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Urteil Verwaltungsgericht (ZH - VB.2004.00240)

Zusammenfassung des Urteils VB.2004.00240: Verwaltungsgericht

Die Beschwerde von A gegen die Anordnung des Gemeinderats Gossau wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens belaufen sich auf insgesamt Fr. 6'619.50, wovon die Kosten des Gutachtens in Höhe von Fr. 4'409.50 der Beschwerdegegnerin 1 auferlegt werden. Der Beschwerdeführer wird zu einer Umtriebsentschädigung von Fr. 1'000.- an den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 2 verpflichtet.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB.2004.00240

Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2004.00240
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:1. Abteilung/1. Kammer
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2004.00240 vom 27.04.2005 (ZH)
Datum:27.04.2005
Rechtskraft:Das Bundesgericht hat eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diesen Entscheid am 20.02.2006 abgewiesen.
Leitsatz/Stichwort:Zeitschlag durch Kirchenglocken in der Nacht: Lärmermittlung; Gutachtenskosten.
Schlagwörter: Lärm; Glocke; Stunden; Glocken; Kirche; Fenster; Geläut; Gossau; Schall; Gutachten; Kirchen; Beschwerdeführers; Störung; Maximalpegel; Stundenschlag; Gemeinde; Gutachter; Kirchgemeinde; Balkon; Glockengeläut; Gottesdienst; Pegel; Schutz; Massnahmen; Viertelstunden; Werte; Umwelt
Rechtsnorm: Art. 15 BV ;Art. 36 BV ;
Referenz BGE:115 Ib 446; 119 Ib 389; 126 II 366; 127 II 306;
Kommentar:
Alfred Kölz, Jürg Bosshart, Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 1999

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB.2004.00240

I.

Mit Schreiben vom 27. November 2002 beantragte A dem Gemeinderat Gossau, die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Gossau zu Einschränkungen des Kirchengeläuts und des Stundenschlags zu verpflichten. Der Gemeinderat lehnte den Antrag am 16. April 2003 ab.

II.

Den von A hiergegen erhobenen Rekurs wies die Baurekurskommission III am 21. April 2004 ab.

III.

Mit Beschwerde vom 26. Mai 2004 liess A dem Verwaltungsgericht beantragen:

"1. Es sei der Entscheid vom 21.4.2004 aufzuheben und die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Gossau zu verpflichten, ab sofort die Nachtruhe einzuhalten und auf die Stunden- und Viertelstundenschläge zwischen 21.45 Uhr und 6.00 Uhr zu verzichten.

2. Es sei der Entscheid vom 21.4.2004 aufzuheben und der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Gossau (unter Vorbehalt der nachfolgenden Ziffer 3) zu verbieten, mit dem Kirchengeläut und mit den Stunden- und Viertelstundenschlägen im Schlafzimmer des Beschwerdeführers (bei gekipptem Fenster) einen Schallpegel von 72 dB zu überschreiten.

3. Es sei der Entscheid vom 21.4.2004 aufzuheben und der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Gossau zu verbieten, mit dem Kirchengeläut von Gottesdiensten auf dem Balkon des Beschwerdeführers einen Schallpegel von 80 dB zu überschreiten.

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegner."

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, Geläut und Stundenschläge verletzten die Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG) und der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV) sowie die Ruhezeitbestimmungen der Polizeiverordnung der Gemeinde Gossau vom 4. Februar 1998 (PolizeiV). Die kirchlichen Emissionen verletzten den dieser Kirche nicht zugehörigen Beschwerdeführer in seiner Religions- und in seiner persönlichen Freiheit. Zur Sachverhaltsabklärung wurden eine Lärmmessung sowie ein Lokaltermin des Gerichts beantragt.

Die Vorinstanz schloss am 11. Juni 2004 auf Abweisung der Beschwerde und die Evangelisch-refomierte Kirchgemeinde Gossau verzichtete am 24. Juni 2004 auf Beschwerdeantwort. Die Gemeinde Gossau liess am 2. September 2004 Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge beantragen.

Am 27. Oktober 2004 beschloss das Verwaltungsgericht die Einholung eines Lärmgutachtens und ernannte am 16. November 2004 den Leiter der Abteilung Akustik der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), zum Gutachter. Dieser erstattete sein Gutachten am 2. Februar 2005. Der Gemeinderat Gossau liess dazu am 28. Februar 2005 mehrere Ergänzungsfragen stellen und einstweilen auf Stellungnahme verzichten. Der Beschwerdeführer liess am 23. März 2005 Stellung nehmen und gleichzeitig seine Beschwerdeanträge dahingehend modifizieren, dass auch tagsüber mit dem Stundenschlag und dem Geläut ein Schallpegel von 62 dB(A) gemessen im Schlafzimmer bei gekipptem Fenster und mit dem Geläut vor Gottesdiensten ein Pegel von 70 dB(A) gemessen auf dem Balkon nicht überschritten werden dürften.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss § 41 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) zur Behandlung der Beschwerde gegen einen Entscheid der Baurekurskommission III zuständig. Der Beschwerdeführer, dessen Wohnung vom Turm der reformierten Kirche Gossau 200 m entfernt liegt und über direkte Sichtverbindung zu diesem verfügt, ist gemäss § 21 lit. a VRG bzw. § 338a Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) zur Beschwerde legitimiert.

1.2 Gemäss § 54 VRG muss die Beschwerdeschrift einen Antrag und dessen Begründung enthalten. Durch den Antrag wird der Streitgegenstand vor Verwaltungsgericht bestimmt; nach Ablauf der Beschwerdefrist kann der Antrag nur noch bezüglich Nebenpunkten ergänzt erweitert werden (RB 1963 Nr. 26, 1965 Nr. 27). Die Beschränkung eines ursprünglich gestellten Antrags auf ein Minus (Teilrückzug) ist dagegen jederzeit zulässig (Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, § 54 N. 5).

Mit seinem Beschwerdeantrag 1 gemäss Beschwerdeschrift vom 26. Mai 2004 hat der Beschwerdeführer die Einhaltung der Nachtruhe und entsprechend den Verzicht auf Stunden- und Viertelstundenschläge zwischen 21.45 und 06.00 Uhr verlangt. An diesem Antrag hält der Beschwerdeführer unverändert fest. Hingegen werden mit den in der Stellungnahme zum Gutachten am 23. März 2005 eingebrachten Änderungen der Anträge 2 und 3, mit denen der Beschwerdeführer neu eine Begrenzung der Lautstärke gemessen im Schlafzimmer des Beschwerdeführers bei gekipptem Fenster auf 62 statt auf 72 dB(A) und gemessen auf dem Balkon auf 70 statt auf 80 dB(A) verlangt, weitergehende Beschränkungen beim Betrieb des streitbetroffenen Glockengeläuts gefordert. Damit werden die innerhalb der Beschwerdefrist gestellten Anträge in unzulässiger Weise erweitert. Auf diese erweiterten Anträge ist nicht einzutreten.

2.

Das Bundesgericht hat sich soweit ersichtlich bisher in zwei Fällen mit als störend empfundenem, kirchlichem Glockengeläut befasst. In BGE 126 II 366 (= URP 2000, S. 795) schützte es einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 1999, welcher den Zeitpunkt des Frühgeläuts in Bubikon betraf. In einem weiteren Urteil vom 13.Mai 2003 (URP 2003, S. 685) befasste es sich mit dem Frühgeläut der Paritätischen Kirche von Thal (SG). Nach dieser (im Folgenden zusammengefasst wiederzugebenden) Rechtsprechung des Bundesgerichts kann kirchliches Glockengeläut, auch soweit es Teil der Religionsausübung darstellt und unter dem Schutz der Glaubens- und Gewissensfreiheit steht (Art. 15 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [BV]), zum Schutz der öffentlichen Ruhe gewissen Einschränkungen unterworfen werden; insbesondere ist die Umweltschutzgesetzgebung grundsätzlich auch auf Kirchengeläut anwendbar. Die Glockengeläute von Kirchen stellen Anlagen im Sinn von Art. 7 Abs. 7 USG und Art. 2 Abs. 1 LSV dar. Soweit sie, wie hier dasjenige der Kirche in Gossau, bereits vor dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes bestanden haben, unterstehen Geläute nicht den Vorschriften für Neuanlagen, sondern es ist gemäss Art. 16 Abs. 1 USG eine Sanierung anzuordnen, wenn sie den Vorschriften des Umweltschutzgesetzes nicht genügen. Auch für Kirchenglocken gilt ferner das Vorsorgeprinzip (Art. 11 Abs. 2 USG), und die Emissionsbegrenzungen (Art. 12 USG) sind zu verschärfen, wenn feststeht zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich lästig werden (Art. 11 Abs. 3 USG). Schutzmassnahmen nach Art. 12 Abs. 2 USG sind dabei nicht erst zu treffen, wenn die Umweltbelastung schädlich lästig wird, sondern es müssen gestützt auf das Vorsorgeprinzip schon sämtliche unnötigen Emissionen vermieden werden. Das ist allerdings nicht so zu verstehen, dass jeder im strengen Sinn nicht nötige Lärm untersagt werden müsste. Es gibt keinen absoluten Anspruch auf Ruhe; vielmehr sind geringfügige, nicht erhebliche Störungen hinzunehmen. Darüber hinaus ist im vorliegenden Zusammenhang zu beachten, dass die Lärmschutzvorschriften auf Geräusche zugeschnitten sind, die als unerwünschte Nebenwirkungen einer bestimmten Tätigkeit auftreten. Daneben gibt es aber Geräusche, welche den eigentlichen Zweck einer bestimmten Tätigkeit ausmachen, so die Musik beim Spielen von Instrumenten eben der Klang beim Läuten der Glocken. Solche Lärmemissionen können nicht völlig vermieden und in der Regel auch nicht in der Lautstärke wesentlich reduziert werden, ohne dass zugleich der Zweck der sie verursachenden Tätigkeit vereitelt würde. Derartige Lärmemissionen als unnötig und unzulässig zu qualifizieren, würde implizieren, die betreffende Tätigkeit generell als unnötig zu betrachten. Solche Tätigkeiten werden zwar aufgrund des Umweltschutzgesetzes beurteilt, aber zugleich unter Berücksichtigung des Interesses an der Lärm verursachenden Tätigkeit nicht völlig verboten, sondern bloss einschränkenden Massnahmen unterworfen. Da eine Reduktion der Schallintensität meist den mit der betreffenden Tätigkeit verfolgten Zweck vereiteln würde, bestehen die emissionsbeschränkenden Massnahmen in der Regel nicht in einer Reduktion des Schallpegels, sondern in einer Einschränkung der Betriebszeiten. Dabei ist eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung und dem Interesse an der lärmverursachenden Tätigkeit. Da für die Beurteilung solcher Geräusche keine vom Bundesrat festgelegten Belastungsgrenzwerte (Anhänge 38 LSV) bestehen, müssen die Lärmimmissionen im Einzelfall nach den Kriterien der Art. 15, 19 und 23 USG bewertet werden (Art. 40 Abs. 3 LSV). Zu beachten sind insbesondere der Charakter des Lärms, Zeitpunkt, Dauer und Häufigkeit seines Auftretens sowie die Lärmempfindlichkeit bzw. Lärmvorbelastung der betroffenen Zone. Dabei ist nicht auf das subjektive Lärmempfinden einzelner Personen abzustellen, sondern eine objektivierte Betrachtung unter Berücksichtigung von Personen mit erhöhter Empfindlichkeit (Art. 13 Abs. 2 USG) vorzunehmen. Den örtlichen Behörden ist ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen, soweit es sich um Anlässe mit lokaler Ausprägung Tradition handelt.

Zu berücksichtigen ist sodann, dass die Lärmimmissionen des Glockengeläuts von einer Kirche ausgehen und nicht von einem Unternehmen, das nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, das heisst gewinnorientiert, betrieben wird. Insofern kann das in Art. 11 Abs. 2 USG für die Zulässigkeit von vorsorglichen Massnahmen genannte Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit nicht angewendet werden, sondern wird durch eine Verhältnismässigkeitsprüfung ersetzt (BGE 127 II 306 E. 8 S. 318 = URP 2001, S. 1075; 124 II 517 E. 5a S. 522; André Schrade/Theo Loretan in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 1998, Art. 11 N. 35a).

Zusätzlich ist zu prüfen, inwieweit das Geläut kultischen Zwecken dient und damit eine unter dem Schutz von Art. 15 BV stehende religiöse Handlung darstellt. Als solche darf es gemäss Art. 36 Abs. 2 und 3 BV durch staatliches Handeln nur solchen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz öffentlicher Interessen von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sind. Dabei sind die gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen nicht nur abstrakt, sondern anhand konkreter Umstände objektiv zu würdigen. Massnahmen, welche die Durchführung einer religiösen Handlung als solche verunmöglichen wesentlich erschweren, können deshalb nur angeordnet werden, wenn öffentliche Interessen Rechte Dritter konkret beeinträchtigt bedroht werden, aber nicht schon vorsorglich in dem Sinn, dass abstrakt eine Beeinträchtigung erfolgen könnte (vgl. BGr, 19. März 2003, URP 2003, S. 353, E. 3.3).

Nicht unter dem Schutz der Kultusfreiheit stehen das Geläut zu weltlichen Zwecken, wie beispielsweise das Läuten der Glocken an nationalen Feiertagen zur Einberufung der Gemeindeversammlung und die Zeitverkündung durch das Schlagen der Kirchenglocken. Aber auch das Frühläuten gehört wie das Mittag- und Abendläuten zum so genannten bürgerlichen Läuten, das anders als das Geläut vor und nach Gottesdiensten, Beerdigungen, Hochzeiten und anderen kirchlichen Handlungen, nicht Bestandteil des kirchlichen Kultus bildet (OGr, 27. April 1998, ZR 99/2000 Nr. 1 [vom BGr bestätigt am 30. Juni 1998]; OGr, 8. Juli 1968, SJZ 64/1968 Nr. 179) und deshalb nicht unter dem Schutz der Kultusfreiheit steht.

3.

Nach der Läutordnung der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Gossau vom 1. Januar 2001, mit welcher auf das bisherige tägliche Frühläuten um 05.00 Uhr und auf das Vorläuten zum Gottesdienst am Sonntag um 07.45 Uhr ersatzlos verzichtet wurde, läuten die Glocken der Kirche Gossau wie folgt:

Zeit:

Glocke:

Dauer:

11.01

Montag Samstag

15.01

Montag Samstag/Winterzeit

16.01

Montag Samstag/Sommerzeit

variabel

Montag Freitag/vor Eindunkeln

variabel

15

13

Samstag Sonntag/vor Eindunkeln

09.16/10.16

15

13

Gottesdienst

19.16

15

13

Gottesdienst

13.01

Beerdigung

14.01

15

13

Beerdigung

19.31

15

13

Kardonnerstag

05.01

15

Karfreitag

05.01

15

13

Ostern

19.31

15

13

Ostermontag

19.31

15

13

Auffahrt-Mittwoch

05.01

15

Pfingsten

19.31

15

13

Pfingstmontag

19.46

15

13

1. August

05.01

15

Bettag

18.16

15

13

Heilig Abend

21.46

15

13

Heilig Abend

05.01

15

Weihnachten

23.31

15

28

Silvester

00.01

15

28

Neujahr

Im Herbst 2002 wurde zudem beschlossen, das Läuten an Silvester/Neujahr von je 28 Minuten auf je 13 Minuten zu verkürzen. Neben diesem Geläut, bei dem eine alle fünf Glocken zum Schwingen gebracht werden und der Klöppel die Glocken zum Klingen bringt, werden die Stunden geschlagen, und zwar die vollen Stunden der Uhrzeit entsprechend mit 1 bis 12 Schlägen und die Viertelstunden mit jeweils einem bis vier Schlägen. Für diesen Uhrschlag werden die Glocken durch einen Hammer zum Klingen gebracht, wobei laut den Feststellungen der Baurekurskommission die Viertelstundenschläge "relativ fein" ausfallen, während die auf einer anderen Glocke angeschlagenen vollen Stunden etwas lauter angezeigt werden.

4.

Nach Art. 36 Abs. 1 LSV muss die Vollzugsbehörde die Aussenlärmimmissionen einer ortsfesten Anlage ermitteln bzw. ermitteln lassen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass die massgebenden Belastungsgrenzwerte überschritten sind. Diese Bestimmung ist nicht nur auf die Errichtung neuer, sondern auch auf die Sanierung bestehender Anlagen anwendbar (BGE 115 Ib 446 E. 3a und d). Bei Anlagen, für welche keine Grenzwerte bestehen, gilt der Grundsatz sinngemäss (BGE 115 Ib 446 E. 3b; Robert Wolf in: Kommentar USG, 2000, Art. 25 N. 95).

Bei der Frage, ob Grund für die Annahme einer Grenzwertüberschreitung besteht, steht der Behörde ein gewisses Ermessen zu. An die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung dürfen jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Nach dem Sinn der Vorschrift ist die Ermittlung erforderlich, wenn erhebliche Anhaltspunkte für eine übermässige Lärmbelastung sprechen (vgl. BGE 115 Ib 446 E. 3a; BGr, 2. September 2002, URP 2002, S. 685, E. 2.4).

4.1 Der Beschwerdeführer hat im Rekursverfahren die Resultate einer privaten Lärmmessung eingereicht, welche im April/Mai sowie im Oktober/November 2002 an drei Standorten beim Zentrum "M", in dem sich seine Wohnung befindet, ermittelt wurden. Für die Messorte auf drei Balkonen der Überbauung ergab sich laut den Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Renovation der Kirche im Sommer 2002 ein durchschnittlicher Schallpegel von 74,62 dB(A) für das Nachmittagsläuten und von 84,47 dB(A) für das Messeläuten um 10.20 Uhr. Nach der Renovation der Kirche, bei der auch das Läutwerk gereinigt und dessen Ketten ausgewechselt wurden, seien Werte zwischen 77,63 dB(A) beim Abendläuten an Wochentagen und 90,62 dB(A) am Wochenende ermittelt worden.

Die Vorinstanz hat diese Messungen als nicht aussagekräftig gewürdigt, weil nicht bekannt sei, ob Berechnungsverfahren und Messgeräte den Anforderungen gemäss Anhang 2 LSV genügt hätten und ob Nebengeräusche zuverlässig ausgeblendet worden seien. Zudem stünden die Messwerte im Widerspruch zu einer vom Rekurrenten eingereichten Stellungnahme des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) vom 15. Oktober 1999, wonach in 50 m Distanz von einem mittelhohen Kirchturm bei mittelgrossen Kirchenglocken am Ohr der Betroffenen ein Schalldruckpegel von 60 dB(A) zu erwarten sei; übertragen auf die hier zu beurteilenden Verhältnissen mit einer Distanz von 200 m zwischen Kirchturm und Wohnung des Beschwerdeführers bedeute dies, dass dort mit Werten unter 60 dB(A) zu rechnen sei, und zwar auch dann, wenn mit mehreren Glocken geläutet werde.

4.2 Der Vorinstanz ist zunächst beizupflichten, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Messergebnisse wenig Aussagekraft haben. Insbesondere fehlt ein Messbericht, welcher über die verwendeten Messgeräte, ihre Kalibrierung, die genauen Messorte, den Betrieb der Lärmquelle (Geläut mit einer mehreren Glocken, kurze längere Stundenschläge), Wetter und Nebengeräusche Auskunft gibt und welcher den Messvorgang nachvollziehbar und verständlich macht (Robert Hofmann, Lärm und Lärmbekämpfung in der Schweiz, Dübendorf 1997, Ziff. 5.8). Immerhin liegen die gemessenen Werte aber in einem Bereich, bei welchem eine übermässige Lärmbelastung durchaus möglich ist, sodass gemäss Art. 36 Abs. 1 LSV eine Ermittlung der Aussenlärmimmissionen durch die Vollzugsbehörde geboten war. Daran führen auch die quantitativen Überlegungen der Baurekurskommission nicht vorbei: Wenn laut der vom Beschwerdeführer im Rekursverfahren eingereichten Stellungnahme des BUWAL vom 15. Oktober 1999 davon auszugehen ist, dass (bei gekipptem Fenster) "in 50 m Distanz von einem mittelhohen Kirchturm bei mittelgrossen Kirchenglocken am Ohr der Betroffenen ein Schalldruckpegel von mehr als 60 dB(A) zu erwarten ist", so ist eine solche Schätzung allenfalls ein Hinweis auf Messfehler bei den Erhebungen des Beschwerdeführers, jedoch ungeeignet zur quantitativen Erfassung des hier zu beurteilenden Sachverhalts.

Auch die von der Vorinstanz vorgenommene antizipierte Beweiswürdigung vermag die gemäss Art. 36 Abs. 1 LSV gebotene Abklärung nicht zu ersetzen. Aufgrund des von einer Delegation (Referent und juristische Sekretärin) anlässlich eines Lokaltermins an einem Vormittag gewonnenen Eindrucks der Lärmbelastung hat die Rekurskommission erwogen, der auf dem Balkon gut wahrnehmbare Stundenschlag müsse von sich gestört fühlenden Betroffenen auch während der Nacht hingenommen werden, da es sich beim Stundenschlag um einen wesentlichen und nach dem "Empfinden des verständigen Durchschnittsmenschen" zumindest akzeptablen Bestandteil der herkömmlichen Dorfkultur handle. Dasselbe gelte für das etwas lautere Geläut, das mit wenigen Ausnahmen in Zeiten stattfinde, zu denen die Bevölkerung mehrheitlich noch nicht zu ruhen pflege. Ausserhalb dieser Zeiten würden die Glocken nur an einigen kirchlichen Feiertagen geläutet. Solcher sporadisch auftretender Lärm sei für die Störwirkung von geringer Bedeutung und überdies voraussehbar sowie von konstanter Intensität, was die Störwirkung weiter mildere. Zwar könnten durch das Geläut an den hohen kirchlichen Feiertagen um 05.01 bzw. 21.46 Uhr sowie an Silvester/Neujahr um Mitternacht die um diese Zeit schlafenden Bewohner benachbarter Gebäude aufgeweckt werden, doch sei dies gesamthaft betrachtet keine erhebliche Störung, welche die Anordnung von Beschränkungen rechtfertige.

Diese qualitativen Überlegungen sind zwar grundsätzlich richtig; jedoch lässt sich angesichts der vom Beschwerdeführer ermittelten Pegelwerte eine erhebliche Störung nicht mit hinreichender Sicherheit ausschliessen. So ist bei der bereits erwähnten Kirche in Thal laut den Erwägungen des Bundesgerichts noch in einer Entfernung von 370 m ein Maximalpegel von 51,8 dB(A) gemessen worden. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die hohen Pegelwerte, die gemäss den vom Beschwerdeführer eingereichten Aufstellungen gemessen worden sind, auf Besonderheiten des streitbetroffenen Geläuts zurückzuführen sind, dessen Klang und Lautstärke nicht nur von Gewicht, Grösse und Form der Glocken, sondern auch von Grösse und Bauart des Glockenturms, von Art und Material der Aufhängung der Glocken, von Technik, Geschwindigkeit und Abfolge der Schläge, sowie von der Abnützung des Materials beeinflusst werden (Vertraute Klänge störende Klänge? Eine Handreichung für Kirchgemeinden, Kirchlicher Informationsdienst, Zürich. Sodann trifft es zwar zu, dass Lärmproblemen mit einer rein zahlenmässigen Behandlung nicht beizukommen ist; Messungen stellen jedoch zumindest in Grenzfällen den notwendigen Ausgangspunkt für die qualitativen Überlegungen dar, welche für sich allein die gebotene Objektivierung nicht zu gewährleisten vermögen (vgl. Hofmann, Ziff. 7.2.2). Das gilt hier besonders für die nächtlichen Stundenschläge: Nach dem von einer Delegation der Baurekurskommission um 11 Uhr vormittags gewonnenen Eindruck lässt sich nicht schlüssig beurteilen, ob der Stundenschlag eine Stärke erreicht, die in der Nacht zu Aufwachreaktionen führen kann.

4.3 Die vom Beschwerdeführer ermittelten Lärmwerte liefern somit hinreichende Anhaltspunkte für eine übermässige Lärmbelastung, was gemäss Art. 36 Abs. 1 LSV den Beizug eines Lärmgutachtens erforderlich macht.

Das Lärmgutachten der EMPA, das auf einer Messung bei der Wohnung des Beschwerdeführers mittels einer automatischen Messstation über den Zeitraum von etwas mehr als einer Woche im Januar 2005 beruht, kommt zusammengefasst zu folgenden Feststellungen: Für die Stunden- und Viertelstundenschläge zeigt die Auswertung der Messungen im Mittel Maximalpegel von rund 61 bis 69 dB(A) und Mittelungspegel von rund 54 bis 61dB(A). Für das Geläut ergeben sich deutlich höhere Pegel, nämlich im Mittel Maximalpegel zwischen rund 80 bis 87 dB(A) und Mittelungspegel zwischen rund 70 bis 78 dB(A). Zur Frage des Gerichts nach der Interpretation dieser Messerergebnisse, insbesondere von Aufwachreaktionen als Folge des Stundenschlags, äussert sich der Gutachter wie folgt (Gutachten, Ziff. 6):

"Zur Belästigungsreaktion in der Bevölkerung von Glockengeläut kann keine Aussage gemacht werden, weil dazu die notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen fehlen. Hingegen ist ein Hinweis auf die Störung der Kommunikation möglich. Es zeigt sich, dass während des Geläuts die Kommunikation beim Beschwerdeführer aus rein akustischen Gründen im Freien (auf dem Balkon) und im Innern bei geöffneten Fenstern durch die Immissionen des Geläuts erheblich gestört wird. Auch bei geschlossenen Fenstern ist in der Wohnung mit einer wenn auch geringeren Störung der Kommunikation zu rechnen.

Für die Beurteilung der Nacht kann ein Vergleich zum Fluglärm zugezogen werden, da das Glockengeläut auch intermittierend auftritt. Die Maximalpegel verursacht durch Stunden- und Viertelstundenschläge am Ohr der schlafenden Person bei einem spaltweise geöffneten Fenster betragen 4654 dB(A). Sie liegen damit unter dem Pegel, wie er vom Buwal im Fall 'Frühgeläut Bubikon' mit 60 dB(A) in Anlehnung an die Regelung der Lärmschutzverordnung für Fluglärm angegeben wird. Mit Aufweckreaktionen ist trotzdem zu rechnen, jedoch ist deren Wahrscheinlichkeit gering."

4.4 In ihren Stellungnahmen zum Gutachten beantragen die Parteien weitere Beweiserhebungen. Während der Beschwerdeführer für den Fall, dass die Beschwerde nicht bereits auf Grund des vorliegenden Gutachtens gutgeheissen wird, die Einholung eines Lärmwirkungsgutachtens beantragt, lässt der Gemeinderat Gossau verschiedene Ergänzungsfragen an den Gutachter stellen.

4.4.1 Im Gutachten wird darauf hingewiesen, dass über die allgemeine Belästigungswirkung von Kirchengeläut keine Aussagen gemacht werden können, weil wissenschaftliche Grundlagen dazu fehlen. Auch das vom Beschwerdeführer ergänzend beantragte "Lärmwirkungsgutachten" könnte sich deshalb nicht auf solche Grundlagen stützen, sondern solche wären, wie auch der Beschwerdeführer einräumt, vorgängig zu erarbeiten. Eine derartige Forschung sprengt jedoch den Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens und der Antrag des Beschwerdeführers auf Beizug eines Lärmwirkungsgutachtens ist deshalb abzuweisen. Es liegt in der Natur der beim Fehlen von Grenzwerten gebotenen einzelfallweisen Beurteilung, dass die Bewertung der Immissionen durch die Verwaltungsbehörden bzw. die Rechtsmittelinstanzen vorgenommen wird und dabei nur auf bereits vorhandene wissenschaftliche Grundlagen abgestellt werden kann. Dabei ist es jedoch zulässig und geboten, zur Bewertung der Immissionen auf Forschungsergebnisse abzustellen, die andere Lärmarten betreffen, soweit daraus Schlüsse auf die Wirkung der hier in Frage stehenden Immissionen gezogen werden können.

4.4.2 Sodann kann auf eine Ergänzung des Gutachtens im Sinn der Fragen des Gemeinderats Gossau verzichtet werden. Ob sich das für die Messungen verwendete Mikrofon am Fenster eines Kinderschlafzimmers befand (Frage 1), ist unerheblich; entscheidend ist, dass die Messung beim Fenster eines lärmempfindlichen Raums im Sinn von Art. 2 Abs. 6 lit.aLSV vorgenommen wurde. Keine entscheidwesentlichen Fragen werden auch mit den Fragen 2 bis 4 angeschnitten. Ob Schallmessungen auch bei anderen Kirchen vorgenommen wurden und mit welchen Ergebnissen ist für den vorliegenden Entscheid unerheblich; entscheidend ist, ob zur Beurteilung der Belästigungswirkung von Kirchenglocken Untersuchen vorliegen, was der Gutachter bereits verneint hat. Darüber, ob und allenfalls durch welche technischen Massnahmen beim Kirchturm und am Glockengeläut der Schallpegel reduziert werden muss (was mit Frage 5 gemeint sein dürfte), wird aufgrund der nachfolgenden Erwägungen zu entscheiden sein.

5.

Gemäss Beschwerdeantrag 1 soll die Kirchgemeinde dazu verpflichtet werden, "ab sofort die Nachtruhe einzuhalten und auf die Stunden- und Viertelstundenschläge zwischen 21.45 Uhr und 06.00 Uhr zu verzichten".

5.1 Wie im Gutachten ausgeführt wird, beschäftigt sich die Lärmwirkungsforschung beim Nachtlärm vor allem mit Fluglärm, wobei die Forschungsergebnisse teilweise widersprüchlich sind und sich daraus keine direkt in der Praxis verwendbare Grenzwerte ableiten lassen. So sind bei intermittierenden Geräuschen verschiedene physiologische Wirkungen bei Maximalpegeln von 45 bis 55 dB(A) am Ohr der schlafenden Person festgestellt worden. In den WHO-Guidelines werden als niedrigste Pegel, bei denen die Gesundheit beeinträchtigt werden kann (critical health effect) für intermittierende Geräusche ein Maximalpegel von 45 dB(A) in Kombination mit einem Mittelungspegel Leq von 30 dB(A) genannt; um empfindliche Personen zu schützen, sind sogar tiefere Schwellen vorzuziehen (Birgitta Berglund, Thomas Lindvall, Dietrich H. Schwela, Guidelines for Community Noise, World Health Organisation, Genf 2002; http://whqlibdoc.who.int/hq/1999/a68672.pdf). Mark Brink erwähnt für Fluglärm als präventivmedizinische Schutzziele einen Mittelungspegel Leq von maximal 36 dB(A) und einen Maximalpegel von weniger als 50 bis 55 dB(A) für ein einzelnes Ereignis (Schlafqualität und Fluglärm in den Nachtrandstunden: Methodik und erste Ergebnisse einer Feldstudie im Umkreis des Zürcher Flughafens, Manuskript zu Talk Akustisches Kolloquium vom 28. Januar 2004 an der ETH Zürich; http://www.isi.ee.ethz.ch/education/lectures/ak1/ak1_link/kolloquium_brink_2004.pdf). Der Gutachter weist sodann auf einen von Griefahn gefundenen Zusammenhang von Maximalpegeln, Anzahl Ereignissen und Aufwachreaktion hin, wonach beispielsweise bei zwei Ereignissen mit 60 dB(A) eine Aufwachwahrscheinlichkeit von 10% besteht. In der Lärmschutzverordnung habe als Grundlage für die Festsetzung der Nachtgrenzwerte eine kritische Schwelle des Maximalpegels von 60 dB(A) am Ohr der schlafenden Person gedient, wobei durch die Wahl eines 1h-Mittelungspegels die Anzahl der Ereignisse ebenfalls in die Beurteilung einbezogen worden sei. Sodann verweist der Gutachter auf BGE 126 II 366 (=URP 2000, S. 795) betreffend das Frühgeläut in Bubikon, in welchem eine Stellungnahme des BUWAL wiedergegeben wird, wonach gemäss Untersuchungen der SUVA in 50 Metern Entfernung von einem mittelhohen Kirchturm bei mittelgrossen Kirchenglocken am Ohr des Betroffenen im Innern eines Gebäudes (bei gekipptem Fenster zur Belüftung des Zimmers) ein Schalldruckpegel von mehr als 60 dB(A) entstehe; bei einem solchen Schallruckpegel sei nachts mit Aufwachreaktionen zu rechnen, sodass von einer erheblichen Störung im Sinn von Art. 15 USG gesprochen werden müsse.

Unter Bezugnahme auf diese Beurteilungen der Schallwirkung kommt der Gutachter bezüglich des nächtlichen Stundenschlags zum Schluss, dass die Maximalpegel von 46 bis 54dB(A) am Ohr der schlafenden Person bei einem spaltweise geöffneten Fenster zwar noch unter dem Pegel von 60 dB(A) liege, bei welchem gemäss BUWAL mit Aufwachreaktionen zu rechnen sei; gleichwohl sei mit solchen Reaktionen zu rechnen, doch sei ihre Wahrscheinlichkeit gering.

5.2 Zunächst ist festzuhalten, dass die Liegenschaft des Beschwerdeführers in der Wohnzone mit Gewerbeerleichterung WG3 gemäss Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Gossau vom 29. Juni 1998 (BZO) liegt und der Empfindlichkeitsstufe (ES) III zugewiesen ist. Während der ersten und zweiten (22.0023.00 Uhr bzw. 23.0024.00 Uhr) und während der letzten Nachtstunde (05.0006.00 Uhr) gilt für den Lärm des Gesamtverkehrs von Kleinluftfahrzeugen und Grossflugzeugen in der ES III ein Immissionsgrenzwert von 55dB(A). Dieser Wert liegt in der zweiten und letzten Nachtstunde um 5 dB(A) über demjenigen der Stufe II (vgl. Anhang 5 Ziff. 222 LSV). Auch wenn diese Grenzwerte nicht für den nächtlichen Stundenschlag übernommen werden können, lässt sich ihnen doch der Hinweis entnehmen, dass bezüglich des nächtlichen Lärms und der damit verbundenen Auswirkungen, insbesondere der Wahrscheinlichkeit des Aufwachens, in der ES III stärkere Beeinträchtigungen hingenommen werden müssen als in einer ES II.

In einer der ES III zugewiesenen Zone erscheint deshalb die nur geringe Wahrscheinlichkeit, wegen des nächtlichen Stundenschlags aufzuwachen, von welcher das Gutachten aufgrund der ermittelten Maximalpegel ausgeht, nicht zwingend als erhebliche Störung im Sinn von Art. 15 USG. In diese Richtung weist auch der Umstand, dass die vom Gutachter ermittelten Maximalpegel von 46 bis 54 dB(A) am Ohr der schlafenden Person bei einem spaltweise geöffneten Fenster zwar über den Werten liegen, ab welchen gemäss WHO-Guidelines Störungen des Schlafs möglich sind, aber unter den von Brink für den Fluglärm postulierten präventivmedizinischen Schutzzielen. Der vom Gutachter geschätzte Mittelungspegel für die ganze Nacht liegt mit 26 dB(A) sodann deutlich nicht nur unter den von Brink, sondern auch unter den in den WHO-Guidelines postulierten Werten.

5.3 Der Beschwerdeführer macht in seiner Stellungnahme zum Gutachten geltend, er und seine Familie pflegten während rund neun Monaten im Jahr bei offenem Fenster und nur in den drei kältesten Monaten bei spaltweise geöffnetem (gekipptem) Fenster zu schlafen.

Gemäss Art. 39 Abs. 1 LSV werden bei Gebäuden die Lärmimmissionen in der Mitte der offenen Fenster lärmempfindlicher Räume ermittelt; Fluglärmimmissionen können auch in der Nähe der Gebäude ermittelt werden. Ob die Belastungsgrenzwerte gemäss den Anhängen zur Lärmschutz-Verordnung erreicht sind, ist aufgrund der so ermittelten Aussenlärmimmissionen zu prüfen, das heisst anhand der in der Mitte der geöffneten Fenster ermittelten Werte. Wenn wie hier beim Fehlen von Belastungsgrenzwerten im Einzelfall zu bestimmen ist, ob Immissionen die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden erheblich stören (Art. 15 USG in Verbindung mit Art. 40 Abs. 3 LSV), so ist deshalb grundsätzlich vom gemessenen Aussenlärm auszugehen. Bereits die Tatsache, dass zur Begrenzung der Aufwachwahrscheinlichkeit auf ein vertretbares Mass, hier die Fenster nicht geöffnet, sondern nur gekippt werden können, weist deshalb auf eine Störung hin. Das gilt umso mehr, als nach dem Grundsatz von Art.11 Abs. 1 USG die Emissionen in erster Linie durch Massnahmen an der Quelle zu begrenzen sind. Auch hier gilt aber, dass sich die Liegenschaft des Beschwerdeführers in der ES III befindet und ihm deshalb ein gewisses Mass an Beeinträchtigung zuzumuten ist. Kirchen mit ihren Glockengeläuten liegen regelmässig in den Ortszentren, welche zahlreiche weitere mit Emissionen verbundene Funktionen erfüllen. Solche Zentren sind in der Regel gemischten Zonen und entsprechend der ES III zugewiesen, weshalb an den Lärmschutz keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. So ist in diesen Gebieten auch in den Nachtstunden mit dem Lärm zu rechnen, der vom Betrieb von Gaststätten, Unterhaltungslokalen und dergleichen ausgeht. Zudem weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass es sich beim Glockenklang um ein von den meisten Menschen grundsätzlich positiv bewertetes Geräusch handelt, was sich auch im Sprachgebrauch niederschlägt. Die Forschungsergebnisse über die Wahrnehmung des Fluglärms, der bekanntermassen von der Mehrheit der betroffenen Bevölkerung als störend empfunden wird, können deshalb nicht ohne weiteres auf den nächtlichen Stundenschlag übertragen werden. Sodann handelt es sich beim Zeitschlagen um einen jahrhundertealten Brauch, der bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung auch heute noch fest verankert zumindest akzeptiert ist. Es ist deshalb nicht rechtsverletzend, wenn die örtlichen Behörden und mit ihnen die Vorinstanz davon ausgehen, dass in der Bevölkerung von Gossau der mit dem Stundenschlag verbundene Schall nicht jedenfalls nicht als erheblich störend wahrgenommen wird und dass deshalb auch die Notwendigkeit, zur Senkung der Aufwachwahrscheinlichkeit die Fenster teilweise geschlossen zu halten, als zumutbare Einschränkung erscheint.

5.4 Hinsichtlich des nächtlichen Stundenschlags erweist sich damit die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.

6.

Gemäss den massgeblichen ursprünglichen Beschwerdeanträgen 2 und 3 (vgl. vorn, E.1.2) soll der Kirchgemeinde verboten werden, mit dem Kirchengeläut und den Stunden- und Viertelstundenschlägen im Schlafzimmer des Beschwerdeführers (bei gekipptem Fenster) einen Schallpegel von 72 dB(A) zu überschreiten bzw. mit dem Kirchengeläut von Gottesdiensten auf dem Balkon des Beschwerdeführers eine solchen von 80 dB(A). Aufgrund der Formulierung ist zu schliessen, dass sich diese Werte auf die Maximalpegel beziehen.

Wie die Schallmessungen des Gutachters ergeben haben (Gutachten, Ziff. 4.2), liegen die am Fenster ermittelten Maximalpegel des Geläuts mehrheitlich über dem Wert von 80dB(A) und erreichen Höchstwerte von 87 dB(A) bei Beerdigungen. Im Innern ist bei gekipptem Fenster mit einer Reduktion von 15 dB(A) zu rechnen, was Werte zwischen 65und 72dB(A) ergibt.

6.1 Damit wird der vom Beschwerdeführer in seinem Schlafzimmer bei gekipptem Fenster geforderte (Maximal-)Pegel von 72 dB(A) auch durch das Glockengeläut nicht überschritten. Beschwerdeantrag 2 erweist sich damit als gegenstandslos.

6.2 Zur Störungswirkung des Geläuts während des Tages verweist der Gutachter wiederum auf Untersuchungen, welche im Zusammenhang mit dem Fluglärm gemacht wurden. Dabei wurde die Störung der Kommunikation geprüft und daraus die Forderung abgeleitet, dass für eine befriedigende/ausreichende Nutzung des Aussenbereichs der Störschallpegel 59dB(A) nicht übersteigen solle. Bei Maximalpegeln von rund 80 bis 87 dB(A) und Mittelungspegeln von 70 bis 78 dB(A) sei auf dem Balkon des Beschwerdeführers die Kommunikation durch die Immissionen des Geläuts stark behindert sogar verunmöglicht.

Laut Protokoll der Baurekurskommission hat deren Delegation das Geläut um 11.00 Uhr als "von durchschnittlicher Intensität und von durchaus gängigem Ausmass" gewürdigt. Ob es die Kommunikation zu beeinträchtigen vermochte, lässt sich den Feststellungen der Baurekurskommission nicht entnehmen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Lokaltermin an einem Werktag erfolgte, an welchen nur mit einer einzigen Glocke geläutet wird. Zu den sonntäglichen Gottesdiensten, für das Abendläuten an Wochenenden, zu Beerdigungen und für das Früh- und Abendläuten an kirchlichen Feiertagen sowie für das Läuten an Silvester und Neujahr wird jedoch mit allen fünf Glocken geläutet.

Selbst wenn mit dem Gutachter davon auszugehen ist, dass das Läuten der Glocken ein Gespräch auf dem Balkon des Beschwerdeführers stark erschwert, ist es angesichts der kurzen Dauer der Beschallung nicht rechtsverletzend, wenn die Vorinstanzen darin keine erhebliche Störung des Wohlbefindens sehen. Das Mittag- (11.00 Uhr), das Abend- (15.00 bzw. 16.00 Uhr) und das Betzeitläuten (Dämmerung) führen zu drei Störungen täglich. Hinzu kommen das Ein- und Ausläuten des Gottesdiensts an Sonntagen sowie bei Abdankungen, das Einläuten bei Hochzeiten, Abendgottesdiensten und Trauungen, das Morgenläuten an kirchlichen Feiertagen, das Läuten an Silvester und Neujahr sowie vor Gemeindeversammlungen. Auch wenn dadurch die Kommunikation im Freien mehrmals täglich während fünf Minuten und bei einzelnen Anlässen während 10 Minuten gestört wird, muss darin nicht zwingend eine Störung des Wohlbefindens gesehen werden. Abgesehen davon, dass sich der Beschwerdeführer und seine Familie nicht täglich und in der kälteren Jahreszeit nur selten auf dem Balkon aufhalten dürften, gilt auch hier, dass sich die Liegenschaft des Beschwerdeführers in einer zentrumsnahen Mischzone befindet und deshalb der ES III zugewiesen ist. Wie der Stundenschlag wird das Geläut von den meisten Menschen grundsätzlich positiv gewertet und als Teil des kulturellen Erbes zumindest akzeptiert. Ein Teil des Geläuts dient überdies kultischen Zwecken und darf deshalb keinen vorsorglichen Beschränkungen unterworfen werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unverhältnismässig, wenn wegen einer zeitlich eng begrenzten Störung, die nur wenige als Belästigung empfinden, keine zusätzlichen Massnahmen angeordnet wurden. Mit dem Verzicht auf das Frühläuten um 05.00 Uhr und das Vorläuten zum Gottesdienst am Sonntag um 07.45 Uhr sind hier die gebotenen Anpassungen an die gewandelten Lebensgewohnheiten vorgenommen worden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, in welchem das Verwaltungsgericht die Verschiebung des täglichen Frühgeläuts von 06.00 auf 07.00 Uhr anordnete (VGr, 24. Oktober 2001, VB.2001.00167, www.vgrzh.ch). Anders als dort erfolgt das Läuten in Gossau mit wenigen Ausnahmen, die mehrheitlich durch Kultuszwecke gerechtfertigt sind, nicht während der in Art. 32 Abs. 2 PolizeiV festgesetzten Nachtruhe.

Damit erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkt als unbegründet.

7.

Da somit die angefochtene Anordnung des Gemeinderats Gossau auf zutreffender Rechtsgrundlage und einer vertretbaren Abwägung der gegenläufigen Interessen beruht, braucht nicht geprüft zu werden, ob und mit welchen Massnahmen der Schall der Glocken an der Quelle reduziert werden kann. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass sich die gemessenen Pegelwerte am oberen Rand des Vertretbaren bewegen, obwohl der Messpunkt 200 m von der Schallquelle entfernt liegt. Bei geringeren Entfernungen zwischen Quelle und lärmempfindlichen Räumen wäre mit um 12 dB(A) höheren Werten zu rechnen. Auch unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums der örtlichen Behörde dürfte in einem solchen Fall der Rahmen des Vertretbaren gesprengt sein, und es wären zeitliche Beschränkungen und/oder technische Massnahmen an der Quelle anzuordnen, wie sie in der erwähnten Broschüre des kirchlichen Informationsdiensts vorgeschlagen werden.

8.

8.1 Bei diesem Ausgang sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich dem mit seinen Anträgen unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (§ 70 in Verbindung mit §13 Abs. 2 Satz 1 VRG).

Gemäss § 13 Abs. 2 Satz 2 VRG sind dagegen Kosten, die eine Partei verursacht hat, dieser ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens zu überbinden; nach der Praxis wird dieses Verursacherprinzip über die im Gesetz aufgezählten Tatbestände hinaus auf vergleichbare Situationen angewandt (Kölz/Bosshart/Röhl, § 13 N. 20). So wurden einer Partei die Kosten eines im Rekursverfahren angeordneten Gutachtens trotz ihres Obsiegens grossenteils auferlegt, weil sie nach den anwendbaren Bestimmungen ohnehin verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Abklärungen vorzunehmen (RB 1998 Nr. 4; Kölz/Boss­hart/Röhl, § 13 N. 21). Dies tritt hier für die Kirchgemeinde als Inhaberin der streitbetroffenen Anlage zu:

Gestützt auf Art. 46 Abs. 1 USG kann der Inhaber der Anlage nicht nur dazu verpflichtet werden, die für den Vollzug notwendigen Auskünfte zu erteilen, sondern nötigenfalls auch Abklärungen durchzuführen (Ursula Brunner in: Kommentar USG, 1999, Art. 46 N. 14 f.), also z.B. ein Lärmgutachten beizubringen (Wolf, Art. 25 N. 97). Soweit die Kosten dieser Abklärungen direkt beim Auskunftspflichtigen anfallen, hat er sie selber zu tragen (BGr, 7. Juli 1998, URP 1998, S.538 E. 4d; Brunner, Art. 46 N. 29; Wolf, Art. 25 N. 101). Wird der Auftrag für die Ermittlungen von der Vollzugsbehörde erteilt, kann diese die Kosten mittels Gebühren auf den Inhaber der Anlage überwälzen. Die Gebühren müssen jedoch verhältnismässig sein und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage im kantonalen Recht (BGE 119 Ib 389 E. 4 = URP 1994, S. 1; Brunner, Art. 46 N. 29a, Art. 48 N. 14 a.E. und 16; Wolf, Art. 25 N. 101), was hier gemäss § 1 lit. E.3 E.4 der Verordnung über die Gebühren der Gemeindebehörden vom 8. Dezember 1966 (LS 681) zutrifft. Die Kosten des Gutachtens liegen innerhalb des gegebenen Gebührenrahmens von Fr. 5'000.- (lit. E.4) bzw. Fr. 10'000.- (lit. E.3) und erscheinen in Anbetracht der auf dem Spiel stehenden Interessen als verhältnismässig.

Die Gutachtenskosten von Fr. 4'409.50 sind deshalb der Beschwerdegegnerin 1 aufzuerlegen.

8.2 Der Beschwerdeführer ist als Unterliegender sodann zu einer Umtriebsentschädigung von Fr.1'000.- (Mehrwertsteuer inbegriffen) an den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 2 zu verpflichten (§ 17 Abs. 2 lit. a VRG).

Demgemäss entscheidet die Kammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 4'409.50 Gutachten
Fr. 210.-- Zustellungskosten,
Fr. 6'619.50 Total der Kosten.

3. Die Kosten des Gutachtens im Betrag von Fr. 4'409.50 werden der Beschwerdegegnerin 1 auferlegt.

4. Die übrigen Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5. Der Beschwerdeführer wird zu einer Parteientschädigung von Fr. 1'000.- (Mehrwertsteuer inbegriffen) an den Beschwerdegegner 2 verpflichtet, zahlbar innert 30 Tagen ab Rechtskraft dieses Entscheids.


Quelle: https://www.zh.ch/de/gerichte-notariate/verwaltungsgericht.html
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