Zusammenfassung des Urteils VO120117: Obergericht des Kantons Zürich
Der Gesuchsteller A. reichte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Bestellung eines Rechtsanwalts ein, um eine Forderung aus dem Arbeitsrecht gegen die C. AG zu klären. Das Obergericht des Kantons Zürich lehnte das Gesuch ab, da der Streitwert unter 30.000 CHF lag und somit kein Rechtsschutzinteresse bestand. Der Gesuchsteller konnte die Kosten selbst tragen, da sein Einkommen und Vermögen ausreichten. Das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege war kostenlos, und die Gegenpartei konnte gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120117 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 28.08.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Rechtspflege; Obergericht; Schlichtungsverfahren; Verfahren; Gericht; Bestellung; Rechtsbeistand; Person; Einkommen; Entscheid; Obergerichtspräsident; Beurteilung; Anspruch; Bedürftigkeit; Streitwert; Rechtsbeistandes; Vermögens; Kantons; Klage; Gerichtskosten; Prämien; Notbedarf; Grundbetrag; Verhältnisse |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 StPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 337c OR ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120117-O/U
Mitwirkend: der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Urteil vom 28. August 2012
in Sachen
Gesuchsteller
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 14. August 2012 liess A. (nachfolgend: Gesuchsteller) durch seinen Rechtsvertreter beim Friedensrichteramt B. , ein Schlichtungsgesuch betreffend Forderung aus Arbeitsrecht gegen die C. AG einreichen (act. 4/5). Gleichentags liess der Gesuchsteller sodann beim Obergericht des Kantons Zürich für besagtes Verfahren ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um die Bestellung von Rechtsanwalt lic. iur. X. als unentgeltlichen Rechtsbeistand stellen (act. 1).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Gemäss Art. 117 StPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Die Bewilligung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege hat u.a. zur Folge, dass keine Gerichtskosten erhoben werden. Die Frage der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sin-
ne einer Befreiung von den Gerichtskosten stellt sich damit nur bei Verfahren, welche nicht ohnehin kostenlos sind. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 2 lit. d ZPO u.a. dann keine Gerichtskosten gesprochen, wenn es sich um eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- handelt. Dem Schlichtungsgesuch zufolge beantragt der Gesuchsteller Lohnersatz von Fr. 11'301.60 brutto, eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR in der Höhe von Fr. 10'616.65 brutto, Schadenersatz von Fr. 1'110.55 sowie einen unbezifferten Betrag für BVGPrämien. Zudem begehrt er die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses und beziffert dessen Streitwert mit Fr. 4'900.- (vgl. act 4/6). Da die Höhe der BVG Prämien nicht ausgewiesen ist, kann der Streitwert vorliegend nicht abschliessend beziffert werden. Der Gesuchsteller lässt jedoch ausführen, er wolle den Klagebetrag unter Fr. 30'000.- halten und behalte sich daher eine Reduktion der Klage vor (act. 4/5 S. 4). Damit ist von einem Streitwert unter Fr. 30'000.- auszugehen und auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Vorliegens eines Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO).
Der Gesuchsteller lässt sodann die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes beantragen (act. 1).
Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird bestellt, wenn die gesuchstellende Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO) und die gerichtliche Bestellung zur Wahrung der Rechte der gesuchstellenden Person notwendig ist. Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Dazu gehören
auch Motorfahrzeuge, soweit sie keinen Kompetenzcharakter aufweisen (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 16). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zü- rich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermögens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Andererseits braucht es ganz besondere Umstände, damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO als notwendig erscheint.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Der Gesuchsteller lässt geltend machen, er sei arbeitslos und beziehe Arbeitslosenentschädigung. Gemäss der ins Recht gereichten Abrechnung der Unia beträgt diese durchschnittlich Fr. 3'616.- pro Monat (act. 4/6-8). Zu seinen Vermögensverhältnissen lässt der Gesuchsteller ausführen, er besitze ein Konto bei der bank, das per 10. August 2012 einen Saldo von Fr. 8.37 aufgewiesen habe (act. 4/16). Zudem besitzt der Gesuchsteller ein Fahrzeug
der Marke , Jahrgang 1996, dessen Wert er auf maximal Fr. 2'500.- beziffert (act. 1 S. 7). Der Gesuchsteller macht nicht geltend, das Fahrzeug weise Kompetenzcharakter auf, weshalb es in der Bedarfsrechnung zu berücksichtigen ist. Seine notwendigen Lebenshaltungskosten lässt er sodann wie folgt beziffern und belegen: Mietkosten Fr. 1'000.- pro Monat (act. 4/9-10), Krankenkassenbeiträge Fr. 304.20 pro Monat (act. 4/13, zwar ist nicht ausgewiesen, ob einschliesslich der Prämien nach VVG, aber gemäss [Krankenkasse] angemessen) sowie Kreditschulden von Fr. 785.55 pro Monat (act. 4/11-12). Die Kosten für Mobiltelefonie sind sodann bereits im Grundbetrag enthalten und können nicht zusätzlich berücksichtigt werden (Huber, DIKE-Kommentar, Art. 117 N 49). Hinsichtlich des geltend gemachten Steuerausstandes von monatlich rund Fr. 428.90 (act. 1 S. 6) hat der Gesuchsteller zwar das Zahlungsabkommen mit dem Steueramt ins Recht gereicht (act. 4/15), daraus geht jedoch nicht hervor, dass er die Ausstände tatsächlich begleicht. Damit ist die betreffende Position in der Bedarfsrechnung nicht zu berücksichtigen. Schliesslich ist der Grundbetrag gemäss Ziffer IV der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums vom 16. September 2009 infolge freier Kost (act. 1 Rz 14) auf Fr. 550.- festzusetzen. Bei diesen finanziellen Verhältnissen (Einkommen rund Fr. 3'616.-, Vermögenswerte Motorfahrzeug rund Fr. 2'500.-, Notbedarf rund Fr. 2'639.75) kann der Gesuchsteller angehalten werden, die Kosten des Schlichtungsverfahrens bzw. der diesbezüglichen Rechtsvertretung aus seinem Einkommen bzw. allenfalls aus dem Verkaufserlös des Fahrzeuges zu bestreiten. Damit fehlt es an der Bedürftigkeit des Gesuchstellers, weshalb das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes abzuweisen ist.
Auf eine Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache sowie der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes kann unter diesen Umständen verzichtet werden. Dem Gesuchsteller ist es jedoch unbenommen, bei einem allfälligen Verfahren vor Bezirksgericht erneut um die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu ersuchen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren wird nicht eingetreten.
Das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Schlichtungsverfahren wird abgewiesen.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Rechtsvertreter des Gesuchstellers, zweifach, für sich und den Gesuchsteller,
das Friedensrichteramt B. ,
die Gegenpartei in der Hauptsache, C. AG.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 28. August 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
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