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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH - VB100017)

Zusammenfassung des Urteils VB100017: Obergericht des Kantons Zürich

Die Beschwerdeführerin hat eine Entschädigung als amtliche Verteidigerin von B. im Prozess DJ080022 beantragt, die vom Jugendgericht Bülach zunächst auf Fr. 17'887.30 festgelegt wurde. Nach einer Beschwerde wurde die Entschädigung erneut bestätigt. Die Beschwerdeführerin forderte daraufhin eine vollumfängliche Entschädigung, was zu einer weiteren Überprüfung führte. Es wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin für die Strafuntersuchung nach dem notwendigen Zeitaufwand zu entschädigen ist. Letztendlich wurde eine zusätzliche Entschädigung von Fr. 1'706.70 zugesprochen, wobei die Beschwerdeführerin zu 49% obsiegte.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB100017

Kanton:ZH
Fallnummer:VB100017
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid VB100017 vom 26.10.2011 (ZH)
Datum:26.10.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entschädigung als amtliche Verteidigerin
Schlagwörter: Untersuchung; Beschwerdegegner; Entschädigung; AnwGebV; Gericht; Aufwand; Zeitaufwand; Grundgebühr; Angeklagte; Verfahren; Verteidiger; Akten; Verwaltungskommission; Angeklagten; Verteidigung; Anklage; Obergericht; Jugendgericht; Bülach; Minute; Beschluss; Verfahrens; Obergerichts; Minuten; Anwalts; Bezirksgericht
Rechtsnorm: Art. 133 StGB ;Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:111 Ia 1;
Kommentar:
Hauser, Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich, 2002

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB100017

Obergericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr. VB100017/U

Verwaltungskommission

Mitwirkend: Vizepräsident lic. iur. R. Naef, Oberrichter lic. iur. M. Burger und Oberrichter Dr. J. Zürcher sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber

Beschluss vom 26. Oktober 2011

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführerin

gegen

Bezirksgericht Bülach, Jugendgericht,

Beschwerdegegner

betreffend Entschädigung als amtliche Verteidigerin von B. im Prozess DJ080022 betreffend Raufhandel etc.; Beschluss vom 20. April 2010

Die Verwaltungskommission erwägt:

1. Im Verfahren DJ080022 der Jugendanwaltschaft Unterland sowie von sieben Geschädigten gegen B. sprach das Jugendgericht des Bezirkes Bülach den Angeklagten mit Urteil vom 9. April 2009 des mehrfachen Raufhandels im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB schuldig. Vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie der einfachen Körperverletzung wurde er freigesprochen (Art. 285 Ziff. 1 StGB, Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Das Gericht bestrafte den Angeklagten mit 5 Monaten Freiheitsentzug, wobei der Vollzug aufgeschoben und die Probezeit auf 1 Jahr angesetzt wurde. Die Kosten (inklusive der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Geschädigtenvertretung) wurden dem Angeklagten im Umfang von Fr. 1'500.- auferlegt und im Übrigen auf die Staatskasse genommen (Urk. 10/64).

Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens reichte die amtliche Verteidigerin (heutige Beschwerdeführerin) am 8. Oktober 2009 dem Jugendgericht Bülach ihre Honorarnote über Fr. 21'635.38 (inkl. MwSt) ein (Urk. 7/1). Mit Präsidialverfü- gung vom 3. Februar 2010 wurde die Beschwerdeführerin mit Fr. 17'887.30 (inkl. MwSt) entschädigt (Urk. 7/5). Auf die dagegen erhobene Beschwerde an die Verwaltungskommission des Obergerichts trat diese nicht ein und überwies die Sache an das Jugendgericht Bülach, da nach ständiger Praxis des Obergerichts eine Aufsichtsbeschwerde im Sinne von § 108 GVG gegen eine zu geringe Entschädigung erst nach einem Entscheid des Kollegialgerichtes zulässig sei (vgl. Urk. 3/7 [VB100009]). Mit Beschluss vom 20. April 2010 setzte das Jugendgericht Bülach (nachfolgend: Beschwerdegegner) in Bestätigung der Präsidialverfügung die Entschädigung auf Fr. 17'887.30 (inkl. MWST) fest (Urk. 2).

Mit rechtzeitig erhobener Beschwerde vom 26. April 2010 an die Verwaltungskommission beantragt die Beschwerdeführerin, es sei der mit Honorarnote vom

8. Oktober 2009 geltend gemachte Aufwand vollumfänglich zu entschädigen (Urk. 1, § 109 Abs. 1 GVG). Der Beschwerdegegner schloss auf Abweisung der

Beschwerde (Urk. 6). Das Doppel der Beschwerdeantwort wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme zugestellt (Urk. 8).

Mit Verfügung vom 26. Oktober 2010 wurde dem Beschwerdegegner Frist angesetzt zur obligatorischen Vernehmlassung in Bezug auf die Erwägung 3.4. des angefochtenen Entscheides (Urk. 11). Die Vernehmlassung des Beschwerdegegners vom 9. November 2010 ging am 11. November 2010 bei der Verwaltungskommission ein (Urk. 13) und wurde in der Folge der Beschwerdeführerin zur schriftlichen Stellungnahme zugestellt (Urk. 14). Mit Eingabe vom 23. November 2010 nahm die Beschwerdeführerin Stellung zur Vernehmlassung des Beschwerdegegners (Urk. 16).

  1. Seit dem 1. Januar 2011 gelten in der Schweiz die neuen, Schweizerischen Prozessordnungen (ZPO, StPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Prozessordnungen ablösten. Bei Verfahren, die - wie das vorliegende - bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht und damit insbesondere das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) weiterhin.

  2. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GVG kann wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung der Gerichtsbehörden sowie wegen anderer Verletzungen von Amtspflichten bei der nächst übergeordneten Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden, die auch gegen Entscheide über die Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers offensteht (Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, N 24 zu § 108 GVG). Das Obergericht ist Aufsichtsbehörde über die Bezirksgerichte (§ 106 GVG); es hat die Rechtsprechung in Justizverwaltungssachen der Verwaltungskommission übertragen (§ 21 lit. a i.V.m. § 19 Abs. 3 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 22. Juni 2005 [LS 212.51]).

    Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung erfolgt nach den Bestimmungen der Anwaltsgebühren-Verordnung (§ 12 Abs. 2 StPO). Am 1. Januar 2011 ist die revidierte Verordnung des Obergerichts über die Anwaltsgebühren (AnwGebV) vom 8. September 2010 in Kraft getreten (LS 215.3). Vorliegend wurde das Strafurteil am 9. April 2009 erlassen, womit die hier streitige Entschädigung nach den

    Regeln der im damaligen Zeitpunkt geltenden Anwaltsgebühren-Verordnung (Verordnung des Obergerichts über die Anwaltsgebühren vom 21. Juni 2006, aAnwGebV) festzusetzen ist.

    Dem Prozessgericht steht bei der Bemessung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers ein weites Ermessen zu. Die Aufsichtsbehörde greift nach ständiger Praxis gestützt auf eine Beschwerde nach §§ 108 ff. GVG nur ein, wenn die Entschädigung sich als offensichtlich verfassungsoder verordnungswidrig erweist in Überschreitung des Ermessens festgesetzt wurde (Hauser/Schweri, a.a.O., N 24 zu § 108 GVG, S. 380).

  3. Vorauszuschicken ist, dass die ausgewiesenen Barauslagen im Betrag von Fr. 1'153.90 vollumfänglich entschädigt wurden.

  4. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers im Strafuntersuchungs- verfahren bemisst sich nach dem bis zur Anklageerhebung notwendigen Zeitaufwand (§ 11 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 aAnwGebV).

    1. Der Beschwerdegegner ging (fälschlicherweise) davon aus, dass nur die Mitwirkung bei Verhören und Beweisabnahmen in der Strafuntersuchung nach dem notwendigen Zeitaufwand zu entschädigen sei und dass der übrige Aufwand während der Strafuntersuchung in der Grundgebühr enthalten sei (vgl. Urk. 13). In der Folge errechnete der Beschwerdegegner einen Aufwand für die Mitwirkung bei Verhören und Beweisabnahmen während der Strafuntersuchung von 2'541 Minuten (Urk. 2 S. 4), wobei für die Verwaltungskommission nicht mehr nachvollziehbar ist, welche Positionen der Honorarnote der Beschwerdeführerin darin enthalten sind. Als Grundgebühr für einen Teil des Aufwandes der Strafuntersuchung sowie für den gesamten Aufwand während des Strafprozesses erachtete der Beschwerdegegner einen Betrag von Fr. 7'000.- als angemessen (Urk. 2 S. 4). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners ist jedoch der gesamte während der Strafuntersuchung angefallene Aufwand nach dem notwendigen Zeitaufwand zu entschädigen. Dies entspricht nicht nur ständiger Praxis, sondern ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 aAnwGebV. Aus der Verwendung des Wortes namentlich ergibt sich, dass die Aufzählung in § 11 Abs. 1 lit. a-c aAnw-

      GebV beispielhaft zu verstehen ist. § 11 Abs. 1 aAnwGebV ist deshalb folgendermassen zu lesen: Die Vorbereitung eines Prozesses wird mit einer besonderen Gebühr für den notwendigen Zeitaufwand abgegolten, beispielsweise bei den Bemühungen gemäss lit. a-c. Eine Entschädigung für das Strafuntersuchungsverfahren nach dem notwendigen Zeitaufwand macht zudem Sinn, da die Verteidigung im Strafuntersuchungsverfahren einerseits und im eigentlichen Strafprozess andererseits unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen hat. In der Strafuntersuchung muss ein Verteidiger versuchen, deren Ergebnisse möglichst zugunsten des Mandanten zu beeinflussen, insbesondere eine Anklage zu verhindern, wozu die dafür geeigneten Aktivitäten zu entwickeln sind. Nach Anklageerhebung beschränkt sich die Aufgabe der Verteidigung dagegen ganz wesentlich darauf, die Untersuchungsergebnisse und die Anklageschrift zugunsten des Mandanten zu analysieren und zu würdigen. Damit erweist sich die durch den Beschwerdegegner für die Strafuntersuchung festgesetzte Entschädigung als verordnungswidrig und ist entsprechend im Rahmen der vorliegenden Aufsichtsbeschwerde zu korrigieren.

    2. Nach feststehender Praxis ist das von der amtlichen Verteidigung diesbezüglich mittels eines Zeitrapports sowie gegebenenfalls zusätzlicher Erläuterungen glaubwürdig dargestellte Tätigwerden zur Verteidigung des Mandanten zu entschädigen (Beschluss des Obergerichts vom 3. Oktober 2005 [OB050004]; Beschluss der VK vom 26. November 2003 [VB030009]). Erachtet das Gericht den diesbezüglich getätigten Aufwand als für eine verfassungskonforme Verteidigung nicht notwendig unverhältnismässig hoch (§ 2 Abs. 2 aAnwGebV), so hat es die betreffenden Positionen der Honorarnote zu korrigieren. Die Streichung von geltend gemachtem Zeitaufwand ist zu begründen.

    3. Am 31. Oktober 2008 erhob die Jugendanwaltschaft Unterland Anklage beim Beschwerdegegner. Damit ist der von der Beschwerdeführerin für die Zeit ab dem 15. Mai 2006 bis und mit 20. Oktober 2008 geltend gemachte Zeitaufwand von 3'293 Minuten abzugelten, soweit er notwendig war (§ 11 Abs. 1 aAnwGebV; Urk. 3/3).

    4. Eine vom Gerichtspräsidenten mit Schreiben vom 22. Januar 2010 zur Diskussion gestellte Rechnungsposition (Konfrontationseinvernahme vom 14. Februar 2007) konnte die Beschwerdeführerin klarstellen (vgl. Urk. 7/3 und Urk. 7/4). Im Übrigen sind sämtliche Rechnungspositionen nicht zu beanstanden, weshalb die geltend gemachten 3'293 Minuten voll zu entschädigen sind.

  5. Im Weiteren ist zu prüfen, ob die Grundgebühr für die Führung des Strafpro- zesses vor dem Jugendgericht einer aufsichtsrechtlichen Überprüfung standhält.

    1. Unter Berufung auf ZR 95 (1996) Nr. 33 macht die Beschwerdeführerin zunächst geltend, dass die amtliche Verteidigung nach dem notwendigen Zeitaufwand zu entschädigen sei, zumal eine Entschädigung auf der Grundlage des Streitwertes nicht möglich sei. Die Beschwerdeführerin ist im Zusammenhang mit dieser allgemeinen einleitenden Bemerkung darauf hinzuweisen, dass sich die Entschädigung des Verteidigers - wie bereits ausgeführt - im Strafuntersuchungsverfahren (allein) nach dem bis zur Anklageerhebung notwendigen Zeitaufwand bemisst (§ 11 Abs. 1 aAnwGebV), während für die Bemühungen der Verteidigung im Verfahren vor den Strafgerichten die entsprechenden Tarifrahmen gemäss

      § 10 Abs. 1 lit. a, b und c aAnwGebV zur Anwendung gelangen. Die Grundgebühr für die Führung eines Strafprozesses vor dem Bezirksgericht (Jugendgericht) beträgt Fr. 1'000.- bis Fr. 16'000.- (§ 10 Abs. 1 lit. b aAnwGebV). Bemessungskriterien für die Festsetzung der Grundgebühr innerhalb dieses Tarifrahmens bilden die Verantwortung des Strafverteidigers, die Schwierigkeit des Falls und der notwendige Zeitaufwand (§ 2 Abs. 2 aAnwGebV).

    2. Vorliegend geht der Beschwerdegegner und damit das Sachgericht davon aus, dass - im Vergleich mit anderen Prozessen - hinsichtlich der Wichtigkeit der Sache bzw. der Bedeutung des Ausgangs des Verfahrens für den Angeklagten sowie des beträchtlichen Aktenumfangs zwar kein schwerer, aber auch kein ganz einfacher Fall vorlag, bei dem sich gewisse prozessuale und sachverhaltsbezogene Fragen stellten. Es rechtfertige sich somit eine Grundgebühr in der Höhe von Fr. 7'000.- (Urk. 2 S. 4 E. 3.2.).

    3. Aus den Akten ergibt sich, dass das Geschäft DJ080022 einen relativ einfachen Straffall vor Jugendgericht im Bereich der Gewaltdelinquenz betraf, der keine besonders schwierigen Fragen tatsächlicher rechtlicher Natur aufwarf. So wurden in der Anklageschrift dem Angeklagten auf zwei Seiten drei Sachverhalte vorgeworfen (Urk. 10/22). Dieser zeigte sich mit Bezug auf den zweifachen Raufhandel vollumfänglich geständig (Urk. 10/64 S. 16). Hinsichtlich des dritten Sachverhaltes (Gewaltanwendung gegen einen Beamten und einfache Körperverletzung) erfolgte ein Freispruch, da nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass nicht der Angeklagte, sondern ein unbekannter Täter aus der Gruppe der Jugendlichen den Beamten mit der Glasflasche angegriffen und verletzt hatte (Urk. 10/64 S. 9 f.). Dass an die Verantwortung eines fachlich ausgewiesenen und gewissenhaften Anwaltes in diesem Kontext ausserordentliche Anforderungen gestellt waren, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet, merkt sie doch diesbezüglich lediglich an, dass nicht von einem einfachen Fall auszugehen sei, sondern sich sehr wohl einige Fragen sowohl in prozessualer als auch in tatsächlicher Hinsicht gestellt hätten (Urk. 1 S. 2).

    4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bildet der Umstand der langen Verfahrensdauer während der Strafuntersuchung kein gesetzlich vorgesehenes Bemessungskriterium für die Grundgebühr (vgl. § 2 Abs. 2 aAnwGebV), Zudem werden nun sämtliche Aufwendungen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung vollumfänglich entschädigt (vgl. oben Ziff. 5.4.). Ergänzend festzuhalten ist, dass die Verfahrensdauer nach Anklageerhebung bis zur Hauptverhandlung vom 24. März 2009, zu der weder der Angeklagte noch die Beschwerdeführerin erschienen waren (vgl. Prot. VI S. 4), bzw. bis zur am 9. April 2009 wiederholten Hauptverhandlung und mündlichen Urteilseröffnung nicht zu beanstanden ist.

    5. Die Beschwerdeführerin führt sodann an, dass der Angeklagte nicht vollumfänglich geständig gewesen sei, und es sich dabei gerade um die Frage der Tä- terschaft des Angeklagten gehandelt habe. Zudem sei ihrem Plädoyer zu entnehmen, dass sie diverse Eventualanträge gestellt habe. Schliesslich sei nicht nur

      ein grosser Aktenumfang zu bewältigen gewesen, sondern es sei auch noch nach der Urteilseröffnung Anwaltsaufwand angefallen (Urk. 1 S. 2).

    6. Wohl ist richtig, dass diese Faktoren den Schwierigkeitsgrad sowie den Zeitaufwand der Mandatsführung beeinflussten. Davon ging auch der Beschwerdegegner aus (Urk. 2 S. 4 E. 3.2.), siedelte er doch - unter Berücksichtigung dieser Erschwernisse - die Grundgebühr im mittleren Bereich des gesetzlichen Tarifrahmens an. Weshalb aber darüber hinaus von einem derart komplexen Fall auszugehen sei, dass die angesetzte Grundgebühr als unvertretbar erschiene, wird von der Beschwerdeführerin weder näher substantiiert, noch ist dies aus den Akten ersichtlich.

    7. Die Ausführung, wonach alle Haftbesuche des Angeklagten verhältnismäs- sig erfolgt seien, geht an der Sache vorbei, ist doch vorliegend einzig streitig, ob die innerhalb des gesetzlichen Tarifrahmens nach § 10 Abs. 1 lit. b aAnwGebV festgesetzte Grundgebühr zu schützen sei. Die Haftbesuche, welche alle im Rahmen der Strafuntersuchung erfolgten, werden zudem voll entschädigt (vgl. oben Ziff. 5.4.).

    8. Weiter behauptet die Beschwerdeführerin, sie habe umgehend auf die Nachfrage des Gerichtspräsidenten vom 22. Januar 2010 die zwei von ihm zur Diskussion gestellten Rechnungspositionen klarstellen können (vgl. Urk. 7/3 und Urk. 7/4). Dem ist mit Hinblick auf die Konfrontationseinvernahme vom

      14. Februar 2007 zu folgen und für diese wird nun auch volle Entschädigung geleistet (vgl. oben Ziff. 5.4.).

    9. Unter der Position vom 16. Januar 2009 fakturierte die Beschwerdeführerin die Kopien von 1506 Aktenseiten und deren Studium während 666 Minuten (Urk. 3/3 S. 4). Zur Begründung von Letzterem brachte sie in ihrer Eingabe an den Beschwerdegegner vom 29. Januar 2010 vor, dass das Aktenstudium von 1506 Seiten sehr wohl 666 Minuten gedauert habe. Sie arbeite mit einer Stoppuhr und habe deswegen noch nie bei anderen Gerichten Probleme gehabt, zumal bei diesem Aktenvolumen ihr Aufwand nicht einmal eine Minute pro Seite betragen habe (Urk. 7/4). Abgesehen davon, dass mit der Klarstellung der Beschwerdeführerin noch nichts darüber gesagt ist, ob dieser Aufwand als notwendig im Sinne von § 2 Abs. 2 aAnwGebV zu würdigen ist, kann dazu Folgendes festgehalten werden: Die Beschwerdeführerin war seit Beginn der Strafuntersuchung als amtliche Verteidigerin des Angeklagten bestellt. Damit ist davon auszugehen, dass ihr die wesentlichen Aktenbestandteile bekannt waren. Weshalb es dennoch zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht notwendig gewesen war, rund elf Stunden in das Studium der fraglichen Akten zu investieren, die zudem zum überwiegenden Teil die vom Angeklagten zu diesem Zeitpunkt bereits vollumfänglich eingestandenen Raufhandel-Delikte betrafen, wird mit diesem Vorbringen weder genügend substantiiert, noch ist dies sonst einsichtig. Damit erscheint der geltend gemachte Aufwand für das Aktenstudium als eindeutig übersetzt.

    10. Zutreffend ist, dass die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeiten und Auslagen in einer spezifizierten Aufstellung dem Gericht vorgelegt hat. Dieses Vorgehen entspricht auch den Anforderungen nach § 17 Abs. 1 aAnwGebV. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat jedoch der Zeitrapport lediglich die Funktion, dem Richter die nachträgliche Schätzung des vertretbaren Stundenaufwands des Anwalts zu erleichtern. Hingegen ist er nicht verpflichtet, jede einzelne Position auf die Notwendigkeit der deklarierten Tätigkeit zu überprüfen, wie dies für den Zeitaufwand des amtlichen Verteidigers in der Strafuntersuchung gefordert wird (§ 11 Abs. 1 aAnwGebV). Es gilt der Grundsatz, dass der Richter den Entscheid nicht zu begründen hat, wenn die geschuldete Entschädigung durch einen gesetzlichen Rahmentarif - wie etwa § 10 Abs. 1 lit. b aAnwGebV - geregelt wird (vgl. BGE 111 Ia 1 E 2a).

    11. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass - wie bereits ausgeführt - der Beschwerdegegner mit der Grundgebühr von Fr. 7'000.- (fälschlicherweise) auch einen Teil des im Rahmen der Strafuntersuchung angefallenen Aufwandes entschädigen wollte (vgl. Urk. 13). Da der gesamte Aufwand der Beschwerdeführerin während der Strafuntersuchung nun voll entschädigt wird (vgl. oben Ziff. 5.4.), rechtfertigt es sich, die vom Beschwerdegegner festgesetzte Grundgebühr um Fr. 800.- auf Fr. 6'200.- zu kürzen. Dieser Betrag erscheint angemessen und steht

      denn auch in einem vernünftigen Verhältnis zu dem von der Beschwerdeführerin nach der Erhebung der Anklage betriebenen Aufwand. Eine weitergehende aufsichtsrechtliche Korrektur des weiten Ermessens des Sachgerichts, das die Anforderungen des vorliegenden Jugendstrafprozesses aus eigener unmittelbarer Anschauung kennt, ist nicht gerechtfertigt.

  6. Zusammenfassend ist die Beschwerdeführerin für die Strafuntersuchung nach dem notwendigen Zeitaufwand zu entschädigen. Die von der Beschwerdeführerin für die Strafuntersuchung geltend gemachten 3'293 Minuten sind nicht zu beanstanden und damit voll zu entschädigen. Dies ergibt für die Strafuntersuchung eine Entschädigung von Fr. 10'976.70 (exkl. MWST). Die vom Beschwerdegegner auf Fr. 7'000.- festgesetzte Grundgebühr wird um Fr. 800.- gekürzt. Hinzu kommen Barauslagen in der Höhe von Fr. 1'153.90. Dies ergibt insgesamt eine Entschädigung von Fr. 18'330.60 (exkl. MWST). Die Beschwerde ist demnach im Betrage von Fr. 1'706.70 (exkl. MWST; Fr. 1'836.40 inkl. MWST) teilweise gutzuheissen. Der Streitwert beträgt Fr. 3'748.10, so dass die Beschwerdefüh- rerin zu 49% obsiegt. Die Verfahrenskosten sind damit zu ½ der Beschwerdefüh- rerin aufzuerlegen und zu ½ auf die Gerichtskasse zu nehmen. Es ist der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine entsprechend reduzierte Prozessentschädigung zuzusprechen (vgl. § 13 aAnwGebV)

Die Verwaltungskommission beschliesst :

  1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird das Bezirksgericht Bülach angewiesen, der Beschwerdeführerin für ihre Bemühungen als amtliche Verteidigerin von B. im Verfahren DJ080022 eine zusätzliche Entschädigung von Fr. 1'706.70.-, zuzüglich Mehrwertsteuer von 7.6%, total Fr. 1'836.40 zu zahlen.

  2. Die Staatsgebühr von Fr. 750.- wird zu ½ der Beschwerdeführerin auferlegt und zu ½ auf die Gerichtskasse genommen.

  3. Der Beschwerdeführerin wird zulasten des Bezirksgerichts Bülach eine reduzierte Prozessentschädigung von Fr. 400.- zugesprochen.

  4. Dieser Beschluss wird den Parteien des Beschwerdeverfahrens schriftlich gegen Empfangsschein mitgeteilt.

  5. Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) i.V.m. Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 3'748.10. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin

lic. iur. A. Gürber

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