Zusammenfassung des Urteils VO120133: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. reichte beim Friedensrichteramt B. eine Klage betreffend Ansprüche einer unverheirateten Mutter ein und ersuchte gleichzeitig beim Obergericht des Kantons Zürich um unentgeltliche Rechtspflege. Der Obergerichtspräsident bewilligte die unentgeltliche Rechtspflege bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens, da A. nachweisen konnte, dass sie bedürftig ist. Die Klage gegen C. wurde nicht als aussichtslos eingestuft, daher wurde der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren gewährt. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege trägt die Stadt B.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120133 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 25.09.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Rechtspflege; Schlichtungsverfahren; Gesuch; Obergericht; Klage; Kanton; Gericht; Einkommen; Stadt; Kantons; Verfahren; Friedensrichteramt; Beurteilung; Schlichtungsverfahrens; Anspruch; Bedürftigkeit; Über; Vater; Rechtsbeistand; Obergerichts; Obergerichtspräsident; Mutter; Gewährung; Person; Bestellung; Rechtsbeistandes; Notbedarf; ücksichtigen |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 295 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 69 I 160; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120133-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Urteil vom 25. September 2012
in Sachen
Gesuchstellerin
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 17. September 2012 reichte A.
(nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Friedensrichteramt B.
eine Klage betreffend Ansprüche der unverheirateten Mutter nach Art. 295 ZGB gegen C. ein (vgl. act. 3/1). Ebenfalls am 17. September 2012 ersuchte sie sodann beim Obergericht des Kantons Zürich um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (act. 1).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Ausgangslage
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor der Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident die unentgeltliche Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes setzt sodann zusätzlich voraus, dass dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das mass-
gebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Sind ausreichend liquide Mittel wie bspw. Bankkonten Wertpapiere vorhanden, sind diese zur Bezahlung des Prozesses zu verwenden, es sei denn, sie werden mangels ausreichenden Einkommens für den laufenden Lebensunterhalt benötigt (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 15). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermö- gens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin macht geltend, sie sei alleinerziehende Mutter eines minderjährigen Sohnes und gehe zurzeit keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie beziehe Sozialhilfeleistungen (act. 1 S. 2). Dem Beleg der Stadtverwaltung B. betr. Budget ab Mai 2012 ist zu entnehmen, dass die Gesuchstellerin Unterstützungsbeiträge von Fr. 2'704.70 pro Monat erhält (act. 3/5). Zudem erhält sie gemäss Beleg der Stadt B. als Überbrückungshilfe einen Betrag von Fr. 520.- pro Monat (act. 3/6). Insgesamt belaufen sich die monatlichen Einkünfte der Gesuchstellerin damit auf Fr. 3'224.70. Über Vermögen verfügt sie gemäss der Steuererklärung 2011 nicht (act. 3/7).
Hinsichtlich der notwendigen Lebenshaltungskosten sind in der Bedarfsrechnung mangels aktenkundigen familienrechtlichen Unterhaltszahlungen seitens des Vaters auch die Lebenshaltungskosten des minderjährigen Sohnes zu berücksichtigen (BSK SchKG I-Vonder Mühll, Art. 93 N 24 und 35; DIKE-Kommentar, Huber, Art. 117 N 32). Die notwendigen Lebenshaltungskosten für sich und das minderjährige Kind beziffert und belegt die Gesuchstellerin wie folgt: Mietkosten Fr. 1'265.- pro Monat (act. 3/8), Krankenkasse KVG Gesuchstellerin Fr. 264.70 pro Monat (inkl. Prämienverbilligung, act. 3/9/a-b), Krankenkasse KVG minderjähriges Kind Fr. 0.- pro Monat (act. 3/9b und act. 3/10 [die Prämienverbilligung für die obligatorische Krankenpflegeversicherung liegt über den effektiven Kosten nach KVG]), Hausrat-/Haftpflichtversicherung Fr. 28.30 pro Monat (act. 3/11) sowie Steuern Fr. 122.- pro Monat (act. 3/7). Bei diesen finanziellen Verhältnissen (Einkommen Fr. 3'224.70, kein Vermögen, Notbedarf Fr. 3'430.-) ist es der Gesuchstellerin unter Berücksichtigung des Grundbetrags für sich und das Kind nicht zumutbar, die Kosten des Schlichtungsverfahrens selbst zu begleichen. Die Bedürftigkeit ist damit ausgewiesen.
Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaus-
sichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zur Vornahme der Prüfung ist auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).
Die rechtshängig gemachte Klage gegen C.
kann aus heutiger Perspektive nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Nach Art. 295 ZGB kann die Mutter spätestens bis ein Jahr nach der Geburt gegen den Vater auf Ersatz für die Entbindungskosten, für die Kosten des Unterhaltes während mindestens vier Wochen vor und mindestens acht Wochen nach der Geburt sowie für andere infolge der Schwangerschaft der Entbindung notwendig gewordene Auslagen klagen. D.
wurde am 29. September 2011
geboren (act. 3/7). Offenbar wurde in einem Vaterschaftsgutachten des Instituts der Rechtsmedizin des Kantons Zürich vom 19. April 2012 die Vaterschaft von C.
festgestellt (act. 1 S. 3). Im Weiteren sind zumindest
Teile der geltend gemachten Auslagen belegt (act. 3/3-3/4). Damit erscheint die Klage gestützt auf Art. 295 ZGB nicht als aussichtslos. Folglich kann dem Antrag der Gesuchstellerin entsprochen werden und ist ihr für das
Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt B. oberwähnte Klage die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen.
betreffend
Die Gesuchstellerin ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, ohne sich explizit darüber zu äussern, ob sie auch die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes beantragt. In der Begründung zu ihrem Gesuch macht sie indes geltend, aus der Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben gehe hervor, dass es ihr nicht möglich sei, allfällige Vorschussund Sicherheitsleistungen im Prozess zu erbringen sowie die Gerichtskosten zu tragen (act. 1 S. 2). Damit ist davon auszugehen, dass die Gesuchstellerin ihr Gesuch auf den Vorschusspflichtverzicht sowie den Kostenerlass beschränkt und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nicht beantragt. Es ist daher nicht darüber zu entscheiden.
Abschliessend ist damit festzuhalten, dass der Gesuchstellerin für besagtes Schlichtungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren ist.
Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. wird der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Der ständigen Praxis des Obergerichts des Kantons Zürich zur Schweizerischen Zivilprozessordnung folgend sowie entsprechend der bisherigen zürcherischen Praxis sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen, vorliegend somit von der Stadt B. . Zu beachten ist indes, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei der Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen werden und das erkennende Gericht somit in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss Art. 104 ff. ZPO zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Der Gesuchstellerin wird für das Schlichtungsverfahren vor dem Friedensrichteramt der Stadt B. betreffend Klage aus Art. 295 ZGB gegen
C. die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO die Stadt B. .
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Gesuchstellerin,
an das Friedensrichteramt der Stadt B. ,
an die Gegenpartei in der Hauptsache, C. , [Adresse].
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 25. September 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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