Zusammenfassung des Urteils VO120084: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. reichte beim Obergericht des Kantons Zürich ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein, nachdem sie eine Klage beim Friedensrichteramt C. bezüglich Auslagen aufgrund von Schwangerschaft und Geburt gegen B. eingereicht hatte. Das Obergericht lehnte das Gesuch ab, da A. trotz geringem Überschuss von Einkommen und Vermögen die Kosten selbst tragen könne. Die Entscheidung ist kostenlos und kann innerhalb von 10 Tagen beim Obergericht angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120084 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 27.06.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Rechtspflege; Obergericht; Gesuch; Kinder; Schlichtungsverfahren; Verfahren; Anspruch; Einkommen; Entscheid; Obergerichtspräsident; ZPO-Rüegg; Gericht; Person; Bedürftigkeit; Unterhalt; Rechtsbeistand; Kantons; Beurteilung; Schlichtungsverfahrens; Rechtsbeistandes; Notbedarf; Frist; Einkommens; Unterhaltsbeiträge; Verhältnisse; SchKG; I-Vonder |
Rechtsnorm: | Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 295 ZGB ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120084-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident Dr. H.A. Müller sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Gesuchstellerin
Urteil vom 27. Juni 2012
in Sachen
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 11. Juni 2012 reichte A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Friedensrichteramt C.
eine Klage betreffend Auslagen aufgrund von Schwangerschaft und Geburt nach Art. 295 ZGB gegen B. ein (vgl. act. 5/5). Ebenfalls am 11. Juni 2012 ersuchte sie sodann beim Obergericht des Kantons Zürich um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (act. 1).
Auf Fristansetzung seitens des Gerichts hin (act. 3) reichte die Gesuchstellerin am 21. Juni 2012 diverse Unterlagen ins Recht (act. 4 und 5/1-8).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Ausgangslage
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor der Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident die unentgeltliche Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes setzt sodann zusätzlich voraus, dass dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es der gesuchstellenden Person nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Nebst dem Einkommen ist auch das Vermögen zur Bestreitung des Prozessaufwands einzusetzen. Zu berücksichtigen ist vorhandenes Vermögen jeglicher Art, soweit es effektiv verfügbar, realisierbar und sein Verbrauch zumutbar ist. Sind ausreichend liquide Mittel wie bspw. Bankkonten Wertpapiere vorhanden, sind diese zur Bezahlung des Prozesses zu verwenden, es sei denn, sie werden mangels ausreichenden Einkommens für den laufenden Lebensunterhalt benötigt (BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 15). Als Lebensaufwandkosten sind grundsätzlich zu berücksichtigen der Grundbetrag, rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, Wohnkosten, obligatorische Versicherungen, Transportkosten zum Arbeitsplatz, Steuern sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, wenn sie tatsächlich erfüllt werden (Emmel in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 117 N 9). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (Emmel, a.a.O., Art. 117 N 4).
Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind sehr strenge Massstäbe anzulegen: Die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten sind - anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens und Vermö- gens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden.
Die gesuchstellende Person hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung ihres Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft sie bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt sie dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon ihre
Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin ist alleinerziehende Mutter von vier minderjährigen Kindern und arbeitet zu 20 Prozent bei der D. . Ihr monatliches Erwerbseinkommen beträgt Fr. 1'444.65 (act. 2/2). Zudem erhält sie Taggeld der Arbeitslosenkasse in der Höhe von Fr. 2'352.05 pro Monat (act. 2/3). Im Weiteren erhält sie für drei Kinder Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'000.- (act. 2/4), welche in der Bedarfsrechnung jedoch nicht zu berücksichtigen sind (BSK SchKG I-Vonder Mühll, Art. 93 N 35; BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 10). Gleiches gilt für die Kinderzulagen. Damit belaufen sich die massgebenden monatlichen Einkünfte der Gesuchstellerin auf insgesamt Fr. 3'796.70. Zu ihrem Vermögen macht die Gesuchstellerin geltend, das Privatkonto bei der E. habe per 21. Juni 2012 einen Saldo von Fr. 10'195.27 aufgewiesen
(act. 5/1), jenes bei der F.
per 15. Juni 2012 einen Saldo von
Fr. 693.81 (act. 5/2) und jenes bei der G. ro 873.90 (x 1.20 = Fr. 1'048.68) (act. 5/3).
einen solchen von EuIhre notwendigen Lebenshaltungskosten, d.h. ohne Berücksichtigung der unmündigen Kinder (BSK SchKG I-Vonder Mühll, Art. 93 N 35), belegt die Gesuchstellerin wie folgt: Mietkosten Wohnung Fr. 2'140.- pro Monat (act. 2/6; nach BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 10, könnte für die Kinder grundsätzlich ein Anteil der Wohnkosten abgezogen werden, da diese von den Unterhaltsbeiträgen gedeckt sind), Krankenkassenprämien KVG der Gesuchstellerin Fr. 338.70 pro Monat (act. 2/7a-e, act. 1 S. 2) sowie Hausratund Haftpflichtversicherung Fr. 40.- pro Monat (act. 2/8). Die Fremdbetreuungskosten der Kinder von monatlich Fr. 2'321.25 (act. 2/9) stellen eine ausschliesslich für den Unterhalt der Kinder bestimmte Bedarfsposition dar und finden damit keinen Eingang in die Bedarfsrechnung (BSK SchKG I-Vonder Mühll, Art. 93 N 35; BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 10). Bei diesen finanziellen Verhältnissen (Einkommen Fr. 3'796.70, Vermögen 11'937.76, Notbedarf Fr. 3'868.70) ist es der Gesuchstellerin - auch unter Berücksichtigung des Anspruchs auf die Anrechnung eines sog. Notgroschens (vgl. hierzu BSK
ZPO-Rüegg Art. 117 N 15) - zumutbar, die Kosten des Schlichtungsverfahrens und die damit zusammenhängenden Kosten eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes aus ihrem Vermögen zu begleichen, zumal die Kosten des Schlichtungsverfahrens von geringer Höhe sind. Damit besteht vorliegend keine Bedürftigkeit der Gesuchstellerin und ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Auf eine Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen der fehlenden Aussichtslosigkeit des Begehrens in der Hauptsache sowie der Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes kann unter diesen Umständen verzichtet werden. Der Gesuchstellerin ist es indessen unbenommen, bei einem allfälligen Verfahren vor Bezirksgericht erneut um die unentgeltliche Rechtspflege zu ersuchen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltliche Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Es wird erkannt:
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. Ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird nicht bestellt.
Das obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Gesuchstellerin,
an das Friedensrichteramt C. ,
an die Gegenpartei in der Hauptsache, Herr B. , [Adresse].
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 27. Juni 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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