Zusammenfassung des Urteils VO120143: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. reichte beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein, nachdem sie ein Schlichtungsgesuch gegen C. eingereicht hatte. Das Obergerichtspräsidium bewilligte die unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren. A. machte geltend, mittellos zu sein, da sie keine Einkünfte hatte und von ihrem Freund finanziell unterstützt wurde. Das Gericht entschied, dass die Gemeinde B. die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege tragen soll. Die Gesuchstellerin erhielt auch eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung für das Schlichtungsverfahren.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120143 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 30.11.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Rechtspflege; Schlichtungsverfahren; Gesuch; Feststellung; Obergericht; Klage; Feststellungsklage; Gericht; Hauptsache; Kanton; Friedensrichteramt; Bestellung; Anspruch; Einkommen; Betreibung; Rechtsbeistand; Rechtsbeistandes; Verfahren; Forderung; Obergerichts; Gemeinde; Kantons; Frist; Gesuchs; Beurteilung; Bedürftigkeit; Entscheid; Obergerichtspräsident; Einreichung |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 85a KG ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 125 III 149; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120143-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Urteil vom 30. November 2012
in Sachen
Gesuchstellerin
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 10. Oktober 2012 reichte A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Friedensrichteramt B.
ein Schlichtungsgesuch betreffend eine negative Feststellungsklage gegen C.
ein (act. 2/2 und
act. 8/4). Ebenfalls am 10. Oktober 2012 ersuchte sie sodann beim Obergericht des Kantons Zürich um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das Schlichtungsverfahren (act. 1 S. 4).
Mit Verfügungen vom 19. Oktober 2012 sowie vom 13. November 2012 wurde der Gesuchstellerin Frist zur Ergänzung ihres Gesuchs und Einreichung weiterer Unterlagen angesetzt (act. 4 und act. 9). Diese gingen beim Gericht am 2. bzw. am 23. November 2012 ein (act. 6-8/1-6, act. 10).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos er-
scheint (Art. 117 ZPO). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes setzt sodann zusätzlich voraus, dass dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, SutterSomm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermögens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Andererseits braucht es ganz besondere Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO als notwendig erscheint.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen
Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin macht geltend, von Beruf sei sie Visagistin. Solange sie keine Arbeitsstelle finde, werde sie finanziell von ihrem Freund unterstützt (act. 1 und act. 10). Gemäss der Schlussrechnung des Steueramtes
D.
betreffend die Staatsund Gemeindesteuern 2011 hat sie weder
steuerbares Einkommen noch Vermögen (act. 3/3/6). Ihre notwendigen Lebenshaltungskosten beziffert sie mit Fr. 333.- pro Monat für die Krankenkassenprämien gemäss KVG, Belege hierzu fehlen indes; insoweit ist sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Im Weiteren hat sie Steuerauslagen von Fr. 2.- pro Monat (act. 3/3/6). Infolge der Einkommensund Vermö- genslosigkeit ist jedoch von der Bedürftigkeit der Gesuchstellerin auszugehen.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Den ins Recht gereichten Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Gesuchstellerin in der Hauptsache eine negative Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG betreffend eine mittels Betreibungseinleitung geltend gemachte Forderung des Beklagten in der Hauptsache in der Höhe von Fr. 658.- eingeleitet hat (act. 2/2). Gemäss Art. 198 lit. e Ziff. 2 ZPO entfällt das Schlichtungsverfahren für negative Feststellungsklagen nach Art. 85a SchKG. Eine negative Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG steht jedoch dann nicht zur
Verfügung, wenn - wie vorliegend (act. 2/2) - rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben wurde (BGE 125 III 149 E. 2c). In solchen Fällen ist eine allgemeine Feststellungsklage zu erheben. Da eine falsche Bezeichnung der Klage durch Laien jedoch nicht schadet (analog zu Rechtsmitteln, vgl. Blickenstorfer in DIKE-Kommentar, Vor Art. 308-334 N 67; vgl. auch BSK ZPOFrei/Willisegger, Art. 221 N 4 ff.), ist das am 10. Oktober 2012 eingeleitete Schlichtungsverfahren als allgemeine negative Feststellungsklage zu behandeln.
Die Gesuchstellerin begründet die Klage damit, der Beklagte in der Hauptsache habe sie vollkommen grundlos für einen Betrag von Fr. 658.- betrieben (Betreibung Nr. des Betreibungsamtes E. ). Dieser Betrag setze sich aus Aufwendungen und Dienstleistungen des Beklagten sowie aus Kosten eines Betreibungsbegehrens und einer Verhandlung vor dem Friedensrichteramt zusammen. Dem Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt sei eine Klage in der Höhe von Fr. 60'000.- zugrunde gelegen (act. 6). Der Beklagte beabsichtige, ihren Ruf zu schädigen und sie zu terrorisieren. Sie beantrage daher die Löschung der Betreibung bzw. die Feststellung des Nichtbestehens der Forderung (act. 2/2). Den Akten ist zu entnehmen, dass die besagte Forderung nebst Kosten für das Betreibungsbegehren und die friedensrichterliche Verhandlung Aufwendungen und Dienstleistungen des Beklagten in der Hauptsache umfasst (act. 2/2). Obwohl die Gesuchstellerin davon abgesehen hat, näher darzulegen, weshalb die Forderung nicht bestehe, kann gestützt auf die vorhandenen Akten nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Klage aussichtslos ist, zumal sie die Feststellung des Nichtbestehens von Forderungen betrifft, die im Zusammenhang mit einer Ehrverletzungsklage stehen, hinsichtlich welcher sich die Parteien aussergerichtlich geeinigt haben (act. 8/5). Folglich kann dem Antrag der Gesuchstellerin entsprochen werden und ist ihr für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt B. Rechtspflege zu erteilen.
betreffend oberwähnte Klage die unentgeltliche
Die Gesuchstellerin beantragt sodann die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung (act. 1 S. 4). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines Rechtsbeistandes besteht im Wesentlichen dann, wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO). Wie dargelegt, bedarf es ganz besonderer Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren als notwendig erscheint. Allgemein ausgedrückt hat eine Partei dann Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (so Emmel, a.a.O., Art. 118 N 5).
Bereits die Tatsache, dass der Gesuchstellerin mangels Rechtskenntnisse offensichtlich unklar ist, welche Klage sie zu erheben hat, zeigt die Notwendigkeit des Beizugs eines Rechtsvertreters. Dem Gesuch ist damit auch in diesem Punkt zu entsprechen und es ist der Gesuchstellerin eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu bestellen.
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur Schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Gemeinde B. . Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Der Gesuchstellerin wird für das anhängig gemachte Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt B. betreffend negative Feststellungsklage gegen C. die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung bestellt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Gemeinde B. .
Die Gesuchstellerin wird aufgefordert, innert einer Frist von 10 Tagen seit Zustellung dieses Entscheids dem Obergerichtspräsidenten einen von ihr gewünschten, im Kanton Zürich zugelassenen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin zu benennen, andernfalls ihr vom Gericht ein solcher bestellt wird.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an:
die Gesuchstellerin,
das Friedensrichteramt B. ,
an die Gegenpartei in der Hauptsache, C. , [Adresse].
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, [Adresse], eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
Zürich, 30. November 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
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