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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZZ.1997.28)

Zusammenfassung des Urteils ZZ.1997.28: Verwaltungsgericht

Der Text behandelt die rechtlichen Aspekte der Lohngleichheit im öffentlichen Dienst und diskutiert die Möglichkeit von Lohnnachforderungen bei Verstössen gegen dieses Prinzip. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf verfassungsmässige Rechte im öffentlichen Dienst nicht gleichbedeutend mit der blossen Nichtausübung dieser Rechte ist. Weiterhin wird erläutert, dass das Bundesgericht Gesetze im formellen Sinn nur aufhebt, wenn sie sich einer verfassungskonformen Auslegung entziehen. Es wird auch diskutiert, dass ein verfassungswidriges Bundesgesetz, das Besoldungen regelt, durch das Bundesgericht anzuwenden wäre. Schliesslich wird festgehalten, dass die Klägerinnen in teilweiser Gutheissung der Klage ab dem 1. Januar 1996 einen Lohn entsprechend der Lohnklasse 15 erhalten sollen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZZ.1997.28

Kanton:SO
Fallnummer:ZZ.1997.28
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid ZZ.1997.28 vom 15.05.1997 (SO)
Datum:15.05.1997
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Lohngleichheit, Kindergärtnerinnen
Schlagwörter: Recht; Klägerinnen; Bundesgericht; Gesetzgeber; Entscheid; Besoldung; Verwaltungsgericht; Klage; Zeitpunkt; Quot; Gleichberechtigung; Basel; Dienst; Regel; Einstufung; Datum; Lohnes; Einwohnergemeinde; Grundsatz; Haushalt; Leistung; Gleichstellung; öglichen
Rechtsnorm: Art. 113 BV ;Art. 4 BV ;
Referenz BGE:110 Ia 26;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZZ.1997.28

Urteils den Haushalt aus den Angeln heben, wenn bestimmte Personen eine nicht vorhersehbare Leistung beanspruchen dürfen (Béatrice Weber-Dürler: Grenzen des Rechtsschutzes bei der Gleichberechtigung, in: Die Gleichstellung von Mann und Frau als rechtspolitischer Auftrag, Festschrift für Margrith Bigler-Eggenberger, Basel 1993, S. 350, 352). Sollten falsche Einstufungen nach ihrer Beseitigung durch den Gesetzgeber auf mehrere Jahre zurück Lohnnachforderungen ermöglichen, würden Besoldungsungerechtigkeiten vom Gesetzgeber der möglichen finanziellen Konsequenzen wegen kaum mehr eruiert und beseitigt.

7. Der Verzicht auf ein verfassungsmässiges Recht ist abzugrenzen von der blossen Nichtausübung. Wer eine Stelle im öffentlichen Dienst antritt, akzeptiert das massgebende Personalrecht, das u.a. auch die Ausübung verfassungsmässiger Rechte tangieren kann. Ob auch ein Verzicht auf die Lohngleichheit im voraus zulässig ist, ist umstritten. Das Verwaltungsgericht hält mit Ralph Malacrida (Der Grundrechtsverzicht, Zürich 1992, S. 200 ff.) dafür, es handle sich hier nicht um ein unverzichtbares, unverjährbares Grundrecht (Vgl. auch Peter Platzer: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, in: SJZ 1984, S. 302 f.; Ingrid Kron: Bedeutung und Problematik des Gleichberechtigungsartikels für die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, in: SJZ 1982, S. 125). Unbestrittenermassen ist es jedoch möglich, sein Recht bloss temporär nicht auszuüben (Philipp Gremper: Arbeitsrechtliche Aspekte der Ausübung verfassungsmässiger Rechte, Basel 1993, S. 66 ff.). Die Klägerinnen haben sich zu einem bestimmten Lohn engagieren lassen. Die Ernennung bzw. Wahl ist ein antragsoder genehmigungsbedürftiger Entscheid (Blaise Knapp, a.a.O, Rz 3'131), setzt mithin das Einverständnis der Bediensteten voraus.

8. Wenn die Klägerinnen die neue Besoldungsverordnung beim Bundesgericht angefochten hätten, wären sie im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle wohl kaum durchgedrungen, denn das Bundesgericht hebt ein Gesetz im formellen Sinn nur auf, wenn es sich einer verfassungskonformen Auslegung entzieht. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in der Regel rein kassatorischer Natur. Bei Gutheissung der Beschwerde wären allenfalls einzelne Bestimmungen ex nunc aufgehoben worden. Dies mit der Folge, dass ein rechtsfreier Raum entstanden wäre, der kantonale Gesetzgeber mithin neu hätte legiferieren müssen. Allenfalls hätte die noch unbefriedigendere alte Regelung erneut Anwendung finden müssen. Diese in BGE 110 Ia 26 erörterte Problematik kann auch bei der Anfechtung von Erlassen bedeutsam werden, die zwar einen Schritt in Richtung Gleichberechtigung tun, diese aber noch nicht vollständig herstellen (Beatrice Weber-Dürler, a.a.O., S. 341). Das Bundesgericht hätte allenfalls angedeutet, welche Lösung es für verfassungskonform hält; Gelder wären den Beschwerdeführerinnen keine zugesprochen worden (Walter Kälin: Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. A. Bern 1994, S. 397 f.; Hansjörg Seiler: Gewaltenteilung, Bern 1994, S. 568). Wäre die neue Einstufungsverfügung mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten worden, so hätte das Bundesgericht diese allenfalls kassiert und höchstens festgestellt, welche Einstufung es als geboten erachtet. Ein rückwirkender Zuspruch von Lohn wäre nicht in Betracht gekommen (Kälin, a.a.O., S. 400 ff.).

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass ein verfassungswidriges Bundesgesetz, das von Besoldungen handelt, nach Art. 113 Abs. 3 BV durch das Bundesgericht anzuwenden wäre. Im Bereich der Lohngleichheit würde das Bundesgericht allenfalls deutlich auf einen bestehenden Widerspruch hinweisen. Es liegt jedoch keine Konstellation vor, die es berechtigen würde, vom Legalitätsprinzip abzuweichen; es könnten schon gar nicht rückwirkend Leistungen zugesprochen werden (Walter Haller: Kommentar BV, Rz. 206 und 222 ff. zu Art. 113; Otto Kaufmann: Etoilauto SA c. Conféderation, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 139). Das kantonale Verwaltungsgericht ist nicht gehalten, einen strengeren Massstab anzulegen, als dies das Bundesgericht mit Rücksicht auf den Föderalismus zu tun pflegt, verfolgt es doch selber gegenüber den Legislativen eine zurückhaltende Praxis (Biaggini, a.a.O., S. 464).

9.a) Angesichts dieser Gegebenheiten im öffentlichen Recht ist die im Zivilrecht übliche fünfjährige Rückwirkung ab Datum der Klageeinreichung im öffentlichen Dienstrecht nicht haltbar. Die Argumentation mit der Nichtausübung eines verfassungsmässigen Rechtes sowie mit dem Budgetvorbehalt liesse zu, dass den Klägerinnen eine diskriminierungsfreie Besoldung ab Datum der Klageeinreichung bzw. 1. Januar 1995 zustände: durch das Anheben der Klage haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die bisherige Ordnung nicht mehr akzeptieren und die Ausrichtung eines diskriminierungsfreien Lohnes verlangen. Ab diesem Zeitpunkt hätte die Einwohnergemeinde auch die Möglichkeit gehabt, Rückstellungen für den Fall des Obsiegens der Klägerinnen zu budgetieren. Dass der Gesetzgeber aktiv geworden ist und nicht zuletzt auch mit Blick auf die Gleichstellungsproblematik eine neue gesetzliche Ordnung geschaffen hat, welche mit detaillierten Übergangsbestimmungen auf den 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist, weist hingegen ganz klar darauf hin, dass der 1. Januar 1996 das für die Entrichtung eines diskriminierungsfreien Lohnes massgebliche Datum ist. In diese Richtung weist auch die Möglichkeit der Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde, die Anwendung des Legalitätsprinzips und des Vertrauensgrundsatzes.

b) (...) Der Richter kann immer bloss im Sinne einer "Übergangsregelung" (vgl. Pierre Moor: Droit administratif, Bd. 1 Bern 1994, S. 105 f.: si le juge "se substituerait provisoirement ou non au legislateur"), d.h. bis der Gesetzgeber eine Verfassungswidrigkeit beseitigt hat, korrigierend in die Kompetenzen der Legislative eingreifen. Hat aber der Gesetzgeber eine neue generell-abstrakte Regelung samt Übergangsbestimmungen erlassen, darf sich der Richter wiederum diejenige Zurückhaltung auferlegen, die ihm der Grundsatz der Gewaltenteilung abverlangt. So hat denn auch das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt in seinem Entscheid vom 9. Juli 1993 betreffend die Besoldung von Hauswirtschaftslehrerinnen eine rückwirkende Auszahlung des als richtig erkannten höheren Lohnes abgelehnt (S. 16; teilweise publiziert in JAR 1994, S. 156). Zu demselben Schluss gelangt das Zürcher Verwaltungsgericht in einem Entscheid über Dienstalterszulagen (ZBl 1997, S. 93 ff.). Schliesslich hat auch das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 12. November 1993 (2P.96/1993/gea) verneint, dass ein Lohnbestandteil, nämlich die Haushaltszulage, direkt gestützt auf Art. 4 Abs. 2 BV für fünf Jahre rückwirkend ausbezahlt werden muss.

c) Unter diesen Gesichtspunkten ist den Klägerinnen der verfassungsmässige Lohn nicht ex tunc zuzusprechen. Massgeblicher Zeitpunkt ist der 1. Januar 1996, an dem die vom kantonalen Gesetzgeber neu geschaffene Ordnung in Kraft getreten ist. Ab diesem Zeitpunkt ist der diskriminierungsfreie Lohn geschuldet.

IV.

1. Die genaue Berechnung der Lohnguthaben der einzelnen Klägerinnen erweist sich aufgrund der Akten als nicht durchführbar. Es fehlen die entsprechenden Lohnbelege, welche über das tatsächlich bezogene Gehalt, die geleistete Wochenstundenzahl, die Zulagen und die Sozialabzüge Aufschluss geben. Aus verfahrensökonomischen Gründen rechtfertigt es sich, im heutigen Zeitpunkt auf die detaillierte Berechnung der klägerischen Lohnguthaben zu verzichten und lediglich einen Entscheid über die Grundsatzfrage des Diskriminierungsumfanges zu treffen, wie es die Klägerinnen in Ziff. 4 ihres Rechtsbegehrens auch verlangen. Bei Rechtskraft des Grundsatzentscheides werden in erster Linie die Finanzverwaltungen der Einwohnergemeinde Olten und des Kantons Solothurn die detaillierten Lohndifferenzen der einzelnen Klägerinnen zu berechnen haben.

2. In teilweiser Gutheissung der Klage ist somit die Einwohnergemeinde Olten zu verpflichten, den Klägerinnen ab 1. Januar 1996 einen der Lohnklasse 15 entsprechenden Lohn zu bezahlen.

 

Verwaltungsgericht, Urteil vom 15. Mai 1997

Gegen diesen Entscheid ist eine staatsrechtliche Beschwerde noch hängig.



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