Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO120069 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 04.06.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Zusammenfassung: | Der Gesuchsteller A. hat beim Obergericht des Kantons Zürich um unentgeltliche Rechtspflege für eine Staatshaftungsklage gegen den Kanton Zürich ersucht. Er behauptet, dass ihm durch das Verhalten des Betreibungsamtes ein Schaden entstanden sei, da er seine Liegenschaft nicht freihändig verkaufen konnte. Das Obergericht entscheidet, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden muss und lehnt das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Die Kosten des Verfahrens trägt der Gesuchsteller. |
Schlagwörter: | Gesuch; Kanton; Rechtspflege; Schlichtungsverfahren; Gesuchs; Gesuchsteller; Staats; Staatshaftung; Obergericht; Verfahren; Kantons; Obergerichts; Klage; Gericht; Entscheid; Obergerichtspräsident; Staatshaftungsklage; Gewährung; Friedensrichteramt; Zivilprozessordnung; Haftung; Vorverfahren; Liegenschaft; Betreibungsamtes; Instanz; Parteien; Angestellten |
Rechtsnorm: | Art. 1 ZPO ; Art. 113 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 121 ZPO ; Art. 145 ZPO ; Art. 197 ZPO ; Art. 198 ZPO ; Art. 199 ZPO ; Art. 49 BV ; Art. 61 OR ; Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Präsident
Geschäfts-Nr.: VO120069-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident Dr. H.A. Müller sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
Urteil vom 4. Juni 2012
in Sachen
Gesuchsteller
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Mit Eingabe vom 15. Mai 2012 ersuchte A. (nachfolgend: Gesuchsteller) durch seine Rechtsvertreterin beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für eine gegen den Kanton Zürich erhobene Staatshaftungsklage bzw. ein gleichzeitig beim Friedensrichteramt B. , anhängig gemachtes Schlichtungsverfahren ersuchen (act. 1).
Zur Begründung seiner Klage lässt der Gesuchsteller zusammengefasst vorbringen, im Rahmen der Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft an der [Adresse] in C. sei ihm durch das Verhalten des Betreibungsamtes D. ein Schaden entstanden. Er habe sich im Wissen des Betreibungsamtes vergeblich bemüht, seine Liegenschaft freihändig zu verkaufen und damit seine Schulden zu tilgen. Aufgrund des Verhaltens des Betreibungsamtes habe ein Freihandverkauf jedoch nicht stattgefunden und sei die Liegenschaft schliesslich durch eine öffentliche Zwangsversteigerung zu einem viel günstigeren Preis veräussert bzw. versteigert worden (act. 2 S. 5).
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident die unentgeltliche
Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Das vom Gesuchsteller anhängig gemachte (act. 1) Schlichtungsverfahren beim Friedensrichteramt B. hat eine Staatshaftungsklage zum Gegenstand. Es stellt sich vorab die Frage, ob bei einer Staatshaftungsklage überhaupt ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Massgebend ist dabei, ob § 23 des Haftungsgesetzes des Kantons Zürich vom 14. September 1969 (HG; LS 170.1), welcher die direkte Klageerhebung beim Gericht vorsieht, auch nach Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; SR 272) weiterhin Wirkung entfaltet. Gemäss Art. 197 ZPO geht dem Entscheidverfahren ein Schlichtungsgesuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus. Art. 198 ZPO zählt die Fälle, in denen ein Schlichtungsverfahren obligatorisch entfällt, abschliessend auf, während Art. 199 ZPO diejenigen Verfahren nennt, in welchen die Parteien gemeinsam der Kläger einseitig auf ein Schlichtungsverfahren verzichten kön- nen. Vorliegend ist keine der in Art. 198 und 199 ZPO formulierten Ausnahmen vom Schlichtungsobligatorium gegeben. Da kantonale Bestimmungen grundsätzlich hinter dem höherrangigem Bundesrecht zurückzutreten haben (Art. 49 BV), könnte man zum Schluss kommen, § 23 HG habe keine Geltung mehr und somit sei gemäss Art. 197 ZPO auch bei Staatshaftungsklagen ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Bei Ansprüchen aus Staatshaftung handelt es sich jedoch nicht um zivilrechtliche, sondern um öffentlichrechtliche Ansprüche (Jaag, Staatsund Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2005, N 2137). Zuständig zur Regelung der Haftung von öffentlichen Beamten Angestellten und des diesbezüglichen Verfahrens ist der Kanton bzw. bei eidgenössischen Beamten und Angestellten sowie bei einzelnen Kategorien von kantonalen Angestellten und Behörden, welche Bundesrecht vollziehen, der Bund (vgl. den unechten Vorbehalt in Art. 61 Abs. 1 OR; Jaag, a.a.O., N 3107 und 3108).
Der Kanton Zürich hat mit dem Haftungsgesetz eine Haftungsregelung eingeführt. In § 19 Abs. 1 lit. a HG hat er sich dafür entschieden, Forderungen
aus Staatshaftung durch Zivilgerichte beurteilen zu lassen. Ebenfalls mög- lich wäre aber gewesen, verwaltungsinterne Instanzen und das Verwaltungsgericht für zuständig zu erklären (Jaag, a.a.O., N 2138). Die eidgenös- sische Zivilprozessordnung ist nicht anwendbar auf öffentlichrechtliche Streitigkeiten (vgl. Art. 1 ZPO). Bei Staatshaftungsverfahren kommt sie somit nur aufgrund des Verweises in § 19 Abs. 1 lit. a HG im Rahmen des Verfahrens vor den Zivilgerichten zur Anwendung. Es ist dem Kanton deshalb ohne Weiteres möglich, im Bereich der Staatshaftung von der eidgenössischen Zivilprozessordnung abweichende Verfahrensregelungen vorzusehen. § 23 HG, welcher eine direkte Klageeinleitung beim Bezirksgericht vorsieht, entfaltet somit auch nach dem Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung Wirkung, und es ist bei Staatshaftungsklagen kein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Dieses wird vielmehr durch das Vorverfahren gemäss
§ 22 HG ersetzt. Für ein Schlichtungsverfahren, welches vom Gesetz nicht vorgesehen ist, kann die Rechtswohltat der unentgeltlichen Rechtspflege nicht beansprucht werden. Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeistän- din für das genannte Schlichtungsverfahren ist daher nicht einzutreten. Dem Gesuchsteller ist es jedoch unbenommen, in einem allfälligen Verfahren vor dem zuständigen Gericht erneut um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und allenfalls um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin zu ersuchen.
Im Weiteren ist der Gesuchsteller noch darauf hinzuweisen, dass zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen gemäss § 22 HG vorgegangen werden muss (schriftliche Einreichung des Begehrens auf Feststellung, Schadenersatz und Genugtuung bei der gemäss § 22 Abs. 1 lit. a-c HG zuständigen Behörde). Die Klage kann erst dann direkt beim Gericht erhoben werden, wenn die zuständige Behörde zum Anspruch innert dreier Monate seit seiner schriftlichen Geltendmachung nicht ablehnend Stellung genommen hat (§ 23 HG). Der Gesuchsteller hat die Klage offenbar zwecks Durchführung des Vorverfahrens im Sinne von § 22 Abs. 1 lit. a HG beim Regierungsrat eingereicht. Soweit der Gesuchsteller für das Vorverfahren
die unentgeltliche Rechtspflege beantragen möchte (act. 2 S. 3), fehlt es hierfür an der Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten (§ 128 GOG).
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Es wird erkannt:
Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren beim Friedensrichteramt B. , bzw. das Vorverfahren beim Regierungsrat des Kantons Zürich betreffend eine Klage gegen den Kanton Zürich wird nicht eingetreten.
Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Rechtsvertreterin des Gesuchstellers, zweifach, für sich und den Gesuchsteller
das Friedensrichteramt B.
an die Gegenpartei in der Hauptsache, Kanton Zürich, vertreten durch den Regierungsrat des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Oberge-
richt des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 4. Juni 2012
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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