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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VB110014)

Zusammenfassung des Urteils VB110014: Obergericht des Kantons Zürich

Der Beschwerdeführer reichte eine Aufsichtsbeschwerde gegen einen Bezirksrichter ein, da er das Recht auf Akteneinsicht verletzt sah. Die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich war für die Behandlung zuständig. Die Aufsichtsbehörde kann formelle Rechtsverweigerungen ahnden, aber die Aufsichtsbeschwerde ist subsidiär zu anderen Rechtsmitteln. In diesem Fall wurde entschieden, dass die Beschwerde nicht angenommen wird und keine Kosten erhoben werden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB110014

Kanton:ZH
Fallnummer:VB110014
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VB110014 vom 27.06.2012 (ZH)
Datum:27.06.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aufsichtsbeschwerde
Schlagwörter: Recht; Aufsicht; Aufsichts; Akten; Beschwerdegegner; Anzeige; Aufsichtsbeschwerde; Anzeigeerstatter; Akteneinsicht; Rechtsmittel; Verfahren; Aufsichtsbehörde; Rekurs; Obergericht; Verwaltungskommission; Prozess; Erbenvertreter; ZPO/ZH; Kommentar; Zivil; Kantons; Obergerichts; Einsicht; Zivilprozessordnung; Rechtsverweigerung; Hauser/Schweri; Urteil
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 404 ZPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Hauser, Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Art. 319 OR ZPO, 2002

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB110014

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: VB110014-O/U

Mitwirkend: die Oberrichter Dr. H.A. Müller, Präsident, lic. iur. R. Naef, lic. iur.

M. Burger, Dr. J. Zürcher und Oberrichterin Dr. L. Hunziker Schnider sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel

Beschluss vom 27. Juni 2012

in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführer

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    gegen

  2. ,

Beschwerdegegner

betreffend Aufsichtsbeschwerde

Erwägungen:

I.

  1. Mit Eingabe vom 17. Oktober 2011 liess A. (nachfolgend: Anzeigeerstatter) bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zü- rich durch seinen Rechtsvertreter eine Aufsichtsbeschwerde gegen Bezirksrichter lic. iur. B.

    (nachfolgend: Beschwerdegegner) einreichen und

    Folgendes beantragen (act. 1):

    1. Es sei in Gutheissung der Beschwerde der Beschwerdegegner als Vorsitzender der 2. Abteilung des Bezirkgerichts C. anzuweisen, im Verfahren 1. D. , 2. E. gegen A. betreffend Erbteilung (Geschäfts-Nr. ...) sämtliche im Zusammenhang mit dem von ihm an den Erbenvertreter erteilten Auftrag zur Vorbereitung der Referentenaudienz vom 22. Februar 2011 von diesem produzierten Akten und gegebenenfalls sonst bestehende, den Parteien ebenfalls nicht bekannte Aktenstücke, offiziell zu den Akten zu nehmen, dem Beschwerdeführer entsprechend Einsicht darin zu gewähren und den Erbenvertreter anzuweisen, dem Beschwerdeführer in seine vollständigen, auch den Spezialauftrag des Gerichts vom 14. Januar 2011 umfassenden Akten, Einsicht zu gewähren;

  2. unter Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerdegegners.

2. In Anwendung von § 83 Abs. 2 GOG kann auf das Einholen einer Vernehmlassung verzichtet werden.

II.

  1. Seit dem 1. Januar 2011 gilt die neue schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. War das dem Aufsichtsverfahren zugrunde liegende Verfahren - wie das Vorliegende (...) - bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits hängig, so gelten die bisherigen kantonalen Prozessvorschriften weiter (Art. 404 Abs. 1 ZPO). Das sind die ZPO/ZH und GVG.

  2. Gemäss § 106 Abs. 1 GVG und § 18 lit. k Ziff. 1 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 (LS 212.51) übt die

    Verwaltungskommission die Aufsicht über die Bezirksgerichte aus. Die Verwaltungskommission ist daher zur Behandlung der Aufsichtsanzeige gegen den Beschwerdegegner zuständig.

    III.

      1. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, durch Gebrauch ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt auf entsprechende Anzeige hin ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson zu ahnden (sog. administrative Beschwerde) eine tatsächlich vermeintlich unrechtmässige unzweckmässige Anordnung, d.h. eine sog. Fehlbeurteilung, aufzuheben bzw. abzuändern (sog. sachliche Beschwerde). Dabei steht der Aufsichtsbehörde ein pflichtgemäss auszuübendes Ermessen zu. Mit der Aufsichtsbeschwerde rügbar ist insbesondere die formelle Rechtsverweigerung. Diese besteht in der stillschweigenden ausdrücklichen Weigerung des Gerichts eines Justizbeamten, eine ihm nach Gesetz obliegende Amtshandlung vorzunehmen bzw. eine in seine Kompetenz fallende Sache zu behandeln (Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zü- rich 2002, § 108 N 12 f., vgl. zum neuen Recht auch Blickenstorfer, DIKEKommentar-ZPO, Art. 319 N 43 f.). Eine formelle Rechtsverweigerung kann beispielsweise in der Verweigerung der Gewährung des rechtlichen Gehörs, namentlich durch unberechtigte Ablehnung der Akteneinsicht, bestehen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2012, B-6062/2011 E. 4.1.1.).

      2. Die Aufsichtsbeschwerde ist subsidiär zu allfälligen Rechtsmitteln. Massnahmen der Prozessführung unterliegen grundsätzlich den prozessualen Rechtsmitteln und können nicht mit Aufsichtsbeschwerde angefochten werden, da es der Aufsichtsbehörde nicht zusteht, die Gesetzesmässigkeit der Rechtsprechung durchzusetzen (Hauser/Schweri, a.a.O., § 108 N 6 f.; ZR

    64 [1965] Nr. 18; ZR 73 [1974] Nr. 6; vgl. zum neuen Recht auch Hauser/Schweri/Lieber, Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichtsund Behördenorganisation im Zivilund Strafprozess, Zü- rich/Basel/Genf 2012, § 82 N 23). Rechtsprechungsakte dürfen damit in aller Regel nur durch die rechtsprechende Gewalt kontrolliert und korrigiert werden und sind einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde entzogen (ZR

    46 [1947] Nr. 100). Ebenso ist eine Verweigerung Verzögerung der Rechtspflege als Folge einer durch den Richter als notwendig erachteten prozessleitenden Massnahme bzw. als Folge einer unterlassenen Gewäh- rung von Rechten grundsätzlich auf dem Rechtsmittelweg anzufechten.

      1. Der Anzeigeerstatter rügt vorliegend die Verletzung des Anspruchs auf Akteneinsicht durch den Beschwerdegegner. Das Recht auf Akteneinsicht ist Bestandteil des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 BV bzw. § 56 Abs. 2 ZPO/ZH, welches einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz darstellt. Als klare Prozessvorschrift konnte die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht unter bisherigem kantonalem Prozessrecht je nach Anfechtungsobjekt mittels Berufung nach §§ 259 ZPO/ZH, Rekurs nach §§ 271 ZPO/ZH kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Ziff. 1 ZPO angefochten werden (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,

  3. Auflage, Zürich 1997, § 56 N 9a und 23). Nach neuem Recht ist die Rechtsverweigerung als solche mittels Beschwerde nach Art. 319 lit. c ZPO rügbar, die Nichtanwendung von Bundesund kantonalem Recht insbesondere auch mittels Berufung (Art. 310 ZPO; BSK ZPO-Spühler, Art. 311 N 2).

Den Akten ist zu entnehmen, dass im Verfahren ... am 29. September 2011 ein Urteil ergangen ist (act. 7/1, vgl. auch act. 1 S. 5), gegen welches beim Obergericht des Kantons Zürich Berufung nach Art. 308 ZPO erhoben wurde (Prozessnummer LB110075). Dementsprechend stand dem Anzeigeerstatter offen, eine allfällige Fehlbeurteilung des Sachrichters hinsichtlich der verweigerten Akteneinsicht im Rahmen des Rechtsmittels gegen besagtes Urteil zu rügen. Für eine Aufsichtsbeschwerde bleibt hingegen aufgrund ihrer Subsidiarität kein Raum. Insoweit ist auf das Begehren, es sei der Beschwerdegegner anzuweisen, sämtliche massgebenden Aktenstücke offiziell zu den Akten zu nehmen und dem Anzeigeerstatter Einsicht darin zu gewäh-

ren, nicht einzutreten. Ein darüber hinausgehender Antrag der Anordnung von disziplinarischen Massnahmen aufgrund einer Verfehlung des Beschwerdegegners ist in der Eingabe vom 17. Oktober 2011 nicht enthalten.

    1. Sodann kann dem Ersuchen, der Beschwerdegegner habe den Erbenvertreter anzuweisen, dem Anzeigeerstatter Akteneinsicht zu gewähren, nicht stattgegeben werden. Ist die Frage, ob im massgebenden Verfahren Akteneinsicht zu gewähren ist nicht, nicht durch die Aufsichtsbehörde zu beurteilen, so obliegt es dieser auch nicht, dem Beschwerdegegner die Anweisung zu geben, er habe den Erbenvertreter aufzufordern, dem Anzeigeerstatter Akteneinsicht zu gewähren.

    2. Damit ist abschliessend festzuhalten, dass die Ersuchen des Anzeigeerstatters mittels ordentlichen Rechtsmitteln hätten gestellt werden müssen und sie nicht Gegenstand einer Aufsichtsbeschwerde im Sinne von § 108 GVG zu sein vermögen. Auf die Aufsichtsbeschwerde ist damit nicht einzutreten.

IV.

  1. Hinsichtlich der Kostenfolgen sind gemäss ständiger kantonaler Praxis nicht die zivil-, sondern die strafprozessualen Vorschriften anzuwenden. Eine Kostenauflage kommt analog der für den Strafprozess geltenden Regel des

    § 189 StPO/ZH nur dann in Betracht, wenn das Disziplinarverfahren, sei es von Seiten des Verzeigers des verzeigten Beamten, durch ein verwerfliches leichtfertiges Benehmen verursacht wenn die Durchführung des Verfahrens durch ein solches Verhalten erschwert worden ist. Da die Disziplinarbeschwerde ihrem Wesen nach eine blosse Anzeige ist, hat die Feststellung der Aufsichtsbehörde, dass die Verzeigung unbegründet sei, nicht schon zur Folge, dass dem Verzeiger die Kosten aufzuerlegen wären (ZR 73 [1974] Nr. 6 S. 11 f. mit weiteren Verweisen). Dementsprechend sind vorliegend keine Kosten zu erheben.

  2. Hinzuweisen ist sodann auf das Rechtsmittel des Rekurses an die Rekurskommission.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an den Anzeigeerstatter und den Beschwerdegegner, je gegen Empfangsschein.

  5. Rechtsmittel :

Ein Rekurs gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids bei der Rekurskommission des Obergerichts, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Rekursschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.

Zürich, 27. Juni 2012

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Leu-Zweifel

versandt am:

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