Zusammenfassung des Urteils VB160017: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschwerdeführer A. reichte eine Klage beim Mietgericht Zürich ein, nachdem ihm die Klagebewilligung durch die Schlichtungsbehörde ausgestellt wurde. Das Mietgericht forderte zusätzliche Unterlagen an und stellte den Beschluss nur dem Beschwerdeführer, nicht seinem Anwalt, zu. Der Beschwerdeführer legte daraufhin eine Aufsichtsbeschwerde ein, die an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich weitergeleitet wurde. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, da keine aufsichtsrechtlich relevante Pflichtverletzung seitens des Mietgerichts festgestellt wurde. Es wurden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB160017 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 09.09.2016 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Aufsichtsbeschwerde gegen die Beschwerdegegner und den Beschluss des Mietgerichts Zürich vom 4. August 2016 (MB160017-L) |
Schlagwörter: | Aufsicht; Aufsichts; Beschluss; Entscheid; Mietgericht; Aufsichtsbehörde; Aufsichtsbeschwerde; Obergericht; Rechtsmittel; Obergerichts; Mietgerichts; Verfahren; Kantons; Verwaltungskommission; Rechtsvertreter; Klage; Entscheide; Rekurs; Frist; Verfahrens; Beschwerdegegner; Hauser/Schweri/Lieber; Verhalten; Entscheides; Pflicht; Hinweis; Beilage; Gerichtsschreiberin |
Rechtsnorm: | Art. 137 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 238 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Staehelin, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 124 OR, 2016 |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr. VB160017-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. M. Burger, Vizepräsident lic. iur.
M. Langmeier, die Oberrichterinnen Dr. D. Scherrer, lic. iur. E. Lichti und lic. iur. F. Schorta sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu
Beschluss vom 9. September 2016
in Sachen
Beschwerdeführer
gegen
Beschwerdegegner
betreffend Aufsichtsbeschwerde gegen die Beschwerdegegner und den Beschluss des Mietgerichts Zürich vom 4. August 2016 (MB160017-L)
Erwägungen:
Am 25. Juli 2016 liess A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) durch seinen Rechtsvertreter beim Mietgericht des Bezirksgerichts Zürich eine Klage betreffend Kündigungsschutz/Erstreckung/unentgeltliche Rechtspflege einreichen (act. 3/1), nachdem ihm die Schlichtungsbehörde Zürich mit Beschluss vom 15. Juni 2016 die Klagebewilligung ausgestellt hatte (act. 3/4). Mit Zirkulationsbeschluss vom 4. August 2016 stellte das Mietgericht der Beklagten die Klagebegründung samt Beilagen zu und setzte dem Beschwerdeführer als Kläger eine Frist zur Ergänzung seines Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an (act. 3/6). Den Beschluss stellte es dem Beschwerdeführer zu (act. 3/7), nicht aber seinem Rechtsvertreter.
Am 17. August 2016 erhob der Beschwerdeführer bei der Aufsichtsbehörde des Obergerichts des Kantons Zürich innert Frist eine Aufsichtsbeschwerde und stellte folgende Anträge (act. 2):
1. Es sei eine Untersuchung einzuleiten.
Dem Kläger sei eine Prozess-Entschädigung aus Staatshaftung zuzusprechen.
In der Folge eröffnete die II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zü- rich das Verfahren PD160007-O, leitete die Beschwerde jedoch mit Schreiben vom 24. August 2016 infolge Unzuständigkeit an die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich weiter (act. 1).
Die Akten des Bezirksgerichts Zürich, Verfahrensnummer MB160017-L, wurden beigezogen (act. 3/1-8).
Gemäss § 83 Abs. 2 GOG stellt die Aufsichtsbehörde die Aufsichtsbeschwerde den Betroffenen zur schriftlichen Vernehmlassung zu, wenn sie sich nicht sofort als unbegründet erweist. Da dies - wie im Folgenden zu zei-
gen sein wird - der Fall ist, kann auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.
1. Gemäss § 80 Abs. 1 lit. b GOG i.V.m. § 18 Abs. 1 lit. k der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) übt die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich die Aufsicht über die dem Obergericht unterstellten Gerichte und nach § 80 Abs. 2 GOG die mittelbare Aufsicht über die den Bezirksgerichten unterstellten Behörden aus (vgl. auch Hauser/Schweri/Lieber, GOG-Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2012, N 1 zu
§ 80 GOG). Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung der Beschwerde zuständig.
Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, durch Gebrauch ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt auf entsprechende Anzeige hin ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson zu ahnden (sog. administrative Beschwerde) eine tatsächlich vermeintlich unrechtmässige unzweckmässige Anordnung aufzuheben bzw. abzuändern (sog. sachliche Beschwerde). Die sachliche Aufsichtsbeschwerde ist subsidiär zu allfälligen Rechtsmitteln. Ist gegen den fraglichen Entscheid ein Rechtsmittel gegeben, so ist dessen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde grundsätzlich nicht möglich, da Rechtsprechungsakte nur durch die rechtsprechende Gewalt im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens überprüft werden dürfen. Der Aufsichtsbehörde steht es demnach nicht zu, die Gesetzmässigkeit der Rechtsprechung durchzusetzen. Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit der Fällung eines Entscheides erhobene Rüge der offensichtlich fehlerhaften Amtsausübung. Eine Aufsichtsbeschwerde ist daher nur dann zulässig, wenn gegen einen Entscheid kein Rechtsmittel bzw. kein anderweitiger Rechtsbehelf zur Verfügung steht.
Ist auf die sachliche Aufsichtsbeschwerde einzutreten, prüft die Aufsichtsbehörde nicht die materielle Richtigkeit des angefochtenen Entscheides, sondern einzig die Frage, ob sich die Auffassung der Vorinstanz als offensichtlich haltlos mutwillig erweise bzw. ob sie qualifiziert falsch sei. Die Aufsichtsbehörde nimmt damit nicht eine rechtsmittelartige materielle Prüfung des Entscheides vor, sondern schreitet nur dann ein, wenn sich der angefochtene Entscheid geradezu als Amtspflichtverletzung erweist, vergleichbar mit einem sonstigen Verhalten eines Richters, welches die Aufsichtsbehörde im Falle einer administrativen Beschwerde diesem gegenüber zur Vornahme aufsichtsrechtlicher Massnahmen veranlassen würde (vgl. zum Ganzen Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 11, 23 und 30 f.).
Mit der administrativen Aufsichtsbeschwerde wird die Aufsichtsbehörde veranlasst, von ihrer Disziplinargewalt Gebrauch zu machen. Ihrem Wesen nach stellt die administrative Aufsichtsbeschwerde nichts anderes als eine Verzeigung dar, mit der auf ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson hingewiesen wird. Dieses kann eine Saumseligkeit (d.h. eine Unterlassung pflichtgemäss beförderlichen Handelns und somit ein schuldhafterweise zu geringer persönlicher Einsatz) ein ungehöriges (vorwiegend subjektiv betontes und somit zu weit gehendes persönlich bestimmtes) Handeln sein. Eine Aufsichtsanzeige verpflichtet die Aufsichtsbehörde nicht zum Eingreifen bzw. zur Anhandnahme eines Verfahrens, immerhin kann sich aber aus der Art der Vorwürfe die Pflicht der Aufsichtsbehörde ergeben, weitere Abklärungen zu treffen. Solche sind namentlich dann angezeigt, wenn offensichtlich objektiv begründete Hinweise auf eine Verfehlung und damit ein öffentliches Interesse an der Aufklärung des Fehlverhaltens bestehen, sich weitere Abklärungen somit geradezu aufdrängen (vgl. Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., N 43 ff. und N 47 zu § 82 GOG).
Der Beschwerdeführer richtet seine Aufsichtsbeschwerde zum einen gegen den Beschluss des Mietgerichts Zürich vom 4. August 2016, Verfahren MB160017-L, indem er rügt, der Entscheid enthalte keine Rechtsmittelbelehrung (act. 2/2). Zum anderen beantragt er die Vornahme einer Untersuchung infolge unfairer Prozessführung, weil im Beschluss vom 4. August 2016 seine anwaltliche Vertretung ignoriert worden sei (act. 2/2). Die vorliegende Beschwerde ist demzufolge sachlicher und administrativer Natur.
Beim massgeblichen Beschluss des Mietgerichts Zürich handelt es sich um einen prozessleitenden Entscheid, in welchem die Zustellung der Klagebegründung samt Beilagen an die beklagte Partei angeordnet und dem Beschwerdeführer als klägerischen Partei Frist zur Einreichung weiterer Unterlagen angesetzt wurde. Der Beschluss wurde damit im Verlaufe des Verfahrens getroffen, ohne dieses ganz teilweise zu erledigen (BK ZPO-Frei, Art. 124 N 12). Prozessleitende Entscheide sind zwar, wenn es gesetzlich nicht anders vorgesehen ist, mit Beschwerde im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO anfechtbar, sofern ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil dargetan werden kann (Staehelin in Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 124 N 8). Mangels Geltung von Art. 237 und Art. 238 ZPO für prozessleitende Entscheide muss ein solcher indes nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen werden (BSK ZPO-Steck, Art. 237 N 13, Art. 238 N 5 und 23). Aus dem Umstand, dass der Beschluss des Mietgerichts Zürich vom 4. August 2016 keinen Hinweis auf das massgebliche Rechtsmittel enthält, kann somit keine aufsichtsrechtlich relevante Pflichtverletzung der daran beteiligten Gerichtspersonen abgeleitet werden.
Im Weiteren beanstandet der Beschwerdeführer den Umstand, dass das Mietgericht Zürich den Beschluss vom 4. August 2016 ihm direkt und nicht seinem Rechtsvertreter zugestellt habe (act. 2). Die Klageschrift liess der
Beschwerdeführer durch Rechtsanwalt X.
einreichen (act. 3/1). Dieser
legitimierte sich mit einer gültigen Vollmacht (act. 3/5). Der Beschluss vom
4. August 2016 hätte damit korrekterweise dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt werden müssen (Art. 137 ZPO), und nicht, wie vorliegend erfolgt, dem Beschwerdeführer (act. 3/7). Aus diesem Vorgehen des Mietgerichts Zürich kann indes keine aufsichtsrechtlich relevante Pflichtverletzung abgeleitet werden. Insbesondere bestehen keine Hinweise, das Mietgericht Zürich habe den mandatierten Rechtsvertreter bewusst übergehen und ihm den Beschluss absichtlich nicht zustellen wollen. Dies macht denn der Beschwerdeführer auch nicht geltend. Er legt auch nicht dar, inwiefern ihm durch das Vorgehen des Mietgerichts ein Nachteil erwachsen wäre. Vielmehr muss von einem blossen Versehen ausgegangen werden. Ein solches stellt jedoch keine aufsichtsrechtlich relevante subjektiv betonte Handlung und damit keine Amtspflichtverletzung im Sinne von § 82 GOG dar. Ein aufsichtsrechtliches Eingreifen rechtfertigt sich unter diesen Umständen nicht.
Abschliessend ist festzuhalten, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Anlass geben, aufsichtsrechtliche Massnahmen zu ergreifen. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist daher abzuweisen.
In Anwendung von Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO i.V.m. § 83 Abs. 3 GOG rechtfertigt es sich, von einer Auflage der Kosten zu Lasten des Beschwerdefüh- rers abzusehen. Parteientschädigungen sind keine zu entrichten.
Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.
Es wird beschlossen:
Die Aufsichtsbeschwerde wird abgewiesen.
Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.
Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
den Beschwerdeführer,
die Beschwerdegegner 1 bis 4 sowie
das Mietgericht Zürich, zuhanden des Verfahrens MB160017-L.
Rechtsmittel :
Ein Rekurs gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids bei der Rekurskommission des Obergerichts, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Rekursschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
Zürich, 9. September 2016
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.