Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VK.2000.00007 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 4. Abteilung/4. Kammer |
Datum: | 19.06.2001 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Auslegung eines verwaltungsrechtlichen Vertrags zwischen Gemeinwesen und Privatunternehmen über die Entsorgung des Sickerwassers einer Klärschlammdeponie. |
Zusammenfassung: | Im Jahr 1985 wurde eine Lösung für die Entsorgung von Klärschlamm im Kanton Zürich gesucht. Die Stadt Zürich betrieb die Kläranlage Z, während die Firma A die Deponie X in der Gemeinde Q betrieb. Es wurden verschiedene Massnahmen und Vereinbarungen getroffen, unter anderem zur Zuführung des entwässerten Klärschlamms zur Deponie X. Nach langen Verhandlungen und Streitigkeiten reichte die Firma A im Jahr 2000 Klage gegen die Stadt Zürich ein, um die Entsorgung des Klärschlamms zu regeln. Das Verwaltungsgericht entschied teilweise zugunsten der Firma A und verpflichtete die Stadt Zürich, das Sickerwasser aus der Deponie X bis spätestens 24. September 2007 abzuführen und zu entsorgen. |
Schlagwörter: | Klärschlamm; Deponie; Sickerwasser; Beklagten; Stadt; Verpflichtung; Parteien; Entsorgung; Vertrag; Klage; Klärschlamms; Über; Sickerwassers; Vereinbarung; Glauben; Vertrags; Firma; Kündigung; Klärschlammzwischenlager; Recht; Kanton; Zeitpunkt; Abwasservorbehandlungsanlage; Kläranlage; Übergangs; Regelung; Abmachung |
Rechtsnorm: | Art. 156 OR ; Art. 404 OR ; |
Referenz BGE: | 103 Ia 505; 105 Ia 207; 115 II 464; |
Kommentar: | Walter Fellmann, Schweizer, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Art. 404 OR, 1992 |
I. Im Jahr 1985 musste nach einer Lösung für die Entsorgung des Klärschlamms geÂsucht werden, welcher im Kanton Zürich seinerzeit anfiel. Davon betroffen war unter andeÂrem die von der Stadt Zürich betriebene Kläranlage Z in Zürich. Die Firma A war damals und heute Betreiberin der Deponie X in der Gemeinde Q. Gemäss Schreiben des kantonalen Baudirektors vom 31.Oktober 1985 wurde im Sinn einer Ãœbergangs- und Notlösung unter anderem Folgendes festgehalten: Der entwäsÂserÂte Klärschlamm aus der Anlage Z war zu 65% der Deponie X zuzufühÂren; weiter wurde festgestellt, dass die Halter der Entwässerungsanlagen (hier die Stadt Zürich) und die Deponiehalter (hier die Firma A) ihre übrigen AngelegenÂheiten direkt regeln. Diese Massnahme wurde im Oktober 1986 erneuert. Im Dezember 1987 erfolgte die Zuweisung neu zu 100% auf die Deponie X, im Ãœbrigen blieb es bei der bisherigen Regelung. Wie sich aus dem Beschluss des Regierungsrats vom 29.JuÂni 1988 ergibt, erfolgten diese Regelungen jeweils einvernehmlich mit allen Beteiligten, weshalb die Konzepte formlos mit Zirkularschreiben erlassen wurden. Gestützt auf diese Konzepte lieferte die Stadt Zürich bis ins Jahr 1988 rund 60t Klärschlamm aus Z nach X. Mit Beschluss vom 29.Juni 1988 bewilligte der Regierungsrat eine Ablagerung des KlärÂschlamms auf der Deponie X infolge Geruchsimmissionen nur noch bis längstens 30.Juni 1989. Dieser Anordnung kam die Stadt Zürich nach und verzichtete auf eine Ablagerung des Klärschlamms in der Deponie X.
Bereits am 29.Mai 1987 hatte das Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich (heute AWEL Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft) die Zuführung des Sickerwassers aus dem auf der Deponie X eingerichteten KlärschlammzwiÂschenÂlager in eine grosse Abwasserreinigungsanlage verfügt und die Ableitung des SickerÂwasÂsers in die Kanalisation der Gemeinde Q verboten; Verfügungsadressatinnen waren die Firma A und die Gemeinde Q, nicht aber die Stadt ZüÂrich. Nachdem dieses Sickerwasser im Wesentlichen den aus der Stadt Zürich zugeÂführten Klärschlamm betraf, fand zwischen Vertretern der Stadt Zürich und der Firma A am 24.September 1987 eine Besprechung statt. Dabei erklärte sich die Stadt Zürich bereit, das Sickerwasser aus der Deponie X abzuholen und in die KlärÂanlage Z zu überführen. Der Abtransport und die Behandlung des Sickerwassers sollten zu Lasten der Stadt Zürich gehen. In der Folge liess die Stadt Zürich auf der Deponie X Pumpen einbauen, um den Transport statt durch Saugwagen mit normalen TankÂlastwagen bewerkstelligen zu können.
Am 3.Juni 1999 erklärte die Stadt Zürich die Kündigung der Abmachung auf den 31.August 1999. Die Firma A akzeptierte diese Kündigung nicht, kündigte ihrerseits am 16.August 1999 die Zwischendeponie in Q per 31.August 1999 und forderte die Stadt Zürich auf, den Klärschlamm bis zu diesem Zeitpunkt zu entsorgen. In der Folge führten die Parteien Gespräche, wobei sich die Stadt Zürich bereits am 16.August 1999 bereit erklärt hatte, die Installation in X weiter zur Verfügung zu stellen und das Sickerwasser gegen Entgelt entgegenzunehmen. Die Gespräche, teilweise mit Beteiligung von Vertretern des AWEL, endeten ohne Einigung. Gemäss einer Aktennotiz des AWEL vom 10.Juli 2000 kann dieses soÂwohl der Entfernung des Klärschlamms als auch einem gesicherten Belassen vor Ort zuÂstimmen. Am 14. bzw. 17.Juli 2000 erneuerten sowohl die Stadt Zürich als auch die Firma A ihre Kündigungen, jetzt mit Wirkung per 31.August 2000.
II. Am 29.August 2000 reichte die Firma A Klage beim VerwalÂtungsgericht ein mit dem Hauptbegehren, die Stadt Zürich zu verpflichten, den im KlärÂschlammzwischenlager der Deponie X von der Stadt gelagerten Klärschlamm auszuÂbauen sowie das bis zu diesem Zeitpunkt aus dem Zwischenlager anfallende Sickerwasser abzuführen und zu entsorgen. Im Eventualstandpunkt verlangte die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, das während dem Fortbestand des Klärschlammzwischenlagers anfallende Sickerwasser abzuführen und zu entsorgen. Ansprüche finanzieller Natur behielt sich die Klägerin vor. Schliesslich stellte sie im Sinn eines vorsorglichen Massnahmebegehrens den Antrag, die Beklagte ab 1.September 2000 für die Dauer des Prozesses zu verpflichten, das Sickerwasser aus der Klärschlammzwischendeponie weiterhin zu entsorgen, eventuell geÂgen Leistung einer Gebühr.
Mit Präsidialverfügung vom 31.August 2000 wies das Verwaltungsgericht die BeÂklagte einstweilen an, wie bisher für die Rückführung des Sickerwassers aus dem SchlaÂcken- und Klärschlammlager der Deponie X in die Kläranlage Z besorgt zu sein. Am 12.September 2000 ersuchte die Beklagte um Aufhebung der PräsidialverfüÂgung und stellte ihrerseits das Begehren, einstweilen die Klägerin anzuweisen, das SickerÂwasser aus deren Schlacken- und Klärschlammlager der Deponie X wie bisher in die Kläranlage Z einzuliefern, wobei die gesamten dafür aufzuwendenden Transport- und Entsorgungskosten von der Klägerin zu tragen seien. Dazu nahm die Klägerin am 25.September 2000 Stellung mit dem Antrag, die PräÂsidialverfügung vom 31.August 2000 zu bestätigen. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2000 wurde die Beklagte einstweilen verpflichtet, die Pumpenanlage auf dem Areal der Deponie X der Klägerin zu belassen und das von der Klägerin zugeführte Sickerwasser in der Kläranlage Z entgegenzunehmen und fachgerecht zu behandeln. Im Ãœbrigen wurden die Massnahmebegehren abgewiesen.
Im Hauptverfahren erstattete die Beklagte am 23. November 2000 die Klageantwort, worin sie um vollumfängliche Klageabweisung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin ersuchte. Entsprechend dem Gesuch der Klägerin, dem die Beklagte beistimmte, wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt. Dabei hielten die Parteien in der Replik vom 9. März 2001 bzw. der Duplik vom 11. Mai 2001 an ihren bisherigen Anträgen fest.
Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. a) Die Klägerin beruft sich für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts auf ein öffentliches Vertragsverhältnis zwischen den Parteien und stützt die Klage dementspreÂchend auf §82 lit.k des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959/8. Juni 1997 (VRG; act.2 S.18f). Gemäss dieser Bestimmung beurteilt das Verwaltungsgericht Streitigkeiten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen als einzige Instanz.
b) aa) Im Eventualstandpunkt beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, das während dem Fortbestand des Klärschlammzwischenlagers anfallende Sickerwasser abzuführen und zu entsorgen. Anlässlich der Besprechung zwischen den Parteien vom 24.September 1987 hatte sich die Beklagte bereit erklärt, das in der Deponie X anfallende Sickerwasser abzuholen und in der Kläranlage Z zu behandeln bzw. für diese Kosten aufzukommen. Die Ãœbernahme dieser LeisÂtung ist offenkundig in freier Absprache zwischen den Parteien erfolgt; es ist diesbezüglich vom Vorhandensein einer vertraglichen Abmachung zwischen den Parteien auszugehen. Für ihr Eventualbegehren kann sich die Klägerin demnach auf eine vertragliche Grundlage berufen.
bb) Eintretensvoraussetzung ist in Abgrenzung von der zivilen Gerichtsbarkeit sodann ein verwaltungsrechtlicher, also öffentlichrechtlicher Vertrag als Streitgegenstand. Gemäss herrschender Auffassung ist ein Vertrag öffentlichrechtlicher Natur, wenn er unmittelbar die Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Aufgabe betrifft (Alfred Kölz/Jürg BossÂhart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2.A, Zürich 1999, §1 N.18). Die Entsorgung von Abfällen der öffentlichen Abwasserreinigung ist eine öffentliche AufÂgabe (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. A., Zürich 1998, Rz. 849; Art.31b des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983). Die Abmachung zwischen den Parteien vom 24.September 1987 ist somit öffentlichrechtlicher Natur.
Mit Bezug auf das Eventualbegehren ist demnach auf die Klage einzutreten.
c) Im Haupstandpunkt beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, den im Klärschlammzwischenlager der Deponie gelagerten Klärschlamm entsprechend der KündiÂgung auf den 31. August 2000 auszubauen und das bis zu diesem Zeitpunkt anfallende SiÂckerwasser abzuführen und zu entsorgen. Diese Verpflichtung der Beklagten leitet die Klägerin im Wesentlichen daraus ab, dass die Deponie nie als definitive Lösung gedacht gewesen sei. Dies hätten alle gewusst. Diese definitive Entsorgung obliege seit je und auch heute noch der Beklagten. Es habe nach Treu und Glauben nicht der geringste Anlass für eine Ãœbernahme dieser Verpflichtung durch die Klägerin bestanden.
Diese Ausführungen zeigen in keiner Weise auf, wann wie sich die Beklagte vertraglich verpflichtet haben sollte, die definitive Entsorgung des Klärschlamms zu übernehmen. Hinweise für eine solche Abmachung ergeben sich auch nicht aus den Akten. Es war vielmehr die Absicht der Klägerin selbst, den Klärschlamm wieder auszubauen und weiterzuverwenden. Aus der Qualifikation der Deponie als Zwischenlager kann keineswegs auf eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur definitiven Entsorgung geschlossen werden. Auch aus dem Umstand, dass sich die Beklagte beispielsweise mit Schreiben vom 3. August 1988 um die Zukunft der Deponie Gedanken machte, kann die Klägerin nicht den Bestand einer Vereinbarung ableiten. Dasselbe gilt schliesslich für die Behauptung der Klägerin, sie habe nach Treu und Glauben bei den damaligen Umständen nicht davon ausgehen müssen, dass mit der städtischen Gebühr sämtliche mit der Zwischendeponie verbundenen Lasten und Risiken auf sie übergegangen seien. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass die Klägerin - hätte sie eine besonders tiefe Deponiegebühr verlangt - im Gegenzug die Verpflichtung der Beklagten zur definitiven Entsorgung verabredet hätte. Es lässt sich daher auch nicht auf das VorhanÂdensein einer stillschweigenden Abrede zwischen den Parteien, worin sich die Beklagte zur definitiven Entsorgung ihres Klärschlamms verpflichtet hätte, schliessen. Tatsächlich stützt sich die Klage betreffend die definitive Entsorgung nicht ernsthaft auf eine vertragliche AbÂmachung, sondern im Ergebnis darauf, dass es sich um Klärschlamm aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten handle, und dass sie - die Klägerin - die Entsorgungspflicht nicht übernommen habe. Auch die seinerzeitige Ãœbernahme des städtischen Klärschlamms durch die Klägerin beruhte nicht auf vertraglicher Grundlage, sondern erfolgÂte in Nachachtung der vom Kanton Zürich getroffenen Konzepte. Die Klägerin anerkennt denn auch selbst, dass sie verpflichtet worden war, den Klärschlamm der Beklagten zu übernehmen.
Eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zum Ausbau des Klärschlamms aus der Deponie X ist nicht ersichtlich. Ob die Beklagte allenfalls aus einem anderen als vertraglichen Rechtsgrund zu einer definitiven Entsorgung verpflichtet ist, entzieht sich der Ãœberprüfung im vorliegenden Klageverfahren, worin allein Ansprüche aus verwaltungsrechtÂlichen Verträgen beurteilt werden können. Auf die Klage ist daher im Hauptpunkt nicht einzutreten.
2. Zur materiellen Beurteilung des klägerischen Eventualbegehrens ist die Abmachung der Parteien vom 24. September 1987 auszulegen. Dabei kommt dem VertrauensÂprinzip massgebliche Bedeutung zu: Die Auslegung verwaltungsrechtlicher Verträge erfolgt wie bei privatrechtlichen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BGE 103 Ia 505 E. 2b, 122 I 328 E. 3a; René Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Nr. 20 V; Häfelin/ Müller, Rz. 888).
a) Die Vereinbarung vom 24. September 1987 erfolgte lediglich mündlich. Deren Inhalt kann einzig der knappen - aber von beiden Parteien unbestrittenen - Aktennotiz des städtischen Abfuhrwesens vom 28. September 1987 entnommen werden. Ãœber Dauer Beendigungsmodalitäten enthält die Aktennotiz nichts. Die Parteien behaupten diesbezüglich auch keine konkreten mündlichen Abreden. Die Beklagte macht in rechtlicher Hinsicht allerdings geltend, der Vertrag sei angesichts seiner auftragsähnlichen Natur jederzeit kündÂbar. Es mag durchaus zutreffen, dass die Verpflichtung, das Sickerwasser abÂzuholen und zu behandeln, auftragsähnliche Komponenten hat. Richtig ist ferner, dass der privatrechtliche Auftrag jederzeit gekündigt werden kann (Art. 404 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts, OR). Diese Bestimmung gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zudem als zwingend (BGE 115 II 464 E. 2a; vgl. dagegen etwa Walter Fellmann, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bern 1992, Art. 404 OR N.118 ff. ). Indes bleibt in Erinnerung zu rufen, dass der in Frage stehende Vertrag öffentlichrechtlicher Natur ist. Die Parteien sind im Verwaltungsrecht - anderslautende öffentlichrechtliche Normen vorbehalten - grundsätzlich frei bei der Wahl der Beendigungsform. So lässt sich eine Beendigung durch Erfüllung, durch Ablauf einer vereinbarten gesetzlichen Dauer auch durch Kündigung vorsehen (vgl. Häfelin/Müller, Rz. 911 f.). Auf Bestimmungen des Obligationenrechts kann im Sinn von allgemeinen Rechtsgrundsätzen zwar insoweit abgestellt werden, als das öffentliche Recht keine eigenen Regeln vorsieht; indessen muss sich die privatrechtliche Bestimmung auch auf dem Gebiet des öffentÂlichen Rechts als sachgerecht erweisen (BGr, 20. Juli 1981, ZBl 83/1982 S. 73; BGE 105 Ia 207 E. 2c, je mit Hinweisen). Es besteht somit kein Anlass, um die Lücke im Vertrag in Anlehnung an die zivilrechtliche Regelung des Auftrags von vornherein dahingehend zu füllen, dass eine Kündigung als jederzeit zulässig anzunehmen wäre. Die in der strittigen Vereinbarung ungeregelte Frage nach der Beendigung ist vielmehr vorab durch Auslegung des Vertrags unter Berücksichtigung der damaligen Umstände zu beantworten.
b) Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, aufgrund der damaligen Umstände sei nach Treu und Glauben davon auszugehen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Klärschlammsickerwasserentsorgung unkündbar bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Zwischendeponie vereinbart worden sei.
Ausgangspunkt für die Vereinbarung der Parteien über die Abführung des Sickerwassers war die Verfügung des kantonalen Amts für Gewässerschutz und Wasserbau vom 29. Mai 1987, worin die Klägerin verpflichtet wurde, das Sickerwasser aus dem Klärschlammzwischenlager X einer grossen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen. Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass dieses Vorgehen nur als ÃœbergangsÂlösung gedacht war: In Erwägung 3 besagter Verfügung wurde nämlich ausdrücklich festgehalten, dass das Si-ckerwasser aus dem Klärschlammzwischenlager einer grossen Abwasserreinigungsanlage zuzuführen sei "bis zur Inbetriebnahme einer deponieeigenen Abwasservorbehandlungsanlage". Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass die Parteien beim Abschluss der strittigen Vereinbarung, mit welcher die Pflicht zur Abführung des Sickerwassers von der Beklagten übernommen wurde, annehmen mussten und durften, das Sickerwasser werde nur für eine begrenzte Ãœbergangszeit anfallen. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Verpflichtung für die Dauer einer beschränkten Ãœbergangszeit eingegangen ist, also bis - innert absehbarer Frist - auf der Deponie eine Abwasservorbehandlungsanlage eingerichtet bis der Klärschlamm aus dem Zwischenlager anderweitig definitiv entsorgt würde.
Die Beklagte scheint sich für ihr Kündigungsrecht allerdings auch darauf zu berufen, dass sie die Verpflichtung seinerzeit quasi ohne Gegenleistung von Seiten der Klägerin eingegangen sei. Zwar hat die Klägerin für die Leistungen der Beklagten tatsächlich nichts zu bezahlen. Die Vereinbarung steht jedoch im Zusammenhang damit, dass die Klägerin gemäss den kantonalen Regelungen von 1985-1987 verpflichtet war, den Klärschlamm der Beklagten entgegenzunehmen. Nachdem die Klägerin vom Kanton Zürich zusätzlich zur Entsorgung des Sickerwassers verpflichtet worden war, schloss die Beklagte die strittige Vereinbarung offensichtlich als Gegenleistung dafür ab, dass sich die Klägerin dem Diktat des Kantons zur Entgegennahme des städtischen Klärschlamms widerspruchslos unterwarf - und damit zur Lösung des auf Seiten der Beklagten eingetretenen Problems mittrug. Die Stadt war damals auf die Abnahme ihres Klärschlamm dringend angewiesen. Es herrschte eine Art Notsituation.
Diese besondere Ausgangslage liesse es als stossend erscheinen, die jederzeitige Kündigungsbefugnis beim obligationenrechtlichen Auftrag auf vorliegenden öffentlichÂrechtlichen Vertrag anzuwenden; dies erschiene nicht als sachgerecht. Es bleibt somit dabei, dass die Abrede zwischen den Parteien nach dem Vertrauensgrundsatz wie folgt auszulegen ist: Die Beklagte verpflichtete sich im Sinn einer Ãœbergangslösung solange zu Abführung und Behandlung des Sickerwassers, bis die Klägerin eine deponieeigene Abwasservorbehandlungsanlage in Betrieb nehmen den Klärschlamm anderweitig definitiv entsorgen würde. Nachdem das Sickerwasser aus der Klärschlammdeponie derzeit unverändert anfällt, besteht die Verpflichtung der Beklagten somit grundsätzlich weiterhin.
c) Dabei ist allerdings Folgendes in Betracht zu ziehen: Die Auflösung bzw. Beendigung der strittigen Vereinbarung hängt vom Eintritt einer Bedingung ab, - eben davon, dass auf der Deponie eine Abwasservorbehandlungsanlage in Betrieb genommen dass der Klärschlamm anderweitig definitiv entsorgt wird. Es steht somit im Einflussbereich der Klägerin als Deponiebetreiberin, ob diese Bedingung eintrifft nicht.
Im Zivilrecht gilt eine Bedingung als erfüllt, wenn ihr Eintritt von einer Vertragspartei wider Treu und Glauben verhindert worden ist (Art. 156 OR). Mit dieser Regelung wird der allgemeine Rechtsgrundsatz von Art. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Handeln nach Treu und Glauben) konkretisiert. Es erscheint als sachgerecht, diesen GrundÂsatz auf öffentlichrechtliche Vertragsverhältnisse zu übertragen. Mit anderen Worten: Unterlässt es die Klägerin entgegen den berechtigten Erwartungen der Beklagten treuwidrig, die Voraussetzungen für das Dahinfallen deren Verpflichtung zu schaffen, so wird die Beklagte von ihrer Pflicht dennoch befreit. In diesem Sinn argumentiert die Beklagte, wenn sie der Klägerin vorwirft, sie habe bis heute keine deponieeigene Abwasservorbehandlungsanlage in Betrieb genommen. In der Tat ergeben sich kaum Hinweise dafür, dass die Klägerin bis 1999 Anstalten getroffen hätte, die Gegebenheiten in ihrem KlärschlammÂlager zu ändern. Diese weitgehende Untätigkeit legt nahe, dass der Klägerin die bestehende Situation gelegen kam und sie angesichts der Verpflichtung der Beklagten zur Abnahme des Sickerwassers keine Änderungen in die Wege leitete. Allein daraus kann für den jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht angenommen werden, die Klägerin habe wider Treu und Glauben gehandelt; dies vorab deshalb nicht, weil das Untätigsein bis 1999 durch die Beklagte - quasi reziprok - offensichtlich nicht nachhaltig gerügt worden war. Erst mit SchreiÂben vom 3. Juni 1999 wurde die Angelegenheit von der Beklagten aufgegriffen und deutlich gemacht, dass sie nicht mehr bereit ist, die Leistung kostenlos weiter zu erbringen. Vor diesem Hintergrund lässt sich im heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen, dass die vertragliche Verpflichtung der Beklagten infolge eines treuwidrigen Verhaltens der Klägerin beendet wäre.
Angesichts der nun geklärten Rechtslage, wonach für die Beklagte keinerlei vertragÂliche Sanierungspflicht besteht, und in Berücksichtigung des klar geäusserten Willens der Beklagten, die bestehende Situation nicht mehr weiter zu dulden, liesse sich aber weiteres Untätigsein auf Seiten der Klägerin wohl doch bald als treuwidrig qualifizieren. Die Klägerin müsste bei unbegründetem Zuwarten damit rechnen, dass eine neue Vertragskündigung der Beklagten in absehbarer Zeit durchaus Aussicht auf gerichtlichen Schutz haben könnte.
d) Angesichts des nunmehrigen langen unveränderten Bestandes des Zwischenlagers rechtfertigt es sich sodann bereits heute, die Dauer der Verpflichtung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensprinzips und damit insbesondere unter Berücksichtigung der damaligen Voraussehbarkeit auf eine bestimmte maximale Dauer festzulegen. Wenn die Beklagte aus allgemeiner Lebenserfahrung zwar damit rechnen musste, dass sich die definitive Entsorgung des Klärschlamms um Jahre verzögern würde, so konnte sie doch nicht erwarten, dass die provisorische Lösung im Zwischenlager quasi auf unbeschränkte Zeit aufrechterhalten würde. Nach Treu und Glauben durfte sie vielmehr mit einer definitiven Entsorgung innert einer vernünftigen Frist rechnen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Beklagte - hätte sie eine unbeschränkte Weiterführung des Provisoriums seinerzeit in Betracht gezogen -, die Verpflichtung nicht eingegangen wäre. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände rechtfertigt es sich im Sinn richterlicher Vertragslückenfüllung, die Verpflichtung der Beklagten auf eine Dauer von höchstens 20 Jahren ab Vertragsschluss festzulegen.
e) Zusammengefasst bleibt es somit in teilweiser Gutheissung des klägerischen Eventualbegehrens bis auf weiteres bei der Verpflichtung der Beklagten, das aus dem Klärschlammzwischenlager der Deponie anfallende Sickerwasser abzuführen und zu entsorgen. Dasselbe gilt - in Abweichung der vorsorglichen Massnahmeregelung des Gerichts vom 11. Oktober 2000 - auch für die Dauer des vorliegenden Klageverfahrens. Diese Pflicht gilt bis auf weiteres und endet, wenn der Klärschlamm aus der Deponie X abgeführt wurÂde die Notwendigkeit zu Abtransport und Entsorgung des Sickerwassers aus anderen Gründen (z.B. Inbetriebnahme einer deponieeigenen Abwasservorbehandlungsanlage) entfallen ist, jedoch spätestens 20 Jahre nach Vertragsschluss, d.h. spätestens am 24. September 2007. Vorbehalten bleibt die Möglichkeit der Beklagten, bei künftiger treuwidriger Untätigkeit der Klägerin, den Vertrag vorzeitig - aber mit angemessener Frist - zu kündigen.
3.
Demgemäss entscheidet das Verwaltungsgericht:
1.In teilweiser Gutheissung der Klage wird festgestellt, dass die Beklagte in Nachachtung der Vereinbarung zwischen den Parteien vom 24. September 1987 verpflichtet ist, das aus dem Klärschlammzwischenlager der Deponie X anfallende Sickerwasser weiÂterhin abzuführen und zu entsorgen, längstens bis 24. September 2007.
Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
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