Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2016.00418 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 3. Abteilung/Einzelrichter |
Datum: | 11.08.2016 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Massnahmen nach Gewaltschutzgesetz: Frist zur Stellung des Verlängerungsgesuchs. |
Zusammenfassung: | A und B sind seit 2015 verheiratet und leben mit ihren Töchtern in der Schweiz. Die Kantonspolizei Zürich ordnete Schutzmassnahmen gegen B an, die A verlängern wollte, aber vom BezirksgerichtD abgelehnt wurden. A beschwerte sich beim Verwaltungsgericht, das feststellte, dass die Frist für das Verlängerungsgesuch eingehalten wurde und die Entscheidung des Bezirksgerichts aufgehoben wurde. Die Gerichtskosten wurden dem Bezirksgericht auferlegt. Die Verwaltungsrichterin Silvia Hunziker entschied über den Fall. |
Schlagwörter: | Schutz; Schutzmassnahmen; Verlängerung; Gesuch; Massnahmen; Frist; Person; Gewalt; Vorinstanz; Kantons; Verfügung; Einzelrichter; Einzelrichterin; Entscheid; Gericht; Haftrichter; Verwaltungsgericht; Kantonspolizei; Erlass; Gewaltschutzgesetz; Wohnung; Eingabe; Personen; Polizei; Rückweisung; Häusliche; Töchtern |
Rechtsnorm: | Art. 142 ZPO ; Art. 143 ZPO ; |
Referenz BGE: | 134 I 140; |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 3. Abteilung |
VB.2016.00418
Urteil
der Einzelrichterin
vom 11.August2016
Mitwirkend: Verwaltungsrichterin Silvia Hunziker, Gerichtsschreiberin Cyrielle Söllner Tropeano.
In Sachen
und
Fachstelle Häusliche Gewalt,
betreffend Massnahmen nach Gewaltschutzgesetz,
hat sich ergeben:
I.
A. A (geboren 1973) und B (geboren 1975) sind seit Juli 2015 verheiratet und leben seit November 2015 mit den beiden Töchtern von A gemeinsam in der Schweiz.
B. Mit Verfügung vom 9. Juli 2016 ordnete die Kantonspolizei Zürich gegenüber B für die Dauer von jeweils 14Tagen die Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung, ein Rayonverbot um die Wohnung sowie ein Kontaktverbot gegenüber A und deren beiden Töchtern an; unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art.292 des Strafgesetzbuchs (StGB).
II.
Mit Eingabe vom 18. Juli 2016 ersuchte A das Zwangsmassnahmengericht am BezirksgerichtD um Verlängerung der Schutzmassnahmen gemäss Verfügung der Kantonspolizei Zürich vom 9. Juli 2016 um vier Wochen.
Mit Verfügung vom 19. Juli 2016 trat das Zwangsmassnahmengericht am BezirksgerichtD auf das Gesuch um Verlängerung der Schutzmassnahmen wegen Verspätung nicht ein und auferlegte A die Gerichtskosten von Fr. 100.-.
III.
Dagegen gelangte A mit Beschwerde vom 22. Juli 2016 an das Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Verfügung des BezirksgerichtsD vom 19.Juli 2016 sowie die Verlängerung der polizeilichen Schutzmassnahmen um vier Wochen. Zudem stellte sie den Antrag, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Verlängerung der Schutzmassnahmen sei superprovisorisch anzuordnen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatskasse.
Mit Präsidialverfügung vom 25. Juli 2016 wurde das Gesuch von A um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgewiesen. B sowie der Kantonspolizei Zürich wurde je eine Frist von drei Tagen angesetzt, um zum Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen Stellung zu nehmen, unter Säumnisandrohung der Annahme des Verzichts auf Stellungnahme.
B liess sich innert Frist nicht vernehmen. Die Kantonspolizei Zürich teilte am 26. Juli 2016 ihren Verzicht auf die Mitbeantwortung der Beschwerde mit.
A und B liessen sich hierauf nicht mehr vernehmen.
Die Einzelrichterin erwägt:
1.
Gemäss §11a Abs.1 GSG ist das Verwaltungsgericht für die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide des Haftrichters in Angelegenheiten des Gewaltschutzgesetzes zuständig. Beschwerden im Bereich dieses Erlasses werden von der Einzelrichterin dem Einzelrichter behandelt, sofern sie nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Kammer überwiesen werden (§38b Abs.1 lit.d Ziff.4 und Abs.2 in Verbindung mit §43 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai1959 [VRG]). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben, sodass die Einzelrichterin zum Entscheid berufen ist.
2.
2.1 Massnahmen, die sich auf das Gewaltschutzgesetz stützen, werden im öffentlichen Interesse zum Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung einer häuslichen Gewaltsituation angeordnet (BGE 134 I 140 E.2). Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden einer aufgelösten familiären partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen psychischen Integrität verletzt gefährdet wird, unter anderem durch Ausübung Androhung von Gewalt (§2 Abs.1 lit.a GSG).
2.2 Liegt ein Fall von häuslicher Gewalt vor, so stellt die Polizei den Sachverhalt fest und ordnet umgehend die zum Schutz der gefährdeten Personen notwendigen Massnahmen an (§3 Abs.1 GSG). Die Polizei kann die gefährdende Person aus der Wohnung dem Haus weisen, ihr untersagen, von der Polizei bezeichnete, eng umgrenzte Gebiete zu betreten, und ihr verbieten, mit den gefährdeten und diesen nahestehenden Personen in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen (§3 Abs.2 lit.ac GSG). Die Schutzmassnahmen gelten während 14Tagen ab Mitteilung an die gefährdende Person (§3 Abs.3 Satz1 GSG). Die gefährdende Person kann ein Gesuch um gerichtliche Beurteilung stellen (§5 Satz1 GSG). Die gefährdete Person kann beim Gericht um Verlängerung der Schutzmassnahmen ersuchen (§6 Abs.1 GSG). Die gerichtlich verfügten Schutzmassnahmen dürfen insgesamt drei Monate nicht übersteigen (§6 Abs.3 GSG).
3.
3.1 Die Vorinstanz erachtete das Gesuch der Beschwerdeführerin um Verlängerung der Schutzmassnahmen als um einen Tag verspätet gestellt. Es ist zu prüfen, ob die Vorinstanz demzufolge zu Recht nicht darauf eintrat.
3.2 Gemäss § 6 Abs. 1 GSG kann die gefährdete Person innert acht Tagen nach Geltungsbeginn der Schutzmassnahmen beim Gericht um deren Verlängerung ersuchen.
Die Schutzmassnahmen wurden am 9. Juli 2016 angeordnet und an diesem Tag auch den Parteien eröffnet. Die Frist für das Gesuch um Verlängerung begann somit am 9. Juli 2016 zu laufen. Der achte Tag fiel auf Samstag, 16. Juli 2016. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag einen öffentlichen Ruhetag, so endet die Frist am nächsten Montag (§11 Abs. 1 Satz 2 VRG; vgl. auch Art. 142 Abs. 3 ZPO). Folglich endete die Frist im vorliegenden Fall am Montag, 18. Juli 2016.
Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Behörde eintreffen zu deren Handen der schweizerischen Post übergeben sein (§ 11 Abs. 2 Satz1 VRG; vgl. auch Art. 143 Abs. 1 ZPO). Wie die Vorinstanz in ihrer Verfügung vom 19.Juli 2016 ausführt, wurde das Verlängerungsgesuch von der Beschwerdeführerin am 18.Juli 2016 der Post übergeben, was durch den Poststempel belegt ist. Da es sich beim 18.Juli 2016 um den letzten Tag der Frist handelte, erfolgte die Eingabe noch rechtzeitig. Demzufolge ist die Vorinstanz zu Unrecht auf das Gesuch um Verlängerung der Schutzmassnahmen der Beschwerdeführerin nicht eingetreten.
3.3 Die Verfügung des Haftrichters des BezirksgerichtsD vom 19. Juli 2016 ist somit aufzuheben und die Sache zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit dem vorliegenden Entscheid erübrigt sich die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen durch das Verwaltungsgericht, da solche ohnehin nur bis zum Entscheid Bestand gehabt hätten (vgl. Regina Kiener in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3.A., Zürich etc.2014, § 6 N. 29). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erlass vorsorglicher Massnahmen ist deshalb als gegenstandslos geworden abzuschreiben.
Der Haftrichter hat gemäss § 9 Abs. 1 GSG innert vier Arbeitstagen über Gesuche um Verlängerung der Schutzmassnahmen im Sinn von § 6 GSG zu entscheiden. Demzufolge hat der Haftrichter spätestens innert vier Arbeitstagen ab Erhalt dieses Rückweisungsentscheids materiell über die beantragte Verlängerung der Schutzmassnahmen zu befinden. Angesichts des mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren verbundenen Zeitablaufs und des Gesuchs der Beschwerdeführerin um superprovisorische Massnahmen wird der Haftrichter zu prüfen haben, ob der Erlass vorsorglicher Massnahmen für die Zeitdauer bis zu seinem Entscheid notwendig ist.
4.
Die Rückweisung ist auf die von der Vorinstanz zu vertretende, sich als falsch herausstellende Fristberechnung zurückzuführen. Nach Massgabe des Verursacherprinzips rechtfertigt es sich daher, die Gerichtskosten der Vorinstanz aufzuerlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG; VGr, 30.Juni 2014, VB.2014.00272, E.5.2; 10.September 2012, VB.2012.00393, E.3.5; 25.Juli 2012, VB.2012.00434, E.4). Parteientschädigungen wurden keine verlangt.
5.
Der vorliegende Rückweisungsentscheid stellt einen Zwischenentscheid dar (BGE 133II409 E.1.2). Solche Zwischenentscheide sind nach Art.93 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17.Juni 2005 (BGG) vor Bundesgericht nur dann anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (lit.a) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit.b).
Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:
Das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
Fr. 500.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 150.-- Zustellkosten,
Fr. 650.-- Total der Kosten.
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