Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2024.20 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 03.07.2024 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Zivilkammer des Obergerichts hat entschieden, dass die Kündigung des Mietvertrags durch die Beklagte nicht gegen Treu und Glauben verstösst. Der Kläger hatte die Kündigung angefochten und eine Erstreckung des Mietverhältnisses beantragt, was jedoch abgelehnt wurde. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Sanierung des Mietobjekts hat. Die Berufung des Klägers wurde insgesamt als unbegründet abgewiesen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 2'500.00, die der Kläger tragen muss. Die Berufungsbeklagte hat Anspruch auf eine Parteientschädigung von CHF 4'584.65, die der Kläger zu zahlen hat. |
Schlagwörter: | Berufung; Kündigung; Berufungskläger; Sanierung; Mietobjekt; Mietverhältnis; Zeuge; Miete; Berufungsbeklagte; Mieter; Recht; Zeugen; Aussage; Vermieter; Aussagen; Parteien; Entschädigung; Apos; Vorderrichterin; Interesse; Mietobjekts; Sanierungsarbeiten; Umbau; Mietvertrag; Höhe; Erstreckung; Urteil |
Rechtsnorm: | Art. 266a OR ; Art. 271 OR ; Art. 271a OR ; Art. 272 OR ; Art. 272b OR ; |
Referenz BGE: | 130 III 563; 135 III 112; 140 III 496; |
Kommentar: | Corinne Widmer Lüchinger, Basler Kommentar Obligationenrecht, Art. 271 OR, 2020 |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2024.20 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 03.07.2024 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2024.102 |
Titel: | Anfechtung Kündigung / Erstreckung Mietvertrag |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 3. Juli 2024 Es wirken mit: Oberrichterin Kofmel Oberrichter Frey Gerichtsschreiber Schaller In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Rajeevan Linganathan,
Berufungskläger
gegen
B.___ AG,vertreten durch Rechtsanwalt Olivier Glättli,
Berufungsbeklagte
betreffend Anfechtung Kündigung / Erstreckung Mietvertrag zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1.1 Am 18. Oktober 2017 unterzeichnete die C.___ AG (als Vermieterin) mit D.___ und E.___ (als Mieter) einen Mietvertrag für gewerbliche Räume ([…]- und […]) im Erdgeschoss an der [...]strasse [...] in [...] (nachfolgend: Mietobjekt), mit Mietbeginn 16. November 2017. Eine Kündigung des Mietverhältnisses wurde als sechsmonatlich im Voraus auf Ende März/Ende September, frühestens jedoch auf den 31. März 2023 vorgesehen. Der monatliche Nettomietzins wurde auf CHF 1'300.00 festgesetzt.
1.2 Im Jahr 2019 wurde mit der Sanierung der Liegenschaft an der [...]strasse [...] in [...] begonnen.
1.3 Mit «Vertragsüberschreibung (Zession)» vom 2. August 2021 vereinbarte die neue Vermieterin des Mietobjekts, die B.___ AG (nachfolgend: Beklagte) mit D.___ und A.___ (nachfolgend: Kläger), dass der Mietvertrag vom 18. Oktober 2017 mit Wirkung per 31. August 2021 auf A.___ überschrieben wird.
1.4 Am 16. September 2022 kündigte die Beklagte dem Kläger den Mietvertrag vom 18. Oktober 2017 per 31. März 2023. Als Grund nannte sie «Kündigung infolge umfassender Sanierungsarbeiten».
2. Nach einem gescheiterten Schlichtungsverfahren machte der Kläger am 22. Februar 2023 vor Richteramt Solothurn-Lebern eine Klage anhängig. Er verlangte in der Hauptsache, es sei festzustellen, dass die Kündigung unwirksam sei, eventualiter sei die Kündigung aufzuheben, subeventualiter sei das Mietverhältnis zu erstrecken, u.K.u.E.F. Die Beklagte schloss in ihrer Klageantwort vom 2. Juni 2023 auf Klageabweisung, u.K.u.E.F. Am 22. November 2023 fand die Hauptverhandlung mit Partei- und Zeugenbefragung statt. Beide Parteien bestätigten die bereits gestellten Rechtsbegehren. Gleichentags wies die Amtsgerichtspräsidentin von Solothurn-Lebern die Klage ab und auferlegte dem Kläger sämtliche Prozesskosten.
3.1 Gegen den begründeten Entscheid erhob der Kläger (nachfolgend: Berufungskläger) am 18. April 2024 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn mit den folgenden Rechtsbegehren:
1. Das Urteil vom 22. November 2023 sei vollumfänglich aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit Formular vom 16. September 2022 ausgesprochene Kündigung des Mietobjekts Ladenlokal im EG, […]- und […] an der [...]strasse [...] in [...] unwirksam ist. 2. Eventualiter sei das Urteil vom 22. November 2023 vollumfänglich aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit Formular vom 16. September 2022 ausgesprochene Kündigung des Mietobjekts Ladenlokal im EG, […]- und […] an der [...]strasse [...] in [...] rechtsmissbräuchlich ist und es sei die Kündigung aufzuheben. 3. Sub-Eventualiter sei das Urteil vom 22. November 2023 vollumfänglich aufzuheben und es sei das Mietverhältnis um 6 Jahre zu erstrecken. 4. Die Berufungsbeklagte sei zu verurteilen, dem Berufungskläger für das Schlichtungs- und Klageverfahren eine Parteientschädigung gemäss eingereichte[r] Honorarnote zu bezahlen. 5. Die erstinstanzlichen Gerichtskosten seien der Berufungsbeklagten aufzuerlegen. 6. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsbeklagten.
3.2 Mit Berufungsantwort vom 5. Juni 2024 schloss die Beklagte (nachfolgend: Berufungsbeklagte) auf vollumfängliche Abweisung der Berufung, u.K.u.E.F.
4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.
II.
1.1 Strittig und zu klären ist, ob der Kündigung vom 16. September 2022 eine Sperrfrist entgegensteht und sie deshalb anfechtbar ist.
1.2 Die Vorderrichterin verneinte, dass der Kündigung eine Sperrfrist entgegensteht und erwog dazu Folgendes: Zwischen den Parteien sei nie streitig gewesen, dass die Beklagte die umbaubedingte eingeschränkte Nutzung des Klägers zu entschädigen habe. Die Korrespondenz (Schreiben zwischen dem Rechtsvertreter des Klägers und der Vertreterin der Beklagten im Zeitraum vom 12. November 2019 bis 29. März 2022 [Klagebeilagen Nrn. 7 bis 9]) habe sich auf die Höhe der Entschädigung bezogen. Es liege in der Natur der Sache, dass man sich über die Entschädigungshöhe unterhalte, falls – wie hier – unterschiedliche Sanierungszyklen von unterschiedlicher Intensität und Ausmass vorliegen würden. Die ins Recht gelegte Kommunikation erfülle die Qualität der «aussergerichtlichen Einigung» nicht.
1.3 Der Berufungskläger bringt vor, er sei für einen Zeitraum von insgesamt 73 Wochen entschädigt worden, in welchem er durch die Sanierungsarbeiten am Gebäude beeinträchtigt worden sei. Dafür sei schlussendlich ein Betrag von CHF 9'490.00 ausbezahlt worden. Im ersten Angebot der Vermieterin sei von einer Entschädigungsdauer von zwei Wochen (in der Höhe von CHF 2'500.00) die Rede gewesen. Erst mit Schreiben vom 29. März 2021 [recte: 2022] sei die Entschädigung für die gesamte Umbaudauer anerkannt worden. Ursprünglich sei lediglich eine Kompensation von 10 % des Monatsnettomietzinses angeboten worden. Er selbst sei ursprünglich von einer Entschädigung von 50 % in der Höhe von ca. knapp CHF 16'000.00 ausgegangen. Die Streitigkeit habe nicht ausschliesslich die Höhe der Entschädigung als Grundlage gehabt, sondern etwa auch die Dauer der Arbeiten. Beide Parteien hätten also erheblich von ihrem Standpunkt abweichen müssen, um schliesslich zu der genannten Einigung zu gelangen.
1.4 Eine Kündigung durch den Vermieter ist anfechtbar, wenn sie vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird, in dem der Vermieter mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen sich sonst wie geeinigt hat (Art. 271a Abs. 1 lit. e Ziff. 4 Schweizerisches Obligationenrecht, OR, SR 210). Art. 271a Abs. 2 OR legt fest, dass diese Bestimmung auch anwendbar ist, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat. Mit Abs. 2 wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Mieter zu unnötigen Schlichtungsverfahren gezwungen werden (siehe zum Ganzen: Roger Weber in: Corinne Widmer Lüchinger et al. [Hrsg.], Basler Kommentar Obligationenrecht I, Basel 2020, Art. 271/271a mit weiteren Hinweisen).
1.5 Nach der Rechtsprechung gilt als Einigung im Sinne von Art. 271a Abs. 2 OR nur eine einvernehmliche Streitbeilegung, mittels der eine unter den Parteien kontroverse Rechtsfrage abschliessend geklärt wird. Fälle, in denen es zu einer Auseinandersetzung gar nicht erst kommt, weil die eine andere Partei dem Begehren des Vertragspartners sogleich entspricht z.B. wenn der Vermieter seine Forderung auf erstmalige Bestreitung durch den Mieter hin fallen lässt umgekehrt einer Forderung seines Mieters umgehend nachkommt, werden daher nicht von Art. 271a Abs. 2 OR erfasst (vgl. BGE 130 III 563 E. 2 mit Hinweisen).
1.6 Die Berufungsbeklagte bezahlte dem Berufungskläger eine Entschädigung in der Höhe von CHF 9'490.00 (18.25 [Monate = 73 Wochen] x 1'300.00 x 40 %). Die Vorderrichterin hat in ihrem Entscheid die Korrespondenz zwischen den Parteien bzw. deren Vertretern chronologisch aufgearbeitet und richtig wiedergegeben. Es kann darauf verwiesen werden. Daraus geht hervor, dass die Frage der Entschädigungspflicht durch die Vermieterschaft zu keinem Zeitpunkt kontrovers war. Die Berufungsbeklagte bestritt nie, dass sie dem Berufungskläger die umbaubedingte eingeschränkte Nutzung zu entschädigen hat. Zwar waren sich die Parteien nicht von aller Anfang an einig über die Höhe der Entschädigung (über die Dauer, über den massgebenden Mietzins, über den zu entschädigenden Prozentsatz), was zum vorerwähnten Korrespondenzaustausch führte. Dieser ändert aber nichts daran, dass das Verhalten der Parteien keine Sperrfrist auszulösen vermochte. Von einer Auseinandersetzung Meinungsverschiedenheit im Sinne der Rechtsprechung kann keine Rede sein, haben die Parteien doch ohne Weiteres auf die jeweiligen Gegenangebote eingestimmt. In welchem Ausmass die Parteien von ihrem ursprünglichen Standpunkt abgewichen sind, spielt dabei keine Rolle. Wie von der Berufungsbeklagten zu Recht ausgeführt, darf alleine der Umstand, dass nicht von Beginn weg eine Einigung über die Höhe der Entschädigung vorlag, nicht zur Folge haben, dass deshalb von einer durch Vergleich beigelegten Streitigkeit auszugehen ist. Wäre dies so, wäre die Vermieterschaft faktisch gezwungen, jegliche mieterseitig gestellten Entschädigungsforderungen unbesehen zu akzeptieren, um eine Kündigungssperre zu vermeiden. Eine Sperrfrist ist vorliegend nicht gegeben. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob es sich vorliegend überhaupt um eine Forderung aus dem Mietverhältnis gehandelt hat (Entschädigung für die Dauer bis April 2021, Vertragsüberschreibung am 2. August 2021).
1.7 Aufgrund des Gesagten verneinte die Vorderrichterin das Vorliegen einer Sperrfrist zu Recht. Die Berufung erweist sich diesbezüglich als unbegründet.
2.1 Weiter ist strittig, ob die Kündigung gegen Treu und Glauben verstösst bzw. ob sie rechtsmissbräuchlich ist.
2.2 Die Vorderrichterin verneinte auch die Missbräuchlichkeit der Kündigung. Sie hielt dazu zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes fest: Der Zeuge habe sich dafür ausgesprochen, dass der Kläger das Mietobjekt während den geplanten Sanierungsarbeiten, welche voraussichtlich drei Monate dauerten, nicht benutzen könne. Konkret müssten die Schadstoffarbeiten unter Schutzatmosphäre durchgeführt werden. In Bezug auf die Unterlagsböden müsse die ganze Fläche frei sein, damit man die Bodenheizung angehen könne. Die Fenster seien auszuwechseln. Auch Sicherheitsüberlegungen sprächen gegen eine parallel zu den Arbeiten verlaufende Nutzung des Mietobjekts. Schliesslich bestehe weder die Möglichkeit, die Arbeiten mithilfe anderer Materialien schneller zu Ende zu führen noch nur an einem Teil der Fläche zu arbeiten. Letzteres weil das Mietobjekt aus einem offenen Raum bestehe. Die Vorderrichterin schlussfolgerte, die Aussagen des Zeugen seien nachvollziehbar, stimmten mit der Aktenlage überein (insb. mit der Baubewilligung, den Plänen und den eingereichten Bildern) und es würden keine Anhaltspunkte vorliegen, um von seinen fachmännischen Einschätzungen abzuweichen. Der Umbau am Mietobjekt habe mit den geplanten Sanierungsarbeiten ein solches Ausmass erreicht, dass er sich nur in Abwesenheit des Klägers durchführen lasse. Hierfür spreche die Schadstoffuntersuchung und -sanierung unter Schutzatmosphäre, der komplette Ein- bzw. Ausbau des Unterlagsbodens und das Auswechseln der Fenster. Es sei bei diesen Arbeiten ausgeschlossen, parallel einen […]betrieb zu führen. Der Kläger könne aus der Vertragsüberschreibung bzw. Zession vom 2. August 2021 nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Beklagte habe die Baubewilligung für den Umbau ihrer Liegenschaft erhalten. Die Baubewilligung umfasse ebenfalls die Sanierung des Mietobjekts. Die weiteren Beilagen äusserten sich detailliert dazu, was noch am Mietobjekt selbst vorgenommen werden müsse. Es existiere ein Plan in den Unterlagen und aufgrund der Aussagen des Zeugen sei klar, was konkret noch anstehe bzw. bisher aufgrund des Verbleibens des Klägers im Mietobjekt noch nicht in Angriff habe genommen werden können. Die Sanierung des Mietobjekts sei realistisch und objektiv nicht unmöglich. Die Kündigung sei nicht vorgeschoben. Es gelte der Grundsatz der Kündigungsfreiheit.
2.3 Der Berufungskläger bringt vor, auf die Aussagen des Zeugen könne nicht ohne weiteres abgestellt werden. Er stehe in enger Verbindung zur Berufungsbeklagten und sei in Bezug auf das konkrete Mietobjekt als Architekt direkt involviert. Der Zeuge habe ein sehr hohes Interesse am Ausgang dieses Verfahrens. Seine Aussagen, insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit von Umbauarbeiten während eines laufenden Mietverhältnisses, seien äusserst zurückhaltend zu werten. Bereits anlässlich der Umbauarbeiten zwischen 2019 und 2021 sei das […]geschäft weitergeführt worden, obschon auch bereits damals stark einschränkende Arbeiten an der Fassade, an den Fenstern sowie insbesondere an der Innendecke des Mietobjekts vorgenommen worden seien. Die Innendecke sei abgerissen und neu verbaut worden. Auch die bevorstehenden Arbeiten an den Fenstern die Schadstoffuntersuchungen könnten während dem Mietverhältnis erfolgen. Einerseits könne mit Massnahmen wie separaten Zugängen für die Kunden und Arbeiter sowie Staubschutzwänden und anderweitigen Abtrennungen für die notwendige Sicherheit der Kunden und Arbeiter gesorgt werden. Der offene Raum des […] könne zum Zwecke der Umbauarbeiten künstlich in zwei separate Räume unterteilt werden. Andererseits wäre es auch zumutbar, dass er sein Geschäft in Absprache mehrere Wochen (bspw. während den Sommerferien) schliesse. Die Vertragsüberschreibung sei ohne weiteres bewilligt worden. Nach Treu und Glauben habe er annehmen können, dass die kompletten Sanierungsarbeiten vollumfänglich ohne Kündigung des bestehenden Mietverhältnisses durchgeführt werden könnten.
2.4.1 Die ordentliche Kündigung eines Mietvertrages setzt keinen besonderen Kündigungsgrund voraus. Mieter und Vermieter sind nach Art. 266a Abs. 1 OR grundsätzlich frei, ein unbefristetes Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen gesetzlichen Fristen und Termine zu beenden. Die Kündigung von Wohn- Geschäftsräumen ist indessen gemäss Art. 271 Abs. 1 OR anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Als treuwidrig gilt eine Kündigung allgemein, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse ausgesprochen wird und damit aus reiner Schikane erfolgt Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen (zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 4A_246/2023 vom 17. Juli 2023 E. 3.1.1 mit weiteren Hinweisen).
2.4.2 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst eine Kündigung im Hinblick auf Umbau- Sanierungsarbeiten, die eine Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken, nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Werden die geplanten Arbeiten hingegen nicht nur unerheblich erschwert verzögert, wenn die Mieterschaft im Mietobjekt verbleibt, besteht kein schützenswerter Grund für die Vermieterschaft, dennoch zu kündigen (grundlegend BGE 135 III 112 E. 4.2). Missbräuchlich ist eine solche Kündigung, wenn das Projekt als nicht realitätsnah objektiv unmöglich erscheint, namentlich weil es offensichtlich mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, so dass die Vermieterschaft die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erhalten wird (BGE 140 III 496 E. 4.1).
2.5.1 Der Berufungskläger rügt die vorinstanzliche Würdigung des Zeugenbeweises. Bei der Würdigung von Aussagen darf nicht einfach auf die Persönlichkeit die allgemeine Glaubwürdigkeit der befragten Person abgestellt werden. Örtliche, fachliche persönliche Nähe eines Zeugen zum Beweisthema können zwar durchaus von Belang sein, sind für sich genommen aber noch kein Grund, der Aussage zu misstrauen. Erst nach Hinzutreten weiterer, in dieselbe Richtung weisender Indizien, wie beispielsweise das Fehlen einer hinreichenden Anzahl von Realitätskriterien, können solche Aussagen als unzuverlässig verworfen werden. Gewichtiger als die Glaubwürdigkeit einer Person ist somit die Aussagenanalyse respektive die Glaubhaftigkeit der konkreten, im Prozess relevanten Aussagen. Es kommt auf den inneren Gehalt der Aussagen an, verbunden mit der Art und Weise, wie die Angaben erfolgen (Rolf Bender, Die häufigsten Fehler bei der Beurteilung von Zeugenaussagen, SJZ 81 [1985] S. 53 ff.; Peter Higi, Die richterliche Zeugenbefragung im Zivilprozess - Technik und Praxis, AJP 9/2006 S. 1105; Christian Leu, DIKE-Komm-ZPO, Art. 157 N 41; OGer ZH LA190011 vom 3. April 2020, E. 4.1.).
2.5.2 Die Rügen des Berufungsklägers in Bezug auf die vorinstanzliche Beweiswürdigung betreffen überwiegend die Nähe der Zeugen zum streitbetroffenen Miet- bzw. Sanierungsobjekt. Der Umstand, dass der Zeuge als Architekt bei den Sanierungsarbeiten mitwirkt, lässt seine Aussagen aber nicht per se als unglaubwürdig unglaubhaft erscheinen. Dass die Vorderrichterin primär die Aussagen des Zeugen würdigte und nicht wegen etwaiger Vorbefassung mit der Sache die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen verneinte, stellt entgegen der Ansicht des Berufungsklägers keine Verletzung von Treu und Glauben dar, sondern entspricht der gängigen Praxis. Was der Berufungskläger sodann zu den Aussagen des Zeugen vorbringt, lässt die vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht als unrichtig erscheinen. Die Vorderrichterin legte überzeugend dar, warum sie die Aussagen des Zeugen als glaubhaft erachtete, nämlich weil sie sich auch durch objektive Beweise untermauern liessen.
2.5.3 Da aufgrund der nachvollziehbaren und durch Urkunden gestützten Zeugenaussagen die Umbau- Sanierungsarbeiten (der genaue Umfang der Sanierungsarbeiten ergibt sich aus den beklagtischen Urkunden Nrn. 6 bis 9) die Weiterbenutzung des Mietobjekts in erheblichen Massen einschränken, verstösst die - ordentliche, frist- und formgerecht ausgesprochene - Kündigung gestützt auf die vorzitierte Rechtsprechung also nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es der Berufungskläger war, welcher bereits mit Schreiben vom 9. September 2021 (klägerische Urkunde Nr. 8) zu verstehen gab, dass der Gebrauch der Mietsache für ihn während der damals stattfindenden Arbeiten «absolut unzumutbar» gewesen sei. Damals war sein Ladenlokal von den Sanierungsarbeiten (teils) nur indirekt betroffen. Vorliegend sollen nun insbesondere die Bodenheizung ausgewechselt und die Fenster ersetzt werden. Der Umbau soll rund drei Monate dauern. Damit ist ohne Weiters davon auszugehen, dass daneben der Betrieb eines […]geschäfts unmöglich ist.
2.6 Nicht ersichtlich ist, weshalb die Vertragsüberschreibung der Kündigung entgegenstehen sollte. Der Berufungskläger wusste schon vor der Überschreibung von den Sanierungsabreiten. Die Berufungsbeklagte teilte dem Berufungskläger mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 mit, dass die Liegenschaft total saniert werde und der Vormieter des Berufungsklägers (noch) der einzige Mieter in der Liegenschaft sei. Allen übrigen Wohn- und Gewerbemietern sei gekündigt worden. Da sich nun eine unvorhergesehene Steigzonensanierung ergeben habe, welche das Ladenlokal flächendeckend beeinträchtige und daher eine unzumutbare Situation für den (Vor-)Mieter darstellen werde, sei sie mit dem (Vor-)Mieter in Kontakt getreten und habe ihm eine frühzeitige Vertragsauflösung angeboten (klägerische Urkunde Nr. 8). Ferner führte der Berufungskläger in seiner Eingabe vom 12. November 2019 an die Berufungsbeklagte selbst aus, er sei bereits seit dem 1. Januar 2019 «Untermieter» von Herrn D.___ gewesen (klägerische Urkunde Nr. 8). Mit der Vertragsüberzeichnung wurden die tatsächlichen Gegebenheiten (alleinige Miete durch den Berufungskläger) auch rechtlich angepasst. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers liegen keine Umstände vor, gestützt auf welche er von einem längerfristigen Mietverhältnis hätte ausgehen dürfen. Ganz im Gegenteil: Anlässlich der Vertragsunterzeichnung hat er unterschriftlich bestätigt, dass er vom Inhalt des Mietvertrags Kenntnis hat. Im Mietvertrag ist festgehalten, dass der erste Kündigungstermin der 31. März 2023 ist. Nachdem der Berufungskläger bereits bei Vertragsunterzeichnung Kenntnis der Umbauarbeiten hatte und ebenso, dass allen anderen Mietern gekündigt worden ist, kann er sich nicht auf das Bestehen eines langfristigen Mietverhältnisses berufen.
2.7 Die Vorderrichterin ging demnach zu Recht davon aus, dass die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben verstösst.
3.1 Schliesslich ist zu prüfen, ob das Mietverhältnis zu erstrecken ist.
3.2 Die Vorderrichterin verneinte die Voraussetzungen für eine Erstreckung. Dazu führte sie Folgendes aus: Der Kläger mache zwar geltend, dass er im Zentrum von […] seine Stammkunden habe, ohne dies aber zu belegen. Er belege auch nicht, dass der erfolgreiche Betrieb seines Geschäfts unmittelbar mit seinem Standort zusammenhänge bzw. seine Kundschaft ortsgebunden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass auch andernorts […]dienstleistungen durch den Kläger angeboten und entsprechende Kunden mitgenommen akquiriert werden könnten. Zudem sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger bei einem Standortwechsel unzumutbare Massnahmen in Kauf nehmen müsste. Die Kündigungsfrist genüge als Vorlaufszeit. Der Kläger belege auch keine Suchbemühungen für ein Alternativlokal. Die Vermieterin habe ein Interesse an einer umfassenden bzw. vollständigen Sanierung der Liegenschaft, welche das Interesse des Mieters am Verbleib in der Liegenschaft überwiege. Aus der Baubewilligung ergebe sich, dass sich die Bauherrschaft dazu verpflichtet habe, die Bestimmungen der kantonalen Energiegesetzgebung einzuhalten. In Übereinstimmung mit den Aussagen des Zeugen sei klar, dass die Infrastruktur im Mietobjekt veraltet sei. Sie sei nur provisorisch installiert, damit dem Kläger ein Mindestmass an Nutzung der Räumlichkeit ermöglicht werde. Die Beklagte habe ein Interesse daran, dass dieses Provisorium beseitigt werde. Dies umso mehr, als das Mietobjekt die letzte Einheit der Liegenschaft bilde, die noch nicht umfassend saniert worden sei.
3.3 Der Berufungskläger bringt vor, seine Interessen würden in der Art und Weise der Vertragsübertragung mit dem Standort sowie den finanziellen Folgen für ihn und seine Familie liegen. Die Umstände des Vertrages, welche auf ein längerfristiges Mietverhältnis deuteten, sprächen zugunsten einer Erstreckung. Die Standortgebundenheit seines Unternehmens sei nachgewiesen. Dass der […]betrieb an seinem Ort im Zentrum […] Stammkunden habe, sei offenkundig. Es liege daher eine standort- bzw. ortsgebundene Kundschaft vor. Die Suche nach einem neuen Lokal, welches sich ebenfalls im Zentrum von […] befinde, benötige Zeit. Er habe seine diesbezüglichen Bemühungen anlässlich der Parteibefragung glaubhaft darlegen können. So habe er angegeben, dass er seit dem Bestehen der Baustelle nach einem neuen Standort für den […]betrieb gesucht, jedoch keinen gefunden habe. Der […]betrieb befinde sich nicht in einem eigentlichen Provisorium, vielmehr seien bereits Sanierungsmassnahmen vorgenommen und die Arbeiten abgeschlossen worden. Der Betrieb könne einwandfrei erfolgen. Inwiefern die Berufungsbeklagte ein dringliches Interesse an einer Sanierung bzw. am Einbau einer Bodenheizung von neuen Fenstern habe, sei nicht ersichtlich. Nur weil ein sehr kleiner Teil eines Gebäudes nicht dem neuesten Standard entspreche, müsse keine dringende Sanierung vorgenommen werden. Die Sanierung könne ohne weiteres zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
3.4 Ein Mietverhältnis kann erstreckt werden, wenn die Beendigung der Miete für den Mieter seine Familie eine Härte zur Folge hat, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (Art. 272 Abs. 1 OR). Für Wohnräume kann es um höchstens vier, für Geschäftsräume um höchstens sechs Jahre erstreckt werden (Art. 272b Abs. 1 OR). Die Erstreckung des Mietverhältnisses bezweckt in erster Linie, dem Mieter für die Suche neuer Räume mehr Zeit zu lassen, als ihm nach der ordentlichen Kündigungsfrist zur Verfügung stünde. Als Härte im Sinne von Art. 272 OR kommen folglich Umstände in Betracht, die es dem Mieter verunmöglichen, in der verbleibenden Zeit ein Ersatzobjekt zu finden. Darunter fallen nur Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, die sich durch eine Erstreckung des Mietverhältnisses abwenden mindern lassen (dazu: Urteil des Bundesgerichts 4A_246/2023 vom 17. Juli 2023 E. 4.1.1 mit Hinweisen).
3.5 Der Berufungskläger hat im erstinstanzlichen Verfahren ernsthafte Suchbemühungen weder substantiiert behauptet noch dokumentiert. Auch anlässlich des vorliegenden Verfahrens reicht er keinerlei Nachweise über Bemühungen zur Suche ein. Es ist nicht ersichtlich, dass die Suche nach einem Ersatzobjekt besondere Mühe bereiten sollte. Bei entsprechenden Suchbemühungen wäre es dem Berufungskläger durchaus möglich gewesen, innerhalb der sechsmonatigen Kündigungsfrist ein Ersatzobjekt zu finden. An ein Ersatzlokal für den Betrieb eines […] sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (v.a. Wasser- und Stromanschluss). Durch die Umstände der Vertragsüberschreibung durfte der Berufungskläger nicht auf ein längerfristiges Mietverhältnis vertrauen, was bereits vorerwähnt wurde. Ein schützenswertes Interesse des Berufungsklägers am Verbleib im Mietobjekt ist nicht auszumachen. Die Berufungsbeklagte hingegen verfügt über ein ausgereiftes und aktuelles Bauprojekt. Das streitbetroffene Ladenlokal ist die letzte Einheit, welche noch nicht umgebaut ist. Sie hat ein schützenswertes Interesse an der Sanierung des Mietobjekts. Der Entscheid der Vorderrichterin lässt keinen Grund zur Beanstandung erkennen. Kommt hinzu, dass der Entscheid über eine Erstreckung ein ausgesprochener Ermessensentscheid ist.
3.6 Die Vorderrichterin verneinte aufgrund der Erwägungen auch die Erstreckbarkeit des Mietverhältnisses zu Recht.
4. Aufgrund der Erwägungen erweist sich die Berufung insgesamt als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Berufungskläger die Gerichtskosten zu tragen. Diese belaufen sich auf CHF 2'500.00 und werden mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Ausgangsgemäss hat der Berufungskläger zudem die Berufungsbeklagte zu entschädigen. Die Berufungsbeklagte macht für das Berufungsverfahren insgesamt 12 Stunden à CHF 350.00 sowie Auslagen von CHF 41.10 und MwSt. von 8.1 % geltend. Die Honorarnote gibt zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Parteientschädigung der Berufungsbeklagten ist demnach auf CHF 4'584.65 (Honorar: CHF 4'200.00, Auslagen: CHF 41.10, MwSt.: CHF 343.55) festzusetzen und vom Berufungskläger zu bezahlen.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird abgewiesen. 2. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von CHF 2'500.00 zu bezahlen. 3. A.___ hat der B.___ AG für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 4'584.65 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 15'000.00. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber Hunkeler Schaller |
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