Zusammenfassung des Urteils VO130161: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. hat beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Bestellung eines Rechtsbeistandes für ein Schlichtungsverfahren eingereicht. Das Obergerichtspräsident hat das Gesuch geprüft und festgestellt, dass die Mittellosigkeit der Gesuchstellerin nicht ausreichend belegt wurde. Daher wurde das Gesuch abgewiesen. Es wurde auch festgestellt, dass die Gesuchstellerin bereits über einen Beistand verfügt, der ihre Interessen wahren kann. Das Verfahren vor dem Obergericht ist kostenlos. Der Entscheid wurde am 19. November 2013 getroffen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO130161 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 19.11.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Gesuch; Rechtspflege; Obergericht; Schlichtungsverfahren; Obergerichts; Bestellung; Rechtsbeistandes; Verfahren; Obergerichtspräsident; Entscheid; Gewährung; Verfügung; Beiständin; Gericht; Einkommen; Gesuchs; Sinne; Beurteilung; Anspruch; Verhältnisse; Kantons; Schlichtungsbehörde; Bezirks; Forderung; Frist; Pacht; Bedürftigkeit; Gesuchsteller; Emmel |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 395 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 110 IA 87; 120 Ia 179; |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, Art. 117 OR, 2010 |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO130161-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber
Urteil vom 19. November 2013
in Sachen
Gesuchstellerin
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 10. Oktober 2013 stellte A.
(nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für ein bei der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirks Zürich anhängiges Schlichtungsverfahren betreffend Forderung (MK130508-L; act. 1 S. 1 und S. 4).
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2013 wurde der Gesuchstellerin Frist angesetzt, um ihr Gesuch im Sinne der Erwägungen zu vervollständigen (act. 3). B. , der Stellvertreter der Beiständin der Gesuchstellerin, reichte daraufhin am 1. November 2013 (beim Obergerichtspräsidenten eingegangen am
4. November 2013) ein Schreiben, eine Vollmacht der Gesuchstellerin sowie mehrere Beilagen zu den Akten (act. 4, act. 5 und act. 6/2-8).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuches
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Vorliegend ist die Gesuchstellerin Beklagte in einem eine Mietsache betreffenden Verfahren. Gemäss Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO ist das Schlichtungsverfah-
ren in Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnund Geschäftsräumen kostenlos. Entsprechend ist auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a und b ZPO nicht einzutreten. Zu prüfen bleibt das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO.
Eine Person hat Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit), wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und wenn die Bestellung eines Rechtsbeistandes zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermö- gen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist (Emmel in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/ Genf 2010, N 7 zu Art. 117). Vom Vermögen wird jedoch derjenige Betrag, der mangels ausreichenden Einkommens für den laufenden Lebensunterhalt eingesetzt werden muss, nicht berücksichtigt (Urteil des Bundesgerichts 9C_874/2008). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegen- über Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel, a.a.O., N 9 zu Art. 117). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., N 4 zu Art. 117).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten
- anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Andererseits braucht es ganz besondere Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO als notwendig erscheint.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin führte zu ihren finanziellen Verhältnissen aus, sie erhalte eine IV-Rente von monatlich Fr. 1'170.- sowie Zusatzleistungen zur IV-Rente von monatlich Fr. 1'426.- (act. 1 S. 2). Vermögen habe sie keines, dafür bestün- den Schulden in der Höhe von Fr. 24'738.80 (act. 1 S. 3 f.). Ihren Bedarf beziffert sie sodann auf Fr. 2'423.95 (Miete Fr. 1'562.-, Krankenkassenprämie KVG Fr. 492.05, Krankenkassenprämie VVG Fr. 65.70, Hausrat-/Haftpflichtversicherung Fr. 104.20, Schuldensanierung Fr. 200.-; act. 1 S. 2).
Durch die Verfügung der KESB der Stadt Zürich vom 3. Oktober 2013 ist belegt, dass die Gesuchstellerin eine monatliche IV-Rente von Fr. 1'170.- sowie Zusatzleistungen zur IV von monatlich Fr. 2'726.- erhält (act. 6/2). Es ist damit von Einnahmen von monatlich Fr. 3'896.- auszugehen. Aus derselben Verfügung ergibt sich sodann auch, dass die Gesuchstellerin über ein Guthaben bei der Postfinance von Fr. 229.- und über ein Guthaben bei der Credit Suisse von Fr. 4'165.53 verfügt (act. 6/2). Unbelegt geblieben sind jedoch die geltend gemachten monatlichen Auslagen. Aus der Verfügung vom 3. Oktober 2013 ergibt sich lediglich, dass die Gesuchstellerin in einem möblierten Zimmer wohnt, bei der C. AG krankenversichert ist und eine kombinierte Hausratund Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Zur Höhe der einzelnen Positionen lässt sich dieser Verfügung nichts entnehmen (vgl. act. 6/2). Im Fragebogen zum Besitzstandinventar
vom 18. September 2013 werden zwar die einzelnen Bedarfspositionen betragsmässig aufgelistet (act. 6/3 S. 1 f.), die dazugehörigen Belege wurden jedoch nicht zu den Akten gereicht.
Es ist dem Obergerichtspräsidenten unter diesen Umständen nicht möglich, die finanziellen Verhältnisse der Gesuchstellerin hinreichend zu beurteilen. Die Gesuchstellerin ist damit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Schlichtungsverfahren abzuweisen ist.
Auf eine Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen kann unter diesen Umständen verzichtet werden. Lediglich ergänzend sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass gemäss ständiger kantonaler und bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes dann nicht notwendig erscheint, wenn die Partei über einen Beistand verfügt, welcher in der Lage ist, die Interessen des Vertretenen zu wahren (ZR 83 [1984] S. 271; BGE 110 IA 87). Dies ist vorliegend der Fall. Die KESB Stadt Zürich hat mit Beschluss vom 7. Juni 2013 für die Gesuchstellerin eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB angeordnet und Frau
D.
zur Beiständin ernannt (act. 6/8). Zudem hat die Gesuchstellerin mit
Schreiben vom 28. Oktober 2013 B. , dem Stellvertreter ihrer Beiständin, im Hinblick auf das in der Hauptsache vom Kläger gegen die Gesuchstellerin angestrengte Verfahren eine allgemeine Prozessvollmacht erteilt (act. 5). Gemäss den Ausführungen von B. (act. 4 S. 1 unten) und den eingereichten Unterlagen (act. 6/5-6) ist nicht davon auszugehen, dass die gegen die Gesuchstellerin anhängig gemachte Forderungsklage in tatsächlicher und/oder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bieten könnte. Zudem befindet sich die Gesuchstellerin in der Rolle der beklagten Partei, was zumindest in einem Schlichtungsverfahren prozesstaktisch wenig herausfordernd ist. Es ist deshalb ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Beiständin der Gesuchstellerin und/oder B. in der Lage sind, die Interessen der Gesuchstellerin im Schlichtungsverfahren ausreichend zu wahren. Auch aus diesem Grund wäre das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes damit abzuweisen.
Der Gesuchstellerin ist es unbenommen, bei einem allfälligen Verfahren vor dem zuständigen Gericht erneut um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung zu ersuchen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtsprä- sident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a und lit. b ZPO für das Schlichtungsverfahren vor der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Mietund Prachtsachen des Bezirks Zürich betreffend Forderung (MK130508-L) wird nicht eingetreten.
Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das oberwähnte Schlichtungsverfahren wird abgewiesen.
Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an
B. , Stadt Zürich, Sozialzentrum , [Adresse], Zürich, dreifach für sich und zuhanden der Gesuchstellerin und deren Beiständin D.
die Paritätische Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirks Zürich (MK130508-L), Postfach, 8026 Zürich
die Gegenpartei in der Hauptsache, E. , [Adresse]. je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 19. November 2013
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
versandt am:
lic. iur. A. Gürber
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