Zusammenfassung des Urteils ZKBES.2024.117: Verwaltungsgericht
Die Zivilkammer des Obergerichts hat über eine Beschwerde betreffend Volljährigenunterhalt entschieden. Der Kläger forderte die Aufhebung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege des Klägers wurde abgelehnt, während das der Tochter bewilligt wurde. Der Kläger legte Beschwerde ein, die vom Obergericht gutgeheissen wurde. Die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten des Staates. Die Parteientschädigung für den Beschwerdeführer beträgt CHF 2'692.75.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBES.2024.117 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 31.07.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Recht; Unterhalt; Unterhalts; Schweiz; Eltern; Tochter; Einkommen; Rechtspflege; Ausbildung; Urteil; Bundesgericht; Gesuch; Apos; Klage; Volljährigenunterhalt; Gewährung; Beschwerdeführers; Schweizer; Gericht; Kindes; Verfahren; Umstände; Zivilkammer; Amtsgerichtspräsident; Bucheggberg-Wasseramt; Entscheid |
Rechtsnorm: | Art. 277 ZGB ;Art. 286 ZGB ;Art. 326 ZPO ;Art. 4 ZGB ; |
Referenz BGE: | 128 III 411; 129 I 129; 140 III 501; |
Kommentar: | Thomas Geiser, Basler Zivilgesetzbuch I, Art. 286 ZGB, 2022 |
Geschäftsnummer: | ZKBES.2024.117 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 31.07.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2024.116 |
Titel: | unentgeltliche Rechtspflege |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 31. Juli 2024 Es wirken mit: Oberrichterin Kofmel Oberrichter Thomann Gerichtsschreiberin Hasler In Sachen A.___, vertreten durch Fürsprecher Rolf G. Rätz,
Beschwerdeführer
gegen
Amtsgerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt,
Beschwerdegegner
betreffend unentgeltliche Rechtspflege zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. A.___ (im Folgenden: Kläger Vater) reichte am 24. November 2023 beim Richteramt Bucheggberg-Wasseramt Klage betreffend Volljährigenunterhalt gegen seine volljährige Tochter, B.___, geb. [...] 2004 (im Folgenden: Beklagte Tochter), ein. Er stellte das Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass der Kläger der Beklagten rückwirkend ab 8. Juni 2023 keine Unterhaltsbeiträge zu bezahlen habe. Zudem stellte er ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung des unterzeichnenden Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
2. Am 22. Januar 2024 gab Rechtsanwältin Ida Salvetti bekannt, dass die Tochter sie mit der Wahrung ihrer Interessen betraut habe. Gleichzeitig stellte sie ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung der unterzeichnenden Rechtsanwältin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. Am 22. März 2024 erfolgte die Klageantwort der Beklagten.
3. Mit Verfügung vom 5. April 2024 (Ziff. 2) wies der Amtsgerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt das Gesuch des Klägers um Gewährung der integralen unentgeltlichen Rechtspflege zufolge Aussichtslosigkeit ab. Das Gesuch der Beklagten um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege hiess er gut.
4. Frist- und formgerecht erhob der Kläger (im Folgenden auch: Beschwerdeführer) bei der Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn Beschwerde gegen die am 20. Juni 2024 begründete Abweisung des Gesuchs des Klägers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Er stellte das Rechtsbegehren, die Verfügung vom 20. Juni 2024 (recte: Ziff. 2 der Verfügung vom 5. April 2024) sei aufzuheben und es sei dem Kläger zur Durchführung des Zivilprozesses (Klage betreffend Volljährigenunterhalt) das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren unter Beiordnung des unterzeichneten Anwaltes. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
5. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II. 1. Mit Urteil der Amtsgerichtsstatthalterin von Bucheggberg-Wasseramt vom 23. Oktober 2012 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, an den Unterhalt der Tochter monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von CHF 1'000.00 zu leisten. Mit der Klage vom 24. November 2023 beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung dieser Verpflichtung.
2. Das im Verfahren um Aufhebung des Volljährigenunterhalts vom Kläger gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wies der Amtsgerichtspräsident ab mit der Begründung, für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sei insbesondere vorausgesetzt, dass das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheine. Der Kläger habe entschieden, mit seiner Ehefrau die Schweiz zu verlassen und nach Amerika auszuwandern. Er habe seine Arbeitsstelle in der Schweiz, an welcher er ein Nettoeinkommen von CHF 7'250.00 erzielt habe, freiwillig aufgegeben. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei dem Beschwerdeführer ein hypothetisches Einkommen anzurechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klage auf Abänderung der Unterhaltsbeiträge für die Beklagte aufgrund veränderter Verhältnisse auf Seiten des Klägers, sprich ein tieferes Einkommen, gutgeheissen werde, sei daher minim.
3. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, dass es bei der Klage nicht in erster Linie um das tiefere Einkommen des Beschwerdeführers gehe, sondern um die Frage, ob eine mündige, 20-Jährige, welche einige Ausbildungskapriolen hinter sich habe und den Kontakt zum Beschwerdeführer seit Jahren abgebrochen habe, überhaupt noch Anspruch auf einen Mündigenunterhalt habe. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer seine Arbeitsstelle als [...] im Jahr 2017 weder in Schädigungsabsicht noch freiwillig und auch nicht aus egoistischen Gründen aufgegeben. Diese Entscheidung sei unumgänglich gewesen, da der Beruf seine Gesundheit erheblich beeinträchtigt habe. Es sei eine Anstellung als Leiter [...] bei der Stadt [...] gefolgt, welche der Beschwerdeführer im Jahr 2019 aus gesundheitlichen Gründen schliesslich auch habe beenden müssen. Fakt sei, dass der Beschwerdeführer gar nicht mehr als [...] arbeiten könnte, weil nach 5-jähriger Berufsabwesenheit die […]schule neu absolviert werden müsste. Der Beschwerdeführer habe sich daher für einen Berufswechsel entschieden und sei deshalb mit seiner neuen Ehefrau nach Amerika gezogen. Seit etwa vier Jahren betrieben sie dort gemeinsam zwei Unternehmen, durch die der Beschwerdeführer ein durchschnittliches Einkommen von ca. USD 3'354.50 erziele. Inzwischen habe er stabile Lebensumstände und einen sozialen Lebensmittelpunkt in Amerika gefunden. Es bestehe kein Kontakt zu seinen Kindern und er habe keine weiteren engen Beziehungen zur Schweiz. Angesichts dieser Umstände wäre eine Rückkehr in die Schweiz für ihn kaum zumutbar. Zudem sei ausgeschlossen, dass er aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands in der Schweiz wieder als [...] arbeiten könnte. Darüber hinaus habe er in Amerika nicht nur berufliche Stabilität, sondern auch ein soziales Netzwerk aufgebaut, dass ihm und seiner Familie Sicherheit und Unterstützung biete. Die Wiedereingliederung in der Schweizer Gesellschaft und Arbeitswelt sei somit wenig realistisch. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass es sich um Volljährigenunterhalt handle, bei welchem für die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens eine höhere Schwelle angesetzt werde. In solchen Fällen werde dem elterlichen Recht auf Selbstbestimmung und finanzieller Eigenverantwortung mehr Bedeutung beigemessen. Es gehe nicht an, dass ein Zahlvater seine Lebensplanung für ein 20-jähriges Kind noch weitere drei Jahre anzupassen haben solle, so dass er dann eine Ausbildung zur [...]fachfrau während insgesamt rund sieben Jahren mit monatlich CHF 1'000.00 finanzieren solle. Es sei aktenkundig belegt, dass die Tochter vom 1. August 2023 bis zum 30. Juni 2024 eine Ausbildung zur Fachmaturität im Bereich […] absolviert habe. Ob sie diese erfolgreich abgeschlossen habe, entziehe sich der Kenntnis des Beschwerdeführers. In der Klageantwort vom 22. März 2024 habe die Tochter noch geltend gemacht, dass sie als nächstes Ausbildungsziel ein Studium mit dem Abschlussziel Bachelor of Science in [...] anstrebe und am [...] 2024 die Eignungsabklärung absolviert habe. Als Nachweis seien eine Anmeldebestätigung und die entsprechenden Gebühren für dieses Studium eingereicht worden. Ende Juni 2024 habe die Tochter den Beschwerdeführer nun aber per SMS informiert, dass sie im September 2024 [...] eine Ausbildung zur [...]fachfrau beginnen werde. Diese Änderung des Ausbildungsziels sei ohne Absprache mit dem Beschwerdeführer vorgenommen worden und der Beruf einer […]fachfrau wäre wohl auf einfachere und schnellere Art und Weise zu erreichen gewesen. Es stelle sich heute bzw. im anstehenden Verfahren auch die Frage, weshalb der Beschwerdeführer nun während vier Jahren für eine Ausbildung Unterhaltsleistungen erbracht habe, wenn die Tochter nun eine andere Richtung einschlage und nochmals drei Jahre in Ausbildung sein werde. Diese Änderung des Ausbildungsziels führe zu einer Anpassung des Bedarfs der Tochter. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Tochter ein eigenes Einkommen generieren werde. Dieses müsse angerechnet werden. Auch müsse sich die Mutter am Bedarf der Tochter beteiligen. Dies führe zu einer massiven Herabsetzung des Unterhalts.
4.1 Um über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege entscheiden zu können, hat eine Überprüfung der Erfolgschancen im Hauptverfahren zu erfolgen. Aussichtslos sind Rechtsbegehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1). Die Erfolgsaussichten beurteilen sich dabei im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung (Viktor Rüegg/Michael Rüegg in: Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Zürich 2017, Art. 117, Rz. 4).
4.2 Der einmal festgesetzte Kindesunterhalt kann bei einer erheblichen und dauerhaften Veränderung der Verhältnisse auf Antrag angepasst werden (Christiana Fountoulakis in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2022, Art. 286 ZGB N 7). Ausgeschlossen ist die Abänderung nach Art. 286 Abs. 2 ohne Vorliegen eines erheblichen Änderungsgrundes. Ob die Änderung erheblich ist, beurteilt sich nach gerichtlichem Ermessen i.S.v. Art. 4 ZGB unter Würdigung aller massgeblichen Gesichtspunkte bezüglich Dauer wie Höhe des Beitrags (so kann bei einem geringen Unterhaltsbeitrag auch eine eher geringfügige Schwankung bereits Grund zur Abänderung geben). Eine Abänderung des Unterhalts kann nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Unterhaltslast unter Berücksichtigung der im ersten Urteil berücksichtigten Kriterien nunmehr ungleich zwischen den Elternteilen verteilt ist, insb. wenn der ursprünglich festgelegte Beitrag angesichts der neuen Sachlage ungebührend belastend wird. Das Gericht kann sich nicht mit der Feststellung begnügen, dass bei einem Elternteil eine Änderung der Situation eingetreten ist; vielmehr hat es sämtliche Elemente, die bei der ursprünglichen Festlegung des Unterhalts berücksichtigt wurden, zu aktualisieren und auf dieser Basis zu prüfen, ob die früher getroffene Unterhaltsaufteilung zwischen den Eltern angesichts der neuen Umstände unausgewogen erscheint; erst wenn dies bejaht wird, ist der Kindesunterhalt neu festzulegen. Massgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung und Würdigung des Änderungsgrundes und dessen Erheblichkeit ist das Datum des Einreichens der Abänderungsklage (Christiana Fountoulakis, a.a.O., Art. 286 N 11b).
4.3.1 Gemäss Art. 276 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) haben die Eltern für den Unterhalt des Kindes aufzukommen, wobei sich der zu entrichtende Unterhaltsbeitrag gemäss Art. 285 Abs. 1 ZGB nach den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern bemisst. Hat das Kind im Zeitpunkt, da es volljährig wird, noch keine angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis eine entsprechende Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 Abs. 2 ZGB).
4.3.2 Bei freiwilliger Aufgabe der Arbeitsstelle ist ein hypothetisches Einkommen anzurechnen, wenn das Verbleiben bei der bisherigen Stelle möglich und zumutbar war. Bei mutwilliger Einkommensverminderung ist vom zuletzt erzielten Einkommen auszugehen, auch wenn der Pflichtige seinen Arbeitsplatz beim früheren Arbeitgeber nicht mehr einnehmen kann. Bei Ausreise des Unterhaltspflichtigen ins Ausland ist grundsätzlich auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse abzustellen; ein hypothetisches Einkommen wird aber angerechnet, wenn dem Pflichtigen der Verbleib in der Schweiz (rechtlich) möglich und zumutbar war (Urteil des Bundesgerichts 5A_662/2013 vom 24. Juni 2014 E. 3.3: Der Unterhaltsschuldner, der aus der Schweiz zurück zu seinen Eltern und Geschwistern in die Bretagne zog und dort weniger als die Hälfte des in der Schweiz erzielten Lohns erhielt, musste sich angesichts seiner guten beruflichen Integration in der Schweiz das frühere Schweizer Einkommen als hypothetisches Einkommen anrechnen lassen; vgl. zum Ganzen: Christiana Fountoulakis, a.a.O., Art. 285 N 18).
4.3.3 Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit sind nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern und des Kindes, sondern auch die persönliche Beziehung zwischen ihnen und ihrem Kind zu beachten. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet Zumutbarkeit, dass ein gerechter Ausgleich gefunden werden muss zwischen dem Beitrag, der unter Berücksichtigung aller Umstände von den Eltern erwartet werden darf, und der Leistung, die dem Kind in dem Sinne zugemutet werden kann, dass es zu seinem Unterhalt durch eigenen Arbeitserwerb andere Mittel beiträgt. Bei der Beurteilung der persönlichen Zumutbarkeit ist zu beachten, dass Eltern und Kinder einander allen Beistand, alle Rücksicht und Achtung schuldig sind, die das Wohl der Gemeinschaft erfordert (Art. 272 ZGB). Eine Verletzung dieser Pflicht, namentlich, wenn das Kind die persönlichen Beziehungen bewusst abbricht sich dem Kontakt entzieht, kann die Zahlung von Volljährigenunterhalt im Sinne von Art. 277 Abs. 2 ZGB unzumutbar machen, selbst wenn die Eltern dazu wirtschaftlich in der Lage wären. Vorausgesetzt ist allerdings, dass das volljährige Kind schuldhaft seinen Pflichten der Familie gegenüber nicht nachkommt, dass es mithin ohne Grund aus eigenem Willen die persönlichen Beziehungen zu den Eltern abbricht sich grundlos dem persönlichen Verkehr mit ihnen entzieht. Das Kind muss die Verantwortung dafür tragen, dass das Eltern-Kind-Verhältnis erheblich gestört gar zerstört ist, und diese Verantwortung muss ihm subjektiv zum Vorwurf gereichen. Die Frage, ob es den Eltern nach den gesamten Umständen (d.h. sowohl in wirtschaftlicher wie in persönlicher Hinsicht) zugemutet werden kann, für den Unterhalt des mündigen Kindes aufzukommen, ist wie die Bemessung des Unterhalts als Ganzes nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB), das heisst nach allen im Einzelfall erheblichen Umständen zu beurteilen (vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 5A_340/2021 vom 16. November 2021, E. 3.1).
4.3.4 Das Bundesgericht hat die Frage bisher offengelassen, ob der Untersuchungsgrundsatz (und der Offizialgrundsatz) auch im Prozess um Volljährigenunterhalt Anwendung findet (Urteile des Bundesgericht 5A_706/2022 vom 21. März 2023 E. 4.3.4.5; 5A_90/2021 vom 1. Februar 2022 E. 3.2; 5A_865/2017 vom 25. Juni 2018 E. 1.3.2 f.). In den Entscheiden 5A_274/2023, 5A_300/2023 vom 15. November 2023 kam das Bundesgericht zum Schluss, dass – mindestens in Konstellationen, in denen die Kinder während des Scheidungsverfahrens volljährig würden – mehr Argumente für die Geltung der Offizialmaxime gemäss Art. 296 ZPO sprächen. Bereits im Jahr 2022 hat das Bundesgericht in 5A_90/2021 (E. 3.2) mit Blick auf die am 1. Januar 2025 in Kraft tretende Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung festgehalten, dass der Bundesrat, der dem Ständerat kommentarlos gefolgt sei, deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass auch das volljährige Kind im Prozess gegen seine Eltern desselben Schutzes bedürfe wie das minderjährige. Damit dürfte ausser Zweifel stehen, dass per 1. Januar 2025 beim Volljährigenunterhalt der uneingeschränkte Untersuchungsgrundsatz und der Offizialgrundsatz gelten werden (Lötscher Cordula/Yacoubian Christapor, Bundesgericht, II. zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_274/2023, 5A_300/2023 vom 15. November 2023, A.A. gegen B.A. bzw. B.A. gegen A.A., Ehescheidung (Unterhalt), AJP 2024 S. 349 ff., 352). Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und mit Blick auf die per 1.1.2025 in Kraft tretende Änderung der ZPO rechtfertigt es sich, im Verfahren betreffend Volljährigenunterhalt den uneingeschränkten Untersuchungsgrundsatz und die Offizialmaxime anzuwenden. Die Offizialmaxime ist nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten des Kindes bzw. zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen anzuwenden (BGE 128 III 411 E. 3.2.1).
4.4 Aus der Klage ans Richteramt ergibt sich nicht, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer in die USA ausgereist ist. Es ist unklar, ob ihm weiterhin möglich und zumutbar ist, das (damals festgelegte) Einkommen von CHF 7'250.00 netto zu erzielen. Immerhin liegen den Akten Arztzeugnisse des Beschwerdeführers bei. Diese wurden zwar erst anlässlich des Beschwerdeverfahrens eingereicht. Ein Ausschluss von Noven im Beschwerdeverfahren (Art. 326 Abs. 1 ZPO) gilt nicht bei Kinderbelangen. Noven sind vielmehr bis zur Urteilsberatung zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts 5A_290/2020 vom 8. Dezember 2020 E. 3.3.5). Zudem prüfte die Vorinstanz die Argumente des Beschwerdeführers betreffend angeblicher «Ausbildungskapriolen» der Tochter und angeblichem durch die Tochter verschuldeten Kontaktabbruch nicht. Jedenfalls lässt sich nichts dergleichen der Begründung der Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege entnehmen. Damit der Vorderrichter feststellen kann, ob eine erhebliche Änderung vorliegt, die zu einer Aufhebung bzw. Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags berechtigt, hat er sämtliche massgeblichen Gesichtspunkte bezüglich Dauer wie auch Höhe des Beitrags zu würdigen. Dazu gehören auch die Prüfung der finanziellen Situation der Tochter und der Kindsmutter. Anhand einer summarischen Prüfung eines einzelnen Teilaspekts kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verfahren von Beginn weg aussichtslos erscheint. Aufgrund dessen, dass mehrere Elemente in der Gesamtwürdigung zusammen zu einer Änderung des Unterhaltsbeitrags (Aufhebung bzw. Herabsetzung) berechtigen könnten, ist die Aussichtslosigkeit zu verneinen. Der Vollständigkeitshalber ist darauf hinzuweisen, dass der Amtsgerichtspräsident die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers als Voraussetzung der unentgeltlichen Rechtspflege bisher offenbar nicht geprüft hat.
5. Die Beschwerde erweist sich als begründet, sie ist gutzuheissen. Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Verfahrens von CHF 500.00 zu Lasten des Staates. Die Zentrale Gerichtskasse wird angewiesen, dem Beschwerdeführer den von ihm geleisteten Kostenvorschuss von CHF 500.00 zurückzuerstatten. Obsiegt die anwaltlich vertretene mittelose Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr eine normale Parteientschädigung gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO, d. h. das volle Anwaltshonorar – und nicht etwa ein reduzierter Honorartarif – aus der Staatskasse zuzusprechen (BGE 140 III 501 E. 4.3.2; Viktor Rüegg/Michael Rüegg in: Basler Kommentar Schweizerische Zivilprozessordnung, Zürich 2017, Art. 121 N 1a). Der Vertreter des Beschwerdeführers reicht für das Beschwerdeverfahren eine Honorarnote in Höhe von CHF 3'192.75 (Aufwand von 9.9 Stunden à CHF 250.00; Auslagen von insgesamt CHF 566.00 [inkl. Gerichtskostenvorschuss von CHF 500.00] zuzüglich 8.1 % Mehrwertsteuer von CHF 201.75) ein. Diese erscheint angemessen zu sein. Abzüglich des Gerichtskostenvorschusses ergibt dies ein vom Kanton Solothurn zu bezahlendes Honorar von insgesamt CHF 2'692.75. Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziff. 2 der Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten von Bucheggberg-Wasseramt vom 5. April 2024 wird aufgehoben. 2. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 500.00 gehen zu Lasten des Staates. Die Zentrale Gerichtskasse des Kantons Solothurn wird angewiesen, A.___ den von ihm geleisteten Kostenvorschuss von CHF 500.00 zurückzuerstatten. 3. Der Kanton Solothurn hat A.___ eine Parteientschädigung in Höhe von CHF 2'692.75 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 30'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Hasler |
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