Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB.2015.00108 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 1. Abteilung/Einzelrichter |
Datum: | 10.03.2015 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Haftentlassung; Ausschaffungshaft; verweigerte unbegleitete Rückführung; Sonderflug. |
Zusammenfassung: | Die Beschwerde eines Staatsangehörigen von Guinea-Bissau gegen die Ausschaffungshaft wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte sich geweigert, freiwillig in seine Heimat zurückzukehren, was zur Verlängerung der Haft führte. Die Behörden hatten einen Sonderflug für die Rückführung organisiert. Das Gericht entschied, dass die Haft rechtmässig war und wies die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten wurden aufgrund der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auf die Gerichtskasse genommen. |
Schlagwörter: | Ausschaffung; Wegweisung; Ausschaffungshaft; Schweiz; Vollzug; Heimat; Bissau; Haftentlassung; Guinea-Bissau; Person; Wegweisungsentscheid; Beschwerdeführers; Zwangsmassnahmengericht; Bezirksgerichts; Verfügung; Einzelrichter; Ausreise; Ausländer; Blick; Urteil; Verbindung; Gesuch; Migration; Staat; Verhalten; Anordnung |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ; Art. 3 EMRK ; |
Referenz BGE: | 130 II 56; |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 1. Abteilung |
VB.2015.00108
Urteil
des Einzelrichters
vom 10.März2015
Mitwirkend: Verwaltungsrichter Martin Kayser, Gerichtsschreiber Basil Cupa.
In Sachen
gegen
betreffend Haftentlassung, Ausschaffungshaft (GI150027-L/U),
I.
Nach Vorliegen eines rechtskräftigen Wegweisungsentscheids wurde A am 28.November 2014 in Ausschaffungshaft genommen.
II.
Am 12. Januar 2015 stellte er ein Haftentlassungsgesuch, welches das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Zürich mit Verfügung vom 19. Januar 2015 abwies.
III.
Hiergegen erhob er mit Eingabe vom 18. Februar 2015 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte neben der Aufhebung der angefochtenen Verfügung und einer Prozessentschädigung die unverzügliche Haftentlassung sowie die unentgeltliche Prozessführung.
Am 20. Februar 2015 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Zürich die Ausschaffungshaft bis zum 26. Mai 2015 und verzichtete am 27. Februar 2015 respektive am 3. März 2015 auf Vernehmlassung. Ebenso verzichtete das Migrationsamt mit Eingabe vom 4. März 2015 auf die Möglichkeit einer Stellungnahme.
Der Einzelrichter erwägt:
1.
Beschwerden betreffend Massnahmen nach Art. 7378 AuG werden vom Einzelrichter behandelt, sofern sie nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Kammer zur Beurteilung überwiesen werden (§ 38b Abs. 1 lit. d Ziff. 4 in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. b VRG sowie § 38b Abs. 2 VRG). Vorliegend besteht für Letzteres kein Anlass.
2.
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Guinea-Bissau. Er reiste von Italien aus illegal in die Schweiz ein und stellte am 14. Mai 2012 im Empfangs- und Verfahrenszentrum Vallorbe ein Gesuch um Asyl. Mit Verfügung vom 27. Juni 2012 trat das Bundesamt für Migration (BFM) darauf nicht ein und wies den Beschwerdeführer aus der Schweiz weg. Das in der Folge angerufene Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Wegweisung mit rechtskräftigem Urteil E-3514/2012 vom 11. Juli 2012.
3.
Gemäss Art. 76 Abs. 1 AuG kann eine Person in Ausschaffungshaft genommen werden, wenn ein erstinstanzlicher Weg- Ausweisungsentscheid vorliegt, dessen Vollzug noch nicht möglich, jedoch absehbar ist, einer der in Art. 76 Abs. 1 AuG genannten Haftgründe besteht, die Ausschaffungshaft verhältnismässig erscheint, die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich möglich ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG) und die für die Weg- Ausweisung notwendigen Vorkehren umgehend getroffen werden (Art. 76 Abs. 4 AuG). Nach Art. 79 Abs. 1 AuG darf die Haft höchstens sechs Monate dauern. Wenn die betroffene Person nicht mit der zuständigen Behörde kooperiert sich die Übermittlung der für die Ausreise erforderlichen Unterlagen durch einen Staat, der kein Schengen-Staat ist, verzögert, kann die Haft um höchstens zwölf Monate verlängert werden (Art. 79 Abs. 2 AuG).
3.1 Gegen den Beschwerdeführer liegt unbestrittenermassen ein rechtskräftiger erstinstanzlicher Wegweisungsentscheid vor (Verfügung des BFM vom 14. Mai 2012).
3.2 Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Zürich stützte die Bestätigung der Ausschaffungshaft auf Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AuG. Nach diesen Bestimmungen kann die betroffene Person zur Sicherstellung des Vollzugs des Wegweisungsentscheides in Haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sie sich der Ausschaffung entziehen will ihr bisheriges Verhalten darauf schliessen lässt, dass sie sich behördlichen Anordnungen widersetzt. Dies ist regelmässig dann anzunehmen, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen zu erschweren versucht sonst klar zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, in seine Heimat zurückzukehren (BGE 130 II 56 E. 3.1; 128 II 241 E. 2.1).
3.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gibt jemand insbesondere dann zu erkennen, dass er nicht freiwillig bereit ist, in seine Heimat zurückzukehren, wenn er einen bereits gebuchten, unbegleiteten Rückflug ablehnt. Diese Fallkonstellation gilt im Ausländerrecht als typisches Beispiel dafür, dass sich die betroffene Person renitent verhält und einer behördlichen Anordnung, namentlich dem Vollzug des Wegweisungsentscheids, widersetzt (BGE 130 II 56 E. 3.2; BGr, 6. Juli 2009, 2C_393/2009, E. 3.3; BGr, 1. September 2006, 2A.489/2006, E. 2.2). Am 7. Januar 2015 verweigerte der Beschwerdeführer die unbegleitete Rückführung von Zürich nach Bissau. Bei der Anhörung vor dem Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Zürich gab er zu Protokoll, er gehe ganz bestimmt nicht in seine Heimat zurück. Er werde jedoch die Schweiz selbständig verlassen, wenn er aus der Haft entlassen werde. Daraus ergibt sich, dass der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in sein Heimatland einzig aufgrund seines unkooperativen Verhaltens noch nicht vollzogen werden konnte und die Gefahr eines Untertauchens im Sinn der Rechtsprechung zu Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 und 4 AuG besteht.
3.4 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Schweiz bei einer Haftentlassung freiwillig verlassen zu wollen, ist nicht ersichtlich, wie er dies ohne gültige Reisepapiere legal tun könnte. Dem Beschwerdeführer fehlen für eine Ausreise aus der Schweiz in einen Drittstaat die nötigen Papiere. Er verfügt lediglich über einen Laisser-Passer sowie eine Carte Consulaire, welche ihm ausschliesslich eine rechtmässige Ausreise nach Guinea-Bissau erlauben. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens erscheint es als wahrscheinlich, dass er sich im Fall seiner Freilassung durch illegale Ausreise in einen Drittstaat durch Untertauchen seiner Ausschaffung in sein Heimatland entziehen würde. Es ist daher mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip keine mildere Massnahme ersichtlich, welche den Beschwerdeführer dazu bewegen könnte, freiwillig in sein Heimatland auszureisen. Zudem brachte der Beschwerdeführer keine substantiierten Gründe vor, welche die Gefahr des Untertauchens als geringfügig erscheinen liessen. Die Vorinstanz hat das Vorliegen eines Haftgrunds damit zu Recht bejaht.
3.5 Es bleibt zu prüfen, ob der Wegweisungsvollzug aus anderen rechtlichen tatsächlichen Gründen im Besonderen mit Blick auf die Vorgaben des übergeordneten Rechts undurchführbar ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG).
Der Vollzug einer Wegweisung ist zufolge Art. 3 EMRK in Verbindung mit Art. 25 Abs. 3 BV unzulässig, wenn der betroffenen Person im Ausschaffungsstaat Folter eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung Bestrafung drohen. Der Beschwerdeführer begründete sein Haftentlassungsgesuch vom 12. Januar 2015 sinngemäss damit, dass er bei einer Rückkehr nach Guinea-Bissau wegen seiner politischen Gesinnung ernsthafte Nachteile zu erwarten habe. Ähnliche Bedenken äusserte er auch am Tag des verweigerten, unbegleiteten Rückflugs sowie bereits bei der Einreise in die Schweiz. Es scheint bekannt zu sein, dass der Vater des Beschwerdeführers, ein ranghoher Militärfunktionär, im März 2012 umgebracht wurde, weshalb der Beschwerdeführer fürchtet, bei seiner Rückkehr dasselbe Schicksal zu erleiden. Das Bundesamt für Migration wertete seine Vorbringen in dieser Hinsicht als ungenügend substantiiert und stereotypisch, unter anderem weil der Gesuchsteller stets antwortete, sich nicht mehr an den Vorfall erinnern zu können, was klar darauf hindeute, dass er das behauptete nicht selbst erlebt habe. Zudem habe er keine militärische Funktion inne und aus diesem Grund kaum Nachteile zu befürchten. Das Bundesverwaltungsgericht stützte diese Ansicht. Es sind keine Gründe ersichtlich, die den zu sichernden Wegweisungsentscheid als augenfällig unzulässig erscheinen liessen (vgl. BGr, 18. April 2007, 2A.47/2007, E. 2.1; VGr, 26. August 2013, VB.2013.00531, E. 2.5.1 am Ende, je mit Hinweisen). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Ebola-Gefahr und die allgemein instabile Sicherheitslage sind überdies zu unspezifisch und bleiben mit Blick auf Art. 90 AuG zu wenig substantiiert, als dass sie dem Vollzug der Wegweisung in rechtlicher tatsächlicher Hinsicht entgegenzustehen vermöchten.
Ausreichend begründet ist hingegen die Rüge des Beschwerdeführers, der vorliegende Fall sei mit dem Entscheid EGMR, 2. Dezember 2010, Jusic, 4691/06 vergleichbar. Nach Ansicht des Beschwerdeführers war seine Einreise in die Schweiz zwar illegal und er verfüge über keine gültigen Ausweispapiere. Dies sei für die Anordnung der Ausschaffungshaft jedoch nicht ausreichend. Es ist festzuhalten, dass sich der vorliegende Fall vom zitierten Entscheid (siehe insb. §§ 8083) klar unterscheidet, da der Beschwerdeführer sich weigerte, freiwillig nach Guinea-Bissau zurückzukehren. Die sinngemäss geltend gemachte Verletzung von Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK erweist sich demzufolge als unbegründet.
Abschliessend sei hinsichtlich Art. 76 Abs. 4 AuG darauf hingewiesen, dass die Behörden die nötigen Vorkehrungen getroffen haben, um einen Sonderflug nach Guinea-Bissau zu organisieren, der voraussichtlich im März 2015 stattfinden soll.
4.
Zusammenfassend erweist sich die Ausschaffungshaft als rechtmässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Verfahrensausgang hätte grundsätzlich der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 VRG), und eine Parteientschädigung bleibt ihm ausgangsgemäss verwehrt (§ 17 Abs. 2 VRG). Da die Gerichtsgebühr jedoch aufgrund seiner Bedürftigkeit und des absehbaren Wegweisungsvollzugs offensichtlich uneinbringlich wäre, ist sie auf die Gerichtskasse zu nehmen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung ist damit als gegenstandslos geworden abzuschreiben.
5.
Das vorliegende Verfahren erweist sich als dringlich, dies umso mehr, als die Akten der Vorinstanz verspätet eingingen. Der vorinstanzliche Verzicht auf eine Vernehmlassung wird deshalb nicht unter Fristansetzung separat zugestellt, sondern mit Blick auf das Beschleunigungsgebot mit dem vorliegenden Urteil versandt. Dasselbe gilt für den Verzicht auf Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin, zumal sich dieser im Übrigen ohnehin als verspätet erweist.
Demgemäss erkennt der Einzelrichter:
Fr. 1'000--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 60.-- Zustellkosten,
Fr. 1'060.-- Total der Kosten.
Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (SR 142.20)
Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 (LS 175.2)
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