Zusammenfassung des Urteils VO110031: Obergericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin A. plant, einen arbeitsrechtlichen Prozess gegen die Firma B. C. GmbH einzuleiten und beantragt unentgeltliche Rechtspflege. Das Obergericht des Kantons Zürich prüft die Zuständigkeit aufgrund des Auslandswohnsitzes der Gesuchstellerin und entscheidet, dass Schweizer Gerichte zuständig sind. Die Gesuchstellerin muss ihre finanzielle Situation offenlegen, jedoch stellt sich heraus, dass sie über Vermögen verfügt und ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, die Kosten des Verfahrens trägt die Gesuchstellerin.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VO110031 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 10.05.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter: | Recht; Gesuch; Rechtspflege; Gericht; Verfahren; Obergericht; Schlichtungsverfahren; Gesuchs; Schweizer; Beurteilung; Entscheid; Person; Schweizerische; Kanton; Ausserdem; Ausland; Zivilprozessordnung; Gesuchsteller; Mitwirkungspflicht; Kantons; Rechtsanwalt; Zuständigkeit; Gerichte; Parteien; Obergerichtspräsident; Instanz; Anspruch |
Rechtsnorm: | Art. 1 IPRG ;Art. 113 ZPO ;Art. 115 IPRG ;Art. 117 ZPO ;Art. 119 ZPO ;Art. 11c IPRG ;Art. 121 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 404 ZPO ;Art. 99 ZPO ; |
Referenz BGE: | 120 Ia 179; 131 III 76; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Der Präsident
Geschäfts-Nr.: VO110031-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtsvizepräsident lic. iur. R. Naef sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. T. Brütsch
Urteil vom 10. Mai 2011
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
betreffend Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
Erwägungen:
Ausgangslage
Die Gesuchstellerin (A. ), wohnhaft in Y.
in Z. , beabsich-
tigt, einen arbeitsrechtlichen Prozess gegen die B. C. als Beklagte einzuleiten.
GmbH mit Sitz in
In diesem Zusammenhang stellte die Gesuchstellerin mit Eingabe vom
8. April 2011 den Antrag, es sei ihr für das Schlichtungsverfahren die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und es sei ihr in der Person des unterzeichneten Rechtsanwaltes ein unentgeltlicher Rechtsvertreter beizugeben (act. 1).
Zuständigkeit / Prozessuales
Vorliegender Sachverhalt gilt als grenzüberschreitend, da die Gesuchstellerin/künftige Klägerin Auslandswohnsitz hat, womit ein wesentlicher Auslandsbezug begründet ist (vgl. BGE 131 III 76, 80). Die internationale Zuständigkeit hat das angerufene Schweizer Gericht nach den Bestimmungen der einschlägigen Staatsverträge, in Ermangelung von staatsvertraglichen Regeln nach dem IPRG, zu beurteilen (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG). Vorliegend ist das Lugano- Übereinkommen einschlägig, aus welchem sich ergibt, dass im konkreten Fall Schweizerische Gerichte international zuständig sind (vgl. Art. 2, 18 ff. LugÜ). National verweisen die einschlägigen Bestimmungen sodann auf zürcherische Gerichte (vgl. insbesondere Art. 115 IPRG); im Übrigen haben die Parteien im Rahmen des von ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages als Gerichtsstand den Sitz der künftig Beklagten, mithin C. , vereinbart (act. 4/9 Ziff. 17.6). Für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege vor Einreichung der Klage bei Gericht ist sodann im Kanton Zürich sachlich der Obergerichtspräsident im summarischen Verfahren zuständig (§ 128 GOG i.V.m. Art. 119 Abs. 3 ZPO; vgl. zum anwendbaren Recht sogleich nachfolgend Ziff. 2.2.).
Ausserdem ist festzuhalten, dass - wie vorliegend - bei Bejahung der Zuständigkeit Schweizerischer Gerichte Personen mit Wohnsitz im Ausland die unentgeltliche Rechtspflege unter den gleichen Voraussetzungen gewährt wird, wie Personen mit Wohnsitz hierzulande (Art. 11c IPRG; vgl. zur materiellen Beurteilung nachfolgend Ziff. 3).
Für das von der Gesuchstellerin angestrengte Verfahren gilt - trotz Auslandsbezug - die prozessrechtliche lex fori (Recht des Gerichtsortes). Seit dem
1. Januar 2011 gilt dabei die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Bei Verfahren, die bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht und damit die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich (ZPO/ZH) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) weiterhin bzw. bis zum Abschluss vor der betroffenen Instanz (Art. 404 Abs. 1 ZPO). Für die anderen Verfahren, die
wie das vorliegende - am 1. Januar 2011 noch nicht rechtshängig waren, kommt die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) und das neue kantonale Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) zur Anwendung.
Im Schlichtungsverfahren werden gemäss Art. 113 Abs. 1 ZPO keine Parteientschädigungen gesprochen, weshalb auch eine Sicherheit für die Parteientschädigung i.S.v. Art. 99 ZPO nicht in Frage steht. Die Gegenpartei ist daher gemäss Art. 119 Abs. 3 ZPO e contrario nicht zwingend anzuhören.
Beurteilung des Gesuchs
Die unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Art. 119 Abs. 5 ZPO vor jeder Instanz neu zu beantragen, weshalb der Obergerichtspräsident die unentgeltliche Rechtspflege bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nur bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens bewilligen kann.
Eine Person hat gemäss Art. 117 ZPO Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie einerseits nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (sog. Mittellosigkeit Bedürftigkeit) und andererseits ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Bei der Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege für das Schlichtungsverfahren sind dabei sehr strenge Massstäbe anzulegen: Einerseits sind die in einem Schlichtungsverfahren entstehenden Kosten -
anders als vor einer Gerichtsinstanz - sehr beschränkt und können deshalb bereits bei einem relativ geringen Überschuss des Einkommens über den zivilprozessualen Notbedarf bestritten werden. Anderseits braucht es ganz besondere Umstände, damit man sagen kann, die Bestellung eines Rechtsbeistandes sei im Schlichtungsverfahren gemäss Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO notwendig.
Ausserdem hat ein Gesuchsteller gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO die zur Beurteilung seines Gesuchs relevanten Einkommensund Vermögensverhältnisse vollständig darzulegen - es trifft ihn bei der Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine umfassende Mitwirkungspflicht. Kommt ein Gesuchsteller dieser Mitwirkungspflicht nicht nur ungenügend nach und kann als Folge davon seine Bedürftigkeit nicht hinreichend beurteilt werden, ist der Anspruch um unentgeltliche Rechtspflege zu verweigern (BGE 120 Ia 179).
Die Gesuchstellerin hat verschiedene, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse betreffende, Unterlagen eingereicht. Aus diesen geht namentlich hervor, dass die Gesuchstellerin über Vermögen auf einem Bankkonto in Z. im Umfang eines EURO-Betrages in vierstelliger Höhe verfügt (act. 4/8a; Stand am 8 April 2011: EUR 9'922.65/umgerechnet per 5. Mai 2011: Fr. 12'684.4). Diesem Vermö- gen stehen gemäss Gesuchstellerin Schulden aus Darlehen bei Verwandten in der Höhe von (umgerechnet per 5. Mai 2011: Fr. 6'049.70) gegenüber, wobei diese offenbar auf unbestimmte Zeit gestundet sind, da die Gesuchstellerin selber angibt, diese Schulden müsse sie begleichen, sobald sie wieder über ausreichend finanzielle Mittel verfüge; unter diesen Umständen sind die von der Gesuchstellerin - mithin ohnehin unbelegten - Darlehensschulden nicht zu berücksichtigen. Ausserdem ist aus den Verfahrensakten ersichtlich, dass dem besagten Konto der Gesuchstellerin in Z. in den vergangenen 12 Monaten verschiedentlich Beträge in jeweils vierstelliger knapp fünfstelliger Höhe zugeflossen sind (vgl. act. 4/3); dabei ist die Herkunft und der Grund für diese Zahlungen letztlich nicht geklärt. Zwar behauptet die Gesuchstellerin, bei diesen Beträgen handle es sich um die erwähnten Unterstützungszahlungen von Verwandten aus D. , wobei diese sie neuerdings nicht mehr unterstützen könnten, weil deren eigene finanzielle Ressourcen knapp würden. Betrachtet man die erwähnten Zahlungen
auf das Konto in Z.
der Gesuchstellerin fällt jedoch auf, dass zum einen
zumeist vermerkt wurde: TO MY PERSONAL ACCOUNT IN Z. ; teilweise ist zusätzlich angebracht: COVER MY PERSONAL EXPENSES. Zum anderen wurden die Eingänge unter dem Namen der Gesuchstellerin selber als Überweiserin verbucht. Dies lässt doch Zweifel daran aufkommen, ob die Beträge effektiv von Verwandten der Gesuchstellerin stammen nicht vielmehr von ihr selber dorthin transferiert wurden, mithin aus vorhandenem eigenen Vermögen stammen.
Am Rande ist festzuhalten, dass die Gesuchstellerin auch ihren aufenthaltsrecht-
lichen Status in Z.
nicht belegt hat, weshalb ihre Behauptung, sie verlöre
die Aufenthaltsbewilligung wenn sie Sozialhilfe in Z. beanspruchen würde, ebenfalls unbelegt ist. Zumindest scheint die Gesuchstellerin trotz ihrer behaupteten bereits seit rund einem Jahr andauernden Arbeitslosigkeit weiterhin ein Auf-
enthaltsrecht in Z. suchstellerin in Z.
zu haben. Ausserdem ist anzunehmen, dass die GeArbeitslosenentschädigung bezieht bezogen hat,
wobei sie auch hierzu keine Angaben macht Unterlagen einreicht. Wenn die Gesuchstellerin sich schliesslich auf den Standpunkt stellt, sie bewohne nur deshalb eine Wohnung, für welche sich monatlich EUR 1'360.00 (umgerechnet per 5. Mai 2011: Fr. 1'738.60) bezahlt, weil sie aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit keine neue Bleibe finde, so handelt es sich bei diesem Umstand um eine weitere - nicht genügend belegte - Behauptung; zudem ist zu bemerken, dass selbst dann, wenn die Behauptung der Gesuchstellerin stimmen würde, wohl Möglichkeiten denkbar wären, mittels welchen sich ihre Mietkosten senken liessen, beispielsweise durch eine Untervermietung ihrer jetzigen Wohnung. Schliesslich hat es die Gesuchstellerin auch unterlassen, Steuerunterlagen einzureichen, womit sie ihre finanziellen Verhältnisse hätte belegen können.
Die Gesuchstellerin ist somit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, was zu einer Abweisung des Gesuchs führen muss. Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass sie ihren Mitwirkungspflichten genügend nachgekommen wäre, könnte die Gesuchstellerin wohl nicht als mittellos im hier verstandenen Sinne bezeichnet werden, da sie, wie gesehen, zumindest zum jetzigen
Zeitpunkt noch über einen namhaften Geldbetrag auf einem Konto in Z. verfügt. Die verhältnismässig tiefen Kosten eines allfälligen Schlichtungsverfahrens und Rechtsanwaltskosten könnten damit ohne weiteres gedeckt werden.
Unter diesen Umständen muss das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
ohne die weitere Voraussetzung der fehlenden Aussichtslosigkeit zu prüfen - abgewiesen werden. Der Gesuchstellerin ist es unbenommen, bei einem allfälligen Verfahren vor Bezirksgericht erneut um unentgeltliche Rechtspflege zu ersuchen.
Kosten und Rechtsmittel
Gemäss Art. 119 Abs. 6 ZPO ist das Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege kostenlos.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz teilweise abgelehnt entzogen, so kann der Gesuchsteller den Entscheid mit Beschwerde gemäss Art. 121 ZPO beim Obergericht anfechten. Dass vorliegend der Obergerichtsprä- sident über das Gesuch befindet, vermag daran nichts zu ändern. Der Obergerichtspräsident fällt in diesem Verfahren einen erstinstanzlichen Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO und fungiert nicht als obere kantonale Instanz, gegen deren Entscheide lediglich ein Rechtsmittel ans Bundesgericht gegeben wäre.
Es wird erkannt:
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.
Dieses obergerichtliche Verfahren ist kostenlos.
Schriftliche Mitteilung an den Vertreter der Gesuchstellerin gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids beim Oberge-
richt des Kantons Zürich, Zivilkammern, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Beschwerdeschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen. Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
Zürich, 10. Mai 2011
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. T. Brütsch
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.