Zusammenfassung des Urteils SB.2015.00116: Verwaltungsgericht
Die Pflichtigen A und B haben sich mit einer Beschwerde an das Steuerrekursgericht gewandt, da sie einen Forderungsverzicht der D-Bank nicht als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit des Ehemanns betrachteten. Das Steuerrekursgericht gab der Beschwerde teilweise statt und hob den Einspracheentscheid auf, wies die Sache zur erneuten Durchführung des Einspracheverfahrens an das kantonale Steueramt zurück. Es wurden Parteientschädigungen von je Fr. 1'500.- zugesprochen. Das kantonale Steueramt wies die Einsprache erneut ab, worauf die Pflichtigen erneut Beschwerde einreichten. Das Steuerrekursgericht entschied zugunsten der Pflichtigen, verweigerte jedoch eine Parteientschädigung. Die Pflichtigen legten Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein, welches entschied, dass den Pflichtigen eine angemessene Parteientschädigung zusteht. Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB.2015.00116 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 2. Abteilung/2. Kammer |
Datum: | 16.12.2015 |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Leitsatz/Stichwort: | Parteientschädigung bei Motivsubstitution. |
Schlagwörter: | Parteien; Recht; Parteientschädigung; Pflichtigen; Steuerrekursgericht; Entscheid; Einsprache; Rechtsgang; Gericht; D-Bank; Steueramt; Vorinstanz; Bundessteuer; Einspracheentscheid; Forderungsverzicht; Gehör; Beschwerdeführenden; Meuter; Begründung; Beschwerdeschrift; Verwaltungsgericht; Kammer; Einkommen; Gerichtskosten; Beschwerdeverfahren; Erwägung; Gutheissung |
Rechtsnorm: | Art. 142 DBG ;Art. 143 DBG ;Art. 144 DBG ; |
Referenz BGE: | 134 II 124; |
Kommentar: | - |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 2. Abteilung |
SB.2015.00116
Urteil
der 2. Kammer
vom 16.Dezember2015
Mitwirkend: Abteilungspräsident Andreas Frei (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Leana Isler, Verwaltungsrichterin Silvia Hunziker, Gerichtsschreiberin Jsabelle Mayer.
In Sachen
beide vertreten durch RA C,
gegen
betreffend Direkte Bundessteuer 2006
(Parteientschädigung),
hat sich ergeben:
I.
A. A und B (nachfolgend: die Pflichtigen) wandten sich mit Beschwerde vom 17.Juni 2014 erstmals an das Steuerrekursgericht mit dem Hauptantrag, der Einspracheentscheid des kantonalen Steueramts vom 16.Mai 2014 betreffend direkte Bundessteuer 2006 sei wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. In ihrer materiellen Eventualbegründung legten sie dar, weshalb ein von der D-Bank geleisteter Forderungsverzicht im Umfang von Fr. nicht als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit des Ehemanns qualifiziert werden könne.
Mit Entscheid vom 31.Oktober 2014 (1.Rechtsgang) erwog das Steuerrekursgericht, den Pflichtigen sei im Einspracheverfahren zu Unrecht die gestützt auf den klaren Wortlaut von §141 Abs.2 des Steuergesetzes vom 8.Juni 1997 (StG) vorgesehene Anhörung verweigert worden, weshalb deren rechtliches Gehör verletzt sei. Obwohl das Bundesgesetz vom 14.Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) kein entsprechendes Recht auf mündliche Vertretung der Einsprache vorsehe, sei auch der Einspracheentscheid betreffend die direkte Bundessteuer aufzuheben, da hinsichtlich des Forderungsverzichts bei beiden Steuern gleich zu entscheiden sei. Ohne die Angelegenheit materiell zu beurteilen, hiess es die Beschwerde gut, hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur erneuten Durchführung des Einspracheverfahrens an das kantonale Steueramt zurück. Dabei wurden die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin auferlegt und diese verpflichtet, den Beschwerdeführenden für das Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von je Fr.1'500.- (Mehrwertsteuer inbegriffen) zu bezahlen.
B. Am 18.März 2015 wies das kantonale Steueramt die Einsprache wiederum ab, in der Erwägung, dass es sich beim Pflichtigen um einen gewerbsmässigen Liegenschaftenhändler handle und dass der ihm im Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit gewährte Forderungsverzicht der D-Bank steuerbares Einkommen darstelle.
Gegen diesen Entscheid beschwerten sich die Pflichtigen am 7.April 2015 erneut beim Steuerrekursgericht.
Im Lauf des Beschwerdeverfahrens informierte das Steuerrekursgericht die Parteien darüber, dass es einen anderen bzw. einen neuen rechtlichen Standpunkt vertrete, wozu den Parteien das rechtliche Gehör zu gewähren sei: Da der Schuldverzicht der D-Bank aufgrund einer als Suspensivbedingung zu qualifizierenden vertraglichen Klausel erst nach Eingang der mit dem Pflichtigen vereinbarten Zahlungen wirksam werde, seien dem Pflichtigen vor Bezahlung dieser Raten noch gar keine Mittel in Form des Schuldverzichts durch die D-Bank zugeflossen. Da der Zufluss dann erfolge, wenn die zweite Rate bezahlt werde, was unstreitig nicht in der Steuerperiode 2006 erfolgt sei, sei für diese Steuerperiode auf die entsprechenden Aufrechnungen zu verzichten.
Gestützt auf diesen neuen rechtlichen Standpunkt gelangte das Steuerrekursgericht mit Entscheid vom 30.September 2015 (2.Rechtsgang) schliesslich zu einer Gutheissung der Beschwerde, wobei es die Gerichtskosten ausgangsgemäss der Beschwerdegegnerin auferlegte. Indessen verweigerte es den obsiegenden Pflichtigen eine Parteientschädigung, da sie den zur Aufhebung des Entscheids führenden Mangel nicht einmal gerügt hätten.
II.
Mit Beschwerde vom 20.Oktober 2015 beantragten die Pflichtigen dem Verwaltungsgericht, der angefochtene Entscheid sei hinsichtlich der verweigerten Parteientschädigung aufzuheben und die Sache sei zur Zusprechung einer angemessenen Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin.
Während das Steuerrekursgericht auf Vernehmlassung verzichtete, schloss das kantonale Steueramt auf Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung liess sich nicht vernehmen.
Die Kammer erwägt:
1.
Steuerr
2.
von Parteikosten gilt Art.64 Absätze 13 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20.Dezember 1968 (VwVG) Art. 144 Abs.4 DBG Art.64 Abs.1 VwVG kann der ganz teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zugesprochen werden.
Die "Kann-"Bestimmung von Art.64 Abs.1 VwVG wird von Lehre und Rechtsprechung als "Muss-"Vorschrift ausgelegt, sodass bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art.64 VwVG ein Rechtsanspruch auf Parteientschädigung besteht (BGr, 28. April 2014, 2C_846/2013, E.3.3; Michael Beusch in: Christoph Auer/Markus Müller/Benjamin Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich/St.Gallen 2008, Art. 64 N.9). Ein entsprechender Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung ist nicht erforderlich.
Art. 144 Abs. 1 DBGArt. 144 Abs.4 DBGArt.64 Abs.1 VwVGUnterliegerprinzip (BGr, 28.April 2014, 2C_846/2013, E.3.3)Verursacherprinzip: Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann/Hans Ulrich Meuter, Handkommentar zum DBG, 2.A., Zürich 2009, Art. 144 N.10; Kaspar Plüss in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3.A., Zürich etc. 2014, §17 N.27; vgl. anstelle vieler auch BVGr, 26.Oktober 2015, A-3122/2015, E.8.2; 27. Januar 2015, A-2121/2013, E.6.2.2). Das Verursacherprinzip kann u.a. die Kürzung Verweigerung der ParteientschädigungBilligkeitsgründen anders verlegt werden (vgl. Plüss, §17 N.28).
2.3.1 Die Beschwerdeführenden haben im vorinstanzlichen Verfahren vollumfänglich obsiegt. In ihrer Entscheidbegründung stützte sich die Vorinstanz jedoch nicht auf die von den Pflichtigen gestellten Anträge bzw. auf die von ihnen verfochtene Begründung, sondern auf eine neue rechtliche Sichtweise. Somit hiess die Vorinstanz die Beschwerde aus völlig anderen als in der Beschwerdeschrift aufgeführten Gründen und damit in Motivsubstitution gut. Indem es über die Anträge der Pflichtigen hinausging, hat es überdies eine reformatio in melius zugunsten der Pflichtigen vorgenommen (vgl. Art. 143 Abs.1 DBG; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Art.143 N.1).
2.3.2 Gestützt auf das Unterliegerprinzip hätte das Steuerrekursgericht den vollständig obsiegenden Pflichtigen eine Parteientschädigung zusprechen müssen. Von diesem Prinzip abzuweichen, bestand keinerlei Anlass: Für die Zusprechung einer Parteientschädigung kann es nicht darauf ankommen, ob ein Rechtsmittel aufgrund der durchschlagenden Begründung der rechtsmittelführenden Partei gutgeheissen wird ob dieses Ergebnis letztlich darauf zurückzuführen ist, dass das Gericht trotz der an sich sachbezogenen Begründung der Beschwerde das Recht von Amtes wegen ("iura novit curia") anwendet. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Überprüfungsbefugnis des Steuerrekursgerichts einerseits und dem Rügeprinzip andererseits. So kommt dem Steuerrekursgericht grundsätzlich die gleiche und umfassende Kognition zu, wie der Steuerbehörde im Veranlagungsverfahren (vgl. Art. 142 Abs. 4 DBG). Andererseits hat die beschwerdeführende Partei die Beschwerde gemäss Art.140 Abs.2 DBG zu begründen, wobei insofern ein gemässigtes Rügeprinzip herrscht. Die Begründung hat sachbezogen zu sein (vgl. Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Art.140 N.52). Sie muss insbesondere aufzeigen, inwiefern der vorinstanzliche Entscheid an einem Rechtsmangel leidet (vgl. Art.140 Abs.3 DBG) und sich zumindest in minimaler Weise mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinandersetzen (vgl. Martin Zweifel/Hugo Casanova, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, Direkte Steuern, Zürich/Basel/Genf 2008, §24 N.34).
Vorliegend haben sich die Beschwerdeführenden in ihrer Beschwerdeschrift vom 7.April 2015 eingehend und sachbezogen mit den Erwägungen des kantonalen Steueramts im Einspracheentscheid auseinandergesetzt, wonach der steuerpflichtige Ehemann als gewerbsmässiger Liegenschaftenhändler zu qualifizieren sei und der am 7./14.März 2006 vereinbarte Forderungsverzicht der D-Bank steuerpflichtiges Einkommen darstelle. Der vom Steuerrekursgericht vertretene Lösungsansatz wurde erstmals im Beschwerdeverfahren nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels thematisiert und den Parteien mit Verfügung vom 18.August 2015 zur Kenntnis gebracht. Nachdem die Beschwerde grundsätzlich sachbezogen begründet wurde, sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb die von der Vorinstanz vorgenommene Motivsubstitution zu einer Verweigerung der Parteientschädigung führen sollte. Insbesondere ist es dem Gericht verwehrt, der obsiegenden Partei ihren Anspruch auf Entschädigung aufgrund der Qualität ihrer Rechtsschrift ihrer Prozessführungsstrategie abzusprechen. An der in der Literatur (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Art.144 N.45) und der vom Verwaltungsgericht früher vertretenen Auffassung (vgl. VGr, 5.Februar 1992, SB90/0032 sowie VGr, 5.September 1991, SB91/0021 und SB 91/0026 [nicht auf www.vgr.zh.ch veröffentlicht]), wonach der Obsiegende seinen Anspruch auf Parteientschädigung verwirkt, wenn er den zur Aufhebung des Entscheids führenden Mangel nicht einmal gerügt hat, kann in dieser Konsequenz nicht länger festgehalten werden.
Da die im Streit liegenden Fragen offenkundig den Beizug eines Rechtsbeistands erforderlich machten, um eine sachgerechte und wirksame Rechtsverfolgung zu gewährleisten (vgl. Beusch, Art.64 N.11), ist abschliessend auf den Einwand der Beschwerdegegnerin einzugehen, wonach den Pflichtigen bereits im 1.Rechtsgang vor Steuerrekursgericht eine Parteientschädigung zugesprochen worden sei und ihnen da sich im Vergleich zum 1.Rechtsgang weder Sachverhalts- noch Rechtsfragen geändert hätten kein besonderer Aufwand entstanden sein konnte. Dem ist entgegenzuhalten, dass Gegenstand des 1.Rechtsgangs einzig die Gehörsverletzung bildete, während eine materielle Beurteilung erst im 2.Rechtsgang vorgenommen wurde. Dass die Eventualbegründung der Beschwerdeschrift vom 17.Juni 2014 im Wesentlichen mit der Hauptbegründung der Beschwerdeschrift vom 7.April 2015 übereinstimmt, wird die Vorinstanz bei der Bemessung der Höhe der Parteientschädigung zu berücksichtigen haben.
Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde. Die Sache wird zur Bemessung der Parteientschädigung an das Steuerrekursgericht zurückgewiesen.
3.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art.144 Abs.1 in Verbindung mit Art.145 Abs.2 DBG) und ist den Beschwerdeführenden eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art.64 Abs.13 VwVG in Verbindung mit Art.144 Abs.4 und Art.145 Abs.2 DBG).
4.
Nach der Regelung in Art.90ff. des Bundesgerichtsgesetzes vom 17.Juni 2005 (BGG) sind letztinstanzliche kantonale Rückweisungsentscheide, die der unteren Instanz einen Entscheidungsspielraum belassen, grundsätzlich als Zwischenentscheide im Sinn von Art.93 BGG zu qualifizieren (BGE 134 II 124 E.1.3). Zwischenentscheide sind vor Bundesgericht nur direkt anfechtbar, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (lit.a) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit.b). Verbleibt der unteren Instanz, an welche die Sache zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr und dient die Rückweisung nur noch der (rechnerischen) Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten, werden Rückweisungsentscheide nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Endentscheide behandelt (BGE 134 II 124 E.1.3).
Demgemäss erkennt die Kammer:
Fr. 1'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 100.-- Zustellkosten,
Fr. 1'100.-- Total der Kosten.
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