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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZZ.1978.25
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid ZZ.1978.25 vom 24.08.1978 (SO)
Datum:24.08.1978
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Bevormundung wegen einer Freiheitsstrafe
Schlagwörter:
Rechtsnorm: Art. 371 ZGB ; Art. 432 ZGB ;
Referenz BGE:91 II 170; 91 II 173;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil wurde ein bedingter Strafvollzug, der für 6 Monate Gefängnis gewährt worden war, widerrufen. - Mit Verfügung vom 24. Juli 1978 entliess das Polizeidepartement des Kantons Solothurn M. S. auf den 29. September 1978 bedingt aus der Strafanstalt. Die Reststrafe beträgt 9 Monate. Das Departement beantragte dem zuständigen Oberamt, M. S. unter Vormundschaft zu stellen. Entsprechend diesem Antrag ordnete das Oberamt die Entmündigung nach Art. 371 ZGB und § 122 EGZGB an. M. S. erhob gegen diese Verfügung beim Verwaltungsgericht Beschwerde. Er machte geltend, seit seiner Verhaftung am 23. Oktober 1976 habe er keinen Vormund gehabt; jetzt, zwei Monate vor der Entlassung solle noch Art. 371 ZGB zur Anwendung kommen. Das sei unnötig, zu seiner persönlichen Hilfe habe er ja den Schutzaufsichtspatron zur Verfügung. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab mit der folgenden Begründung:

1. Die in Art. 371 ZGB genannten Voraussetzungen der Entmündigung sind erfüllt. Insbesondere beträgt die nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Strafzeit (zu welcher auch die 9 Monate Strafrest gelten, für welche die bedingte Entlassung gewährt wird, da diese die Vormundschaft nicht aufhebt, Art. 432 Abs. 2 ZGB) mehr als ein Jahr. Angesichts der gesetzlichen Regelung, so führt das Bundesgericht in BGE 91 II 170 ff aus, könne es sich nur fragen, ob die Entmündigung auch bei einer effektiven Strafdauer von mindestens einem Jahr ausnahmsweise, unter besonderen des Nachweises bedürfenden Umständen, unterbleiben dürfe und solle: dann nämlich, wenn diese Massnahme weder dem Inhaftierten Schutz und Fürsorge bieten können noch der Sicherheit anderer Personen diene, sondern statt irgendwelchen Nutzens bloss beträchtliche Nachteile mit sich bringe. Das Bundesgericht zitiert sodann die in der Lehre an der gesetzlichen Bestimmung bzw. an deren strikter Anwendung vorgebrachte Kritik, lässt die Frage aber offen, da man es in concreto nicht mit einem Falle zu tun habe, in welchem die einem Vormund obliegenden Aufgaben - persönliche Betreuung des Haftgefangenen und Wahrung von Vermögensinteressen desselben - unter den gegebenen Umständen offensichtlich völlig ausser Betracht fallen würden. Gestützt auf die in BGE 91 II 170 ff (1965) erfolgte Auslegung von Art. 371 ZGB, wo in Ausnahmefällen ein Verzicht auf die Entmündigung nicht ausgeschlossen wird, verzichtet die Praxis des Zivilamtsgerichts Bern und der Vormundschaftsbehörde der Stadt Bern in ausserordentlichen Fällen auf die Entmündigung. Ein unveröffentlichter Entscheid des Appellationshofes des Kantons Bern geht offenbar in die gleiche Richtung (BVR 1978 S. 299).Die Zürcher Praxis scheint die Bevormundung nach Art. 371 ZGB nur noch dann anordnen zu wollen, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Betroffenen oder der Öffentlichkeit einen praktischen Sinn hat, was in jedem Falle individuell zu prüfen sei (ZVW 1972 Nr. 15 S. 93 ff, Kreisschreiben der Kant. Justizdirektion vom 14. März 1972). Nunmehr liegt ein neuer Entscheid des Bundesgerichts vom 16. März 1978 vor, worin u. a. gesagt wird, das Bundesgericht habe in Entscheiden vom 10. Februar 1972 und vom 15. Februar 1973 daran festgehalten, dass sich ein Verzicht auf Entmündigung nach Art. 371 ZGB höchstens dann erwägen lasse, wenn feststehe, dass nach den gegebenen Umständen eine persönliche Betreuung des Verurteilten und die Wahrung von Vermögensinteressen völlig ausser Betracht falle, Sodann wird gesagt, Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Art. 371 ZGB (die in BGE 91 II 173 dargelegt wurden) seien derart eindeutig, dass die Nichtanwendung dieser Bestimmung trotz Vorliegens ihrer Voraussetzungen in der Tat nur in einem ausserordentlichen Fall in Frage komme; allenfalls könnte in Art. 371 ZGB bloss eine widerlegbare Vermutung erblickt werden in dem Sinne, dass die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (bzw. der Antritt der Strafe) stets zur Bevormundung führe, wenn nicht der Nachweis geleistet werde, dass im konkreten Fall die persönliche Fürsorge und die Wahrung der Vermögensinteressen des Verurteilten ausser Betracht fallen würden; weiter zu gehen verbiete das Gesetz (Praxis des Bundesgerichts 1978 Nr. 135 S. 334 f).Trotz der auffällig zurückhaltenden Formulierung ("allenfalls ...") ist das Bundesgericht offensichtlich bereit, unter den erwähnten Voraussetzungen den Verzicht auf die Bevormundung nach Art, 371 GB zuzulassen. Es ist deshalb im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Nachweis dafür erbracht ist, dass die persönliche Fürsorge und die Wahrung der Vermögensinteressen des Verurteilten ausser Betracht fallen.

2. Durch die Verbindung von Schutzaufsicht mit trinkerfürsorgerischen Massnahmen wird ein umfassenderer Schutz des Beschwerdeführers angestrebt, als die Schutzaufsicht allein gewähren könnte. Es ist aber nicht zu übersehen, dass der Beschwerdeführer in einer äusserst prekären finanziellen Situation steckt. Nach dem Urteil des Schwurgerichts hat er Zivilforderungen aus den beiden Brandstiftungsfällen von rund 517'000 Franken anerkannt. Wie der Beschwerdeführer, bei dem es sich nach dem bei den Akten des Schwurgerichts befindlichen Gutachten der Kantonalen Psychiatrischen Klinik um einen wenig differenzierten, unintelligenten (IQ 85) jungen Mann handelt, bei dem noch Neigungen zu Verstimmungen und Willensschwäche als wesentliche Charakterzüge vorhanden sind (die als Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit angenommen werden können), sich in dieser finanziellen Misere ohne Hilfe eines gesetzlichen Vertreters zurechtfinden könnte, ist nicht einzusehen. Dies gilt umso mehr, als der Schutzaufsicht Schuldenregulierungen in diesem Ausmass und mit solchen Auswirkungen - auch wenn sie freiwillig dazu bereit wäre - kaum zugemutet werden könnten; ganz abgesehen davon, dass sie den Beschwerdeführer gegen dessen Willen weder vertreten noch zu Schadenersatzleistungen verpflichten könnte. Da der unheilvolle Einfluss des Alkohols noch nicht gebannt ist und die Gefahr deliktischer Rückfälle besteht, ist der Einsatz aller in Frage kommenden Hilfen, inklusive Vormundschaft, angezeigt, umso mehr als sogar das Schutzaufsichtsamt die Bevormundung empfiehlt. Der Nachweis, dass die persönliche Fürsorge und die Wahrung der Vermögensinteressen des Beschwerdeführers ausser Betracht fallen, ist somit nicht erbracht. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.

Verwaltungsgericht, Urteil vom 24. August 1978



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