Zusammenfassung des Urteils VO140026: Obergericht des Kantons Zürich
Der Gesuchsteller A. beantragt beim Obergericht des Kantons Zürich unentgeltliche Rechtspflege für ein Schlichtungsverfahren bezüglich einer Unterhaltsklage gegen D. Der Obergerichtspräsident prüft die Mittellosigkeit und die Erfolgsaussichten des Gesuchs. Da A. als mittellos eingestuft wird und die Unterhaltsklage nicht aussichtslos erscheint, wird ihm die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Die Kosten für das Verfahren trägt die Stadt C.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO140026 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 27.02.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchs; Rechtspflege; Gesuchsteller; Obergericht; Schlichtungsverfahren; Gesuchstellers; Obergerichts; Beurteilung; Verfahren; Kanton; Entscheid; Gericht; Kindsmutter; Kantons; Obergerichtspräsident; Beiständin; Friedensrichteramt; Unterhaltsklage; Anspruch; Mittellosigkeit; Einkommen; Prozesskosten; Verhältnisse; Unterhaltspflicht; Über; Rechtsbeistand; Schlichtungsverfahrens |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 191 KG ;Art. 207 ZPO ;Art. 276 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 110 IA 87; 120 Ia 179; 127 I 202; 69 I 160; |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 117 OR ZPO, 2013 |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO140026-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber
Urteil vom 27. Februar 2014
in Sachen
Gesuchsteller
vertreten durch Inhaberin der elterlichen Sorge B. vertreten durch Beiständin Dr. iur. X.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 19. Februar 2014 liess A.
(nachfolgend: Gesuch-
steller) durch seine Beiständin Dr. iur. X.
beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für ein beim Friedensrichteramt C. anhängig gemachtes Schlichtungsverfahren ersuchen. Das Schlichtungsverfahren betrifft eine Unterhaltsklage gegen D. (act. 1 und act. 3/5).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten
innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermö- gen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist (Emmel, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Zürich/ Basel/Genf 2013, N 7 zu Art. 117 ZPO). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel, a.a.O., N 9 zu Art. 117 ZPO). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., N 4 zu Art. 117 ZPO).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermögens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gehen allfällige gesetzliche Unterhaltspflichten wie bspw. die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder gemäss Art. 276 ff. ZGB vor (vgl. BGE 127 I 202), weshalb vorliegend insbesondere zu prüfen ist, ob der Gesuchsteller nicht auf der Grundlage solcher Verpflichtungen die nötigen finanziellen Mittel erhältlich machen kann. Konkret sind deshalb
die finanziellen Verhältnisse der Mutter des Gesuchstellers in die Beurteilung seiner Mittellosigkeit einzubeziehen.
Gemäss den glaubhaften Ausführungen im Gesuch handelt es sich beim rund zehn Monate alten Gesuchsteller um ein einkommensund vermögensloses Kleinkind (act. 1 S. 2). Zu den finanziellen Verhältnissen der Kindsmutter wird im Gesuch ausgeführt, sie sei ausgesteuert und zurzeit nicht erwerbstätig. Sie werde vollumfänglich von der Sozialhilfe unterstützt und habe zudem Insolvenz anmelden müssen. Mit Urteil vom 3. September 2013 sei über die Kindsmutter der Konkurs eröffnet worden (act. 1 S. 2).
Den eingereichten Abrechnungen des Sozialdienstes E. für die Monate Januar und Februar 2014 ist zu entnehmen, dass die Kindsmutter mit monatlich Fr. 3'290.10 unterstützt wird. Ihr monatlicher Bedarf beträgt demgegenüber Fr. 3'090.10 (Heimund Pflegekosten Fr. 1'509.-, Wohnungskosten inkl. NK Fr. 1'650.-, Krankenversicherung VVG - Fr. 68.90; act. 3/2). Damit liegen die monatlichen Einnahmen der Kindsmutter Fr. 200.- über ihrem Notbedarf, wobei es sich beim Überschuss um die seitens der Sozialbehörde zugesprochene Integrationszulage handelt (vgl. act. 3/2). Über die Integrationszulage sollen berufliche Qualifizierung, Schulung und Ausbildung, gemeinnützige nachbarschaftliche Tätigkeit sowie die Pflege von Angehörigen finanziell honoriert und gefördert werden, weshalb diese nicht für Prozesskosten eingesetzt werden sollte. Die Vermö- genslosigkeit der Kindsmutter ergibt sich sodann aus der gestützt auf Art. 191 SchKG am 3. September 2013 erfolgten Konkurseröffnung (act. 3/3). Unter diesen Umständen kann die vermögenslose Mutter des Gesuchstellers nicht angehalten werden, gestützt auf die familienrechtliche Unterhaltspflicht einen Prozesskostenvorschuss zu leisten. Das Erfordernis der Mittellosigkeit des Gesuchstellers ist damit gegeben.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich ge-
ringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch Rüegg, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2013, N 20 zu Art. 117 ZPO).
Die rechtshängig gemachte Unterhaltsklage gegen D. kann aus heutiger Perspektive nicht als aussichtslos bezeichnet werden, da er den Gesuchsteller am tt. November 2013 beim Zivilstandsamt C. als sein Kind anerkannt hat (vgl. act. 3/4). Folglich kann dem Antrag des Gesuchstellers entsprochen werden und ist ihm für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt
C.
betreffend oberwähnte Unterhaltsklage die unentgeltliche Rechtspflege
zu erteilen.
Einen Antrag um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes stellt der Gesuchsteller nicht ausdrücklich. Einem solchen wäre auch nicht stattzugeben, da gemäss ständiger kantonaler und bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Bestellung eines Rechtsbeistandes nicht notwendig erscheint, wenn die bedürftige Partei über einen Beistand verfügt, welcher in der Lage ist, die Interessen des Vertretenen zu wahren (ZR 83 [1984] S. 271; BGE 110 IA 87). Dies ist vorliegend der Fall. Die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde des Bezirks Dietikon hat Dr. iur. X. mit Beschluss vom 30. Januar 2014 zur Beiständin des Gesuchstellers mit dem Auftrag ernannt, für eine angemessene Regelung der Unterhaltspflicht zu sorgen, wozu ihr eine Prozessvollmacht mit Substitutionsrecht erteilt wurde (act. 3/1). Damit ist die rechtskundige Vertretung des Gesuchstellers gewährleistet.
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur Schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen
Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Stadt C. . Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Stadt C. erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtsprä- sident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Dem Gesuchsteller wird für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt C. betreffend Unterhaltsklage gegen D. die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird nicht bestellt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Stadt C. .
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Beiständin des Gesuchstellers, Dr. iur. X. , zweifach, für sich und die gesetzliche Vertreterin des Gesuchstellers
die Gegenpartei in der Hauptsache, D. , [Adresse]
das Friedensrichteramt C. , [Adresse]
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 27. Februar 2014
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Gürber
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.