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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VB180001)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VB180001
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VB180001 vom 12.12.2018 (ZH)
Datum:12.12.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufsichtsbeschwerde gegen einen Ersatzrichter
Zusammenfassung:Ein Monteur parkte sein Lieferwagen ausserhalb eines Parkfeldes und geriet in eine Auseinandersetzung mit einem Polizeibeamten wegen Falschparkierens. Beide wurden angeklagt, aber der Monteur wurde freigesprochen, während der Polizeibeamte eine Geldstrafe erhielt. Der Ersatzrichter äusserte öffentlich, dass die Staatsanwaltschaft den Fall mit einem Strafbefehl hätte lösen können, was zu einer Aufsichtsbeschwerde führte. Die Beschwerde wurde abgewiesen, da das Fehlverhalten des Ersatzrichters als Unbedarftheit eines Neulings angesehen wurde.
Schlagwörter: Staat; Richter; Staatsanwalt; Staatsanwalts; Staatsanwaltschaft; Aufsicht; Aufsichts; Gericht; Befehl; Urteil; Beschwerdegegner; Verfahren; Aufsichtsbeschwerde; Urteils; Äusserung; Richter; Obergericht; Amtspflicht; Aussage; Anklage; Äusserungen; Recht; Anzeige; Verfahrens; Verwaltung; Amtspflichten; Medium
Rechtsnorm: Art. 108 ZPO ; Art. 30 BV ; Art. 351 StPO ; Art. 352 StPO ; Art. 354 StPO ; Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hauser, Schweri, Lieber, GOG Zürich, Basel, Genf, 2012
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr. VB180001-O/U

Mitwirkend: Obergerichtspräsident lic. iur. M. Burger, Vizepräsident lic. iur.

M. Langmeier, Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Oberrichterin lic. iur.

E. Lichti Aschwanden und Oberrichterin lic. iur. F. Schorta sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Heuberger Golta

Beschluss vom 12. Dezember 2018

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Leitender Staatsanwalt lic. iur. Daniel Kloiber,

Anzeigeerstatterin

gegen

A. , lic. iur.,

Obergericht des Kantons Zürich,

Beschwerdegegner

betreffend Aufsichtsbeschwerde gegen Ersatzbezirksrichter lic. iur. A. etc.

Erwägungen:

  1. Einleitendes

    1. Am 23. Dezember 2016 lenkte der Monteur B. , geb. 1972, seinen Lieferwagen in die C. -Strasse in Zürich, wo er ausserhalb eines Parkfeldes parkierte. Er ging in ein Restaurant, um dort ein Paket abzugeben. Kurze Zeit später, um ca. 15.15 Uhr, kam er wieder heraus, um zu seinem Lieferwagen zu gehen. Dort stand inzwischen der uniformierte Mitarbeiter Kontrolle Ruhender Verkehr (KRV) der Stadtpolizei Zürich, D. , geb. 1976, um eine Busse wegen Falschparkierens auszustellen. Es kam zwischen den Männern zu einer verbalen und tätlichen Auseinandersetzung. Beide wiesen später jegliches Fehlverhalten von sich und machten die Gegenseite für den Streit verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl erhob gegen beide Beschuldigten Anklage (gegen B. betreffend Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie einfache Körperverletzung; gegen D. betreffend Amtsmissbrauch und einfache Körperverletzung), auf dass das Gericht entscheide, welche der beiden Versionen der Geschehnisse zutreffend sei (act. 1 S. 1 f.; act. 3/1-2).

    2. Die beiden Verfahren gingen am 7. Dezember 2017 beim Bezirksgericht Zürich ein und wurden vereinigt (GG170258-L; act. 3/5). Am 12. Februar 2018 fand die Hauptverhandlung statt, wobei die Staatsanwaltschaft die Anklagen vor Gericht nicht persönlich vertreten musste (act. 3/6). B. wurde vollumfänglich freigesprochen. D. wurde der Tätlichkeiten schuldig, im Übrigen aber ebenfalls freigesprochen und mit einer Busse von Fr. 600.- bestraft (act. 3/7). Anlässlich der mündlichen Urteilseröffnung soll, wie tags darauf in den Medien berichtet wurde, der zuständige Einzelrichter, Ersatzrichter lic. iur. A. (fortan: Beschwerdegegner), Aussagen zur seines Erachtens fehlenden Notwendigkeit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und die der Staatskasse dadurch entstandenen Kosten gemacht haben (act. 1 S. 2 f.). Diese Aussagen sind Gegenstand des vorliegenden, durch den Leitenden Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (fortan: Anzeigeerstatterin), lic. iur. Daniel Kloiber, initiierten Aufsichtsbeschwerdeverfahrens.

    3. Die Staatsanwaltschaft erklärte gegen das Urteil vom 12. Februar 2018 zunächst mit Bezug auf beide Beschuldigten Berufung an das Obergericht (act. 3/8 und 3/9), zog diese hinsichtlich des freigesprochenen B. aber wieder zurück. Damit wurde auch die von D. erhobene Anschlussberufung gegen den Freispruch von B. hinfällig. Die Staatsanwaltschaft will D. der einfachen Körperverletzung schuldig gesprochen und mit 90 Tagessätzen Geldstrafe bestraft wissen. D. beantragt anschlussberufungsweise einen Freispruch. Die Berufungsverhandlung ist auf den 8. März 2019 angesetzt (SB180175-O).

  2. Verfahrensgang

    1. Die Aufsichtsbeschwerde ging am 20. Februar 2018 bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich mit folgenden Anträgen ein (act. 1 S. 2; 2; 3/1-12):

      1. Es sei festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl innerhalb ihrer Amtsbefugnisse und ihrem Ermessen dazu berechtigt und verpflichtet war, Anklagen gegen B. und D. zu erheben.

      1. Es sei festzustellen, dass die Äusserung von Ersatzrichter lic. iur. A. , dass der zuständige Staatsanwalt den Fall auch mit Strafbefehl hätte lösen und damit der Staatskasse einige Kosten hätte ersparen können, fehl am Platz waren und er dadurch seine Amtspflichten als Richter verletzte, indem er der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl fälschlicherund unnötigerweise unterstellte, durch Erhebung von Anklagen statt Erlass von Strafbefehlen der Staatskasse unnötige Kosten verursacht zu haben.

      2. Ersatzrichter lic. iur. A. sei anzuweisen, seine diesbezüglichen Aussagen gegenüber den bei der Urteilseröffnung anwesenden Pressevertretern E. ( [Medium 1]) und F. ( [Medium 2]) in geeigneter Form zurückzunehmen.

    2. Dem Beschwerdegegner wurde Frist zur Stellungnahme angesetzt (act. 4), welche mit Eingabe vom 2. April 2018 fristgerecht erstattet wurde (act. 4 S. 3;

      act. 5). Die Akten wurden bei der II. Strafkammer des Obergerichts beigezogen (act. 7/1-26/3).

  3. Prozessuales

    1. Gemäss § 80 Abs. 1 lit. b GOG i.V.m. § 18 Abs. 1 lit. k Ziff. 1 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) übt die Verwaltungskommission die Aufsicht über die dem Obergericht unterstellten Gerichte aus. Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung der Beschwerde zuständig.

    2. Die Aufsichtsbeschwerde ist innert 10 Tagen seit Kenntnisnahme der Amtspflichtverletzung schriftlich einzureichen (§ 83 Abs. 1 GOG). Diese Frist ist vorliegend eingehalten (act. 4 S. 3; act. 5).

  4. Materielles

    1. a) Verletzen Mitglieder von Gerichtsbehörden Amtspflichten, kann bei der unmittelbaren Aufsichtsbehörde Aufsichtsbeschwerde erhoben werden. Diese verfügt die notwendigen Massnahmen (§ 82 Abs. 1 und 2 GOG). Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es somit, durch Gebrauch ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt auf entsprechende Anzeige hin eine tatsächlich vermeintlich unrechtoder unzweckmässige Anordnung aufzuheben bzw. abzuändern (sog. sachliche Beschwerde, vgl. sogleich b)) ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson administrativ zu ahnden (sog. administrative Beschwerde, vgl. sogleich c)).

      1. Mit der sachlichen Aufsichtsbeschwerde wird die Aufhebung Abänderung einer unrechtmässigen Anordnung verlangt. Die sachliche Aufsichtsbeschwerde ist subsidiär zu allfälligen Rechtsmitteln. Massnahmen der Prozessleitung unterliegen grundsätzlich den prozessualen Rechtsmitteln, da es der Aufsichtsbehörde nicht zusteht, die Gesetzesmässigkeit der Rechtsprechung durchzusetzen. Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit der Fällung eines Entscheides erhobene Rüge einer offensichtlich fehlerhaften Amtsausübung der Justizperson. Ist gegen den fraglichen Entscheid ein Rechtsmittel gegeben, so ist dessen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde demnach nicht möglich. Steht jedoch kein Rechtsmittel zur Verfügung und ist auf die sachliche Aufsichtsbeschwerde einzutreten, prüft die Aufsichtsbehörde nicht die materielle Richtigkeit des angefochtenen Entscheides, sondern einzig die Frage, ob sich die Auffassung der Vorinstanz als offensichtlich haltlos mutwillig erweist bzw. ob sie qualifiziert falsch ist. Die Aufsichtsbehörde nimmt damit nicht eine rechtsmittelartige materielle Prüfung des Entscheides vor, sondern schreitet nur dann ein, wenn sich der angefochtene Entscheid geradezu als Amtspflichtverletzung erweist, vergleichbar mit einem sonstigen Verhalten eines Richters, welches die Aufsichtsbehörde im Falle einer administrativen Beschwerde diesem gegenüber zur Vornahme aufsichtsrechtlicher Massnahmen veranlassen würde (vgl. Hauser/Schweri/Lieber, GOGKommentar, Zürich/Basel/Genf 2012, § 82 N 11, 23 und 30 f.).

      2. Die administrative Aufsichtsbeschwerde zielt demgegenüber auf die Person des Amtsträgers ab. Sie ist an die Stelle der früheren Disziplinarbeschwerde getreten. Mit ihr sollen Disziplinarfehler geahndet werden; ordnungsoder rechtswidrige Verhaltensweisen von Justizpersonen, die Pflichtverletzungen darstellen. Dies können Saumseligkeiten (d.h. Unterlassungen pflichtgemäss beförderlichen Handelns und somit ein schuldhafterweise zu geringer persönlicher Einsatz) ungehöriges (vorwiegend subjektiv betontes und somit zu weit gehendes persön- lich bestimmtes) Handeln sein (vgl. Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 20 und N 43 m.w.H.). Die Beschwerde ist gegen alle Pflichtwidrigkeiten von Organen der Rechtspflege gegeben, wenn diese gegen die Parteien, Kollegen Mitarbeiter ein Verhalten an den Tag legen, das die guten Sitten den Anstand verletzt (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 14). Das Verfahren wird weitgehend nicht vom Legalitäts-, sondern vom Opportunitätsprinzip beherrscht; die notwendige Massnahme wird nach dem Grundsatz der Zweckmässigkeit angeordnet (vgl. Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 43 ff.). Sie muss geeignet sein, den Fehler zu korrigieren und ähnliche Fehler für die Zukunft zu verhüten (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 108 N 44; Hunziker, Die Anzeige an die Aufsichtsbehörde (Aufsichtsbeschwerde), Diss. Zürich 1978, S. 108). Als mögliche Sanktionen kommen insbesondere die Ermahnung, die Erteilung eines Verweises die Anordnung von personalrechtlichen Massnahmen in Betracht (vgl. Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 83 N 24).

      Als Anzeige kann eine administrative Aufsichtsbeschwerde grundsätzlich von jedermann erhoben werden. Der Anzeigeerstatter gilt jedoch nicht als Verfahrens-

      partei und kann aus seiner Stellung keine Verfahrensrechte ableiten. Denn die in einem separaten Verfahren zu prüfende Aufsichtsbeschwerde betrifft nicht eine Streitigkeit zwischen dem Anzeiger und der Verwaltung, sondern beschlägt vielmehr das Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Gesetz bzw. der Aufsichtsbehörde und dem Beaufsichtigten. Es ist dem Anzeigeerstatter daher grundsätzlich weder vom Ausgang des Verfahrens Mitteilung zu machen, noch steht ihm die Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels zu (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 45).

    2. Mit der vorliegenden Aufsichtsbeschwerde wird beantragt, dass festzustellen sei, dass die anlässlich der Urteilseröffnung gemachten Äusserungen des Beschwerdegegners fehl am Platz gewesen und unnötigerweise erfolgt seien, dass der Beschwerdeführer dadurch seine Amtspflichten als Richter verletzt habe, und dass er anzuweisen sei, die nämlichen Äusserungen gegenüber den Pressevertretern in geeigneter Form zurückzunehmen. Es wird damit im Wesentlichen die Feststellung einer Amtspflichtverletzung disziplinarischer Art und die Anordnung einer disziplinarischen Sanktion verlangt. Die Aufsichtsbeschwerde ist somit administrativer Natur.

    3. Mit Bezug auf Antrag 1 und teilweise Antrag 2, mit welchen die formelle Feststellung beantragt wird, dass die Staatsanwaltschaft dazu berechtigt und verpflichtet gewesen sei, Anklagen gegen B. und D. zu erheben, bzw. dass die gegenteiligen Äusserungen des Beschwerdegegners (wonach der Staatsanwalt den Fall auch mit Strafbefehl hätte lösen und damit der Staatskasse einige Kosten hätte ersparen können) falsch gewesen seien, ist auszuführen, dass im administrativen Aufsichtsbeschwerdeverfahren nur festzustellen ist, ob und gegebenenfalls durch welches Verhalten ein Richter seine Amtspflichten verletzt hat. Bejahendenfalls sind die notwendigen Sanktionen anzuordnen. Die formelle Feststellung, wozu die Anzeigerin vorliegend konkret berechtigt und verpflichtet war nicht, kann nicht Gegenstand des aufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahrens sein. Insofern ist auf die Aufsichtsbeschwerde nicht einzutreten.

      Gleiches gilt mit Bezug auf Antrag 3, soweit damit ein Zurücknehmen von Aussagen gegenüber zwei Pressevertretern beantragt wird; als disziplinarische Sanktion ist solches nicht vorgesehen.

    4. a) Die Anzeigeerstatterin verweist zur Begründung ihrer Aufsichtsbeschwerde auf die folgenden Passagen zweier Zeitungsartikel in der [Medium 2] und in der Online-Ausgabe des [Medium 1] vom tt. Februar 2018 über die fragliche Gerichtsverhandlung:

      Schliesslich rügte der Richter den Staatsanwalt. Dieser hätte den Fall auch mit Strafbefehlen lösen und der Staatskasse einige Kosten ersparen können.

      ( [Medium 2] vom tt. Februar 2018; act. 3/10)

      Abschliessend sagte der Richter, dass der Staatsanwalt den Fall mittels eines Strafbefehls einfacher und billiger hätte erledigen können.

      (www . [Medium 1].ch vom tt. Februar 2018; act. 3/11).

      Eine Nachfrage des Leitenden Staatsanwalts lic. iur. Daniel Kloiber bei den Journalisten F. ( [Medium 2]) und E. ( [Medium 1]) habe ergeben, dass sich der Beschwerdegegner in diesem Sinn geäussert habe. Gemäss Handnotizen von F. (act. 3/12 l.S.) habe der Beschwerdegegner gesagt: Hätte die SA [Staatsanwaltschaft] ihren Job gut gemacht, hätten wir das Problem nicht vor Gericht behandeln müssen, sondern das hätte mit einem Strafbefehl erledigt werden können. Es wären dem Steuerzahler weniger Kosten entstanden. Beide langjährigen Gerichtsberichterstatter seien über die Worte des Beschwerdegegners erstaunt gewesen (act. 1 S. 3 f.). Die Staatsanwaltschaft habe im Zweifel Anklage zu erheben; insbesondere wenn, wie vorliegend, Aussage gegen Aussage stehe. Es habe keine Veranlassung bestanden, das Verfahren gegen den einen Beschuldigten einzustellen und den anderen mit Strafbefehl zu belegen: Es hätte dann die Gefahr bestanden, dass die Einstellungsverfügung durch die Beschwerdeinstanz wieder aufgehoben worden und gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben worden wäre, was zu einem nicht zu rechtfertigenden Auseinanderreissen der Beurteilung des gleichen Lebenssachverhalts geführt hätte, sowohl auf Ebene Staatsanwaltschaft wie auch auf Ebene Gericht. Es stehe dem Beschwerdegegner zu, anders zu entscheiden, als die Staatsanwaltschaft beantrage. Es stehe ihm aber nicht zu, Ermessensentscheide der Staatsanwaltschaft gegenüber der Öffentlichkeit als falsch zu deklarieren. Damit verletze er seine Amtspflichten als Richter. Es stehe dem Beschwerdegegner auch nicht zu, die Anklagebehörde in besserwisserischer Manier und mit flapsigen Bemerkungen bei der Urteilseröffnung als Verschwenderin von Steuergeldern zu betiteln. Wolle ein Richter - allenfalls berechtigte - Kritik an der Arbeit Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft äussern, sei eine Urteilseröffnung in Anwesenheit von Medienvertretern dazu nicht geeignet. Mit solchen Vorgehensweisen werde das professionelle und von Anstand und gegenseitiger Achtung geprägte Verhältnis zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften unnötig vergiftet. Auch damit verletze der Beschwerdeführer seine Amtspflichten als Richter. Er habe die zur Diskussion stehenden Äusserungen gegenüber den zwei Gerichtsberichterstattern zu korrigieren; in welcher Form, werde der Aufsichtsbehörde überlassen (act. 1 S. 4 f.).

      b) Der Beschwerdegegner bedauert die Auswirkungen der im Streit liegenden Urteilseröffnung. Es sei nie seine Absicht gewesen, der Anklagebehörde die Verschwendung von Steuergeldern vorzuwerfen (act. 5 S. 1 f.). Die gerügte Aussage enthalte lediglich eine alternative Erledigungsmöglichkeit; sie besage nicht, wozu die Staatsanwaltschaft berechtigt und verpflichtet gewesen sein solle. Es werde nicht dargetan, welche Amtspflicht er mit der vorgeworfenen Äusserung konkret verletzt habe. Er erinnere sich nicht mehr an den exakten Wortlaut seiner Ausfüh- rungen. Handschriftliche Protokollnotizen seien keine Wortprotokolle. Aussagen müssten angesichts des Verhandlungstempos oftmals verkürzt und sinngemäss notiert werden. Bereits die Tatsache, dass die angebliche Äusserung über die Qualität der Arbeit der Staatsanwaltschaft keinen Eingang in die beiden Artikel gefunden habe, lasse es als sehr fraglich erscheinen, ob diese Aussage exakt so gemacht worden sei. Er wolle den Journalisten nicht unterstellen, ihn falsch zitiert zu haben. Richterliche Ausführungen in Urteilsverkündungen könnten aber auch falsch verstanden und als Kritik missinterpretiert werden. Bekanntlich habe erst kürzlich ein einem Richter zugeschriebenes, in der Zeitung als wörtliche Wiedergabe deklariertes und vom Journalisten als scharfe Kritik bezeichnetes Zitat zurückgenommen werden müssen (act. 5 S. 2-4).

      Nach durchgeführter Hauptverhandlung habe sich zusammengefasst ergeben, dass die Sachverhaltsdarstellung von B. sich mit den glaubhaften Aussagen von drei zufällig am Tatort anwesenden Zeugen gedeckt habe, während

      D. diametral andere, unglaubhafte Aussagen gemacht habe. Letzterer habe auch an der Hauptverhandlung unglaubwürdig gewirkt. Insofern sei der Sachverhalt seines (des Beschwerdegegners) Erachtens schon nach der Untersuchung ausreichend geklärt gewesen. Deshalb habe er an der Urteilseröffnung sicherlich darauf Bezug genommen, dass die Voraussetzungen von Art. 352 StPO erfüllt gewesen wären. Die Möglichkeit, das Verfahren gegen D. (aber entgegen dem Wortlaut des [Medium 2]-Artikels nicht auch gegen B. ) mittels Strafbefehl abzuschliessen, wäre eine Alternative gewesen. Wie und ob er damit eine Kostenersparnis explizit thematisiert habe, wisse er nicht mehr. Die Vermutung allein, ein anderes Vorgehen wäre allenfalls mit weniger Kosten verbunden gewesen, sei jedenfalls nicht mit der Aussage der Verschwendung gleichzusetzen. Er distanziere sich deshalb entschieden vom Vorwurf, er hätte die Staatsanwaltschaft als Verschwenderin von Steuergeldern betitelt (act. 5 S. 4 f.).

      Die Unabhängigkeit der Gerichte und der einzelnen Richter sei sowohl national (Art. 30 Abs. 1 BV) als auch international (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) grundrechtlich verankert. Die Auffassung der Anzeigeerstatterin, dass selbst berechtigte Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft nicht in einer Urteilseröffnung in Anwesenheit von Medienvertretern geäussert werden dürfe, sei nicht gerechtfertigt. Öffentliche Strafverhandlungen dienten gerade auch dazu, die breite Masse an der Meinung des Gerichts und an der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte teilhaben zu lassen - oftmals über die Berichterstattung in den Medien. Es sei nie sein Ziel gewesen, den fallführenden Staatsanwalt persönlich die Staatsanwaltschaft als Institution anzugreifen, als verschwenderisch darzustellen und damit das bestehende professionelle Verhältnis zu vergiften. In einem professionellen Verhältnis müsse es zulässig sein, sachliche Anmerkungen und Erläuterungen auch in Bezug auf die Untersuchungsführung zu äussern, ansonsten die Achtung der richterlichen Unabhängigkeit gefährdet erscheine. Zusammenfassend sei er sich deshalb keiner im Rahmen der mündlichen Urteilseröffnung vom 12. Februar

      2018 begangenen Amtspflichtverletzung bewusst, weshalb er diesbezüglich die Abweisung der Beschwerde verlange.

    5. Der Beschwerdegegner anerkennt, dass er die in beiden Zeitungsartikeln zitierte Aussage, wonach der Staatsanwalt den Fall auch mit einem Strafbefehl hätte lösen können, gemacht habe. Wie und ob er damit explizit eine Kostenersparnis thematisiert habe, könne er nicht mehr wiedergeben (act. 5 S. 4 f.). - Die Folgerung, dass aus der Erledigung mittels Strafbefehl eine Kostenersparnis für die Staatskasse resultiert wäre, wird indessen in beiden Zeitungsartikeln wiedergegeben. Zudem wurde sie nach glaubhaften Angaben des Leitenden Staatsanwalts von beiden Journalisten mündlich bestätigt. Hinzu kommen die im Recht liegenden Handnotizen von F. , in welchen wortwörtlich festgehalten ist, dass dem Steuerzahler (dadurch) weniger Kosten entstanden wären. Es kann ausgeschlossen werden, dass gleich beide Journalisten die Äusserungen des Beschwerdegegners falsch verstanden haben, welche dieser - wie gesehen - auch nicht in Abrede stellt. Es steht somit fest, dass der Beschwerdegegner die in den Zeitungsartikeln wiedergegebenen Äusserungen getätigt hat.

    6. a) Der Beschwerdegegner wendet ein, dass die Frage, ob Anklage erhoben wurde, obwohl die Voraussetzungen von Art. 352 Abs. 1 StPO vorlagen, durchaus auch Gegenstand des gerichtlichen Hauptverfahrens sein und gegebenenfalls, etwa bei den Kostenfolgen, berücksichtigt werden könne (act. 5 S. 2).

      1. Gemäss Art. 351 Abs. 3 StPO eröffnet das Gericht sein Urteil nach durchgeführter Hauptverhandlung nach den Bestimmungen von Art. 84 StPO; es eröffnet es mithin im Anschluss an die Urteilsberatung mündlich und begründet es kurz (Art. 84 Abs. 1 StPO). Das Urteilsdispositiv wird mündlich verlesen. Die folgende kurze mündliche Begründung des Urteilsspruchs umfasst die Bekanntgabe der wesentlichen Entscheidgründe, d.h. die Erläuterung der Leitlinien des Urteils (Unterstreichungen, auch fortan, durch die Verwaltungskommission). In Fällen, in welchen vom Gericht auf eine schriftliche Begründung verzichtet werden kann, ist eine ausführlichere mündliche Begründung abzugeben (BSK StPO-Arquint,

        Art. 84 N 4). Vor diesem Hintergrund ist zunächst nicht einsichtig, unter welchem Titel die beanstandeten Äusserungen - dass die Staatsanwaltschaft den Fall auch

        mit Strafbefehl hätte lösen und damit der Staatskasse einige Kosten hätte ersparen können - gemacht wurden. Entgegen den konkludenten Einwänden des Beschwerdegegners deutet nichts darauf hin, dass diese Frage für das Einzelgericht im Rahmen seiner Urteilsberatung - insbesondere auch zu den Kostenfolgen - relevant gewesen wäre. Auch in der schriftlichen Urteilsausfertigung wird nicht darauf Bezug genommen, dass das Verfahren auch mit einem Strafbefehl (einfacher und billiger) hätte erledigt werden können (act. 7/26 S. 36). Die beanstandeten Äusserungen können somit nicht zur Erläuterung der Leitlinien des Urteils erfolgt sein.

      2. Das Bundesgericht hat die in der Lehre umstrittene Frage, ob die Staatsanwaltschaft bei gegebenen Voraussetzungen von Art. 352 Abs. 1 StPO zwingend einen Strafbefehl zu erlassen habe, offen gelassen (BGer vom 21. Dezember 2012, 6B_367/2012, Erw. 3.2. und 3.5.). Es hat aber immerhin festgehalten, dass bei einem nicht geständigen Beschuldigten - auch wenn man Art. 352 Abs. 1 StPO als zwingend betrachtet - kein Anspruch auf Erledigung des Strafverfahrens durch einen Strafbefehl bestehe. Der Staatsanwaltschaft könne im zu beurteilenden Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie das Verfahren zur gerichtlichen Beurteilung an das Bezirksgericht überwiesen habe (BGer 6B_367/2012, Erw. 3.5.). Das Obergericht des Kantons Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem ein Einzelgericht auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage nicht eingetreten war und selbiger das Verfahren zum Erlass eines Strafbefehls retourniert hatte (Prozess-Nr. UH110117-O, Beschluss vom 1. Juni 2011; über http://www.gerichte-zh.ch/entscheide/entscheide-suchen.html). Das Einzelgericht hatte zur Begründung der Rückweisung ausgeführt, dass ein Prozesshindernis vorliege, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebe, obwohl die Voraussetzungen für den Erlass eines Strafbefehls erfüllt seien. In einem solchen Fall müssten die Akten an die Staatsanwaltschaft zum Erlass eines Strafbefehls retourniert werden (Beschluss UH110117-O, S. 2 unten). Das Obergericht befand jedoch auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft, dass bereits formell einiges gegen die Interpretation als Prozessvoraussetzung spreche. Aber auch aus materiellen Gründen müsse die Frage, ob ein Strafbefehl ergehen könne, der Staatsanwaltschaft überlassen bleiben: Der Strafbefehl ist zum einen ein Urteilsvorschlag, ein Angebot

        zur Verfahrenserledigung, zum andern aber auch ein suspensiv bedingtes Urteil, das - ohne Einsprache dagegen - die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils erhält (Art. 354 Abs. 3 StPO). Auch wenn die Staatsanwaltschaft dadurch nicht zum Richter wird, geniesst sie in diesem Bereich doch richterliche Unabhängigkeit. Es muss ihr überlassen sein, ob sie den Sachverhalt für anderweitig geklärt hält. Es geht nicht an, ihr gegen die eigene Überzeugung einen Strafbefehl vorzuschreiben, der dann zum Urteil wird, sei es weil der Bestrafte die Modalitäten der Einsprache nicht erfasste weil bereits die Zustellung scheiterte (Art. 85 Abs. 4 und 88 Abs. 4 StPO) (Beschluss UH110117-O, S. 9 f.). Gestützt auf diese Erwä- gungen sei, so das Obergericht weiter, davon auszugehen, dass es dem Gericht entzogen sei zu prüfen, ob anstelle einer Anklage auch ein Strafbefehl hätte er- gehen können. Adressat von Art. 352 StPO sei allein die Staatsanwaltschaft, und die Bestimmung bleibe - mangels Überprüfbarkeit durch das Gericht - eine Ordnungsvorschrift (Beschluss UH110117-O, S. 11).

      3. Es ist somit nicht nur nicht einsichtig, unter welchem Titel die beanstandeten Äusserungen gemacht wurden. Es erhellt auch, dass sich die gerügten Bemerkungen mindestens zum Teil auf eine Ordnungsvorschrift bezogen, deren Beurteilung alleine im Ermessen der Staatsanwaltschaft lag. Der Beschwerdegegner hatte keinerlei Veranlassung, sich über die alternative Erledigungsmöglichkeit

      (act. 5 S. 2) mittels Strafbefehls zu äussern. Zu klären bleibt damit die Frage, ob der Beschwerdegegner mit den beanstandeten Äusserungen, die sich teilweise auf eine Vorschrift bezogen, die er gar nicht zu beurteilen hatte, seine Amtspflichten als Richter verletzt hat.

    7. a) Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte unterstehen der Personalgesetzgebung (§ 1 Abs. 1 PG; LS 177.10). Sie haben sich rechtmässig zu verhalten, die Rechte und Freiheiten des Volkes zu achten, die ihnen übertragenen Aufgaben persönlich, sorgfältig, gewissenhaft und wirtschaftlich auszuführen und die Interessen des Kantons in guten Treuen zu wahren (§ 49 PG). Weitere Amtspflichten der Bezirksrichterinnen und -richter sind das Geschenkannahmeverbot, die Geheimhaltungspflicht, die zu befolgenden Arbeitszeiten, die Beschränkung der Nebenbeschäftigungen, die Bewilligungspflicht für öffentliche Ämter und die

      Pflicht, sich in begründeten Fällen einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen (§ 50-55 PG). Amtspflichten von Richterinnen und Richtern können in einem Spannungsverhältnis mit der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 30 Abs. 1 BV) stehen.

      Aus der Treuepflicht folgt, dass Richterinnen und Richter gehalten sind, sich sowohl innerhalb als auch ausserhalb ihres Amtes der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, das ihre amtliche Stellung erfordert. Dazu gehört namentlich ein korrekter Umgang mit dem Publikum, aber auch mit dem Gerichtspersonal und dem Richterkollegium (Gutachten EJPD, Bundesamt für Justiz, vom 23. Oktober 2007 über die Amtspflichten der Richterinnen und Richter der erstinstanzlichen Bundesgerichte, in: VPB 3/2008 vom 3. September 2008, 2008.24, S. 311;

      Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. A. 2016, Rz. 1578). Besondere Verhaltenspflichten innerhalb eines Verfahrens ergeben sich ferner aus dem Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 2 EMRK), wobei die richterliche Unabhängigkeit die Treuepflicht bis zu einem gewissen Grad wiederum konkretisiert und auch begrenzt (Gutachten EJPD, a.a.O., S. 312). Gemäss Regina Kiener (Richterliche Unabhängigkeit: Verfassungsrechtliche Anforderungen an Richter und Gerichte, Bern 2001) bemisst sich die Fairness eines Verfahrens ganz wesentlich am Verhalten der Richterinnen und Richter gegenüber den Parteien. Wer die Parteien als Subjekt des Verfahrens achtet, begegnet ihnen mit Höflichkeit und Geduld, Takt und Anstand. Zur Richtertätigkeit gehört offensichtlich auch die Fähigkeit, die eigenen Emotionen unter Kontrolle halten zu können. In der lebendigen Atmosphäre des Verfahrens werden sich Richterinnen und Richter spontaner Reaktionen allerdings nicht immer enthalten können. Mit Blick auf die richterliche Unabhängigkeit sind solche Äusserungen dann problematisch, wenn sie eine bestimmte Qualität erreichen, despektierlich, kränkend beleidigend sind und eine persönliche Abneigung und Geringschätzung zum Ausdruck bringen, kurz: Wenn sich darin eine Haltung offenbart, welche die sachliche und unbefangene Beurteilung der Streitsache objektiv in Frage stellt. Auf die Form der Äusserungen kann es dann nicht mehr ankommen; sie können mündlich erfolgen, sich durch Mimik und Gestik offenbaren schriftlich (etwa in der Urteilsbegründung als glossierende Anmerkung auf den Schriftsätzen) ergehen. So hatte das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Befangenheit eines Richters bejaht, der sich despektierlich und deplatziert über den Anwalt des Angeklagten geäussert hatte. Auf der anderen Seite liegt nach Regina Kiener in Ungeschicklichkeiten, verbalen Entgleisungen, Unhöflichkeiten und Ungehaltenheiten jedenfalls nach der Praxis kein Ausdruck von Parteilichkeit (Kiener, a.a.O., S. 100 ff., S. 102 Fn 187 m.w.H.).

      Peter Albrecht (Was zeichnet gute Richterinnen und Richter aus?, in: Schindler/Sutter [Hrsg.], Akteure der Gerichtsbarkeit, Zürich/St. Gallen 2007) weist zutreffend darauf hin, dass von Richterinnen und Richtern üblicherweise viele anspruchsvolle Fähigkeiten erwartet würden. Man spreche von der Richterpersön- lichkeit und zeichne hierfür idealisierende Bilder (vgl. z.B. Matter, Der Richter und seine Auswahl, Diss. Zürich 1978, der auf S. 46 Ernst Hafter [Wir Juristen, Zürich 1944] und Jürgen Kratz [Zur Richterwahl, in: Deutsche Richterzeitung 1970] wie folgt zitiert: Richtertum ist in einem gewissen Sinne das Höchste juristischer Tä- tigkeit. Zum Richter kommen die Menschen mit ihren grossen und kleinen Sorgen. Von ihm erwarten sie die Lösung ihrer Konflikte. Er soll gestörtes Gleichgewicht wieder herstellen. Und auf einer andern Seite sind dem Strafrichter Menschenschicksale in die Hand gegeben. Er kann und muss unter Umständen Existenzen zerstören. Er kann auch Existenzen retten. Das sind Aufgaben von einer Schwere und Grösse, die die Forderung gerechtfertigt erscheinen lassen, dass nur hochstehende Menschen zum Richteramt berufen sein sollen. Mit dem Juristentum allein ist es noch nicht getan. Menschenkenntnis, Lebenserfahrung, gefestigte Überzeugungen, integere Lebensführung müssen dazu kommen. Vielleicht sind das zu hohe Worte. Aber sie sollen das - gewiss selten genug voll erreichte - Richterideal kennzeichnen, und: Nur lebenstüchtige, realitätsbezogene, erfahrene, praktische und aufgeschlossene Menschen dürfen daher mit dem anspruchsvollen Richteramt betraut werden). Im Vordergrund stünden regelmässig die richterliche Unabhängigkeit und das grosse juristische Fachwissen; daneben spielten zunehmend auch weitere persönliche und charakterliche Eigenschaften eine bedeutsame Rolle, etwa die Fähigkeit zur Kommunikation mit den Prozessparteien sowie zur Gelassenheit und Selbstkritik. Wie auch in anderen Berufen verlange man heute vom Richter soziale Kompetenz. Es entstehe insgesamt ein überhöh-

      tes Richterbild, dem im Justizalltag kaum jemand wirklich gerecht werden könne. Vor allem bleibe zu berücksichtigen, dass die Gerichte der Verpflichtung unterlä- gen, konkrete Fälle innerhalb zumeist sehr beschränkter Zeit zu beurteilen (Albrecht, a.a.O., S. 3 f.). Auch Hans Peter Walter (Gedanken zum Richteramt, ZBJV 127/1991 S. 611 ff.) weist unter Betonung seiner Berufserfahrung beidseits der Schranken auf Gerichtsfälle hin, die in grosser Hektik um der zügigen Bewältigung des Aktenbergs willen mit als zumutbar erachteter Beschränkung entschieden und begründet worden sind (Walter, a.a.O., S. 619 und 626 unten). Der Entscheidungszwang in einem limitierten Zeitrahmen wiege heute schwer, weil der Gesetzgeber immer mehr dazu neige, in politisch umstrittenen Materien durch Erlass unbestimmter und vager Normen schwierige Interessenabwägungen auf die Rechtsanwendung abzuwälzen. Dementsprechend erhöhe sich - neben der zahlenmässigen Zunahme der zu beurteilenden Sachverhalte - namentlich die Komplexität der richterlichen Entscheidungsprogramme massiv (Albrecht, a.a.O.,

      S. 3 f.; auch Walter, a.a.O., S. 619, auch Fn 21).

      b) Der Beschwerdegegner, Jahrgang 1982, seit Oktober 2014 als Gerichtsschreiber an der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich tätig, trat im Oktober 2017 seinen ersten befristeten Einsatz als vollamtlicher Ersatzrichter an einem Bezirksgericht an. In seinen Äusserungen vom 12. Februar 2018, dass die Staatsanwaltschaft den Fall auch mit Strafbefehl hätte lösen und dadurch der Staatskasse einige Kosten hätte ersparen können, schwingt entgegen seiner Stellungnahme offenkundig der Vorwurf an die Untersuchungsbehörde mit, dem Staat bzw. dem Steuerzahler unnötige Kosten verursacht zu haben. Zu Recht hat die [Medium 2] den Vorwurf denn auch als Rüge bezeichnet. Was nun die Ansichten darüber angeht, welche Verhaltensweisen noch als korrekter Umgang im Gerichtssaal bezeichnet werden können, welche Verhaltensweise mithin dem Gebot der Behandlung der Parteien mit Höflichkeit und Geduld, Takt und Anstand noch standhalten, so sind diese wohl ähnlich verschieden, wie es auch die Menschen an sich und damit auch die Richterinnen und Richter sind. Konsens herrscht aber sicherlich darüber, dass über Abwesende nicht - zumindest nicht schlecht - gesprochen werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint der Rüffel an den abwesenden Staatsanwalt, zu dessen Äusserung wie gesehen auch gar keine

      Veranlassung bestand, als unhöflich, respektlos und fehl am Platz - umso mehr, als er von einem Berufsanfänger geäussert wurde, welcher Arbeitnehmersparte angesichts des noch nicht so grossen Erfahrungsrucksacks gemeinhin etwas Zurückhaltung gut ansteht.

      Hinzu kommt, dass angesichts des prozessualen Verhaltens der Beteiligten keineswegs gewiss ist, dass die Angelegenheit mit dem Erlass eines Strafbefehls gegen D. und der Einstellung des Verfahrens gegen B. ihr Bewenden gehabt hätte; anschliessende Einspracheresp. Beschwerdeverfahren hätten Mehrkosten verursacht, die mit den nunmehr im (direkten) gerichtlichen Verfahren angefallenen Kosten mindestens vergleichbar gewesen wären. Vor diesem Hintergrund war der öffentlich geäusserte Vorwurf an die Adresse der abwesenden Staatsanwaltschaft umso unnötiger.

      Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Ersatzrichterinnen und Ersatzrichter in der Regel sämtliche pendenten Fälle - den sogenannten Kasten - einer abwesenden Richterin eines abwesenden Richters übernehmen; zudem haben sie das Tagesgeschäft, d.h. die neu eingehenden Fälle, zu bearbeiten. Diese Anfangszeit ist in den meisten Fällen von einer grossen Arbeitslast und einem zum Teil weit überdurchschnittlichen zeitlichen Arbeitseinsatz geprägt. Angesichts der Aussagen von D. in der Untersuchung (vgl. dazu act. 7/5/2 S. 2 f. und

      S. 5 f.) erscheint es immerhin als nachvollziehbar, wenn der Beschwerdegegner nicht zuletzt unter dem Druck seines Berufseinstiegs zur vorläufigen Einschätzung gelangt wäre, dass der Fall auch auf Ebene Staatsanwaltschaft hätte gelöst werden können und nicht seinen Kasten zusätzlich hätte belasten müssen.

      Alles in allem erreicht das Fehlverhalten des Beschwerdegegners nicht die Qualität eines Disziplinarfehlers, sondern erscheint als Unbedarftheit und Ungeschicklichkeit eines Neulings in der Richterfunktion, die keine Disziplinarmassnahme rechtfertigt.

    8. Die Aufsichtsbeschwerde ist somit zusammenfassend abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Wie bereits erwähnt sind bei diesem Ausgang keine Disziplinarmassnahmen anzuordnen.

  5. Kostenfolgen; Rechtsmittel

    1. Im Verfahren betreffend administrative Aufsichtsbeschwerde sind gemäss gängiger Praxis des Obergerichts keine Kosten zu erheben, sofern diese nicht mutwillig erhoben wurde (§ 83 Abs. 3 GOG i.V.m. Art. 108 ZPO, § 20 GebV OG). Die Kosten fallen daher ausser Ansatz. Entschädigungen sind keine zu entrichten.

    2. In Änderung der früheren Praxis steht den Betroffenen gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel zur Verfügung (Hauser/Schweri/Lieber, GOG-Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2012, § 83 N 7; vgl. auch Beschluss der Verwaltungskommission vom 20. Februar 2017, VB160024-O). Der Anzeigeerstatterin ist wie erwähnt vom Ausgang des Verfahrens keine Mitteilung zu machen (E. 4. 1. c) a.E.). Sie ist aber praxisgemäss darüber zu informieren, dass die Verwaltungskommission die Angelegenheit geprüft habe.

Es wird beschlossen:

  1. Die Aufsichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.

  2. Die Kosten fallen ausser Ansatz.

  3. Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an den Beschwerdegegner gegen Empfangsschein.

Die Akten des Verfahrens GG170258-L (act. 7/1-26/3) werden umgehend an die II. Strafkammer des Obergerichts retourniert.

Zürich, 12. Dezember 2018

Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. C. Heuberger Golta versandt am:

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