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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2024.7)

Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2024.7: Verwaltungsgericht

Die Zivilkammer des Obergerichts hat entschieden, dass A.___ Unterhaltsbeiträge für das gemeinsame Kind C.___ zahlen muss. Der Ehemann hatte gegen die Entscheidung des Amtsgerichtspräsidenten Berufung eingelegt. Es ging um die Neufestlegung der Unterhaltsbeiträge aufgrund veränderter finanzieller Verhältnisse. Die Zivilkammer wies die Berufung ab und legte die Kosten dem Ehemann auf. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZKBER.2024.7

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2024.7
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2024.7 vom 21.03.2024 (SO)
Datum:21.03.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Apos; Berufung; Recht; Ehefrau; Ehemann; Arbeit; Kinder; Kindsmutter; Berufungskläger; Einkommen; Vorderrichter; Pensum; Unterhalt; Kinderzulage; Eltern; Massnahme; Kinderzulagen; Massnahmen; Verfahren; Anstellung; Wohnkosten; Parteien; Entscheid; Höhe; Betreuung; Elternteil; Zahlung; Ehegatten; Rechtspflege
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ;Art. 112 ZGB ;Art. 123 ZPO ;Art. 276 ZGB ;Art. 276 ZPO ;Art. 285 ZGB ;
Referenz BGE:137 III 118; 144 III 481; 147 III 293;
Kommentar:
Cyril Hegnauer, Berner , Art. 285 ZGB ZG, 1997

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZKBER.2024.7

 
Geschäftsnummer: ZKBER.2024.7
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 21.03.2024 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2024.50
Titel: vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 21. März 2024    

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Frey

Oberrichterin Kofmel

Gerichtsschreiber Schaller

In Sachen

A.___, vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer,

 

Berufungskläger

 

 

gegen

 

 

B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Lea Leiser,

 

Berufungsbeklagte

 

betreffend vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1. A.___ (nachfolgend Ehemann und/oder Kindsvater) und B.___ (nachfolgend Ehefrau und/oder Kindsmutter) sind die verheirateten Eltern von C.___, geb. [...] 2019.

 

2.1 Anlässlich eines Eheschutzverfahrens vor dem Regionalgericht Oberland schlossen die Parteien am 14. Juni 2022 eine Trennungsvereinbarung ab. Darin vereinbarten sie u.a. das Getrenntleben, die Obhut (bei der Kindsmutter) und die Kindesunterhaltsbeiträge (CHF 1'400.00 [Ziffer 6]) sowie, dass gegenseitig keine Unterhaltsbeiträge geschuldet sind (Ziffer 7).

 

2.2 Aktuell führen die Parteien vor Richteramt Solothurn-Lebern ein Verfahren betreffend Scheidung teilweise Einigung - Art. 112 ZGB. Im Rahmen dieses Verfahrens stellte der Ehemann und Kindsvater am 21. Juli 2023 ein Gesuch um provisorische Massnahmen. Am 18. Oktober 2023 verfügte der Amtsgerichtspräsident - soweit nachfolgend relevant - Folgendes:

 

(…)

3.         In Abänderung von Ziffer 6 und 7 der Trennungsvereinbarung vom 14. Juni 2022 (genehmigt mit Entscheid vom 14. Juni 2022 […]) hat der Ehemann für die Dauer des Verfahrens folgende Unterhaltsbeiträge für C.___ zu bezahlen:

            -      Ab 1. April 2023: CHF 1'676.00 (Barunterhalt: CHF 833.00, Betreuungsunterhalt

                   CHF 843.00)

            -      Ab 1. Januar 2024: CHF 2'134.00 (Barunterhalt CHF 1'195.00, Betreuungsunterhalt       CHF 939.00)

            Die Kinder- bzw. Ausbildungszulagen sind zusätzlich geschuldet, sofern sie vom Pflichtigen bezogen werden. Bereits geleistete Zahlungen können angerechnet werden.

4.         Der Ehemann hat der Ehefrau mit Wirkung ab 1. Januar 2024 einen monatlich vorauszahlbaren persönlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von CHF 662.00 zu bezahlen.

5.         Je zwei entsprechende Berechnungsblätter (Phase 1 ab 1. April 2023, Phase 2 ab 1. Januar 2024) gehen an die Ehegatten.

(…)

 

3.1 Gegen den begründeten Entscheid erhob der Ehemann (nachfolgend auch Berufungskläger) am 5. Februar 2024 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn mit den folgenden Rechtsbegehren:

 

1.            Die Ziffern 3 – 5 der Verfügung der Vorinstanz vom 18. Oktober 2023 seien aufzuheben und es sei wie folgt zu verfügen:

1.1         Der Kindsvater hat monatlich zum Voraus Unterhaltszahlungen an das gemeinsame Kind C.___ (geb. [...] 2019) von CHF 1'258.00 während des hängigen Scheidungsverfahrens zu bezahlen (Barunterhalt CHF 649.00, Betreuungsunterhalt CHF 604.00).

1.2         Es sei gerichtlich festzustellen, dass keine Ehegattenalimente geschuldet sind.

2.            Es sei dem Berufungsführer für das oberinstanzliche Verfahren das Recht zur unentgeltlichen Rechtspflege zu erteilen unter Beiordnung des Unterzeichnenden als Rechtsbeistand des Berufungsführers.

Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

 

3.2 Mit Berufungsantwort vom 17. Februar 2024 schloss die Ehefrau (nachfolgend auch Berufungsbeklagte) auf vollumfängliche Abweisung der Berufung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Berufungsklägers. Zudem ersuchte sie um integrale unentgeltliche Rechtspflege.

 

4. Die Streitsache ist spruchreif. Gestützt auf Art. 316 Abs. 1 Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Eine Edition weiterer Akten drängt sich nicht auf.  Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird im Folgenden darauf Bezug genommen.

 

 

II.

 

1. Angefochten ist eine vorsorgliche Massnahme im Scheidungsverfahren. Anlässlich des Eheschutzverfahrens vor dem Regionalgericht Oberland schlossen die Parteien eine Trennungsvereinbarung, welche gerichtlich genehmigt wurde. Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern in einem anschliessenden Scheidungsverfahren weiter. Beim Erlass vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren sind die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar (Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO). Massgebend ist damit die Bestimmung von Art. 286 Abs. 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210). Danach setzt das Gericht bei erheblicher Veränderung der Verhältnisse den Unterhaltsbeitrag auf Antrag eines Elternteils des Kindes neu fest hebt ihn auf.

 

2. Der Vorderrichter ging betreffend das Einkommen der Ehefrau von einer wesentlichen und dauerhaften Veränderung der finanziellen Verhältnisse aus und erwog dazu zusammengefasst und im Wesentlichen, was folgt: Anlässlich des Eheschutzverfahrens sei bei der Ehefrau von einem monatlichen Nettoeinkommen von CHF 5'500.00 bei einem festen Pensum von 60 % (CHF 3'500.00) und einem flexiblen Pensum von 25-30 % ausgegangen worden. Vom 28. Oktober 2022 bis 13. November 2022 sei die Ehefrau zu 100 % sowie vom 16. Januar 2023 bis 3. Februar 2023 zu 50 % krankgeschrieben gewesen. Die Ehefrau habe ihr Arbeitsverhältnis mit der [...] AG auf den 31. Januar 2023 gekündigt. Am 1. März 2023 habe sie ein Arbeitsverhältnis mit der [...] in einem 40 %-Pensum mit einem Bruttolohn von CHF 2'600.00 angetreten. Vom 20. März 2023 bis 2. April 2023 sei die Ehefrau wieder zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Es sei ihr noch innerhalb der Probezeit auf den 10. April 2023 gekündigt worden. Die Ehefrau sei weiter bis am 30. April 2023 zu 100 % krankgeschrieben gewesen. Seit dem 1. Juli 2023 stehe die Ehefrau erneut in einem Arbeitsverhältnis mit der [...] AG mit einem Pensum von 40 %. Sie erziele einen Bruttolohn von CHF 2'500.00. Die Ehefrau habe ausgeführt, dass sie ihr Arbeitspensum aufgrund einer zu hohen Belastung reduziert habe. Dieser Umstand könne anhand der sich in den Akten befindenden Arbeitsunfähigkeitszeugnisse nachvollzogen werden. Offenbar sei es der Ehefrau neben der Kinderbetreuung nicht möglich gewesen, auf Dauer das Arbeitspensum von rund 80 % aufrechtzuerhalten. Für die Dauer des Verfahrens sei ihr das von ihr erzielte 40 % Pensum anzurechnen. Demnach sei von verfügbaren Mitteln von CHF 2'296.00 (Nettomonatslohn von rund CHF 2'104.00 zuzüglich 13. Monatslohn) auszugehen.

 

Betreffend das Einkommen des Ehemannes erwog der Vorderrichter zusammengefasst und im Wesentlichen, was folgt: Anlässlich des Eheschutzverfahrens sei beim Ehemann von einem monatlichen Nettoerwerbseinkommen von CHF 7'000.00 bei einem Vollzeitpensum ausgegangen worden. Der Ehemann habe damals bei der [...] AG gearbeitet. Diese Anstellung habe er per 31. Dezember 2022 gekündigt, was angesichts des Umstands, dass dort auch der Bruder der Ehefrau gearbeitet habe, nachvollziehbar sei. Ab 1. Januar 2023 habe der Ehemann Arbeitslosenentschädigung bezogen. Dabei habe er einen Vermittlungsgrad von 60 % angegeben. Ab 1. Februar 2023 (Einstelltage) habe der Ehemann pro Monat über rund CHF 3'430.00 verfügt (80 %). Ab 1. April 2023 habe er eine Anstellung in einem 60 % Pensum angetreten. Gemäss Lohnabrechnungen von April bis Juni 2023 habe er einen Nettolohn von CHF 4'528.00 erhalten. Zuzüglich Repräsentationsspesen und 13. Monatslohn ergebe sich ein monatliches Einkommen von CHF 4'923.00. Nach einer Übergangsphase werde dem Ehemann ein (hypothetischen) Erwerbseinkommen bei einem Vollzeitpensum angerechnet. Es sei analog dem Eheschutzverfahren von CHF 7'000.00 auszugehen. Dieses Einkommen könne er ab 1. Januar 2024 erzielen.

 

Dem Sohn rechnete der Vorderrichter Kinderzulagen in der Höhe von CHF 200.00 an.

 

Zu den (umstrittenen) Bedarfszahlen führte der Vorderrichter aus, die Mietzinse und Nebenkosten der Ehegatten seien ausgewiesen. Der Anteil des Sohnes an den Wohnkosten der Ehefrau betrage praxisgemäss 27 % des Mietzinses der Ehefrau, entsprechend CHF 413.00.

 

Zum gesprochenen Ehegattenunterhalt hielt der Vorderrichter fest, der in Phase 2 berechnete Überschussanteil der Ehefrau von CHF 618.00 sei ihr als Ehegattenunterhalt zuzusprechen, weil der Lebensstandard in der Phase 2 nicht höher sei als während des Zusammenlebens. Hinzuzurechnen sei der Steueranteil für den persönlichen Unterhalt in der Höhe von 17 %, ausmachend CHF 45.00.

 

3.1 Der Berufungskläger rügt eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts und damit einhergehend eine unrichtige Rechtsanwendung. Zu Unrecht sei die Vorinstanz von Kinderzulagen von CHF 200.00 ausgegangen. Diese würden sich auf CHF 230.00 belaufen, da die Kindsmutter, welche die Kinderzulagen beziehe, im Kanton Bern arbeite. Die Kindsmutter arbeite in [...] in der [...]. Noch während des Eheschutzverfahrens habe sie eine 60 %-Pensum-Festanstellung gehabt. Daneben habe sie im Flexsystem weitere Arbeitsstunden absolviert. So habe sie ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 5'500.00 generiert. In casu werde die Kindsmutter mittels des Flexsystems neben ihrem 40 % Pensum weitere Arbeitsstunden im Umfang von mindestens 20 % im Stundenlohn leisten. Die Angaben des gemeinsamen Sohnes betreffend seiner Fremdbetreuung liessen nur diesen einen Schluss zu. Die Kindsmutter habe ihr Arbeitspensum gekündigt um sich dann wiederum von der [...] anstellen zu lassen. Das Verhalten der Kindsmutter lasse darauf schliessen, dass eine angebliche Krankheit wohl eher vorgeschoben sei, denn tatsächlich eine Arbeitstätigkeit verunmögliche. Bei der Kindsmutter sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von CHF 3'450.00 auszugehen.

 

Die Vorinstanz habe die Miete der Ehefrau wie von ihr eingebracht in die Berechnung einbezogen. Die Kindsmutter sei aber im Juni 2022 zu ihrem neuen Lebenspartner an den [...]weg gezogen. Von dort sei sie dann Ende 2022 an die [...]strasse gezogen. Der Mietzins für die Wohnung am [...]weg sei mit CHF 800.00 einzusetzen. Der Mietanteil für den gemeinsamen Sohn betrage jeweils 17 %.

 

Er habe seine frühere 80 %-Anstellung beim Bruder der Ehefrau kündigen müssen. Nach zahlreichen erfolglosen Bewerbungen während der nachfolgenden Arbeitslosigkeit habe er eine 60 %-Anstellung (mit Aussicht auf eine Erhöhung) gefunden. Die 60 %-Anstellung hätte es ihm ermöglicht, die hälftige Betreuung des Sohnes zu übernehmen. Die Vorinstanz rechne ihm ab 2024 ein hypothetisches Einkommen von CHF 7'000.00 an. Es sei ihm nicht möglich, ein solches Einkommen zu erzielen.

 

Durch die ausgedehnten Betreuungszeiten würden ihm zusätzliche Kosten entstehen, welche ihm beim Bedarf mit monatlich CHF 100.00 einzusetzen seien (CHF 10.00 pro zusätzlichen Betreuungstag).

 

3.2 Die Ehefrau entgegnet in ihrer Berufungsantwort zusammengefasst und im Wesentlichen, was folgt: Sie habe nur vom Juli 2023 bis Oktober 2023 bei der [...] AG gearbeitet. Nur damals habe sie die Kinderzulagen bezogen. Erstmals seien sie im August ausgerichtet worden. Im November 2023 habe sie den Kindsvater darum gebeten, die Kinderzulagen zu beziehen und ihr weiterzuleiten, was er bis heute nicht getan habe.

 

Sowohl ihr geleistetes Arbeitspensum als auch ihre Arbeitsunfähigkeit seien belegt. Letztere habe dann auch dazu geführt, dass das Arbeitsverhältnis seitens der [...] noch in der Probezeit gekündigt worden sei. Wenn sie nicht arbeite, kümmere sie sich um den Sohn. Seit November 2023 sei sie arbeitslos und habe kein Einkommen mehr. Sie suche nach einer mit der Kinderbetreuung vereinbaren Arbeit, was bei der [...] AG unter anderem aufgrund des weiten Arbeitsweges und der Schichtarbeit nicht der Fall gewesen sei. Sie werde sich nun erneut bei der Arbeitslosenversicherung anmelden. Aufgrund der hohen Belastung sei es ihr nicht möglich gewesen, ein Arbeitspensum von mehr als 40 % zu leisten. Trotz Bemühungen habe sie noch keine neue Anstellung gefunden.

 

Sie lebe nicht in einem Konkubinat und habe seit der Trennung vom Ehemann bis am 5. Februar 2024 alleine mit dem gemeinsamen Sohn gelebt. Seit dem 5. Februar 2024 lebe sie nun zusammen mit einer erwachsenen Person in der Wohnung. Die Person sei aber nicht ihr Lebenspartner, sondern Mitbewohner im Sinne einer Wohngemeinschaft. Aus Angst vor ihrem Ehemann sei sie diese Wohngemeinschaft eingegangen. Sie habe sich bei der Sozialhilfe anmelden müssen. Mit dem geteilten Mietzins werde sie zumindest ein wenig entlastet. Sie wünsche sich sehr, mit dem Sohn zusammen in einer eigenen Wohnung zu leben.

 

Der Ehemann lege keineswegs dar, dass er gewillt sei, ein höheres Einkommen zu erzielen. Er hätte sich schon längst bei der Arbeitslosenversicherung anmelden können. Er habe nie mehr als 60 % arbeiten wollen. Mit Blick auf dieses Verhalten scheine eine Berücksichtigung des tieferen Einkommens in der ersten Phase und eine Übergangsfrist von zwei Monaten sehr grosszügig.

 

Im vorinstanzlichen Verfahren habe der Ehemann nie geltend gemacht, dass ihm Kosten für die Kinderbetreuung anzurechnen seien. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass er Kosten habe, die das übliche Mass übersteigen würden.

 

4.1 Die Alimente sind aufgrund der sogenannten zweistufigen Methode zu ermitteln. Dabei wird zunächst das Gesamteinkommen der Eltern beziehungsweise der Ehegatten und der Kinder ermittelt. Anschliessend wird der Bedarf aller Betroffenen festgelegt. Soweit die vorhandenen Mittel die familienrechtlichen Existenzminima übersteigen, ist der Überschuss nach der konkreten Situation ermessensweise zu verteilen (vgl. BGE 147 III 293 E. 4.5).

 

4.2 Vorliegend strittig sind die Einkommen der Kindseltern und des Kindes, die Höhe der Wohnkosten der Kindsmutter und der Wohnkostenanteil des Sohnes. Ferner ist zu klären, ob dem Ehemann im Bedarf eine Position für die Kinderbetreuung anzurechnen ist und ob er der Ehefrau Unterhalt schuldet. Für die übrigen unbestrittenen Bedarfszahlen wird auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen.

 

5. Verfügbare Mittel

 

5.1 Der Berufungskläger schuldet zur Hauptsache Kinderunterhaltsbeiträge in Form von Geldzahlungen gemäss Art. 276 ZGB. Die gesetzliche Unterhaltspflicht hat zur Folge, dass er alles in seiner Macht Stehende unternehmen und insbesondere seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voll ausschöpfen muss, um das erforderliche Einkommen zu generieren (Urteil des Bundesgerichts 5D_183/2017 vom 13. Juni 2018 E. 4.1). Im Verhältnis zu einem minderjährigen Kind sind besonders hohe Anforderungen an die Ausnützung der Erwerbskraft zu stellen, vorab in jenen Fällen, wo wirtschaftlich enge Verhältnisse vorliegen (BGE 137 III 118 E. 3.1, mit Verweis auf Cyril Hegnauer, Berner Kommentar, 1997, N 58 i.V.m. N 56 zu Art. 285 ZGB). Der Berufungskläger ist demnach gehalten, seinen Erwerb so zu gestalten, dass er weiterhin in der Lage ist, den Lebensunterhalt seines minderjährigen Kindes zu bestreiten. Das Kindeswohl beinhaltet auch, dass (grundsätzlich) beide Elternteile zusammen dafür sorgen, dass im Umfang ihrer Möglichkeiten genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, damit sich das Kind körperlich und geistig altersgerecht entwickeln kann. Kündigt ein bis anhin zu 100 % erwerbstätiger Elternteil seine Anstellung reduziert er sie in einem Ausmass, dass ein finanzieller Engpass entsteht, welcher die Gewährleistung des Vorgenannten nicht mehr sicherstellt, steht dies nicht im Einklang mit dem Kindeswohl. Bereits der Vorderrichter wies völlig zu Recht darauf hin, dass im Rahmen des vorliegenden Entscheids der Entscheid über die Obhutszuteilung nicht vorweggenommen werden solle. Es gehe nicht an, dass der Ehemann gezielt nur eine 60 %-Anstellung gesucht habe, damit er für eine allfällige Obhutszuteilung zur Verfügung stehe. Der Ehemann sei am 14. Juni 2022 damit einverstanden gewesen, dass die Ehefrau die Obhut über den gemeinsamen Sohn ausüben solle. Darauf ist vollumfänglich abzustellen: Es geht in der Tat nicht an, durch eine eigenmächtige Reduktion des Arbeitspensums Tatsachen zu schaffen und diese hinterher als Abänderungsgrund anzuführen (vgl. Gesuch um vorsorgliche Massnahmen vom 21. Juli 2023). Gegenüber dem Vorderrichter erklärte der Ehemann klipp und klar, er habe sein Pensum reduziert, weil er zum Sohn schauen wolle (Parteibefragung vom 4. Oktober 2022, N 122). Er habe bewusst nach einer 60 %-Anstellung gesucht (Parteibefragung vom 4. Oktober 2022, N 139). Nicht zu beanstanden ist die vom Vorderrichter festgesetzte Höhe des (hypothetischen) Einkommens des Ehemannes. Dass er zur Erzielung eines solchen in der Lage ist, hat er (bereits anlässlich des Eheschutzverfahrens) selbst anerkannt. Dass bei Aufrechnung des derzeitigen Teilzeitpensums in ein Vollzeitpensum ein noch höheres Einkommen resultieren würde, hat bereits der Vorderrichter aufgezeigt. Vorläufig und im vorliegenden Massnahmenverfahren ist aber (noch) von einem Einkommen von CHF 7'000.00 auszugehen. Die vom Vorderrichter gewährte Übergangsfrist von zwei Monaten ist mehr als ausreichend, zumal der Ehemann nicht nachgewiesen hat, dass er alles unternommen hat, um eine gleichwertige Entlohnung (wie bisher) zu erzielen (vgl. Urteil des BGer 5A_784/2022 E. 5.1).

 

5.2 Während der Berufungskläger zur Hauptsache finanzielle Kinderunterhaltsbeiträge schuldet, leistet die Ehefrau ihren Beitrag hauptsächlich in natura. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass der Vorderrichter der Ehefrau ein Einkommen von CHF 2'296.00 (in einem 40 %-Pensum) anrechnete. Nach dem Schulstufenmodell ist dem hauptbetreuenden Elternteil ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes eine Erwerbstätigkeit von 50 %, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe I von 80 % und ab Vollendung seines 16. Lebensjahres von 100 % zuzumuten (BGE 144 III 481 E. 4.7.6). Der gemeinsame Sohn ist [...] 2019 geboren und wird wohl erst diesen Sommer eingeschult werden. Momentan müsste die Kindsmutter als hauptbetreuender Elternteil somit noch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Zwar gilt das Schulstufenmodell nicht absolut. Im Einzelfall darf das Gericht davon abweichen, wenn es zu unbilligen Ergebnissen führen würde. Auch wenn das Schulstufenmodell Ausnahmen erlaubt, ist es nicht Aufgabe des Gerichtes, in jedem Fall zu prüfen, welches Pensum dem hauptbetreuenden Elternteil im Rahmen seiner individuellen beruflichen Situation zugemutet werden kann. Ginge man soweit, verlöre das Stufenmodell, das bewusst eine gewisse Schematisierung anstrebt, jede Bedeutung. Das Bundesgericht hat denn auch klar festgehalten, dass eine Verfeinerung der einzelnen Stufen mit Blick auf die Praxistauglichkeit des Modells und die Arbeitsmarktsituation nicht sachgerecht sei (BGE 144 III 481 E. 4.7.6). Das von der Kindsmutter geleistete Pensum liegt nach dem Gesagten über dem von ihr Erwarteten. Bereits anlässlich der Parteibefragung vor Vorinstanz gab sie zu Protokoll, das damalige Arbeitspensum sei ihr zu viel (Parteibefragung vom 4. Oktober 2022, N 150 ff.). So anders ist ihr aufgrund der Kinderbetreuung derzeit kein höheres Einkommen anrechenbar.

 

5.3 Schliesslich ist auch die Höhe der dem Kind angerechneten Kinderzulagen nicht zu bemängeln. Grundsätzlich zu Recht führt der Ehemann aus, dass die Kinderzulagen im Kanton Bern CHF 230.00 betragen. In der Vergangenheit war es auch so, dass (teilweise) die Kindsmutter die Kinderzulagen bezog. Dass sie sie auch heute noch bezieht, ist nicht ersichtlich. Der Ehemann selbst reicht als Beilage 3 zur Berufung ein an ihn gerichtetes und vom 6. November 2023 datierendes Schreiben ein, in welchem verlangt wird, dass er (aufgrund der Arbeitslosigkeit der Ehefrau) die Kinderzulagen erhältlich machen solle. Da im jetzigen Zeitpunkt noch unklar ist, welcher Elternteil die Kinderzulage effektiv beziehen wird und ob die Kindsmutter auch zukünftig im Kanton Bern erwerbstätig sein wird, ist im vorliegenden Massnahmenverfahren von Kinderzulagen in der Höhe von CHF 200.00 auszugehen.

 

6. Bedarf

 

6.1 Der Berufungskläger moniert zu Recht, dass beim Sohn ein zu hoher Wohnkostenanteil (27 %) angerechnet worden ist. Der Wohnkostenanteil eines Einzelkindes wird praxisgemäss mit 17 % des Mietzinses des obhutsberechtigten Elternteils berücksichtigt.

 

6.2.1 Gemäss Richtlinie für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG, SR 281.1) der Konferenz für Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz ist bei in Wohngemeinschaft lebender erwachsener Personen i.d.R. die Halbierung der Wohnkosten angebracht. Leben minderjährige Kinder bei einem von ihnen, sind die Kinderanteile (wiederum i.d.R.) vom Gesamtbetrag abzuziehen.

 

6.2.2 Die Kindsmutter selbst führt aus, dass sie seit dem 5. Februar 2024 zusammen mit einer erwachsenen Person in der Wohnung lebe, weshalb sich aufgrund des Gesagten eine Halbierung der Wohnkosten grundsätzlich aufdrängt. Die neue Wohnsituation der Kindsmutter wird anlässlich der bereits auf nächsten Monat angesetzten Scheidungsverhandlung näher zu beleuchten sein. Es ist zu hoffen, dass sich die konfliktträchtige Situation zwischen den Ehegatten nach der Verhandlung beruhigen wird. Vorliegend ist bezüglich der Wohnsituation noch nicht von einer erheblichen und dauerhaften Veränderung der Verhältnisse auszugehen. Es ist der bisherige Mietzins massgeblich, auch weil die Kindsmutter erklärt, sie wolle wieder alleine wohnen. Der Mietzins ist folglich (auch weiterhin) mit CHF 1'530.00 zu berücksichtigen. Der Wohnkostenanteil des Sohnes beträgt 17 % davon und somit CHF 260.00. Während sich der Wohnkostenanteil des Sohnes verringert, vergrössert sich derjenige der Kindsmutter im selben Umfang auf CHF 1'270.00.

 

6.3.1 Schliesslich will sich der Berufungskläger einen monatlichen Betrag in der Höhe von CHF 100.00 für die Betreuung anrechnen lassen. Er betreue den Sohn häufiger als üblich.

 

6.3.2 Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Ehemann das Kind öfters betreut als jedes zweite Wochenende, so ist vorliegend nicht gerechtfertigt, dafür einen weiteren Betrag in seinem Bedarf anzurechnen, zumal ein solcher durch nichts belegt ist. Eine diesbezügliche (kantonale) Praxis existiert nicht.

 

7. Da die Ehefrau ihren gebührenden Unterhalt mit den derzeit erzielten Mitteln nicht selbst finanzieren kann, hat ihr der Vorderrichter in der zweiten Phase zu Recht einen Unterhaltsbeitrag zugesprochen.

 

8. Aufgrund des Gesagten ist die vom Vorderrichter vorgenommene Unterhaltsberechnung mit einer Ausnahme nicht zu beanstanden. Die Ausnahme betrifft den Mietkostenanteil des gemeinsamen Sohnes. Da sich aber im Ergebnis nur das Verhältnis von Bar- zu Betreuungsunterhalt (minim) ändert, drängt sich vorliegend keine Anpassung auf. Der Berufungskläger ficht auch die Ziffer 5 des vorinstanzlichen Entscheids an. Inwiefern er dadurch beschwert sein sollte, wird weder ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich. Die Berufung erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

 

 

III.

 

1. Beide Parteien haben für das obergerichtliche Verfahren die integrale unentgeltliche Rechtspflege beantragt. Da beide ausgewiesen prozessarm sind, sind diese Gesuche zu bewilligen.

 

2. Gemäss Art. 106 ZPO sind die Prozesskosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen. U.a. in familienrechtlichen Prozessen können die Kosten nach Ermessen auferlegt werden (Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO). Vorliegend gibt es keinen Grund von der ordentlichen Kostenverteilung abzuweichen.

 

3. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1'000.00 sind dem Ausgang entsprechend dem Ehemann und Berufungskläger zu auferlegen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt diese Kosten der Staat Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald der Berufungskläger zur Nachzahlung in der Lage ist.

 

4. Während die von der Rechtsvertreterin der Berufungsbeklagten eingereichte Kostennote (CHF 1'398.35 inkl. Auslagen und MwSt.) zu keinen Bemerkungen Anlass gibt, erweist sich die vom Rechtsvertreter des Berufungsklägers eingereichte Kostennote als überhöht. Der geltend gemachte Aufwand von 13 Stunden und 15 Minuten ist übersetzt. Zum einen enthält die Kostennote Aufwendungen, welche das erstinstanzliche Verfahren betreffen. Es sind diese die Positionen vom 19. Oktober 2023 bis und mit 29. Januar 2024. Sie sind vorliegend zu streichen (minus 1 Stunde und 20 Minuten sowie Auslagen von CHF 15.80). Zu kürzen ist der geltend gemachte Aufwand für die Ausarbeitung der Berufungsschrift. Dafür macht der Rechtsvertreter des Berufungsklägers rund 10 Stunden geltend. Ein Aufwand von 7 Stunden dafür erscheint mehr als genug. Hingegen beträgt der Stundenansatz für die unentgeltliche Rechtsvertretung CHF 190.00 pro Stunde. Somit ergibt sich ein zu entschädigender Aufwand von CHF 1'939.55 (8.92 Stunden à CHF 190.00 zuzüglich Auslagen von CHF 99.40 und 8.1 % MwSt.).

 

5. Der Berufungskläger hat an die Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwältin Lea Leiser, eine Parteientschädigung von CHF 1'398.35 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege beider Parteien hat der Staat Rechtsanwältin Lea Leiser eine Entschädigung von CHF 1'398.35 (inkl. Auslagen und MwSt.) und Fürsprecher Manuel Rohrer eine solche von CHF 1'939.55 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald der Berufungskläger und/oder die Berufungsbeklagte zur Nachzahlung in der Lage ist/sind (Art. 123 ZPO).

 

6. Sobald der Berufungskläger zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO), hat er seinem Rechtsvertreter die Differenz zum vollen Honorar zu leisten. Diese beträgt CHF 1'060.65. Die Rechtsvertreterin der Ehefrau macht keinen Differenzanspruch geltend.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.    Die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 werden A.___ auferlegt. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege erliegen diese auf dem Staat Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch innert 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

3.    A.___ hat B.___, vertreten durch die unentgeltliche Rechtsbeiständin Lea Leiser eine Parteientschädigung von CHF 1'398.35 zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege beider Parteien hat der Staat Solothurn an Rechtsanwältin Lea Leiser, eine Entschädigung von CHF 1'398.35 und an Fürsprecher Manuel Rohrer eine solche von CHF 1'939.55 zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist/sind (Art. 123 ZPO). Sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO), hat er seinem Fürsprecher die Differenz zum vollen Honorar zu leisten. Diese beträgt CHF 1'060.65.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 30'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Hunkeler                                                                           Schaller



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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