E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:PG110010
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:Verwaltungskommission
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid PG110010 vom 19.07.2012 (ZH)
Datum:19.07.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vollstreckbarkeitsbescheinigung
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 319 ZPO ; Art. 356 ZPO ; Art. 386 ZPO ; Art. 387 ZPO ; Art. 407 ZPO ; Art. 80 KG ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

Verwaltungskommission

Geschäfts-Nr.: PG110010-O/U

Mitwirkend: Vizepräsident lic. iur. M. Burger, Oberrichter lic. iur. P. Helm und Oberrichter lic. iur. M. Langmeier sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gürber

Beschluss vom 19. Juli 2012

in Sachen

  1. AG,

    Gesuchstellerin

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

    gegen

  2. SA,

Gesuchsgegnerin

betreffend Vollstreckbarkeitsbescheinigung

Erwägungen:

I.

  1. In dem mit Eingabe vom 21. April 2005 bei der Zürcher Handelskammer eingeleiteten Schiedsverfahren erging am 23. Mai 2011 der Schiedsspruch des Schiedsgerichtes der Zürcher Handelskammer (Verfahren Nr. 539/2005; act. 2/4). Darin wurde die beklagte B1. SA (zwischenzeitlich zur B. SA umfir-

    miert; vgl. act. 2/2) verpflichtet, der klagenden A.

    AG Fr. 2'994'144.- zzgl.

    Zinsen zu bezahlen. Im Mehrbetrag wurde die Klage abgewiesen (act. 2/4 S. 72).

  2. Am 10. November 2011 liess die Schiedsklägerin und Gesuchstellerin um Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung für den der Schiedsbeklagten und Gesuchsgegnerin am 3. Juni 2011 (act. 2/6 S. 2) zugestellten Schiedsspruch vom 23. Mai 2011 ersuchen (act. 1). Der ihr mit Verfügung vom 16. Dezember 2011 auferlegte Kostenvorschuss von Fr. 3'000.- (act. 3) wurde innert Frist geleistet (act. 4).

  3. Mit derselben Verfügung vom 16. Dezember 2011 wurde der Gesuchsgegnerin sodann die Möglichkeit eingeräumt, sich innert einer Frist von zwanzig Tagen zum Gesuch der Gegenpartei zu äussern (act. 3). Die Zustellung der Verfü- gung an die Rechtsvertreter der Gesuchsgegnerin, Rechtsanwalt Dr. Y. und Rechtsanwalt lic. iur. Y1. , erfolgte am 29. Dezember 2011 (act. 3). Da innert Frist keine Stellungnahme einging und da das Vertretungsverhältnis zwischen der Gesuchsgegnerin und ihren Rechtsvertretern nicht durch eine bei den Akten befindliche Vollmacht bestätigt ist, wurde mit Verfügung vom 1. Februar 2012 der Gesuchsgegnerin persönlich Frist angesetzt, um zum Gesuch Stellung zu nehmen (act. 5). Diese Verfügung wurde der Gesuchsgegnerin am 13. Februar 2012 zugestellt (act. 5). Von der Möglichkeit zur Einreichung einer Stellungnahme hat die Gesuchsgegnerin in der Folge keinen Gebrauch gemacht.

  4. Mit Eingabe vom 20. April 2012 teilte die Gesuchstellerin mit, dass ihr gestützt auf den Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarkeit im vorliegenden Verfahren

    zur Diskussion stehe, definitive Rechtsöffnung erteilt worden sei. Zudem sei in der Zwischenzeit über die Gesuchsgegnerin der Konkurs eröffnet worden. Es sei deshalb das vorliegende Vollstreckbarkeitsverfahren als gegenstandslos abzuschreiben und es seien der Gesuchstellerin keine Kosten aufzuerlegen (act. 6 S. 2).

  5. Der Gesuchsgegnerin wurde in der Folge Frist angesetzt, um zu dieser Eingabe der Gesuchstellerin Stellung zu nehmen (act. 7). Innert Frist ging keine Stellungnahme der Gesuchsgegnerin bei der Verwaltungskommission ein.

II.

  1. Auf das vorliegende Verfahren ist in Anwendung von Art. 407 Abs. 4 ZPO e contrario die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene eidgenössische Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) anwendbar (vgl. auch Girsberger, in: Spüh- ler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerischen Zivilprozessordnung, Basel 2010, N 6 zu Art. 407). Da das Schiedsgericht seinen Sitz in Zürich hatte (vgl. act. 2/3 S. 3), ist die Zuständigkeit des Obergerichtes des Kantons Zü- rich gegeben (Art. 386 Abs. 3 i.V.m. Art. 356 Abs. 1 ZPO; § 46 GOG).

  2. Ein Prozess wird gegenstandslos, wenn der Streitgegenstand während des Prozesses untergegangen oder das rechtliche Interesse aus anderen Gründen während des Verfahrens dahingefallen ist (Rüegg, in: Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, N 8 zu Art. 107). Vorliegend erklärte die Gesuchstellerin, dass sie kein Interesse mehr an der Ausstellung einer Vollstreckbarkeitserklärung habe, da ihr gestützt auf den Schiedsspruch definitive Rechtsöffnung erteilt worden sei (act. 6 S. 2). Damit ist das rechtliche Interesse dahingefallen und das Verfahren ist als gegenstandslos geworden abzuschreiben.

III.

  1. In Anwendung von § 13 Abs. 1 der Gebührenverordnung des Obergerichts ist die Gerichtsgebühr auf Fr. 1'000.- festzusetzen.

  2. Die Prozesskosten werden grundsätzlich der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Wird das Verfahren als gegenstandlos abgeschrieben, kann das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen (Art. 107 Abs. 1 lit. e ZPO). Dabei ist zu berücksichtigen, wie der mutmassliche Prozessausgang gewesen wäre, wer das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat und bei welcher Partei die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass das Verfahren gegenstandslos wurde (Urwyler, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], DIKE-Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, N 8 zu Art. 107; Jenny, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N 16 zu Art. 107).

    1. Zur Begründung ihres Antrages, es seien ihr keine Kosten aufzuerlegen, führte die Gesuchstellerin aus, ihr Gesuch um Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung wäre gutgeheissen worden. Die Gegenstandslosigkeit sei allein durch die Verfahrensdauer verursacht und das Begehren der Gesuchstellerin sei in zeitlicher Hinsicht überholt worden. Der entscheidenden Instanz dürften sodann kaum Kosten entstanden sein. Die Gesuchstellerin habe nicht anders handeln können und habe vorsichtig, pflichtgemäss und korrekt gehandelt (act. 6 S. 2).

    2. Das vorliegende Verfahren wurde durch die Gesuchstellerin veranlasst und der Grund für die Gegenstandslosigkeit ist auf Seiten der Gesuchstellerin eingetreten. Zutreffend ist, dass dem Gesuch der Gesuchstellerin tatsächlich hätte stattgegeben werden können, wurden doch die für die Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung notwendigen Unterlagen zu den Akten gereicht (vgl. act. 2/1-6). Daraus kann die Gesuchstellerin hinsichtlich der Kostenauflage jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten, wären doch auch bei Gutheissung des Gesuches um Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung praxisgemäss die

Kosten der Gesuchstellerin auferlegt worden (vgl. Beschluss der Verwaltungskommission vom 14. November 2011, PG110002). Im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Gesuchstellerin, die Gegenstandslosigkeit sei allein durch die lange Verfahrensdauer verursacht bzw. ihr Begehren sei in zeitlicher Hinsicht überholt worden, da ihr definitive Rechtsöffnung erteilt worden sei, ist die Gesuchstellerin auf Art. 387 ZPO hinzuweisen. Danach hat ein Schiedsspruch mit seiner Er- öffnung die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtlichen Entscheides. Es bedarf für die Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs somit keiner Vollstreckbarkeitsbescheinigung mehr (Girsberger, a.a.O., N 7 zu Art. 386 und N 24 zu Art. 387; Brunner, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], DIKEKommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, N 10 zu Art. 386; Gränicher, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N 20 zu Art. 386). Wird eine Partei - wie im vorliegenden Fall die Gesuchsgegnerin - im Schiedsspruch zu einer Geldzahlung verurteilt, stellt der Schiedsspruch selbst bereits einen definitiven Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 80 SchKG dar (Girsberger, a.a.O., N 25 zu Art. 387). Selbstverständlich war es der Gesuchstellerin unbenommen, trotzdem die Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung zu verlangen, ist diese Möglichkeit doch in Art. 386 Abs. 3 ZPO ausdrücklich vorgesehen. Das Risiko, dass die definitive Rechtsöffnung auch ohne Vollstreckbarkeitsbescheinigung erteilt und damit das Verfahren um Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung gegenstandslos wird, bestand damit von Anfang an und ist von der Gesuchstellerin zu tragen. Es erscheint deshalb sachgerecht, die Kosten des vorliegenden Verfahrens der Gesuchstellerin aufzuerlegen. Mangels notwendiger Auslagen ist der Gesuchsgegnerin keine Parteientschädigung zuzusprechen.

IV.

Gemäss Art. 356 Abs. 1 lit. b ZPO bezeichnet der Kanton für die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen ein oberes kantonales Gericht. Das ist im Kanton Zürich gemäss § 46 GOG das Obergericht, und innerhalb des Obergerichts ist das die Verwaltungskommission. Ein Entscheid dieses oberen kantonalen Gerichts in einem Verfahren betreffend Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäss Art. 386 Abs. 3 ZPO ist nicht mit der innerkantonalen Beschwerde im Sinne von Art. 319 ff. ZPO anfechtbar, weil dieses Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet (vgl. Blickenstorfer, in: Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], DIKEKommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/St. Gallen 2011, N 6 zu Art. 319 ZPO; Dasser, in: Oberhammer [Hrsg.], Kurzkommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2010, N 4 und 6 zu Art. 386 ZPO; in diesem Sinne wohl auch: Brunner, a.a.O., N 8 zu Art. 386 ZPO). Nicht zu folgen ist der Lehrmeinung von Gränicher (Gränicher, a.a.O., N 18 zu Art. 386 ZPO), wonach die Vollstreckbarkeitsbescheinigung der Beschwerde unterliege. Diese Auffassung kollidiert mit Art. 356 Abs. 1 lit. b ZPO, wonach für die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit ein oberes kantonales Gericht zuständig ist. Wenn das Gesetz für eine solche Rechtshandlung ein oberes kantonales Gericht vorsieht, dann ist dieses Gericht einzige kantonale Instanz. Gegen den Entscheid eines solchen Gerichts findet keine Beschwerde statt (vgl. Reetz, in: Sutter-Somm/Hasenböh- ler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich/Basel/Genf 2010, N 10 der Vorbemerkungen zu Art. 308-318).

Es wird beschlossen:

  1. Das Verfahren wird infolge Gegenstandslosigkeit als erledigt abgeschrieben.

  2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.- wird der Gesuchstellerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

  3. Die Restanz von Fr. 2'000.- wird der Gesuchstellerin zurückerstattet.

  4. Der Gesuchsgegnerin wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung gegen Empfangsschein an:

    • den Vertreter der Gesuchstellerin

    • die Gesuchsgegnerin

    • die Obergerichtskasse

  6. Rechtsmittel:

Eine allfällige Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (ordentliche Beschwerde) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) i.V.m. Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 2'994'144.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung

Zürich, 19. Juli 2012

OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Verwaltungskommission Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Gürber

versandt am:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz