Kanton: | ZH |
Fallnummer: | PG180008 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 20.06.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ernennung eines Schiedsrichters |
Zusammenfassung: | Die Stadt A. hat bei der Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Uster eine Klage über eine Forderung von Fr. 6'773.- gegen B. eingereicht. Der Pachtvertrag zwischen den Parteien enthielt eine Klausel, die Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht beilegt. Die Gesuchstellerin bat die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich um die Ernennung eines zweiten Schiedsrichters, da die Gesuchsgegnerin sich weigerte, einen Schiedsrichter zu benennen. Die Verwaltungskommission setzte die Gerichtskosten auf Fr. 1'000.- fest und ordnete an, dass die Gesuchstellerin die Kosten vorläufig zu tragen hat. Mieter-Schlichter E. wurde als Schiedsrichter ernannt. |
Schlagwörter: | Gesuch; Schiedsrichter; Gesuchs; Gesuchsgegnerin; Ernennung; Parteien; Schiedsgericht; Obergericht; Schlichtungsbehörde; Uster; Gericht; Frist; Pacht; Kantons; Verwaltungskommission; Eingabe; Schlichter; UP/URV; Schiedsrichters; Obergerichts; Verfahren; Miete; Über; Beschluss; Schiedsgerichts; Wiedererwägung; Schiedsvereinbarung; Pachtsachen |
Rechtsnorm: | Art. 111 ZPO ; Art. 256 ZPO ; Art. 274c OR ; Art. 354 ZPO ; Art. 356 ZPO ; Art. 361 ZPO ; Art. 362 ZPO ; Art. 404 ZPO ; Art. 90 BGG ; Art. 92 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr. PG180008-O/U
Mitwirkend: Der Obergerichtsvizepräsident lic. iur. M. Langmeier, Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden und Oberrichterin lic. iur. F. Schorta sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. C. Heuberger Golta
Beschluss vom 20. Juni 2019
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,
gegen
Gesuchsgegnerin
betreffend Ernennung eines Schiedsrichters
Erwägungen:
Einleitendes; Prozessverlauf
Am 13. Juni 2018 ging bei der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster eine Klage der Abteilung ... der Stadt A. (fortan: Gesuchstellerin) über eine Forderung von Fr. 6'773.- gegen B. (fortan: Gesuchsgegnerin) ein (act. 3/1). Der Klage lagen die Klagebewilligung des Friedensrichteramtes A. vom 22. Februar 2018 (act. 3/7) sowie der zwischen den Parteien am 21. April 2005 abgeschlossene Pachtvertrag über das landwirtschaftliche Gewerbe C. -Strasse (...) in A._ bei (act. 3/2). Der Pachtvertrag enthält auf S. 17 unter dem Titel Vorgehen bei Streitigkeiten folgende Klausel:
Streitigkeiten, die aus diesem Pachtvertrag entstehen, sind durch einen Sachverständigen eine Schlichtungsstelle beizulegen. Ueber Streitigkeiten, welche der Sachverständige die Schlichtungsstelle nicht beilegen kann, entscheidet ein Schiedsgericht endgültig. Beide Parteien wählen einen Schiedsrichter. Diese bestimmen zusammen den Obmann. Können sie sich hierüber nicht einigen, wird der Obmann vom Bezirksgerichtspräsidenten Uster bestimmt. Für das Schiedsgericht gilt die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich.
Die Schlichtungsbehörde Uster bezeichnete sich mit Beschluss vom 24. Juli 2018 als einstweilen zuständig (act. 3/3 S. 2 Ziff. 2 Abs. 1). Sie forderte beide Parteien auf, schriftlich mitzuteilen, welcher Vermieterbzw. Mieter-Schlichter als Parteischiedsrichter gewählt werde (act. 3/3 S. 2 f., S. 5). Die Gesuchstellerin entschied sich innert Frist für den Vermieter-Schlichter D. als Schiedsrichter (act. 3/4). Die Gesuchsgegnerin liess zwei Wahlfristen von 30 Tagen sowie eine Nachfrist von drei Tagen ungenutzt verstreichen (act. 3/5; act. 1 S. 2). Sie führte mit Eingabe vom 12. November 2018 aus, dass sie die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestreite und deshalb keinen Schlichter bezeichnen werde (act. 13/17 S. 1; vgl. auch act. 10).
Daraufhin ersuchte die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 5. Dezember 2018 bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich
mangels ausdrücklicher Regelung dieser Situation in der zitierten Schiedsklausel gestützt auf Art. 362 Abs. 1 lit. b ZPO in Verbindung mit Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO und § 46 GOG um ersatzweise Ernennung eines zweiten Schiedsrichters, damit das Schiedsverfahren vor der Schlichtungsbehörde Uster fortgesetzt werden kön- ne (act. 1).
Die Verwaltungskommission setzte der Gesuchstellerin mit Verfügung vom
17. Dezember 2018 Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses an, welcher rechtzeitig einging (act. 4; 5).
Mit Verfügung vom 7. Januar 2019 wurde der Gesuchsgegnerin Frist angesetzt, um schriftlich im Doppel zum Gesuch Stellung zu nehmen (act. 6). Mit rechtzeitiger Eingabe vom 19. Januar 2019 beantragte die Gesuchsgegnerin eine Fristerstreckung sowie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsvertretung (fortan: UP/URV; act. 7; act. 8/1-3). Die Frist wurde der Gesuchsgegnerin erstreckt (act. 9), das Gesuch um UP/URV wurde mit Beschluss vom 31. Januar 2019 abgewiesen (act. 14).
Mit Eingabe vom 8. Februar 2019 beantragte die Gesuchsgegnerin eine weitere Fristerstreckung, welche ihr wiederum gewährt wurde. Auf ihr erneutes Gesuch um UP/URV wurde informell nicht eingetreten (act. 15; 16).
Mit rechtzeitiger Eingabe vom 3. März 2019 erstattete die Gesuchsgegnerin ihre Stellungnahme (act. 17). Sie schliesst auf Abweisung des Gesuchs und ersucht darum, ihr UP/URV-Gesuch in Wiedererwägung zu ziehen, ansonsten sie beantrage, dass der Gesuchstellerin die Kosten aufzuerlegen seien. Die Gesuchstellerin sei sodann zur Übernahme ihrer aufgelaufenen Anwaltskosten in Höhe von Fr. 6'700.- zu verpflichten. Die Eingabe vom 3. März 2019 wurde der Gesuchstellerin mit Verfügung vom 8. März 2019 zur Kenntnisnahme zugestellt
(act. 19). Diese hat sich dazu nicht vernehmen lassen.
Die Akten der Schlichtungsbehörde Uster wurden beigezogen (act. 11; 13/1-25). Das Verfahren ist spruchreif.
Prozessuales
Für das Schiedsgericht haben die Parteien in der Schiedsklausel vom
21. April 2005 die Anwendbarkeit der per 31. Dezember 2010 ausser Kraft getretenen Zivilprozessordnung des Kantons Zürich vereinbart. Für das vorliegende Verfahren, in welchem es allein um die Wahl des Schiedsgerichts geht, haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen. Entsprechend ist diesbezüglich die Schweizerische Zivilprozessordnung anzuwenden (Art. 404 Abs. 1 ZPO e contrario).
a) Die Mitglieder eines Schiedsgerichts werden nach der Vereinbarung der Parteien ernannt (Art. 361 Abs. 1 ZPO). Sieht eine Schiedsvereinbarung keine andere Stelle für die Ernennung vor ernennt diese andere Stelle die Mitglieder nicht innert angemessener Frist, so nimmt das nach Art. 356 Abs. 2 ZPO zuständige staatliche Gericht auf Antrag einer Partei die Ernennung vor, wenn eine Partei die von ihr zu bezeichnenden Mitglieder nicht innert 30 Tagen seit Aufforderung ernennt (Art. 362 Abs. 1 lit. b ZPO). Ein vom Sitzkanton bezeichnetes Gericht ist als einzige Instanz zuständig für die Ernennung, Ablehnung, Abberufung Ersetzung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter (Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO). Gemäss § 46 GOG i.V.m. § 18 Abs. 1 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 (LS 212.51) obliegt die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich.
b) Gemäss Schiedsabrede vom 21. April 2005 haben beide Parteien je einen Schiedsrichter zu wählen. Diese beiden Schiedsrichter bestimmen hernach zusammen den Obmann des Schiedsgerichts. Die Gesuchsgegnerin widersetzt sich ihrer Pflicht zur Wahl eines Schiedsrichters seit deutlich mehr als 30 Tagen seit Aufforderung (vgl. vorne S. 2 letzter Absatz). Wird ein staatliches Gericht mit der Ernennung betraut, so muss es die Ernennung vornehmen, es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht (Art. 362 Abs. 3 ZPO). Zur Zeit des Abschlusses der Schiedsvereinbarung war Art. 274c aOR einschlägig, der - wie heute Art. 361 Abs. 4 ZPO - vorschrieb, dass Parteien für Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen lediglich die paritätische Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen können (vgl. auch BSK ZPO-Weber-Stecher, N 38 zu Art. 354 ZPO). Dies haben die Parteien damals korrekt getan. Auch sonst bestehen keine Hinweise, dass die Parteien keine gültige Schiedsvereinbarung getroffen hätten (vgl.
Art. 362 Abs. 3 ZPO). Die Verwaltungskommission ist entsprechend zuständig zur Ernennung eines Schiedsrichters einer Schiedsrichterin.
Die Gesuchsgegnerin beantragt, ihr UP/URV-Gesuch bzw. recte den entsprechenden abweisenden Beschluss vom 31. Januar 2019 in Wiedererwägung zu ziehen. Die damals festgestellten Verhältnisse, mithin die Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens der Gesuchsgegnerin (vgl. act. 14 S. 4), haben sich indes nicht verändert. Entsprechend ist das Gesuch um Wiedererwägung abzuweisen (vgl. Art. 256 Abs. 2 ZPO).
Zur Sache
Die Ernennung eines Schiedsrichters einer Schiedsrichterin als solche liegt im freien Ermessen des zuständigen staatlichen Gerichts (BSK ZPO-Habegger, N 22 zu Art. 362 ZPO). Auf entsprechende Anfrage hin erklärte sich MieterSchlichter E. bereit, in der vorliegenden Angelegenheit als Schiedsrichter zu amten. Er hat keine näheren Beziehungen zu einer der Prozessparteien
(act. 22). Entsprechend ist er als Schiedsrichter im Verfahren MR180001-I der Schlichtungsbehörde Uster zu ernennen.
Kosten und Entschädigungsfolgen
In Anwendung von § 13 Abs. 1 GebV OG ist die Gerichtsgebühr auf
Fr. 1'000.- festzusetzen und gemäss Art. 111 Abs. 1 ZPO mit dem von der Gesuchstellerin geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 2'000.- zu verrechnen.
Die beim Obergericht entstandenen Kosten sind praxisgemäss einstweilen von der Gesuchstellerin zu beziehen; der Überschuss von Fr. 1'000.- ist ihr zurückzuerstatten. Über die endgültige Kostentragung wird im Schiedsverfahren zu entscheiden sein. Ebenso wird das Schiedsgericht über die Höhe einer allfälligen Parteientschädigung für das vorliegende Ernennungsverfahren zu befinden haben.
Das gemäss Art. 356 Abs. 2 ZPO für die Ernennung zuständige staatliche Gericht ist einzige kantonale Instanz i.S.v. Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG. Ein positiver Ernennungsentscheid eines staatlichen Gerichts stellt keinen Endentscheid i.S.v. Art. 90 BGG und auch keinen Vorund Zwischenentscheid i.S.v. Art. 92 f. BGG dar, da er keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken vermag. Entsprechend ist ein positiver Ernennungsentscheid nicht anfechtbar (BSK ZPO-Habegger, Art. 362 N 43; BK ZPO-Stark-Traber,
Art. 362 N 52) bzw. erst zusammen mit dem später ergehenden Schiedsspruch (Dasser, in: Oberhammer [Hrsg.], Kurzkommentar ZPO-Dasser, Art. 362 N 11).
Es wird beschlossen:
Das Wiedererwägungsgesuch der Gesuchsgegnerin betreffend UP/URV wird abgewiesen.
Mieter-Schlichter E. wird im Verfahren MR180001-I der Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster für die Gesuchsgegnerin als Schiedsrichter ernannt.
Die Gerichtsgebühr wird auf Fr. 1'000.- festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden einstweilen von der Gesuchstellerin bezogen und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 2'000.- verrechnet; der Überschuss von Fr. 1'000.- wird ihr zurückerstattet.
Über die definitive Kostentragung wird das Schiedsgericht zu entscheiden haben.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen; über eine allfällige Parteientschädigung für das Ernennungsverfahren sowie deren Höhe wird das Schiedsgericht zu befinden haben.
Schriftliche Mitteilung, je gegen Empfangsschein, an:
die Gesuchstellerin
die Gesuchsgegnerin
Mieter-Schlichter E.
die Obergerichtskasse
die Schlichtungsbehörde in Mietund Pachtsachen des Bezirkes Uster, mit den Akten MR180001-I (act. 13/1-25).
Zürich, 20. Juni 2019
Obergericht des Kantons Zürich Verwaltungskommission
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. C. Heuberger Golta versandt am:
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