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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VB150008)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VB150008
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VB150008 vom 01.07.2015 (ZH)
Datum:01.07.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufsichtsbeschwerde
Zusammenfassung:Der Beschwerdeführer reichte eine Aufsichtsbeschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich ein, um gegen einen Bezirksrichter vorzugehen, dem er massive Amtspflichtverletzungen vorwarf. Die Verwaltungskommission des Obergerichts zog die Akten ein und stellte fest, dass die Beschwerde unbegründet war. Der Richter handelte korrekt, und es wurden keine aufsichtsrechtlichen Massnahmen angeordnet. Es wurden keine Kosten erhoben, und keine Prozessentschädigungen wurden zugesprochen. Der Richter wurde informiert, dass keine Massnahmen ergriffen werden, und er hat die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen einen Rekurs gegen den Entscheid einzulegen.
Schlagwörter: Aufsicht; Aufsichts; Anzeige; Massnahme; Anzeigeerstatter; Verfahren; Obergericht; Aufsichtsbeschwerde; Bezirksrichter; Recht; Verwaltung; Bezirksgericht; Jugendanwaltschaft; Verfahrens; Obergerichts; Anordnung; Aufsichtsbehörde; Gericht; Kantons; Verwaltungskommission; Jugendgericht; Vollzugs; Befehl; Rechtsmittel; Rekurs; Antrag; Amtspflichtverletzung
Rechtsnorm: Art. 1 ZPO ; Art. 108 ZPO ; Art. 265 ZPO ; Art. 28 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hauser, Schweri, Lieber, GOG- Zürich, Basel, Genf, 2012
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VB150008-O/U

Mitwirkend: Der Obergerichtspräsident lic. iur. R. Naef, Vizepräsident lic. iur.

M. Burger, Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Oberrichter lic. iur. P. Helm und Oberrichter lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu

Beschluss vom 1. Juli 2015

gegen

A. ,

Beschwerdegegner

betreffend Aufsichtsbeschwerde

Erwägungen:

I.

  1. Mit Eingabe vom 16. Mai 2015 reichte B. (nachfolgend: Anzeigeerstatter) beim Obergericht des Kantons Zürich eine Aufsichtsbeschwerde nach

    § 82 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG; LS 211.1) ein und stellte den Antrag, infolge massiver Amtspflichtverletzung seien gegenüber Bezirksrichter lic. iur. A. Disziplinarmassnahmen anzuordnen (act. 1).

  2. Mit Schreiben vom 19. Juni 2015 wurde dem Anzeigeerstatter der Eingang seiner Aufsichtsbeschwerde bestätigt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass ihm als Anzeigeerstatter im aufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahren keine Verfahrensrechte zustünden, namentlich weder ein Anspruch auf Kenntnisnahme der Erledigung des Verfahrens noch ein Recht zur Ergreifung eines Rechtsmittels bestehe (act. 5).

  3. In der Folge zog die Verwaltungskommission die Akten der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich UH150155-O bei (act. 3-4).

  4. Nach § 83 Abs. 2 GOG stellt die Aufsichtsbehörde die Aufsichtsbeschwerde den Betroffenen zur schriftlichen Vernehmlassung zu, wenn sie sich nicht sofort als unbegründet erweist. Da dies - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - der Fall ist, kann auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

II.

Gemäss § 80 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 84 GOG i.V.m. § 18 lit. k der Verordnung über die Organisation des Obergerichts (LS 212.51) übt die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich die Aufsicht über die dem Obergericht unterstellten Gerichte und nach § 80 Abs. 2 GOG die mittelbare Aufsicht über die den Bezirksgerichten unterstellten Behörden aus (vgl. auch Hauser/Schweri/Lieber, GOG-Kommentar, Zürich/Basel/Genf 2012, § 80 N 1

und § 84 N 1). Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung der Beschwerde zuständig.

III.

    1. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, durch Gebrauch ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt auf entsprechende Anzeige hin ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson zu ahnden (sog. administrative Beschwerde) eine tatsächlich vermeintlich unrechtmässige unzweckmässige Anordnung aufzuheben bzw. abzuändern (sog. sachliche Beschwerde). Mit der administrativen Aufsichtsbeschwerde wird die Aufsichtsbehörde veranlasst, von ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt Gebrauch zu machen. Ihrem Wesen nach stellt die administrative Aufsichtsbeschwerde nichts anderes als eine Verzeigung dar, mit der auf ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson hingewiesen wird. Dieses kann eine Saumseligkeit (d.h. eine Unterlassung pflichtgemäss beförderlichen Handels und somit ein schuldhafterweise zu geringer persönlicher Einsatz) ein ungehöriges (vorwiegend subjektiv betontes und somit zu weit gehendes persönlich bestimmtes) Handeln sein. Eine Aufsichtsanzeige verpflichtet die Aufsichtsbehörde nicht zum Eingreifen bzw. zur Anhandnahme eines Verfahrens, immerhin kann sich aber aus der Art der Vorwürfe die Pflicht der Aufsichtsbehörde ergeben, weitere Abklärungen zu treffen. Keine Anhandnahme eines Verfahrens erfolgt dann, wenn sich aus der Art der Vorwürfe ergibt, dass die Anzeige offensichtlich unbegründet ist (vgl. zum Ganzen Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 43 ff.).

    2. Im Verfahren betreffend administrative Aufsichtsbeschwerde gilt die anzeigeerstattende Person nicht als Verfahrenspartei. Der Grund hierfür liegt darin, dass die in einem separaten Verfahren durchzuführende Aufsichtsbeschwerde nicht eine Streitigkeit zwischen dem Anzeigeerstatter und der Verwaltung betrifft, sondern eine das Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Gesetz bzw. der Aufsichtsbehörde und dem Beaufsichtigten betreffende Angelegenheit zum Gegenstand hat. Es ist der anzeigeerstattenden

Person daher weder vom Ausgang des Verfahrens Mitteilung zu machen noch steht ihr die Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels zu (Hauser/Schweri/Lieber, a.a.O., § 82 N 44 f.).

  1. Der Anzeigeerstatter bringt zur Begründung seiner Beschwerde vor, am

    1. Mai 2015 habe er beim Bezirksgericht C. einen Antrag auf den Erlass einer zivilrechtlichen superprovisorischen Massnahme gestellt. Gleichzeitig habe er in einer weiteren Eingabe ans Jugendgericht C. um Erlass einer superprovisorischen Massnahme im Sinne einer strafrechtlichen Massnahme ersucht. In gleichentags ergangenem Entscheid habe Bezirksrichter lic. iur. A.

      erwogen, das Bezirksgericht sei in der massgeblichen Angelegenheit für die Anordnung einer Massnahme nach Art. 28 ZGB nicht zuständig. Dabei habe sich Bezirksrichter lic. iur. A. mit dem vorgetragenen Sachverhalt nicht auseinandergesetzt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer superprovisorischen Massnahme seien ebenso gegeben wie die Zuständigkeit des Bezirksgerichts C. . Die Anordnung der Jugendanwaltschaft, sein Sohn habe die ihm gegenüber ausgesprochene Strafe der persönlichen Leistung gemäss Jugendstrafgesetz an einem Schultag zu erbringen, verstosse gegen den Persönlichkeitsschutz nach Art. 28 ZGB und das Verhältnismässigkeitsprinzip. Durch sein Vorgehen habe Bezirksrichter lic. iur. A. eine Amtspflichtverletzung begangen (act. 1).

  2. Gemäss dem aktenkundigen Schreiben des Bezirksgerichts C.

    vom

    1. Mai 2015 begründete Bezirksrichter lic. iur. A.

die fehlende Zuständigkeit zur Behandlung der Angelegenheit damit, die Jugendanwaltschaft stütze sich bei ihrer Anordnung des Vollzugs der Strafe der persönlichen Leistung auf einen rechtskräftigen Strafbefehl, welcher durch das Bundesgericht letztinstanzlich beurteilt worden sei. Das Bezirksgericht C. sei keine Beschwerdeinstanz für Vollzugshandlungen der Jugendanwaltschaft und daher zur Behandlung des Gesuchs nicht zuständig (act. 2/4).

    1. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Aus dem Aufgebot der Jugendanwaltschaft C. vom 29. April 2015 (act. 2/6 = act. 4/6/1) und den beigezogenen Akten der III. Strafkammer UH150155-O (act. 4) ergibt sich,

      dass der Strafbefehl der Jugendanwaltschaft C.

      vom 23. Juli 2012,

      worin D.

      wegen Widerhandlung gegen die Allgemeine Polizeiverordnung zur Leistung eines Tages persönlicher Arbeit verpflichtet wurde, durch das Bundesgericht mit Urteil vom 19. Juni 2014 letztinstanzlich geschützt wurde (Urteil des Bundesgerichts 6B_741/2013). Der Strafbefehl erwuchs daher in Rechtskraft (vgl. auch act. 4/8 E. 1 und Urteil des Bundesgerichts 6B_282/2015 vom 18. März 2015). Gegen die in der Folge von der Jugendanwaltschaft angeordnete Vollzugshandlung der konkreten Erbringung der persönlichen Leistung am 20. Mai 2015 (act. 2/6) erhob der Anzeigeerstatter Beschwerde bei der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich (Verfahren UH150155-O), welche darauf mit Beschluss vom 18. Mai 2015 nicht eintrat (act. 4/8).

    2. Mit einer superprovisorischen Massnahme nach Art. 265 der Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272), wie sie der Anzeigeerstatter beim Bezirksgericht

C.

beantragte, kann das Gericht auf Antrag hin bei besonderer Dringlichkeit eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen. Die Anordnung einer solchen Massnahme setzt jedoch voraus, dass sie in den Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung fällt, mithin eine streitige Zivilsache, eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, eine gerichtliche Angelegenheit des Schuldbetreibungsund Konkursrechts eine Angelegenheit der Schiedsgerichtsbarkeit zum Gegenstand hat (Art. 1 ZPO). Den Antrag auf Erlass einer superprovisorischen Massnahme nach Art. 265 ZPO stützte der Anzeigeerstatter zwar insbesondere auf Art. 28 ZGB (act. 2/3) und damit auf eine zivilrechtliche Grundlage. Ziel seines Begehrens war indes, es den Behörden und Privatpersonen zu verbieten, die persönliche Arbeitsleistung gemäss besagtem Strafbefehl auf einen Schultag anzusetzen (act. 2/3 S. 3), und damit eine strafrechtliche Anordnung aufzuheben. Die Vollzugsanordnung des besagten Strafbefehls stellt keine Zivilsache im Sinne von Art. 1 ZPO dar und kann daher auch nicht mit zivilrechtlichen Rechtsbehelfen aufgehoben werden. Kommt hinzu, dass sich der Anzeigeerstatter für allfällige Verletzungen der Persönlichkeit seines Sohnes durch den Staat bzw. die staatlichen Organe nicht auf Art. 28

ZGB berufen kann, sondern sich auf Verfassungsbzw. öffentliches Recht

hätte stützen müssen. Wenn Bezirksrichter lic. iur. A.

unter diesen

Umständen von der Anlegung eines Verfahrens betreffend superprovisorische Massnahme im Sinne von Art. 265 ZPO absah und den Anzeigeerstatter - unter Hinweis auf den Anspruch eines beschwerdefähigen Entscheides

- mittels Brief über die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts C.

informierte, so handelte es sich hierbei um ein gesetzeskonformes, pragmatisches Vorgehen, was nicht zu beanstanden ist. Eine Amtspflichtverletzung von Bezirksrichter lic. iur. A. ist damit nicht ersichtlich.

5. Soweit der Anzeigeerstatter in seiner Eingabe vom 16. Mai 2015 sodann mit Blick auf seine strafrechtliche superprovisorische Massnahme zuhanden des Jugendgerichts eine Amtspflichtverletzung durch Unterlassung und damit zusammenhängend eine Verletzung von Art. 2 des Jugendstrafgesetzes (JStG, SR 311.1) bzw. Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Jugendstrafprozessordnung (JStPO, SR 312.1) erkennt (vgl. act. 1), so ist dies ebenfalls unbehelflich. Die Vollzugsanordnung wurde - wie dargelegt - von der Jugendanwaltschaft

C.

erlassen (act. 2/6). Dagegen wäre dem Anzeigeerstatter in gewissen Fällen die Beschwerde nach Art. 43 JStPO und subsidiär der Rechtsmittelweg gemäss dem Verwaltungsrechtspflegegesetz zugestanden (§ 35 des Strafund Justizvollzugsgesetzes [StJVG, LS 331]), nicht aber eine superprovisorische Massnahme beim Jugendgericht. Im Übrigen untersteht die Jugendanwaltschaft der Aufsicht der Oberjugendanwaltschaft und nicht des Jugendgerichts (§ 116 Abs. 3 GOG). Eine Zuständigkeit des Jugendgerichts

C.

ist somit nicht ersichtlich. Auch insoweit handelte Bezirksrichter lic.

iur. A. aufdrängen.

korrekt, weshalb sich keine aufsichtsrechtlichen Massnahmen

IV.

  1. Im Verfahren betreffend administrative Aufsichtsbeschwerde sind gemäss gängiger Praxis des Obergerichts keine Kosten zu erheben, sofern diese nicht mutwillig erhoben wurde (§ 83 Abs. 3 GOG i.V.m. Art. 108 ZPO, § 20

    GebV OG; BSK ZPO-Bornatico, Art. 132 N 39). Dies ist vorliegend der Fall, weshalb die Kosten ausser Ansatz fallen. Entschädigungen sind keine zu entrichten.

  2. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.

Es wird beschlossen:

  1. Es werden keine aufsichtsrechtlichen Massnahmen angeordnet.

  2. Die Kosten fallen ausser Ansatz.

  3. Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an Bezirksrichter lic. iur. A. , unter Beilage einer Kopie von act. 1, gegen Empfangsschein.

  5. Rechtsmittel :

Ein Rekurs gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids bei der Rekurskommission des Obergerichts, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Rekursschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.

Zürich, 1. Juli 2015

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu

versandt am:

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