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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VO110098)

Zusammenfassung des Urteils VO110098: Obergericht des Kantons Zürich

Der Gesuchsteller beantragt beim Obergerichtspräsidenten die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsvertretung für eine Klage gegen eine fristlose Kündigung. Das anwendbare Recht wird aufgrund des Wohnsitzes des Gesuchstellers in Zürich festgelegt. Die unentgeltliche Rechtspflege wird bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens gewährt, da der Gesuchsteller als mittellos gilt und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege werden von der Gemeinde getragen. Der Gesuchsteller erhält die unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren, jedoch wird sein Antrag auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes abgelehnt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VO110098

Kanton:ZH
Fallnummer:VO110098
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO110098 vom 17.10.2011 (ZH)
Datum:17.10.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter: Recht; Gesuch; Gesuchs; Rechtspflege; Gesuchsteller; Schlichtungsverfahren; Obergericht; Verfahren; Rechtsbeistand; Obergerichtspräsident; Gericht; Kanton; Entscheid; Klage; Bestellung; Rechtsbeistandes; Schlichtungsverfahrens; Friedensrichter; Gemeinde; Rechtsanwalt; Beurteilung; Einreichung; Anspruch; Mittellosigkeit; Einkommen; Waffengleichheit; Parteien; ändige
Rechtsnorm: Art. 104 ZPO ;Art. 113 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 IPRG ;Art. 121 ZPO ;Art. 122 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 207 ZPO ;Art. 99 ZPO ;
Referenz BGE:69 I 160;
Kommentar:
Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich, Art. 117 OR, 2010

Entscheid des Verwaltungsgerichts VO110098

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VO110098-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident, Dr. H.A. Müller sowie

die Gerichtsschreiberin, lic. iur. A. Bernstein-Pomeranz

Urteil vom 17. Oktober 2011

in Sachen

A. ,

Gesuchsteller

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    1. Mit Eingabe vom 18. August 2011 lässt der Gesuchsteller beim Obergerichtspräsidenten den Antrag stellen, es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege sowie die unentgeltliche Rechtsvertretung durch Beigebung von Rechtsanwalt Dr. X. zu gewähren (Urk. 1).

    2. Der Gesuchsteller gedenkt, gegen B. eine Klage einleiten zu lassen, um damit die am 12. Februar 2010 erfolgte fristlose Kündigung durch C. anzufechten (Urk. 1 S. 6 f.).

    3. Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht zur Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.

  2. Anwendbares Recht

    Da der Gesuchsteller Wohnsitz in Z. hat, handelt es sich um einen internationalen Sachverhalt. Wie der Gesuchsteller zutreffend ausführt, bestimmt sich das anwendbare Recht nach der lex fori und ist - da es sich vorliegend um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit handelt - gemäss Art. 121 Abs. 1 IPRG schweizerisches Recht anwendbar.

  3. Beurteilung des Gesuchs

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident die unentgeltliche Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt, bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu tilgen.

    3. Der Gesuchsteller lässt ausführen, er befinde sich seit dem 1. September 2010 wieder in einem Ausbildungsverhältnis in Z. . Von den zuständigen

      Steuerämter Y.

      und W.

      habe er für das Jahr 2010 keine Steuerab-

      rechnung erhalten, welche seine Ersparnisse und Schulden ausweisen würden.

      Das Finanzamt Y.

      habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, dass sein

      Einkommen und Vermögen im Jahr 2010 in Z.

      für eine Besteuerung zu

      niedrig gewesen sei; das Steueramt W.

      habe mitgeteilt, dass das Amt in

      Verzug sei und momentan keine Steuerabrechnung zukommen lassen könne.

    4. Gemäss den eingereichten Unterlagen verdient der Gesuchsteller monatlich netto Euro 577.84, was gemäss dem aktuellen Wechselkurs rund Fr. 714.40 entspricht (Urk. 3/9). Zwar konnte der Gesuchsteller - wie vorstehend erwähnt - keine Steuerbelege einreichen, welche seine Vermögensverhältnisse belegen könnten, doch erscheint es unter Berücksichtigung seines bescheidenen Einkommens und der gesamten Umstände als glaubhaft, wenn der Gesuchsteller ausführen lässt, dass er nicht über die erforderlichen Mittel verfüge, um selber für seine Rechtsvertretung die allfällig anfallenden Kosten im Zusammenhang mit dem Verfahren aufzukommen. Seine Mittellosigkeit ist deshalb hinreichend glaubhaft gemacht bzw. dokumentiert und damit zu bejahen.

    5. Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose vonnöten, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160).

    6. Die gegen die B. ins Auge gefassten Klage, mit welcher der Gesuchsteller gedenkt, die fristlose Kündigung anzufechten und Schadenersatz in der Höhe von über Fr. 58'000.- geltend zu machen, kann aus heutiger Perspektive nicht als aussichtslos bezeichnet werden.

    7. Dem Antrag des Gesuchstellers auf Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für Forderungsklage kann somit entsprochen und ihm für das Schlichtungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege erteilt werden.

    8. Damit die Bestellung eines Rechtsbeistandes im Schlichtungsverfahren als notwendig erscheint, bedarf es ganz besonderer Umstände, d.h. es sind hohe Anforderungen an die Notwendigkeit eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu stellen. Eine Partei hat insbesondere dann Anspruch auf Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (Emmel, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N 5 zu Art. 117). Ferner darf das im Gesetz verankerte Kriterium der Waffengleichheit, wonach die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes insbesondere dann angezeigt ist, wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist, im Schlichtungsverfahren nur mit Zurückhaltung Anwendung finden. Die Waffengleichheit ist in erster Linie vor den Gerichten zu gewährleisten, wenn es darum geht, Rechtsschriften zu redigieren und sich prozesstaktisch richtig zu verhalten.

    9. Vorliegend erscheint es für die Wahrung der Rechte des Gesuchstellers jedenfalls für das Schlichtungsverfahren nicht notwendig, dass er über einen Rechtsbeistand verfügt. Es kann dem Gesuchsteller zugemutet werden, dass er seine Sache sachgerecht und hinreichend wirksam vertreten kann. Dass die Beklagte ein rechtskundiger Betriebsverband sein mag, vermag daran nichts zu än- dern, da - wie vorstehend dargelegt - das Kriterium der Waffengleichheit im Schlichtungsverfahren nur mit Zurückhaltung zur Anwendung gelangt. Das Ge-

      such um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist somit abzuweisen. Es ist dem Gesuchsteller jedoch unbenommen, bei einem allfälligen Verfahren vor Bezirksgericht erneut um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zu ersuchen.

  4. Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege

    1. Gemäss den einschlägigen Bestimmungen der ZPO, werden die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege vom Kanton getragen bzw. der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton entschädigt (Art. 113 Abs. 1 und Art. 122 ZPO). Es ist jedoch fraglich, ob der Bundesgesetzgeber die unentgeltlich prozessierenden Parteien damit direkt an den Kanton verweisen will nicht vielmehr an das für das Verfahren zuständige Gemeinwesen.

    2. Gemäss § 57 GOG übernehmen im Kanton Zürich die Friedensrichter die Funktion der Schlichtungsbehörde gemäss ZPO. Diese sind als kommunale Behörden ausgestaltet (§ 53 GOG) und werden für ihre Tätigkeiten von den Gemeinden vergütet (§ 56 GOG). Darüber hinaus fallen die Einnahmen der Friedensrichter in die Gemeindekasse (§ 56 GOG), denn mit Einführung des GOG wurde das Sportelsystem, welches unter dem Regime des bisherigen kantonalen Prozessrechts (ZPO/ZH und GVG) bei zahlreichen Friedensrichterämter Anwendung gefunden hatte, abgeschafft (vgl. Weisung zum E-GOG, S. 113). Es erscheint deshalb sachlich richtig, dass die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege für das (kommunale) Verfahren vor der Schlichtungsbehörde von der zuständigen Gemeinde zu tragen sind. Daran vermag allein die Tatsache, dass gemäss § 128 GOG der Obergerichtspräsident (und nicht etwa wie unter kantonalem Prozessrecht ab Eingang des Sühnebegehrens die Friedensrichter selbst) über Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage zu befinden hat, nichts zu ändern. Diese Kostentragung entspricht im Übrigen - zumindest was die Befreiung von den Gerichtskosten betrifft - auch der bisherigen zürcherischen Praxis.

    3. Zu beachten ist, dass die Kosten des Schlichtungsverfahrens gemäss Art. 207 Abs. 2 ZPO bei Einreichung der Klage zur Hauptsache geschlagen wer-

      den und somit das erkennende Gericht in der Folge über diese zusammen mit den übrigen Prozesskosten gemäss den Art. 104 ZPO ff. zu entscheiden hat. Die Kostenauflage an die Gemeinde erfolgt deshalb unter diesem Vorbehalt.

    4. Vorliegend sind die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO durch V. zu tragen.

  5. Kosten und Rechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtsprä- sident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.

    3. Die Gegenpartei in der Hauptsache verfügt im vorliegenden Verfahren nicht über Parteistellung. Ihr steht aber gegen den Entscheid betreffend unentgeltlicher Rechtspflege die Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO offen, sofern ihr ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht.

Es wird erkannt:

  1. Dem Gesuchsteller wird für das Schlichtungsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

  2. Das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes wird abgewiesen.

  3. Die Kosten der unentgeltlichen Rechtspflege des Schlichtungsverfahrens trägt unter Vorbehalt von Art. 207 Abs. 2 ZPO V. .

  4. Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.

  5. Schriftliche Mitteilung an

    • Rechtsanwalt Dr. X. , zweifach, für sich und den Gesuchsteller

    • die Gegenpartei in der Hauptsache, B. , (Adresse) je gegen Empfangsschein.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 17. Oktober 2011

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Bernstein-Pomeranz

versandt am:

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