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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VO110075)

Zusammenfassung des Urteils VO110075: Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht des Kantons Zürich hat ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgelehnt, da die Gesuchstellerin nicht ausreichend dargelegt hat, dass ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos ist. Das Gesuch betraf eine Klage zur Anfechtung der Vaterschaft, bei der es um den Personenstand ging. Da in solchen Fällen kein Schlichtungsverfahren vorgesehen ist, wurde das Gesuch abgewiesen. Das Verfahren war kostenlos, und die Gesuchstellerin hatte die Möglichkeit, innerhalb von 10 Tagen Beschwerde gegen den Entscheid beim Obergericht des Kantons Zürich einzureichen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VO110075

Kanton:ZH
Fallnummer:VO110075
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VO110075 vom 09.08.2011 (ZH)
Datum:09.08.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Schlagwörter: Recht; Rechtspflege; Gesuch; Klage; Verfahren; Obergericht; Anfechtung; Person; Vater; Vaterschaft; Zivilprozessordnung; Personenstand; Schweiz; Gesuchs; Entscheid; Gewährung; Schweizerische; Gericht; Anspruch; Rechtsbegehren; Bestellung; Klagen; Schlichtungsverfahren; Kantons; Kindes; Beurteilung; Verfahrens; Instanz; Obergerichtspräsident
Rechtsnorm: Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 197 ZPO ;Art. 198 ZPO ;Art. 256 ZGB ;Art. 260a ZGB ;Art. 404 ZPO ;
Referenz BGE:120 Ia 179; 131 I 113; 69 I 160;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VO110075

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VO110075-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichts-Vizepräsident lic. iur. R. Naef sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Zweifel

Urteil vom 9. August 2011

in Sachen

A. ,

Gesuchstellerin

betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Erwägungen:

  1. Ausgangslage

    Mit Eingabe vom 6. Juli 2011 ersuchte A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Obergericht des Kantons Zürich um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nach Art. 119 ZPO (act. 1) und reichte gleichzeitig zahlreiche Unterlagen ins Recht (act. 2). Die Gesuchstellerin beabsichtigt die Erhebung einer Klage betreffend Anfechtung der Vaterschaft (act. 1 S. 5), ohne jedoch zu konkretisieren, ob es sich um die Anfechtung gestützt auf die Vaterschaftsvermutung (Art. 256 ZGB) die Anerkennung des Kindes (Art. 260a ZGB) handelt.

  2. Anwendbares Prozessrecht

    Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz die neue Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Bei Verfahren, die bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht und damit die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich (ZPO/ZH) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) weiterhin bzw. bis zum Abschluss des Verfahrens vor der betroffenen Instanz (Art. 404 Abs. 1 ZPO). Für die anderen Verfahren, die - wie das Vorliegende - am 1. Januar 2011 noch nicht rechtshängig waren, kommen die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) und das kantonale Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) zur Anwendung.

  3. Beurteilung des Gesuchs

    1. Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist gemäss § 128 GOG der Obergerichtsprä- sident im summarischen Verfahren (Art. 119 Abs. 3 ZPO) zuständig. Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident diese bei Vorliegen

      der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.

    2. Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO).

      Die Mittellosigkeit wird gemeinhin dann bejaht, wenn der Aufwand des notwendigen Lebensunterhalts (sog. zivilprozessualer Notbedarf) das massgebliche Einkommen übersteigt bzw. aus der Differenz nur ein kleiner Überschuss resultiert, welcher es dem Gesuchsteller nicht erlauben würde, die Prozesskosten innert nützlicher Frist zu bezahlen. Der Gesuchsteller hat gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung seines Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen - es trifft ihn bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt ein Gesuchsteller dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon seine Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).

      Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 69 I 160). Zu prüfen ist, ob der geltend gemachte Anspruch aus den behaupteten Tatsachen rechtlich begründet ist. Die Prozesschancen sind in vorläufiger und summarischer Prüfung der Sachund Rechtslage aufgrund des jeweiligen Aktenstandes zu beurteilen (BGE 131 I 113 E. 3.7.3). Zur Vornahme der Prüfung ist damit auf die vorhandenen Akten abzustellen (vgl. auch BSK ZPO-Rüegg, Art. 117 N 20).

    3. Gestützt auf das von der Gesuchstellerin eingereichte Gesuch ist nicht ausreichend klar, ob sie mit ihrem Begehren nur den Erlass von allfälligen Verfahrenskosten auch die Bestellung eines vorprozessualen unentgeltlichen Rechtsbeistandes beantragt.

      Zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne der Befreiung der Prozesskosten ist festzuhalten, dass dem Entscheidverfahren grundsätzlich ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde vorausgeht (Art. 197 ZPO). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in Art. 198 ZPO enthalten. Gemäss Art. 198 lit. b ZPO entfällt bei Klagen über den Personenstand das Schlichtungsverfahren. Es stellt sich somit die Frage, ob es sich bei einer Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gestützt auf Art. 256 ZGB bzw. einer solchen auf Anfechtung einer allfälligen Anerkennung der Vaterschaft gestützt auf Art. 260a ZGB um Klagen über den Personenstand handelt.

      Gemäss Botschaft und dem überwiegenden Teil der Lehre zählen zu den Personenstandsklagen die Feststellung von Geburt, Tod, Abstammung und Zivilstand (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung AS 06.062

      S. 7329; Infanger in: Spühler/Tenchio/Infanger, Basler Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Basel 2010, N 17 zu Art. 198; Möhler in: Gehri/Kramer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zü- rich 2010, N 7 zu Art. 198). Damit fallen die Klagen auf Anfechtung der Vaterschaft gemäss Art. 256 ZGB bzw. Art. 260a ZGB unter den Begriff der Personenstandsklage, da es bei diesen um die Aufhebung des Kindesverhältnisses und damit um die Frage der Abstammung geht. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung in Art. 198 lit. b ZPO; bei Klagen über den Personenstand wurde von der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens abgesehen, weil der Prozess grundsätzlich nicht einvernehmlich erledigt werden kann (Botschaft ZPO, S. 7329; Infanger, a.a.O., N 17 zu Art. 198). Die Anfechtung der Vaterschaft kann einzig durch gerichtliches Urteil erfolgen (vgl. BGE 5P.415/2004 E. 3.2.2.), weshalb die Anfechtungsklage nach Art. 256 ZGB bzw. Art. 260a ZGB der Dispositionsmaxime entzogen ist. Zudem ist das Kindesverhältnis, welches mit einer Anfechtungsklage

      nach Art. 256 ZGB bzw. Art. 260a ZGB beseitigt werden soll, gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. l der Zivilstandsverordnung ein Teilaspekt des Personenstandes. Bei den Anfechtungsklagen nach Art. 256 ZGB bzw. Art. 260a ZGB handelt es sich somit um Klagen über den Personenstand, weshalb gemäss Art. 198 lit. b ZPO kein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Für ein Schlichtungsverfahren, welches vom Gesetz nicht vorgesehen ist, kann die Rechtswohltat der unentgeltlichen Rechtspflege nicht beansprucht werden. Auf das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist deshalb aus diesem Grund nicht einzutreten.

    4. Soweit die Gesuchstellerin darüber hinaus um die Bestellung eines vorprozessualen unentgeltlichen Rechtsbeistands ersuchen sollte, so ist darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch auf die gerichtliche Bestellung eines solchen nur dann besteht, wenn die Gesuchstellerin bedürftig ist, das Rechtsbegehren nicht als aussichtslos erscheint und die Bestellung zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO). Wie dargelegt, setzt das Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit voraus, dass die Gesuchstellerin die Erfolgsaussichten ihres Rechtsbegehrens in der Hauptsache glaubhaft darlegt. Dies hat die Gesuchstellerin vorliegend unterlassen. Obwohl im von ihr ausgefüllten Formular unter dem Titel Begründung des Rechtsbegehrens zur Hauptsache ausdrücklich ein Verweis angebracht ist, wonach unter diesem Punkt in nachvollziehbaren Schritten und unter Angabe der Beweismittel die wesentlichen Gründe glaubhaft darzulegen seien, warum das Rechtsbegehren nicht aussichtslos sei, beschränkte sie sich auf den Hinweis, dass sie eine Vaterschaftsanfechtung beabsichtige (act. 1

      S. 5). Die Gesuchstellerin hat davon abgesehen, zumindest glaubhaft darzulegen, welches ihrer Kinder von der Klage betroffen ist (mutmasslich die am xx.yy.2011 geborene B. ), um wen es sich beim rechtlichen Vater des Kindes handelt (mutmasslich C. , act. 2/21) und weshalb dieser nicht der Kindsvater sein soll. Mutmassungen sind indes unzureichend und gestützt auf die vorhandenen Akten muss daher davon ausgegangen werden, dass sich eine Partei mit den notwendigen finanziellen Mitteln unter diesen Umständen nicht zu einem Prozess entschliessen würde. Damit fehlt es an

      Hinweisen, dass die Klage erfolgreich sein wird. Das Kriterium der fehlenden Aussichtslosigkeit kann somit nicht als erfüllt erachtet werden, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist. Der Gesuchstellerin ist es jedoch unbenommen, in einem allfälligen Verfahren vor Bezirksgericht erneut um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und allenfalls um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zu ersuchen.

  4. Kosten und Rechtsmittel

    1. Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.

    2. Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann die gesuchstellende Person den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtspräsident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.

Es wird erkannt:

  1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  2. Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.

  3. Schriftliche Mitteilung an die Gesuchstellerin gegen Empfangsschein.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu

begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.

Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).

Zürich, 9. August 2011

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Zweifel

versandt am:

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