Zusammenfassung des Urteils SB.2008.00028: Verwaltungsgericht
Die A AG, die unter einer massiven Überschuldung litt, erklärte in ihrer Steuererklärung einen Reinverlust und wurde vom Steuerkommissär mit einem steuerbaren Reingewinn eingeschätzt. Nach einem Einspracheverfahren wurde die Kapitalsteuer als Schuld der A AG unter den Nachlassvertrag festgelegt. Ein Rekurs der Liquidationsmasse wurde vom Steuerrekurskommission I gutgeheissen, was zu einer Wiederaufnahme des Einspracheverfahrens führte. Das kantonale Steueramt reichte eine Beschwerde ein, die vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurde, da die Kapitalsteuer unter den gerichtlich genehmigten Nachlassvertrag fällt. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, und eine Parteientschädigung wurde der Beschwerdegegnerin zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB.2008.00028 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | 2. Abteilung/2. Kammer |
Datum: | 03.09.2008 |
Rechtskraft: | Das Bundesgericht hat eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid am 19.02.2009 abgewiesen. |
Leitsatz/Stichwort: | Der Beschwerdeführerin wurde die provisorische Nachlassstundung gewährt. Die Kapitalsteuer, welche nach Bewilligung der prov. Nachlassstundung bis zum Vorliegen des genehmigten Nachlassvertrags anfällt, stellt keine Masseverbindlichkeit dar, sondern fällt unter den gerichtlich genehmigten Nachlassvertrag. Denn sie entsteht unabhängig vom Einfluss des Sachwalters und unterliegt in diesem Sinn auch nicht seiner Genehmigung (im Unterschied zu den transaktionsbezogenen Steuern und Abgaben wie Mehrwertsteuer, Grundstückgewinnsteuer oder Sozialversicherungsabgaben). Allein aus dem Umstand der befristeten Weiterführung der Geschäfte kann nicht indirekt auf Zustimmung des Sachwalters zur Kapitalsteuer geschlossen werden, was jedoch Voraussetzung für die Begründung einer Masseschuld während dieser Periode bildet (Art. 310 Abs. 2 SchKG). Abweisung. Stichworte: KAPITALSTEUER |
Schlagwörter: | Steuer; Lassvertrag; Kapital; Kapitalsteuer; Konkurs; Verwaltung; Schuld; Liquidation; SchKG; Lassstundung; Ermessen; Verwaltungsgericht; Eigenkapital; Liquidationsmasse; Lassliquidation; Steueramt; Lassvertrags; Vorinstanz; Ermessens; Kommentar; Sachwalters; Entscheid; Kammer; Martin; Zweifel; Einspracheverfahren; Zeitraum; Bewilligung |
Rechtsnorm: | Art. 127 BV ;Art. 310 KG ;Art. 317 KG ;Art. 319 KG ; |
Referenz BGE: | 96 I 244; |
Kommentar: | Marti, Peter, Schweizer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I, 1, Art. 29 SR, 2002 |
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich 2. Abteilung |
SB.2008.00028
Entscheid
der 2. Kammer
vom 3. September 2008
Mitwirkend: Abteilungspräsident Martin Zweifel (Vorsitz), Verwaltungsrichter Andreas Frei, Verwaltungsrichterin Leana Isler, Gerichtssekretärin Silvia Hunziker.
In Sachen
betreffend Staats- und Gemeindesteuern
(bis 31.12 .),
hat sich ergeben:
I.
Die A AG, welcher am aufgrund massiver Überschuldung die provisorische Nachlassstundung gewährt worden war, deklarierte in ihrer (rektifizierte) Steuererklärung einen Reinverlust (inkl. Verlustvortrag aus früheren Jahren) von insgesamt Fr. bei einem steuerbaren Eigenkapital von Fr. . Gestützt hierauf schätzte der zuständige Steuerkommissär die A AG für das Steuerjahr mit einem steuerbaren Reingewinn von Fr. 0.- bei einem steuerbaren Eigenkapital von Fr. ein.
Im von der A AG angestrengten Einspracheverfahren unterteilte das kantonale Steueramt das Steuerjahr in zwei Perioden: Einerseits hielt es an den bisherigen Faktoren gegenüber der A AG für den Zeitraum 1. Januar bis und mit 4. Oktober fest. Im hierfür vom zuständigen Steuerkommissär ausgearbeiteten und von der A AG in der Folge akzeptierten Einschätzungsvorschlag im Einspracheverfahren wurde zudem ausdrücklich festgehalten, dass diese Steuerschuld unter den Nachlassvertrag falle. Anderseits erliess das kantonale Steueramt für den Zeitraum vom bis 31.Dezember nun gegenüber der Liquidationsmasse der A in Nachlassliquidation einen Einspracheentscheid mit den nämlichen Faktoren (steuerbarer Reingewinn Fr.0.- bei steuerbarem Kapital von Fr. ). Dabei stellte sich das kantonale Steueramt im wesentlichen auf den Standpunkt, die Kapitalsteuer sei insoweit als sie nach Bewilligung der Nachlassstundung aber vor der gerichtlichen Bestätigung des Nachlassvertrags anfalle, als Masseverbindlichkeit der Liquidationsmasse zu qualifizieren. Der Höhe nach sei dabei für diese Periode auf das einbezahlte Grundkapital abzustellen.
II.
Den hiergegen namens der Liquidationsmasse der A in Nachlassliquidation am 3.Oktober 2007 erhobenen Rekurs hiess die Steuerrekurskommission I mit Entscheid vom 31. Januar 2008 vollumfänglich gut, hob den die Liquidationsmasse der A in Nachlassliquidation betreffenden Einschätzungsentscheid auf und stellte fest, dass die mit der Steuerperiode bis 31.12 . verbundene Kapitalsteuer keine Schuld der Liquidationsmasse der A in Nachlassliquidation begründe sondern als Schuld der A AG unter den Nachlassvertrag falle. Die Steuerrekurskommission I wies im Resultat die Sache zur Wiederaufnahme des Einspracheverfahrens an die Einsprachebehörde zurück.
III.
Hiergegen wandte sich das kantonale Steueramt mit Beschwerde vom 5. März 2008 an das Verwaltungsgericht, dem es die Wiederherstellung des Einspracheentscheids beantragte.
Vorinstanz und Beschwerdegegnerin beantragten Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin beantragte zudem die Zusprechung einer Parteientschädigung.
Die Kammer zieht in Erwägung:
1.
Mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht können laut §153 Abs.3 des Steuergesetzes vom 8.Juni 1997 (StG) alle Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung Missbrauch des Ermessens, und die unrichtige unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts geltend gemacht werden.
Das Verwaltungsgericht hat sich infolgedessen auf die reine Rechtskontrolle zu beschränken; dazu gehört auch die Prüfung, ob die Vorinstanzen den rechtserheblichen Sachverhalt gesetzmässig festgestellt haben. Dem Gericht ist es daher verwehrt, das von der Rekurskommission in Übereinstimmung mit dem Gesetz ausgeübte Ermessen auf Angemessenheit hin zu überprüfen und so sein Ermessen anstelle desjenigen der Rekurskommission zu setzen. Die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts erstreckt sich lediglich auf rechtsverletzende Ermessensfehler, d.h. auf Ermessensüberschreitung und auf Ermessensmissbrauch (RB1999 Nr.147).
2.
2.1 Gegenstand der Kapitalsteuer ist das Eigenkapital (§ 78 StG). Steuerbar ist bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften mindestens das einbezahlte Aktien-, Grund- Stammkapital, einschliesslich des einbezahlten Partizipationskapitals (§ 79 Abs. 2 StG).
Steuerobjekt der Kapitalsteuer bildet das sog. Eigenkapital des Unternehmens. Die Kapitalsteuer ist eine nicht an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfende Steuer (vgl. Felix Richner/Walter Frei/Stefan Kaufmann/Hans Ulrich Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Auflage, Zürich 2006, § 78 N. 2). Dabei kann es dieses Steuersubjekt mit sich bringen, dass die Unternehmung Steuern zu bezahlen hat, obwohl das investierte Eigenkapital von den Aktiven gar nicht mehr gedeckt ist. Eine solche Steuer kann je nach den konkreten Verhältnissen zur reinen Objektsteuer werden, ja gar eine fiktive Besteuerung darstellen, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesamtunternehmung nicht mehr gegeben ist (vgl. etwa Bernhard Zwahlen in: Martin Zweifel/Peter Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, 2. A., Basel/Genf/ München 2002, Art.29a StHG N.3).
2.2 Gemäss § 59 Abs. 1 StG beginnt die Steuerpflicht der juristischen Person mit deren Gründung, mit der Verlegung ihres Sitzes ihrer tatsächlichen Verwaltung in den Kanton mit dem Erwerb von ihm Kanton steuerbaren Werten. Die Steuerpflicht endet unter anderem mit dem Abschluss der Liquidation (§ 59 Abs. 2 StG). Eine Aktiengesellschaft wird gemäss Art. 736 Ziff. 3 des Obligationenrechts (OR) mit der Eröffnung des Konkurses aufgelöst; sie besteht dabei aber weiter mit der Bezeichnung "...(AG) in Liquidation", darunter sie als Steuersubjekt zu erfassen ist (RB 1982 Nr. 55).
2.2.1 Vom eigentlichen Konkursverfahren zu unterscheiden ist das Nachlassverfahren im Sinn von Art. 293 ff. des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11.April 1889 (SchKG). Dieses hat zum Ziel, der Gesellschaft den Konkurs bzw. die Zwangsvollstreckung zu ersparen und für deren Gläubiger ein besseres Liquidationsergebnis zu erzielen. Dabei nähert sich der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung im Sinn von Art. 317 ff. SchKG stark dem Konkurs, geht es doch letztlich um eine in Art des Konkurses durchzuführende, jedoch von manchen formellen Vorschriften befreite Vermögensliquidation (vgl. Kurt Ammon/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. A., Bern 2003, § 53 N. 17). Der Handelsregistereintrag bleibt während der Nachlassstundung unverändert erst mit der richterlichen Genehmigung des Nachlassvertrags ist bei Schuldnern, die im Handelsregister eingetragen sind, der Firma der Zusatz "in Nachlassliquidation" beizufügen (Art. 319 Abs. 2 SchKG). Erst auf diesen Zeitpunkt erlöschen auch das Verfügungsrecht des Schuldners und die Zeichnungsbefugnis der bisher Berechtigten.
2.2.2 Während der (provisorischen definitiven) Nachlassstundung besteht damit ein Schwebezustand in mehrfacher Hinsicht: Zunächst ist offen, ob überhaupt ein Nachlassvertrag zustande kommt, welcher der Bestätigung des Nachlassrichters zugänglich ist (Art.306 SchKG). Sodann ist die Art des Nachlasses (ordentlicher Nachlassvertrag Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung) in aller Regel ebenfalls offen. Zutreffend ist damit die vorinstanzliche Feststellung, dass allein mit der Bewilligung der Nachlassstundung eine Gesellschaft weder aufgelöst noch damit eine sofortige Verselbständigung des Schuldnervermögens verbunden ist. Masseverbindlichkeiten können im Fall eines Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung während der Nachlassstundung daher auch nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Sachwalters entstehen (Art. 310 Abs. 2 SchKG).
2.2.3 Ist der Nachlassvertrag indessen gerichtlich bestätigt, wird er für alle Gläubiger verbindlich, deren Forderungen entweder vor der Bekanntmachung der Stundung seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind (Art. 310 Abs. 1 Satz 1 SchKG). Dies gilt auch für Steuerforderungen. Dabei umfasst der Nachlassvertrag gemäss einhelliger Lehre die bis zur Bestätigung des Nachlassvertrags aufgelaufenen fälligen Steuerbeträge (vgl. Hans Frey in: Martin Zweifel/Peter Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2b, 2. A., Basel/Genf/München 2008, Art.165 DBG N.40; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, § 173 N. 56).
Dieser Auffassung ist jedenfalls für die hier zu beurteilenden Kapitalsteuer beizutreten: Bei der Bewilligung der Nachlassstundung handelt es sich nach dem Gesagten nicht um die eigentliche Konkurseröffnung. Die Schuldnerin besteht aus Sicht der Kapitalsteuer weiter und diese Kapitalsteuer wächst vom Vorgang der Stundungsbewilligung unberührt sukzessive mit dem Zeitablauf weiter an (RB 1982 Nr. 94). Dabei entsteht sie als reine Statussteuer unabhängig vom Einfluss des Sachwalters und unterliegt in diesem Sinn auch nicht seiner Genehmigung, im Gegensatz etwa zu den vom Beschwerdeführer angeführten transaktionsbezogenen Steuern und Abgaben wie Mehrwertsteuer, Grundstückgewinnsteuern Sozialversicherungsabgaben. Allein aus dem Umstand der befristeten Weiterführung der Geschäfte häufig und gerade vorliegend unter gänzlich veränderten Rahmenbedingungen kann nicht indirekt auf Zustimmung des Sachwalters zur Kapitalsteuer geschlossen werden, was Voraussetzung für die Begründung einer Masseschuld während dieser Periode bildet (Art. 310 Abs. 2 SchKG). In diese Richtung geht denn auch die Meinungsäusserung des Bundesgerichts in BGE 96 I 244 E. 3, wonach es eben fraglich sei, das Privileg der Masseverbindlichkeit nach dem damaligen Art. 316 c Abs. 2 aSchKG auch auf öffentlich-rechtliche Forderungen auszuweiten, welche direkt nach Gesetz entstehen und nicht "vertraglich" eingegangen werden können.
Weiter entsteht auf diese Weise auch kein Widerspruch zur verwaltungsgerichtlichen Praxis, wonach im Fall eines Konkurses während der Steuerperiode nur der dem Zeitraum vor Konkurseröffnung entsprechende Anteil der Steuerforderung im Konkurs eingegeben werden kann (RB 1982 Nr. 94). Fliesst die Kapitalsteuer auf diesem Weg in den Nachlassvertrag ein, ist gleichzeitig auch sichergestellt, dass das verfassungsrechtliche Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) nicht verletzt wird.
2.3 Damit ist der Entscheid der Vorinstanz zu bestätigen, wonach die streitbetroffene Kapitalsteuer gegenüber der A AG zu eröffnen ist und unter den gerichtlich genehmigten Nachlassvertrag fällt.
Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§151 Abs.1 in Verbindung mit § 153 Abs. 4 StG) und ist der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zuzusprechen (§ 17 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 in Verbindung mit § 152 und § 153 Abs. 4 StG), die sich betreffend der Höhe nach derjenigen orientiert, welche die Vorinstanz unbeanstandet zugesprochen hat.
Demgemäss entscheidet die Kammer:
Fr. 15'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 100.-- Zustellungskosten,
Fr. 15'100.-- Total der Kosten.
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