Zusammenfassung des Urteils ZKBES.2022.128: Verwaltungsgericht
Die A.___ GmbH wurde wegen Überschuldung in Konkurs erklärt, nachdem die Revisionsstelle eine entsprechende Anzeige gemacht hatte. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Winiger, versuchte erfolglos, das Urteil des Richteramts aufzuheben. Trotz finanzieller Verbesserungen seit Anfang 2022 wurde die Überschuldung der GmbH bestätigt. Die Beschwerde wurde abgewiesen, der Konkurs der A.___ GmbH eröffnet und die Gerichtskosten von CHF 300.00 der Beschwerdeführerin auferlegt.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBES.2022.128 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 13.10.2022 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Konkurs; Apos; Über; Überschuldung; Konkurseröffnung; Gesellschaft; Revisionsstelle; Urteil; Verfügung; Gericht; Zwischenbilanz; Vorinstanz; Behauptungen; Sachverhalt; Rangrücktritt; SchKG; Überschuldungsanzeige; Geschäftsführung; Sanierung; Tatsachen; Entscheid; Forderung; Konto; Richter; Verfügungen |
Rechtsnorm: | Art. 174 KG ;Art. 326 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Hurni, Schweizer, Berner ZPO, Art. 1; Art. 400 ZPO, 2012 |
Geschäftsnummer: | ZKBES.2022.128 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 13.10.2022 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2022.145 |
Titel: | Überschuldungsanzeige |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 13. Oktober 2022 Es wirken mit: Oberrichter Flückiger Oberrichter Thomann Gerichtsschreiberin Hasler In Sachen A.___ GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Winiger,
Beschwerdeführerin
betreffend Überschuldungsanzeige zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. Am 2. Juli 2022 (Postaufgabe: 5. Juli 2022) reichte die B.___ AG, Revisionsstelle (im Folgenden: Revisionsstelle) der A.___ GmbH (vormals: [...] GmbH), beim Richteramt Olten-Gösgen (im Folgenden: Vorinstanz) eine Überschuldungsanzeige i.S.v. Art. 729c OR (Obligationenrecht, SR 220) ein, da die letzte Jahresrechnung und die Zwischenbilanz der A.___ GmbH ergeben habe, dass die Gesellschaft offensichtlich überschuldet sei. Der Verwaltungsrat habe entgegen von Art. 725 Abs. 2 OR den Richter trotz Aufforderung nicht benachrichtigt, weshalb sie ihrer Pflicht nachkomme und die Überschuldung anzeige.
2. Mit Verfügungen der Vorinstanz vom 7./12. Juli 2022, 10. August 2022 und 23. August 2022 wurde die Überschuldungsanzeige der Revisionsstelle der A.___ GmbH zugestellt mit der Gelegenheit, eine Stellungnahme einzureichen. Die Verfügungen konnten weder mit der normalen Post noch mit Spezialzustellung zugestellt werden, weshalb der Inhalt der letzten Verfügung vom 23. August 2022 im Amtsblatt publiziert wurde.
3. Am 14. September 2022 erging das begründete Urteil des Richteramts Olten-Gösgen. Es eröffnete über die A.___ GmbH den Konkurs. Das Urteil wurde im Amtsblatt veröffentlicht.
4. Daraufhin erhob die A.___ GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin), vertreten durch Rechtsanwalt Roland Winiger, am 16. September 2022 Beschwerde bei der Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn. Sie erklärte, das Urteil sei ihr am 16. September 2022 zugestellt und eröffnet worden. Sie beantragte, das Urteil des Richteramts Olten-Gösgen sei aufzuheben, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei ihr eine angemessene Nachfrist zur Einreichung einer begründeten Beschwerde inkl. Belege einzuräumen.
5. Mit Verfügung vom 22. September 2022 wurde das Gesuch der Beschwerdeführerin um Einräumung einer Nachfrist zur Begründung der Beschwerde abgewiesen und die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass es ihr freistehe, die Beschwerde während der noch laufenden Beschwerdefrist ergänzend zu begründen. Über das Gesuch um aufschiebende Wirkung werde nach Ablauf der Beschwerdefrist entschieden.
6. Am 26. September 2022 reichte die Beschwerdeführerin begründete Beschwerde ein. Mit Verfügung vom 28. September 2022 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung gutgeheissen und die Beschwerdeführerin zur Bezahlung eines Kostenvorschusses aufgefordert. Der Kostenvorschuss ging am 3. Oktober 2022 beim Gericht ein.
7. Für die Standpunkte der Beschwerdeführerin und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen. II. 1. Die Vorinstanz begründete das Urteil betreffend Konkurseröffnung dahingehend, dass die Revisionsstelle eine Überschuldungsanzeige eingereicht habe und darin ausgeführt worden sei, dass die letzte Jahresrechnung sowie die Zwischenbilanz der Beschwerdeführerin ergeben habe, dass die Gesellschaft offensichtlich überschuldet sei und die Gesellschaft den Richter trotz ihrer Aufforderung nicht benachrichtigt habe. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu nicht vernehmen lassen. Der von der Revisionsstelle eingereichten Bilanz per 31. Dezember 2021 sei zu entnehmen, dass die Gesellschaft offensichtlich überschuldet sei. Ein Antrag auf Konkursaufschub liege nicht vor. Daher sei der Konkurs zu eröffnen. Die Verfahrenskosten würden der Beschwerdeführerin auferlegt.
2.1 Die Beschwerdeführerin führt dagegen in ihrer Beschwerde vom 16. September bzw. 26. September 2022 aus, dass sich ihre finanzielle Situation in den seit Beginn des Jahres 2022 vergangenen mehr als 8 Monaten massgeblich verbessert habe. Die Vorinstanz habe sich lediglich auf die Jahresrechnung 2021 gestützt, ohne die Revisionsstelle zur Vorlage der von dieser genannten Zwischenbilanz aufzufordern. Damit habe die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich ungenügend festgestellt und der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, sich gegen die angeblichen Feststellungen der Zwischenbilanz zur Wehr zu setzen.
2.2 Die Jahresrechnung 2021 weise ein totales Eigenkapital von minus CHF 45'665.09 aus, was einer offensichtlichen Überschuldung gleichkäme. Im Jahr 2022 habe der einzige Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift jedoch diverse Einlagen geleistet, welche in der Jahresrechnung 2021 keinen Eingang gefunden hätten. Diese umfassten vor dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung CHF 24'144.33.
2.3 Weiter werde pro memoria festgehalten, dass nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung weitere CHF 6'000.00 eingezahlt worden seien, nämlich am 16. September 2022. Weiter habe die Beschwerdeführerin per 1. Januar 2022 ein Darlehen mit Rangrücktritt im Umfang von CHF 10'000.00 erlangen können. Damit liege bei der Beschwerdeführerin materiell neues Kapital im Umfang von CHF 40'144.33 vor.
2.4 Wie bei im Bereich des Personalverleihs tätigen Unternehmen üblich, stellten die Verbindlichkeiten zuhanden der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn einen zentralen Bilanzposten dar. Diese hätten per 31. Dezember 2021 auf der Passivseite der Bilanz unter dem Titel «Kreditor AHV» im vorliegenden Fall CHF 119'417.50 betragen. Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn habe jedoch mit Verfügungen vom 19. April 2022 sowohl für die Beiträge des Jahres 2021 als auch für die bis zu diesem Zeitpunkt neu angefallenen Beträge des Jahres 2022 einen Zahlungsaufschub mit Rentenplan bewilligt. Wie die Ausgleichskasse mit Schreiben vom 23. September 2022 bestätigt, seien die entsprechend verfügten Ratenzahlungen vollumfänglich eingehalten. Wie der entsprechenden Bestätigung weiter zu entnehmen sei, betrage infolge der bereits geleisteten Zahlungen der Ausstand des Jahres 2021 lediglich noch CHF 92'719.85. Bereits geleistet seien somit Zahlungen im Umfang von CHF 49'900.00. Da aufgrund der oben beschriebenen Ausgangslage davon auszugehen sei, dass die Revisionsstelle diese geleisteten Zahlungen nicht und damit in der entsprechenden Zwischenbilanz den vollen Ausstand von rund CHF 119'000.00 für das Jahr 2021 berücksichtigt habe, sei die Bilanz entsprechend zu korrigieren.
2.5 Schliesslich sei zu erwähnen, dass der Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung mit Einzelunterschrift für sämtliche Forderungen gegenüber der Beschwerdeführerin den Rangrücktritt erklärt habe, weshalb diese wie Eigenkapital zu bewerten seien.
2.6 Auch hinsichtlich des künftigen Geschäftserfolgs seien im Übrigen erfolgreiche Sanierungsbemühungen auszumachen. In der Erfolgsrechnung des Jahres 2021 betrage die Position «Fremdmieten» der Kategorie «Raumaufwand» CHF 26'750.00. Die Beschwerdeführerin habe jedoch mit der Vermieterschaft ihrer Geschäftsliegenschaft eine deutliche Reduktion des Mietzinses aushandeln können. Dieser betrage ab dem 1. Oktober 2022 bis zum 30. September 2023 (Miet-Ende) lediglich noch CHF 1'300.00 pro Monat, d.h. CHF 15'600.00 pro Jahr. Auch hierdurch werde eine deutliche Stabilisierung der Beschwerdeführerin möglich sein.
2.7 Weiter sei zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin die genannten Zahlungspläne der AKSO bisher vollumfänglich eingehalten habe und in Zukunft weiterhin uneingeschränkt befolgen werde. Auch hier sei ein nachhaltiger Abbau der Passiven möglich. Es liege diesbezüglich auch im öffentlichen (Fiskal-)Interesse, der Beschwerdeführerin eine Fortführung zu ermöglichen, damit diese ihre Ausstände zuhanden der AKSO ausgleichen könne.
3.1 Ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung überschuldet, so hat die Geschäftsführung die Bilanz zu deponieren bzw. dem Gericht die Überschuldung anzuzeigen (Art. 725 Abs. 2 i.V.m. Art. 810 Abs. 2 Ziff. 7 und 820 Abs. 1 OR). Eine Überschuldung liegt vor, falls sich aus einer Zwischenbilanz ergibt, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungswerten noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, d.h. das Fremdkapital die Aktiven übersteigt (Hanspeter Wüstiner in Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Rolf Watter [Hrsg.], Basler Kommentar Obligationenrecht II, 5. Auflage, Basel 2016, Art. 725 N 29). Die Bestimmungen bezwecken den Schutz der Allgemeinheit, der Gläubiger, der Aktionäre und der Gesellschaft. Sie verbieten einer überschuldeten Gesellschaft, weiter am Geschäftsverkehr teilzunehmen (Hanspeter Wüstiner, a.a.O., Art. 725 N 1). Kommt die Geschäftsführung dieser Pflicht nicht nach und ist die Gesellschaft offensichtlich überschuldet, so ist auch die Revisionsstelle zur Anzeige verpflichtet (Art. 729c und Art. 818 Abs. 1 OR). Sie darf sich dabei auf ihre Revisionsunterlagen abstützen und ist nicht verpflichtet, selber eine Zwischenbilanz zu erstellen (Hanspeter Wüstiner, a.a.O., Art. 725 N 42). Es genügt, wenn sich die Revisionsstelle auf die letzte geprüfte Jahresbilanz abstützt und anhand von Unterlagen belegt, dass nunmehr eine Überschuldung eingetreten ist, z.B. bei einer Wertberichtigung eines grösseren Aktivums respektive bei Debitorenverlusten und Rückstellungen aufgrund von Prozessen wenn sich an der bestehenden Überschuldung nichts geändert hat. Die Voraussetzungen der Überschuldung hat der Richter von Amtes wegen zu prüfen, wobei die Prüfung summarisch erfolgt und sich i.d.R. auf den Bericht der Revisionsstelle stützt (Alexander Brunner/Felix H. Boller/Eugen Fritschi, in Daniel Staehelin/Thomas Bauer/Franco Lorandi [Hrsg.], Basler Kommentar Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Auflage, Basel 2021, Art. 192 N 9). Für das gerichtliche Verfahren gilt die beschränkte Untersuchungsmaxime (Alexander Brunner/Felix H. Boller/Eugen Fritschi, a.a.O., Art. 192 N 22). Diese besteht vor allem in einer verstärkten Fragepflicht des Gerichts, bedeutet aber nicht, dass es aktiv eigene Sachverhaltsermittlungen anzustellen hätte. Es ist Sache der Parteien, dem Gericht das in Betracht kommende Tatsachenmaterial zu unterbreiten (Hurni Christoph, in: Berner Kommentar, ZPO, Band I: Art. 1-149 ZPO; Band II: Art. 150-352 ZPO und Art. 400-406 ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bern 2012, Art. 55 N 62 – 66). Kommt das Gericht aufgrund einer summarischen Prüfung zum Schluss, dass die Gesellschaft überschuldet ist, hat es den Konkurs zu eröffnen (Alexander Brunner/Felix H. Boller/Eugen Fritschi a.a.O., Art. 192 N 16). Das Gericht kann ihn auf Antrag des Verwaltungsrates eines Gläubigers aufschieben, falls Aussicht auf Sanierung besteht; in diesem Falle trifft es Massnahmen zur Erhaltung des Vermögens (Art. 725a Abs. 1 OR).
3.2 Mit der Beschwerde gemäss Art. 320 ZPO kann die unrichtige Rechtsanwendung sowie die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich nur auf die Jahresbilanz 2021 gestützt und habe die von der Revisionsstelle erwähnte Zwischenbilanz nicht eingeholt. Damit habe sie den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt. Wie bereits erwähnt, ist die Revisionsstelle nicht verpflichtet, selbst eine Zwischenbilanz zu erstellen. Es genügt, wenn sich die Revisionsstelle auf die letzte geprüfte Jahresbilanz abstützt. Das Gericht muss sodann keine aktive Sachverhaltsermittlung anstellen. Es ist vielmehr Sache der Parteien, dem Gericht das in Betracht kommende Tatsachenmaterial zu unterbreiten. Die Vorinstanz stützte sich damit zurecht auf den Bericht der Revisionsstelle und die beigelegte Jahresbilanz 2021. Sie versuchte mehrmals und auf verschiedenen Postwegen, der Beschwerdeführerin Verfügungen zuzustellen, was ihr nicht gelang, weshalb sie die Verfügung vom 23. August 2022 im Amtsblatt veröffentlichte. Spätestens ab Veröffentlichung des Inhalts der Verfügung hat die Beschwerdeführerin vom Konkursverfahren Kenntnis erlangt (Art. 141 Abs. 1 und 2 ZPO). Auch nach Veröffentlichung meldete sich die Beschwerdeführerin nicht beim Gericht, reichte keine Stellungnahme zu den Akten und auch keine Belege. Erst, als das Konkursurteil erging, handelte die Beschwerdeführerin. Sie hätte dem Gericht bereits vor Erlass des Urteils Unterlagen unterbreiten können, die allenfalls bewirkt hätten, dass kein Konkurs über die GmbH eröffnet werde. Inwiefern die Vorinstanz der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen habe, sich gegen die angeblichen Feststellungen der Zwischenbilanz zur Wehr zu setzen, ist nicht ersichtlich. Der Vorinstanz kann keine unrichtige Feststellung des Sachverhalts vorgeworfen werden. Bei den nun anlässlich des Beschwerdeverfahrens gemachten Tatsachenbehauptungen und eingereichten Belegen ist vorab zu klären, welche Behauptungen zum Sachverhalt überhaupt zulässig sind.
3.3 Da es um eine Beschwerde im Sinne der Zivilprozessordnung geht (Art. 174 Abs. 1 Satz 1 SchKG), sind primär alle Behauptungen ausgeschlossen, die der ersten Instanz nicht vorgetragen wurden (Art. 326 ZPO); es geht also grundsätzlich um eine reine Kontrolle der Schlüsse, welche das angefochtene Urteil aus dem damals vorliegenden Material zog. Bei der Beschwerde gegen eine Konkurseröffnung enthält das Gesetz zwei der in Art. 326 ZPO vorbehaltenen Ausnahmen:
Erstens dürfen hier ausnahmsweise ohne Einschränkung neue Behauptungen über Tatsachen aufgestellt werden, die sich vor dem angefochtenen Entscheid verwirklichten (Art. 174 Abs. 1 Satz 2 SchKG; solche Behauptungen werden allgemein und so auch im Folgenden als "unechte Noven" bezeichnet). In der Praxis ist das am häufigsten der Einwand des Schuldners, er habe schon vor der Konkurseröffnung die Forderung und alle Kosten bezahlt, das aber aus Nachlässigkeit warum auch immer dem Konkursgericht nicht mitgeteilt. Nach den allgemeinen Regeln (Art. 326 ZPO) wäre das unzulässig, in der Beschwerde gegen die Konkurseröffnung kann aber damit der Konkurs gestützt auf Art. 174 Abs. 1 SchKG aufgehoben werden – wenn sich der angefochtene Entscheid aufgrund der neuen Behauptungen als unrichtig erweist.
Zweitens dürfen in der Beschwerde gegen die Konkurseröffnung bestimmte Behauptungen über Tatsachen vorgetragen werden, die sich nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten: das wird nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber daraus, dass das Gesetz den Schuldner zum Nachweis zulässt, "inzwischen" (das heisst: seit der Konkurseröffnung) sei die Schuld getilgt hinterlegt worden, der Gläubiger habe auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. Solche neuen Behauptungen führen zusammen mit dem Glaubhaftmachen der Zahlungsfähigkeit zur Aufhebung des Konkurses (Art. 174 Abs. 2 SchKG). Diese beiden Konstellationen dürfen nicht vermischt werden. Behauptungen über nach der Konkurseröffnung entstandene Tatsachen sind nur im Rahmen der Aufhebungsgründe von Art. 174 Abs. 2 SchKG zulässig, und diese letzten sind vom Gesetz abschliessend aufgezählt. Wurde – wie im vorliegenden Fall – der Konkurs ohne vorhergehende Betreibung eröffnet, kann die Beschwerde demnach nicht damit begründet werden, seit jenem Urteil sei die Überschuldung beseitigt worden. Es ist nur, aber immerhin zulässig, die Annahme des Konkursgerichts mit neuen Hinweisen auf Sachverhalte vor der Konkurseröffnung anzugreifen (vgl. Urteil des Obergerichts Zürich PS130222-O/U vom 11. April 2014, eingehend begründet in OGerZH PS110058 vom 15. Juli 2011).
Dies hat im vorliegenden Fall zur Folge, dass nur diejenigen neuen Tatsachen und Behauptungen der Beschwerdeführerin berücksichtigt werden können, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind. Einen der abschliessenden Aufhebungsgründe von Art. 174 Abs. 2 SchKG behauptet geschweige denn belegt die Beschwerdeführerin nicht.
Demzufolge können die Einlagen des Gesellschafters und Vorsitzenden der Geschäftsführung im Jahr 2022 vor der Konkurseröffnung von CHF 24'144.33 sowie das Darlehen per 1. Januar 2022 von CHF 10'000.00 berücksichtigt werden, sofern die Einlagen und das Darlehen dargelegt werden.
Was den verminderten Ausstand bei der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn im Jahr 2021 anbelangt, ist zu überprüfen, per wann dieser Ausstand mit Zahlungen reduziert wurde, ob vor der Konkurseröffnung danach.
In Bezug auf die Position «Raumaufwand» in der Erfolgsrechnung ist festzuhalten, dass sich eine solche Reduktion erst auf die Zeit nach der Konkurseröffnung auswirken wird, d.h. erst ab dem 1. Oktober 2022, weshalb diese nicht berücksichtigt werden kann. Nicht berücksichtigt werden kann auch die Einlage am 16. September 2022 in Höhe von CHF 6'000.00.
3.4 Die Beschwerdeführerin reichte insbesondere einen Auszug aus dem Handelsregister, die Überschuldungsanzeige der Revisionsstelle, das an sie gerichtete Schreiben des Konkursamts vom 15. September 2022, einen Auszug aus dem Kontokorrent-Konto des Gesellschafters und Vorsitzenden der Geschäftsführung (Sammelurkunde Nr. 6), einen Auszug des Kontos «Darlehen mit Rangrücktritt» (Urkunde Nr. 7), Verfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn (AKSO) vom 19. April 2022 und vom 23. September 2022 (Sammelurkunde Nr. 8) und eine Mail der Swiss Property Management AG an den Gesellschafter und Vorsitzenden der Geschäftsführung (Urkunde Nr. 9) ein.
3.5 Die Jahresbilanz 2021 wies per 31. Dezember 2021 einen Verlust von CHF 43'868.99 auf. Aus dem Auszug des Kontokorrent-Kontos (Sammelurkunde Nr. 6) ergibt sich, dass seit dem Januar 2022 etliche Zahlungen getätigt wurden, insgesamt rund CHF 24'144.30 (CHF 30'144.30 abzüglich die am 16. September 2022 geleisteten CHF 6'000.00), die sicherlich noch keinen Eingang in die Jahresbilanz 2021 fanden. Fraglich ist, wie diese Zahlungen bilanzrechtlich zu werten sind. Ein Kontokorrentkonto ist ein Konto, bei welchem Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen zwei Geschäftspartnern laufend verrechnet werden. Sämtliche Positionen, insgesamt CHF 24'144.30, sind auf der Haben-Seite aufgeführt, sprich, diese stellen Verbindlichkeiten der GmbH dar. Das heisst, dass mit diesen angeblichen «Einlagen», mit denen die Beschwerdeführerin eine Sanierungsmassnahme darlegen will, lediglich die Debitoren zu Gunsten der flüssigen Mittel verringert. Die Höhe der Aktiven der Gesellschaft änderte sich dadurch nicht.
3.6 In Bezug auf das Darlehen von CHF 10'000.00 ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin trotz ausreichender Gelegenheit keine Rangrücktrittserklärung eingereicht hat. Dabei hilft ihr auch der Verweis in ihrer Beschwerdeschrift nicht, sie werde eine solche auf Verlangen nachreichen. Im Übrigen wird ein Darlehen mit Rangrücktritt nicht – entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin – wie Eigenkapital bewertet. Ein Rangrücktritt selber hat keine Sanierungswirkung. D.h. auch bei vorliegender Erklärung wird die Forderung des Gläubigers – im Gegensatz zu einem Forderungsverzicht – nach wie vor in der Bilanz aufgeführt. Durch einen Rangrücktritt wird somit die Überschuldung nicht beseitigt (Denise Kreutz, Rangrücktritt im Konkursaufschub?, in Jusletter 30. April 2012, Rz. 12 f.).
3.7 Aus den Verfügungen der ASKO vom 19. April 2022 und vom 23. September 2022 (Sammelurkunde Nr. 8) lässt sich entnehmen, dass – hier relevant – seit dem Mai 2022 bis vor dem Urteilsdatum (14. September 2022) am 2. September 2022 fünf Ratenzahlungen von jeweils CHF 9'980.00 vereinbart und auch tatsächlich geleistet wurden, insgesamt CHF 49'900.00. Weiter ergibt sich, dass sich der Ausstand um den Zeitpunkt der Konkurseröffnung für das Jahr 2021 immer noch auf CHF 92'719.85 beläuft, das heisst, die Passivseite erfuhr eine Reduktion von CHF 27'147.65 (vgl. Verfügung der AKSO vom 19. und 23. September 2022: CHF 119'867.50 abzüglich CHF 92'719.85). Damit liegt die GmbH aber immer noch in einer Überschuldung. Werden im Übrigen Schulden beglichen, vermindert sich im Gegenzug die Aktivseite. Inwiefern der Abbau der Schulden nun Sanierungswirkungen haben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr muss auf der finanziellen Seite eine «wirkliche» Sanierung in Form von Forderungsverzichten Mittelzuschüssen erfolgen. Erst eine solche bildet – nebst den betrieblichen Massnahmen und der Verbesserung der Ertrags- und Aufwandlage – die notwendige Voraussetzung, damit die Fortführung der Unternehmung längerfristig gesichert ist (Denise Kreutz, a.a.O., Rz. 14).
3.8 Zusammengefasst konnte die Beschwerdeführerin die Überschuldung nicht entkräften. Sogar wenn die Beschwerdeführerin ihre Sanierungsmassnahmen hätte darlegen können, wäre fraglich, wie sich die anderen Positionen innerhalb dieses weiteren halben Jahres verändert hätten. Aus den Unterlagen ergibt sich vielmehr, dass sich die Ausstände häufen. Es liegt eine offensichtliche Überschuldung vor.
4. Muss der Entscheid des Konkursrichters entgegen der vorläufigen Beurteilung (und der gestützt darauf gewährten aufschiebenden Wirkung) bestätigt werden, sind Tag und Zeit der Konkurseröffnung im Rechtsmittelentscheid neu anzugeben (Art. 175) (Peter Diggelmann, in Daniel Hunkeler [Hrsg.], Kurzkommentar SchKG, Basel 2014, Art. 174 SchKG N 5).
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen. Diese werden einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 300.00 festgelegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Über die A.___ GmbH (vormals [...] GmbH), UID: [...], ist zufolge Überschuldungsanzeige der Konkurs eröffnet. 3. Der Zeitpunkt der Konkurseröffnung wird festgesetzt auf 13. Oktober 2022, 16:00 Uhr. 4. Die Gerichtskosten von CHF 300.00 werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 30'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Hasler |
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.