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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2024.38)

Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2024.38: Verwaltungsgericht

Die A.___ GmbH wurde aufgrund von Mängeln in der Organisation der Gesellschaft aufgelöst und zur Liquidation nach den Konkursvorschriften bestimmt. Die Gesellschaft reichte keine Stellungnahme ein, wodurch das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten bestätigt wurde. Die Berufungsklägerin legte Berufung ein und argumentierte, dass der Organisationsmangel behoben sei. Das Obergericht hob das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten auf und legte die Kosten für beide Verfahren der A.___ GmbH auf. Die Präsidentin Kofmel und die Oberrichter Hunkeler und Hagmann waren an der Entscheidung beteiligt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZKBER.2024.38

Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2024.38
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2024.38 vom 23.09.2024 (SO)
Datum:23.09.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Berufung; Gesellschaft; Berufungsklägerin; Recht; Handelsregister; Gericht; Verfahren; Urteil; Amtsgerichtspräsident; Rechtsdomizil; Organisation; Handelsregisteramt; Postumleitungsauftrag; Auflösung; Frist; Liquidation; Konkurs; Mangel; Antrag; Entscheid; Obergericht; Zivilkammer; Rechtsanwalt; Urteils; Zustand; Verfahrens; Mängel; Erwägung
Rechtsnorm: Art. 256 ZPO ;Art. 731b OR ;Art. 939 OR ;
Referenz BGE:141 III 43;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZKBER.2024.38

 
Geschäftsnummer: ZKBER.2024.38
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 23.09.2024 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2024.133
Titel: Mängel in der Organisation der Gesellschaft bzw. Auflösung der Gesellschaft

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 23. September 2024    

Es wirken mit:

Präsidentin Kofmel

Oberrichterin Hunkeler

Oberrichter Hagmann    

Gerichtsschreiber Schaller

In Sachen

A.___ GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Huber,

 

Berufungsklägerin

 

 

 

betreffend Mängel in der Organisation der Gesellschaft bzw. Auflösung der Gesellschaft


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1. Am 14. Juni 2024 überwies das Handelsregisteramt des Kantons Solothurn die Angelegenheit A.___ GmbH (im Folgenden die Gesellschaft) wegen Domizilverlusts an das Richteramt Thal-Gäu.

 

2. Der Amtsgerichtspräsident räumte der Gesellschaft mit Verfügung vom 18. Juni 2024 Frist zur Stellungnahme und zur Herstellung des rechtmässigen Zustands ein und drohte ihr für den Unterlassungsfall die Auflösung der Gesellschaft und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs an. Die Gesellschaft reichte keine Stellungnahme ein, obwohl ihr diese Verfügung zugestellt werden konnte.

 

3. Am 2. Juli 2024 erliess der Amtsgerichtspräsident das folgende Urteil:

1.     Die A.___ GmbH ([...]) wird aufgelöst und es wird ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet bzw. die Gesellschaft entsprechend in Liquidation versetzt, was im Handelsregister einzutragen ist.

2.     Mit der konkursamtlichen Liquidation wird das Kantonale Konkursamt [...] betraut.

3.     Die Gerichtskosten von CHF 500.00 werden der A.___ GmbH auferlegt (zu verrechnen im Konkursverfahren).

 

4. Am 3. Juli 2024 teilte Rechtsanwalt Thomas Huber dem Richteramt Thal-Gäu mit, er habe die Wahrung der Interessen der Gesellschaft übernommen. Weiter erklärte er, der Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft habe den bei der Post in Auftrag gegebenen Umleitungsauftrag per heutigem Datum gelöscht. Die Gesellschaft verfüge nach wie vor über das Rechtsdomizil an der [...] in [...]. Die Sonnerie sei entsprechend beschriftet. Angesichts dessen sollte der Mangel behoben sein. Der Amtsgerichtspräsident nahm diese Eingabe als Gesuch um Urteilsbegründung entgegen.

 

5. Mit Eingabe vom 9. Juli 2024 stellte die Gesellschaft den Antrag auf Aufhebung des noch nicht rechtskräftigen Urteils. Sie stützte diesen Antrag auf Art. 256 Abs. 2 ZPO. Danach kann eine Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amtes wegen auf Antrag aufgehoben abgeändert werden, wenn sie sich im Nachhinein als unrichtig erweist, es sei denn, das Gesetz die Rechtssicherheit ständen entgegen.

 

6. Der Amtsgerichtspräsident wies diesen Antrag in seiner Urteilsbegründung ab. Gegen das begründete Urteil erhob die Gesellschaft (im Folgenden die Berufungsklägerin) am 27. August 2024 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht. Sie stellt die folgenden Anträge:

1. Es sei in Gutheissung der Berufung das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und von der Anordnung der Liquidation der Berufungsklägerin sei abzusehen.

2. Eventualiter sei die Angelegenheit zwecks Abklärung des Sachverhalts und zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens seien unter Kosten- und Entschädigungsfolge (zuzüglich MwSt.) zulasten des Kantons Solothurn aus der Staatskasse zu tragen. Von der Enthebung eines Gerichtskostenvorschusses für das Berufungsverfahren sei abzusehen. Der unterzeichnete Rechtsanwalt sei vor Eröffnung des Entscheides die Gelegenheit zu geben, seine Aufwendungen in Form einer detaillierten Kostennote geltend zu machen.

 

7. Für den Parteistandpunkt und die Erwägungen des Vorderrichters wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.

II.

1. Gemäss Art. 731b Abs. 1 Ziff. 5 OR liegt ein Mangel in der Organisation einer Gesellschaft vor, wenn diese an ihrem Sitz kein Rechtsdomizil mehr hat. Das Handelsregisteramt fordert gemäss Art. 939 Abs. 1 OR Gesellschaften, welche einen Mangel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation aufweisen, auf, den Mangel zu beheben. Wird der Mangel nicht innerhalb der Frist behoben, so überweist es die Angelegenheit dem Gericht (Abs. 2). Das Gericht setzt der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist an, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederherzustellen ist und es kann die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen (Art. 731b Abs. 1bis OR).

 

2. Der Amtsgerichtspräsident hat die Auflösung der Berufungsklägerin wie folgt begründet: Gemäss Feststellung des Handelsregisteramts des Kantons Solothurn habe der Berufungsklägerin an ihrem Sitz keine Post mehr zugestellt werden können. Seither sei die Berufungsklägerin demnach ohne Rechtsdomizil an ihrem Sitz. Es liege demnach ein schwerwiegender Organisationsmangel vor. Da die Berufungsklägerin sowohl die vom Handelsregisteramt als auch die richterlich angesetzte Frist zur Behebung dieser Mängel ungenutzt habe verstreichen und sich nicht mehr habe vernehmen lassen, sei die Gesellschaft aufzulösen.

 

3. Die Berufungsklägerin stellt diese Erwägungen des Amtsgerichtspräsidenten nicht in Frage und äussert sich nicht dazu. Darauf ist nicht weiter einzugehen. Die Berufungsklägerin stützt ihre Berufung in erster Linie auf eine Verletzung von Art. 256 Abs. 2 ZPO. Subsidiär wird sodann die Heilung des Organisationsmangels als zwingend zu berücksichtigende Tatsache geltend gemacht.

 

4. Der Amtsgerichtspräsident hat sein Urteil am 2. Juli 2024 gefällt. Den später gestellten Antrag auf Aufhebung seines Entscheides nach Art. 256 Abs. 2 ZPO hat er in dessen Begründung abgewiesen, weil es sich vorliegend nicht um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handle. Dem widerspricht die Berufungsklägerin zu Recht. Wenn ein Aktionär, ein Gläubiger der Handelsregisterführer dem Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen nach Art. 731b Abs. 1 OR zu ergreifen, handelte es sich gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um ein streitiges Verfahren (BGE 141 III 43, E. 2.2.1). Geändert hat sich dies in Bezug auf den in jenem Entscheid noch miterwähnten Handelsregisterführer. Damals stellte der Handelsregisterführer Antrag beim Gericht und war Verfahrenspartei. Nach heutigem Recht überweist er die Angelegenheit bloss noch dem Gericht und ist nicht mehr Verfahrenspartei. In den Fällen, in denen das Handelsregisteramt dem Gericht die Angelegenheit überweist, handelt es sich daher um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. ein nichtstreitiges Verfahren i. S. v. Art. 248 lit. e ZPO mit der Gesellschaft als einziger Partei (Rolf Watter/Nadine Duss in: Rolf Watter et al. Hrsg., Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Basel 2023, N 10 zu Art. 731b). Art. 256 Abs. 2 ZPO hätte deshalb entgegen der Auffassung des Vorderrichters zur Anwendung kommen können.

 

5. Die Berufungsklägerin bringt zum Tatbestand des Art. 256 Abs. 2 ZPO vor, sie sei postalisch erreichbar gewesen, was der Empfang des Schreibens des kantonalen Konkursamtes vom 4. Juli 2024 an ihre Adresse beweise. Sie habe den erteilten Postumleitungsauftrag storniert und den unterzeichneten Rechtsanwalt mit der Wahrung ihrer Interessen mandatiert. Dieser habe mit den Eingaben vom 3. Juli 2024 und vom 9. Juli 2024 schriftlich zum Verfahren Stellung genommen. Sie habe nicht gewusst, dass der Postumleitungsauftrag zu einem Mangel in der Organisation (Verlust des Rechtsdomizils) führe. Sie habe Vertrauen darauf gehabt dass die Dienste der schweizerischen Post legal seien. Der illegale Umleitungsauftrag bei der Post habe das vorinstanzliche Verfahren verursacht. Mit Datum vom 3. Juli 2024 habe sie den Postumleitungsauftrag umgehend gelöscht. Seit diesem Auftragswiderruf sei sie postalisch an dem im Handelsregister eingetragenen Rechtsdomizil erreichbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen an die notwendige Organisation seien erfüllt, spätestens seit dem Widerruf des Umleitungsauftrags bei der Post.

 

6. Die Vorbringen der Berufungsklägerin überzeugen nicht. Nach dem eingereichten Widerruf des Postumleitungsauftrages war dieser vom 15. Mai 2024 bis am 4. Juli 2024 gültig. Das Fehlen eines Rechtsdomizils wurde vom Handelsregisteramt aber schon vor der Gültigkeit des Postumleitungsauftrages festgestellt. Auch das Schreiben des Handelsregisteramtes vom 9. April 2024 wurde mit dem Vermerk «Empfänger konnte unter der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden» retourniert. Insbesondere aber lässt sich die fehlende Erreichbarkeit der Berufungsklägerin ohnehin nicht mit dem erteilten Postumleitungsauftrag erklären. Eine solcher soll im Gegenteil gerade sicherstellen, dass die Post den Adressaten erreicht. Dass die Berufungsklägerin an ihrem Rechtsdomizil nicht mehr erreichbar war, muss also andere Gründe gehabt haben. Die Gründe für die fehlende Erreichbarkeit müssen hier indessen nicht ermittelt werden. Es ist jedoch festzuhalten, dass mit dem geltend gemachten Widerruf des Postumleitungsauftrages die Wiederherstellung des eingetragenen Rechtsdomizils nicht belegt werden konnte. Mit dieser Begründung hätte sich die angeordnete Auflösung der Gesellschaft noch nicht als unrichtig erwiesen. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Anordnung nach Art. 256 Abs. 2 ZPO wären nicht vorhanden gewesen.

 

7. Im heutigen Zeitpunkt kann es indessen als erwiesen erachtet werden, dass die Berufungsklägerin an ihrer Domiziladresse wieder erreichbar ist. Dies zeigt schon das vorliegende Berufungsverfahren. Obwohl die Verfügung des Amtsgerichtspräsidenten vom 18. Juni 2024 vergessen ging und nicht an die zuständigen Organe weitergeleitet wurde, konnte diese an das Rechtsdomizil der Berufungsklägerin zugestellt werden. Der gesetzmässige Zustand kann somit als wiederhergestellt gelten.

 

8. Die Berufungsklägerin hat zufolge ihrer Säumnis sowohl das erst- als auch das zweitinstanzliche Verfahren veranlasst, obwohl sie vorgängig mehrmals zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes aufgefordert wurde. Die Berufungsklägerin hat deshalb die Kosten beider Verfahren zu tragen. Die Entscheidgebühr für das Verfahren vor Obergericht wird auf CHF 1‘000.00 festgesetzt.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Thal-Gäu vom 2. Juli 2024 wird aufgehoben.

2.    Die A.___ GmbH hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF 500.00 zu bezahlen.

3.    Die A.___ GmbH hat die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1‘000.00 zu bezahlen. Diese werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 30’000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Der Gerichtsschreiber

Kofmel                                                                              Schaller



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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