Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2024.6 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 17.04.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Zivilkammer des Obergerichts hat in einem Fall von Mietzinserhöhung entschieden, dass die Schlichtungsbehörde nicht eingetreten ist. Die Berufungskläger haben gegen diesen Beschluss Berufung eingelegt und das Obergericht hat entschieden, dass die Schlichtungsbehörde die Legitimation zur Mietzinserhöhung prüfen muss. Die Berufung wurde schliesslich gutgeheissen, die Kosten trägt der Kanton Solothurn. Die Geschäftsnummer lautet ZKBER.2024.6, der Richter ist Präsidentin Hunkeler, die Gerichtskosten betragen CHF 1'000. Die Gewinnerperson ist weiblich. |
Schlagwörter: | Berufung; Schlichtungsbehörde; Nichteintreten; Miete; Pacht; Dorneck-Thierstein; Nichteintretensbeschluss; Streitwert; Apos; Mietzins; Schlichtungsverfahren; Gericht; Kanton; Berufungskläger; Berufungsbeklagte; Obergericht; Urteil; Vorinstanz; Nichteintretensentscheid; Mietvertrag; Verfahren; Unzuständigkeit; Zivilkammer; Beschluss; Mietzinserhöhung; Parteien; Legitimation |
Rechtsnorm: | Art. 107 ZPO ; Art. 116 ZPO ; Art. 18 ZPO ; Art. 200 ZPO ; Art. 208 ZPO ; Art. 209 ZPO ; Art. 210 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 59 ZPO ; Art. 60 ZPO ; Art. 92 ZPO ; |
Referenz BGE: | 142 III 413; 146 III 265; 146 III 47; |
Kommentar: | Heinz Hausheer, Hans Peter Walter, Berner ZPO, Art. 1; Art. 60 ZPO, 2012 |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2024.6 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 17.04.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2024.55 |
Titel: | Beschluss der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein vom 7. Dezember 2023 |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 17. April 2024 Es wirken mit: Oberrichterin Kofmel Oberrichter Frey Gerichtsschreiberin Zimmermann In Sachen 1. A.___ 2. B.___
beide vertreten durch Advokatin Sarah Brutschin,
Berufungskläger
gegen
C.___ AG, vertreten durch Advokat Alexander Heinzelmann,
Berufungsbeklagte
betreffend Beschluss der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein vom 7. Dezember 2023 zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. Am 4. September 2023 reichten A.___ und B.___ (nachfolgend: Gesuchsteller) gegen die C.___ AG (nachfolgend: Gesuchsgegnerin) bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein ein Schlichtungsgesuch ein und beantragten die Feststellung, dass die mit Formular vom 17. August 2023 per 1. Dezember 2023 angezeigte Mietzinserhöhung missbräuchlich sei. Eventualiter sei der monatliche Nettomietzins auf das erlaubte Mass herabzusetzen. Unter o/e Kostenfolge.
2. Am 20. November 2023 lud die Präsidentin a.i. der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein die Parteien zu einer Schlichtungsverhandlung vor. Anlässlich dieser wurde eine Einigung mit Widerrufsvorbehalt geschlossen. Der Vergleichsvorschlag wurde am 4. Dezember 2023 von der Gesuchsgegnerin widerrufen.
3. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2023 trat die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein auf die Klage vom 4. September 2023 nicht ein. Es wurden weder Kosten erhoben noch Parteientschädigungen ausgerichtet. Die Vorinstanz begründete den Nichteintretensentscheid mit der fehlenden bzw. nicht folgerichtigen Eruierbarkeit der Legitimation der Vermieterschaft bezüglich der Meldung der Mietvertragsänderung vom 17. August 2023.
4. Gegen den begründeten Beschluss reichten die Gesuchsteller (nachfolgend auch: Berufungskläger) am 23. Januar 2024 frist- und formgerecht Berufung beim Obergericht des Kantons Solothurn ein und stellten folgende Rechtsbegehren:
1. Es sei der Nichteintretensbeschluss der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein vom 7. Dezember 2023 ([...]) aufzuheben und es sei die Sache zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens an die Schlichtungsbehörde (Berufungsbeklagte 1) zurückzuweisen. 2. Unter o/e Kostenfolge zulasten der Berufungsbeklagten.
5. Mit Berufungsantwort vom 15. März 2024 schloss die Gesuchsgegnerin (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) auf Gutheissung der Berufung, unter o/e Kostenfolge zu Lasten der Berufungskläger und/oder der Berufungsbeklagten 1 (Schlichtungsbehörde).
6. Auf die Ausführungen der Parteien und der Vorinstanz wird im Folgenden soweit entscheidrelevant eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen. II. 1. Ein Nichteintretensentscheid der Schlichtungsbehörde ist ein erstinstanzlicher Endentscheid, so dass je nach Streitwert Berufung Beschwerde zu erheben ist (Simon Zingg in: Heinz Hausheer/Hans Peter Walter [Hrsg.], Berner Kommentar, ZPO, Band I: Art. 1-149 ZPO, Bern 2012, Art. 60 ZPO N 32). Ein Nichteintretensentscheid der Schlichtungsbehörde in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit mit einem Streitwert von mindestens CHF 10'000.00 ist gemäss Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) mit Berufung anfechtbar (Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, BEZ.2021.79 E. 1.1.1). Mit Beschwerde anfechtbar sind unter anderem nicht berufungsfähige erstinstanzliche Endentscheide (Art. 319 lit. a ZPO). Gemäss Art. 92 Abs. 1 ZPO gilt der Kapitalwert als Wert wiederkehrender Nutzungen Leistungen. Bei ungewisser unbeschränkter Dauer gilt als Kapitalwert der zwanzigfache Betrag der einjährigen Nutzung Leistung und bei Leibrenten der Barwert (Art. 92 Abs. 2 ZPO). Sind bloss Mietzinserhöhungen strittig, gilt diese Mietzinsdifferenz als Streitgegenstand. Auch in diesen Fällen ist der Streitwert als zwanzigfacher Betrag der Differenz pro Jahr zu berechnen (vgl. Viktor Rüegg/Michael Rüegg in: Karl Spühler/Luca Tenchio/Dominik Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2017, Art. 92 ZPO N 4).
2. Gemäss Mitteilung von Vertragsänderungen vom 17. August 2023 beträgt die monatliche Mietzinsdifferenz zwischen dem bisherigen und dem Mietzins ab 1. Dezember 2023 CHF 94.50. Somit beträgt der für die Streitwertberechnung massgebliche Kapitalwert CHF 22'680.00. Der Streitwert liegt demnach über der Streitwertgrenze gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO, womit die Berufung das korrekte Rechtsmittel ist.
3. Mit der Berufung kann eine unrichtige Rechtsanwendung und eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung. In der schriftlichen Berufungsbegründung (Art. 311 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist beziehungsweise an einem der genannten Mängel leidet. Das setzt voraus, dass die Berufungskläger die vorinstanzlichen Erwägungen bezeichnen, die sie anfechten, sich argumentativ mit diesen auseinandersetzen und mittels genügend präziser Verweisungen auf die Akten aufzeigen, wo die massgebenden Behauptungen, Erklärungen, Bestreitungen und Einreden erhoben wurden beziehungsweise aus welchen Aktenstellen sich der geltend gemachte Berufungsgrund ergeben soll. Die pauschale Verweisung auf frühere Vorbringen deren blosse Wiederholung genügen nicht. Was nicht nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen entsprechenden Weise beanstandet wird, braucht von der Rechtsmittelinstanz nicht überprüft zu werden; diese hat sich – abgesehen von offensichtlichen Mängeln – grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der schriftlichen Begründung formgerecht gegen den erstinstanzlichen Entscheid erhoben werden (vgl. BGE 142 III 413, mit weiteren Hinweisen).
4. Die Vorinstanz begründete ihren Nichteintretensbeschluss vom 7. Dezember 2023 damit, dass sich aufgrund der bisherigen Erhebungen im Schlichtungsverfahren gezeigt habe, dass die Legitimation der Vermieterschaft bezüglich der Meldung der Vertragsänderung vom 17. August 2023 fehle bzw. nicht folgerichtig eruierbar sei. Der Mietvertrag sei von der «[...] AG» ausgestellt worden, die Mietvertragsänderung vom 17. August 2023 sei von der «C.___ AG» mitgeteilt worden und Grundeigentümerin von besagter Liegenschaft sei Frau D.___. Ausserdem sei an der Schlichtungsverhandlung vom 20. November 2023 der Schlichtungsbehörde weder ein Verwaltungsvertrag noch eine entsprechende Vollmacht vorgelegt worden, welcher die Vertretbarkeit in der Mietvertragsänderung vom 17. August 2023 rechtfertigen könnte.
5. Die Berufungskläger wenden dagegen ein, dass der angefochtene Nichteintretensbeschluss vom 7. Dezember 2023 weder aufgrund offensichtlich fehlender sachlicher offensichtlich fehlender örtlicher Zuständigkeit der angerufenen Schlichtungsbehörde noch aufgrund einer anderen, fehlenden Prozessvoraussetzung im Sinne von Art. 59 Abs. 2 ZPO getroffen worden sei. Die Schlichtungsbehörde habe lediglich Zweifel daran gehabt, ob die Berufungsbeklagte zur Anzeige einer einseitigen Mietvertragsänderung legitimiert sei. Die Frage der Legitimation zur Mitteilung einer Mietzinserhöhung sei eine Frage des materiellen Rechts, deren Beantwortung im Falle einer fehlenden Einigung im Schlichtungsverfahren der gerichtlichen Beurteilung vorbehalten sei. Demgemäss hätte das Schlichtungsverfahren ordentlich durchgeführt und mittels Feststellung einer Einigung (Art. 208 ZPO), mittels Ausstellung einer Klagebewilligung (Art. 209 ZPO) mittels Urteilsvorschlag (Art. 210 ZPO) abgeschlossen werden müssen. Indem die Schlichtungsbehörde darauf verzichtet und stattdessen einen Nichteintretensentscheid getroffen habe, verletze sie die Bestimmungen von Art. 59 und Art. 208 bis 211 ZPO.
6. Grundsätzlich prüft das Gericht von Amtes wegen, ob die Prozessvoraussetzungen (Art. 59 ZPO) erfüllt sind (Art. 60 ZPO). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit der paritätischen Schlichtungsbehörde im Sinne von Art. 200 Abs. 1 ZPO im reinen Schlichtungsverfahren grundsätzlich von den tatsächlichen Behauptungen der klagenden Partei auszugehen. Ergibt sich, dass die paritätische Schlichtungsbehörde sachlich offensichtlich nicht zuständig ist, darf sie das Verfahren durch Nichteintretensentscheid beenden (BGE 146 III 47 E. 4.3 S. 55). Zudem darf sie auf örtliche Unzuständigkeit und damit Nichteintreten erkennen, selbst wenn die beklagte Partei keine Einrede der Unzuständigkeit erhebt, wenn kumulativ die örtliche Unzuständigkeit offensichtlich und eine Einlassung gemäss Art. 18 ZPO ausgeschlossen ist, weil ein zwingender teilzwingender Gerichtsstand anwendbar ist (BGE 146 III 265 E. 4.3 S. 273 f. = Pra 2020 Nr. 109).
7. Vorliegend fällte die Vorinstanz ihren Nichteintretensbeschluss weder aufgrund offensichtlich sachlicher Unzuständigkeit noch aufgrund offensichtlich örtlicher Unzuständigkeit. Daher war nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Nichteintretensbeschluss ausgeschlossen. Selbst wenn der Schlichtungsbehörde die Prüfung weiterer Prozessvoraussetzungen nach Art. 59 ZPO obliegen würde, so wäre die Frage der Legitimation zur Mitteilung einer Mietzinserhöhung immer noch eine Frage des materiellen Rechts. Demzufolge war die Vorinstanz nicht befugt, auf das Verfahren gestützt auf die Prüfung einer materiell-rechtlichen Frage nicht einzutreten.
8. Die Berufung erweist sich damit als begründet, sie ist gutzuheissen. Der angefochtene Nichteintretensbeschluss der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein vom 7. Dezember 2023 ist aufzuheben und die Sache zur Fortsetzung des Schlichtungsverfahrens an die Schlichtungsbehörde zurückzuweisen.
9. Damit bleibt über die Kosten zu befinden. Die Gerichtskosten von CHF 1'000.00, welche die Schlichtungsbehörde verursacht hat, sind in vollem Umfang dem Kanton Solothurn zur Bezahlung aufzuerlegen (vgl. Art. 107 Abs. 2 ZPO). Den Berufungsklägern werden die von ihnen bevorschussten CHF 1'000.00 zurückerstattet.
10. Von Bundesrechts wegen kann ein Gericht den Kanton nur mit Gerichtskosten, nicht aber mit Parteikosten belasten, es sei denn, der betreffende Kanton habe im Rahmen von Art. 116 ZPO seine Billigkeitshaftung auf die gesamten Prozesskosten ausgedehnt (vgl. Adrian Urwyler/Myriam Grütter in: Alexander Brunner et al. [Hrsg.], ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, Zürich/St. Gallen 2016, Art. 107 ZPO N 13; Urteil des Bundesgerichts 5A_356/2014 E. 4.1 f.). Eine solche Ausdehnung kennt der Kanton Solothurn nicht. Entsprechend haben die Parteien ihre Parteikosten selber zu tragen (Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO). Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird gutgeheissen und der Nichteintretensbeschluss der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Dorneck-Thierstein vom 7. Dezember 2023 wird aufgehoben. 2. Die Sache geht zur Fortsetzung des Schlichtungsverfahrens zurück an die Schlichtungsbehörde. 3. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1'000.00 trägt der Kanton Solothurn. A.___ und B.___ werden die von ihnen für das vorliegende Verfahren bevorschussten CHF 1'000.00 zurückerstattet. 4. Die Parteikosten des Verfahrens vor Obergericht werden wettgeschlagen.
Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 15'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Zimmermann |
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