem Antrag auf Ungül- tigerklärung der Kündigung (act. 4/6) ins Recht. Gestützt auf diese Unterlagen kann im jetzigen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass die Gewinnaussichten des klägerischen Begehrens in der Hauptsache beträchtlich geringer seien als die Verlustgefahren; dies insbesondere aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Gesuchstellerin (act. 4/10) und der damit im Zusammenhang stehenden Frage ihrer Handlungsfähigkeit. Ebenso kann im jetzigen Zeitpunkt gestützt auf eine summarische Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass ein Fall von Art. 271a OR vorliegt. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, dass es der Gesuchstellerin aufgrund ihrer knappen finanziellen Verhältnisse und ihres gesundheitlichen Zustandes (act. 4/10) nicht ein Leichtes sein wird, eine neue Wohnung zu finden, weshalb eine Mieterstreckung im Sinne von Art. 272 Abs. 1 OR im jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann. Damit ist das Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache gegeben.

    8. Damit die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin im Schlichtungsverfahren schliesslich als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände, d.h. es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann einen Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsver-

      treters erforderlich machen (so Emmel, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zü- rich/Basel/Genf 2013, Art. 118 N 5). Dabei sind neben der Komplexität der Rechtsfragen und der Unübersichtlichkeit des Sachverhaltes auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe zu berücksichtigen, so das Alter, die soziale Situation, Sprachkenntnisse sowie allgemein die Fähigkeit, sich im Verfahren zurecht zu finden (Entscheid des Bundesgerichts 1C_339/2008 vom 24. September 2008 E. 2.2.).

    9. Bereits der gesundheitliche Zustand der Gesuchstellerin, welcher eine Behandlung in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Zentrum für Akute Psychiatrische Erkrankungen, erfordert (act. 4/10), lässt die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertreterin als notwendig erscheinen. Zudem ist aufgrund der eingereichten Unterlagen und des geschilderten Sachverhalts davon auszugehen, dass die Klage durchaus anspruchsvolle Abklärungen erforderlich machen kann. Insbesondere die Prüfung der Frage, ob die Kündigung rechtmässig zugestellt wurde und ob allenfalls eine Mieterstreckung verlangt werden kann, ist von gewisser Komplexität. Prozesse um wichtige Aspekte des Lebens wie der Wohnung gelten in aller Regel ohnehin als relativ schwere Fälle, welche die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes rechtfertigen (vgl. BSK ZPO-Rüegg, Art. 118 N 5). Die sachliche Notwendigkeit der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ist damit zu bejahen. Demzufolge ist dem Antrag der Gesuchstellerin auf Bestellung von Rechtsanwältin lic. iur. X. als unentgeltliche Rechtsbeiständin für das Schlichtungsverfahren MM140008G vor der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Meilen zu entsprechen.

  3. Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege

    Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Die Kosten für den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das vorliegende Schlichtungsverfahren in Mietund Pachtsachen sind deshalb dem Kanton Zürich aufzuerlegen. Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlich-

    tungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.

  4. Kosten und Rechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

Es wird erkannt:

  1. Der Gesuchstellerin wird für das anhängig gemachte Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Meilen betreffend Kündigungsschutz in der Person von Rechtsanwältin lic. iur.

    X. , [Adresse], eine unentgeltliche Rechtsbeiständin i.S.v. Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO bestellt.

  2. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO der Kanton Zürich.

  3. Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • die Rechtsvertreterin der Gesuchstellerin, zweifach, gegen Empfangsschein,

    • die Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Meilen, Verfahren MM140008-G, gegen Empfangsschein,

    • den Rechtsvertreter der Gegenpartei in der Hauptsache, Rechtsanwalt Dr. Y. , [Adresse], zweifach, gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 6. März 2014

Obergericht des Kantons Zürich Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu versandt am:

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