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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2024.12)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2024.12
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2024.12 vom 27.05.2024 (SO)
Datum:27.05.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die Eheleute A und B haben Kinder und führen ein Scheidungsverfahren. Es geht um die Festlegung von Unterhaltsbeiträgen, die vom Ehemann zu zahlen sind. Der Ehemann hat Berufung gegen die Festlegung des Unterhalts eingelegt, da er sein Einkommen reduziert sieht. Das Gericht prüft die Einkommenssituation des Ehemannes und entscheidet, dass die Einkommensminderung nicht unfreiwillig war. Die Berufung wird abgewiesen, die Kosten werden dem Ehemann auferlegt. Die Gerichtskosten betragen CHF 1.000, die Parteientschädigung für die Berufungsbeklagte beträgt CHF 2.172,30. Die Berufungsbeklagte erhält unentgeltliche Rechtspflege.
Schlagwörter: Apos; Ehemann; Berufung; Recht; Einkommen; DTZPR; Pikettdienst; Unterhalt; Monatslohn; Berufungskläger; Ehemannes; Urkunde; Abänderung; Eheschutz; Urteil; Parteien; Nettoeinkommen; Barunterhalt; Bestätigung; Staat; Berufungsbeklagte; Urteils; Rechtspflege; Gründen; Lohnabrechnung; Zahlung
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 123 ZPO ; Art. 129 ZGB ; Art. 179 ZGB ; Art. 286 ZGB ;
Referenz BGE:143 III 233; 147 III 265;
Kommentar:
-
Entscheid
 
Geschäftsnummer: ZKBER.2024.12
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 27.05.2024 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2024.79
Titel: vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 27. Mai 2024           

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichter Frey

Oberrichterin Kofmel

Gerichtsschreiberin Zimmermann

In Sachen

A.___, vertreten durch Advokat Roman Felix,

 

Berufungskläger

 

 

gegen

 

 

1.    B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Altenbach,

2.    C.___, vertreten durch Advokat Jonas Schweighauser,

 

Berufungsbeklagte

 

betreffend vorsorgliche Massnahmen Ehescheidung


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1.1 A.___ (nachfolgend: Ehemann) und B.___ (nachfolgend: Ehefrau) verheirateten sich […] 2012. Sie sind die Eltern der Kinder D.___, geb. [...] 2007, und C.___, geb. [...] 2013.

 

1.2 Die Parteien führen vor Richteramt Dorneck-Thierstein ein Ehescheidungsverfahren, welches der Ehemann am 22. September 2022 anhängig machte. Dem Scheidungsverfahren gingen zwei Eheschutz- (DTZPR.2018.149 und DTZPR.2020.426) sowie ein Abänderungsverfahren (DTZPR.2022.20) voraus.

 

1.3 Beide Parteien ersuchten um Anpassung der festgesetzten Unterhaltsbeiträge ab 1. Juli 2023 (der Ehemann [erstmals] am 29. Juni 2023, die Ehefrau am 6. Oktober 2023).

 

1.4 Für den Sohn C.___ wurde mit Verfügung vom 7. September 2023 ein Kindsvertreter eingesetzt.

 

2. Die Amtsgerichtsstatthalterin von Dorneck-Thierstein erliess – soweit vorliegend relevant – am 30. Oktober 2023 folgende im Dispositiv eröffnete Verfügung:

 

1.      In Abänderung von Ziffer 3 des Urteils des Eheschutzverfahrens DTZPR.2022.20 vom 30.03.2022 wird der Kläger vorsorglich verpflichtet, mit Wirkung ab 01.07.2023 für die Dauer des vorliegenden Verfahrens folgende monatlichen und monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge für die Tochter D.___, geb. [...] 2007, und den Sohn C.___, geb. [...] 2013, zu bezahlen:

 

       Vom 01.07.2023 bis 31.07.2023:

       Für D.___:           CHF 954.00 (nur Barunterhalt)

 

       Für C.___:           CHF 1'355.00 (Barunterhalt CHF 868.00, Betreuungsunterhalt CHF 487.00)

 

       Ab 01.08.2023:

       Für D.___:           CHF 709.00 (nur Barunterhalt)

 

       Für C.___:           CHF 1'387.00 (Barunterhalt CHF 911.00, Betreuungsunterhalt CHF 476.00)

 

[…]

 

2.      In Abänderung von Ziffer 4 des Urteils des Eheschutzverfahrens DTZPR.2022.20 vom 30.03.2022 wird der Kläger vorsorglich verpflichtet, der Ehefrau mit Wirkung ab 01.07.2023 für die Dauer des vorliegenden Verfahrens folgende monatlichen und monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:

 

Vom 01.07.2023 bis 31.07.2023:    CHF 280.00

 

Ab 01.08.2023:                                CHF 373.00

[…]

3.      […]

4.      […]

 

3.1 Gegen den begründeten Entscheid erhob der Ehemann (nachfolgend auch: Berufungskläger) am 8. März 2024 frist- und formgerecht Berufung an das Obergericht des Kantons Solothurn mit den folgenden Rechtsbegehren:

 

1.      Es sei Ziffer 1 der Verfügung des Richteramtes Dorneck-Thierstein vom 30. Oktober 2023 […] aufzuheben und der Berufungskläger in Abänderung von Ziffer 3 des Urteils des Eheschutzverfahrens DTZPR.2022.20 vom 30.03.2022 vorsorglich zu verpflichten, mit Wirkung ab 01.07.2023 für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens neu folgende monatlichen und monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge für die Tochter D.___, geb. [...] 2007, und den Sohn C.___, geb. [...] 2013, zu bezahlen:

 

Vom 01.07.2023 bis 31.07.2023:

Für D.___:       CHF 789.00 (nur Barunterhalt)

Für C.___:       CHF 994.00 (Barunterhalt CHF 706.00, Betreuungsunterhalt CHF 288.00)

 

Ab 01.08.2023:

Für D.___:       CHF 531.00 (nur Barunterhalt)

Für C.___:       CHF 1'135.00 (Barunterhalt CHF 729.00, Betreuungsunterhalt CHF 406.00)

 

[…]

2.      Es sei Ziffer 2 der Verfügung des Richteramtes Dorneck-Thierstein vom 30. Oktober 2023 aufzuheben und der Berufungskläger in Abänderung von Ziffer 4 des Urteils des Eheschutzverfahrens DTZPR.2022.20 vom 30.03.2022 vorsorglich zu verpflichten, der Berufungsbeklagten 1 mit Wirkung ab 01.07.2023 für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens neu folgende monatlichen und monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:

 

Vom 01.07.2023 bis 31.07.2023:       CHF 0.00 (kein Unterhalt)

Ab 01.08.2023:                                   CHF 51.00

 

[…]

3.      Es sei dem Berufungskläger die vollumfängliche unentgeltliche Rechtspflege für die ordentlichen und ausserordentlichen Kosten des Verfahrens mit dem Unterzeichnenden als Rechtsbeistand zu bewilligen.

4.      Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Berufungsgegner. Soweit die Berufungsgegner zur Leistung einer Parteientschädigung verpflichtet werden sollten, wird beantragt, diese zufolge Uneinbringlichkeit aus der Staatskasse zu entrichten.

 

3.2 Der Kindsvertreter des Sohnes verzichtete mit Eingabe vom 12. März 2024 auf eine Äusserung.

 

3.3 Die Ehefrau (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) schloss mit Berufungsantwort vom 22. März 2024 auf Abweisung der Berufung, u.K.u.E.F. Ferner ersuchte sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

 

3.4 Mit Replik vom 5. April 2024 hielt der Berufungskläger an den bereits gestellten Rechtsbegehren fest.

 

4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.

 

 

II.

 

1. Die Berufung richtet sich ausschliesslich gegen das von der Vorderrichterin für den Ehemann festgesetzte monatliche Nettoeinkommen (inkl. 13. Monatslohn). Nicht bestritten ist der monatliche Ertrag aus Mietzinseinnahmen in der Höhe von CHF 988.00.

 

2. Die Vorderrichterin hielt zum Einkommen des Ehemannes zusammengefasst und im Wesentlichen Folgendes fest: Als Nettoeinkommen werde dasselbe Einkommen wie in der Unterhaltsberechnung, auf die sich die Anträge der Ehegatten sowie das Urteil im Eheschutzverfahren DTZPR.2022.20 stützten, übernommen. Der Kläger mache zwar geltend, inzwischen weniger zu verdienen, insbesondere da er aufgrund seiner gesundheitlichen Situation keinen Pikettdienst mehr leisten könne. Dies sei zwar von seinem Arbeitgeber am 5. Dezember 2022 grundsätzlich bestätigt worden, jedoch werde der Kläger lediglich voraussichtlich bis zum 30. Juni 2023 vom Pikettdienst befreit. Ebenfalls habe Dr. med. F.___, Allgemeine Innere Medizin FMH, im ärztlichen Zeugnis vom 14. September 2023 bestätigt, dass der Kläger aus medizinischen Gründen im Moment keinen Pikettdienst zusätzlich zur normalen Arbeitszeit machen könne. Da es sich demnach nur um eine momentane Einkommensminderung infolge fehlender Pikettleistung des Klägers handle, sei es gerechtfertigt, weiterhin von einem monatlichen Einkommen des Klägers von CHF 6'239.00 (sowie einem Anteil am 13. Monatslohn von CHF 520.00), total CHF 6'759.00, auszugehen.

 

3.1 Der Berufungskläger bringt in seiner Berufung vor, die Vorinstanz habe durch die Nichtberücksichtigung seines verminderten Erwerbseinkommens das Recht unrichtig angewendet. Er könne das von der Vorderrichterin angenommene Einkommen nicht mehr erzielen. Aus medizinischen Gründen könne er keinen Pikettdienst mehr leisten, so dass die zusätzliche Vergütung wegfalle. Trotz der Bestätigung seiner Arbeitgeberin vom 5. Dezember 2022 und der ärztlichen Bestätigung von Dr. med. F.___ vom 14. September 2023 komme die Vorinstanz zum Schluss, dass es sich «nur um eine momentane Einkommensminderung infolge fehlender Pikettleistung» handle. Aus den eingereichten Lohnabrechnungen (September 2022 bis Mai 2023) gehe einerseits hervor, dass er bereits im Rahmen der regulären Arbeitszeiten mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt habe (entsprechende Lohnkürzungen im Dezember 2022 und Januar 2023). Die Lohnabrechnungen würden zudem belegen, dass er bereits ab Oktober 2022 keinen Pikettdienst mehr geleistet habe. Aus der Bestätigung von Dr. med. F.___ vom 14. September 2023 gehe hervor, dass er aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, Pikettdienst zu leisten. Seit Oktober 2022 bis zur Einreichung des Antrages auf Abänderung der Unterhaltsbeiträge habe er bereits während neun Monaten und im Zeitpunkt des Erlasses der vorinstanzlichen Verfügung bereits während 12 Monaten keinen Pikettdienst mehr leisten können. Es könne nicht auf eine «momentane Einkommensminderung» geschlossen werden. Es sei auf sein tatsächlich erzieltes durchschnittliches Nettoeinkommen abzustellen. Dies könne mit Hilfe der Monatslohnabrechnungen berechnet werden, in denen weder ein Krankentaggeld noch der 13. Monatslohn ausgerichtet worden, noch eine sonstige abweichende Lohnzahlung erfolgt sei. So ergebe sich aus den Abrechnungen der Monate Oktober 2022, Februar und April 2023, jeweils abzüglich der Kinderzulagen und zuzüglich der Abzüge für «Ladung Getränkekarte», «Auto-Abstellplatz» und «Privatbezüge», ein durchschnittliches Nettoeinkommen von CHF 5'176.00 (CHF 5'138.85 im Oktober 2022, CHF 5'260.20 im Februar 2023 und CHF 5'131.25 im April 2023). Hinzu komme ein Anteil für das 13. Monatsgehalt von CHF 431.00, total CHF 5'607.00. Sein monatliches Nettoeinkommen habe sich damit um CHF 1'152.00 reduziert (CHF 6'759.00 abzüglich CHF 5'607.00). Die Einkommenseinbusse sei nicht nur dauerhaft, sondern auch erheblich.

 

3.2 Die Berufungsbeklagte entgegnet in ihrer Berufungsantwort, bei der Erwerbseinbusse des Ehemannes handle es sich um einen freiwilligen Einkommensverzicht. Der eingereichten Bestätigung des Arbeitgebers könne nicht entnommen werden, dass der Ehemann aus gesundheitlichen Gründen keinen Pikettdienst mehr leisten könne. Aus der ärztlichen Bestätigung von Dr. med. F.___ gehe nicht hervor, dass es sich bei der angeblichen medizinischen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Ehemannes um eine Dauerhafte handle. Es werde explizit festgehalten, dass dieser «im Moment» keinen Pikettdienst mehr machen könne. Dies sei zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Entscheides Stand der Dinge gewesen. Per 12. Februar 2024 habe der Ehemann eine neue Arbeitsstelle bei den G.___ angetreten. Dort erziele er einen Nettomonatslohn (inkl. 13. Monatslohn) von CHF 6'800.00. Dieser setze sich zusammen aus einem Monatslohn von CHF 6'276.00, zuzüglich einem 13. Monatslohn von CHF 523.00. Zu ermitteln sei dieses Nettoeinkommen aus dem Umstand, dass die erste Monatslohnabrechnung (Februar 2024) das Salär für die Periode vom 12. bis zum 29. Februar enthalte. Dieser Zeitraum entspreche 58 % eines vollen Monatslohns. Der Ehemann erziele bei seiner neuen Arbeitsstelle also mehr Einkommen als dasjenige, welches dem angefochtenen Entscheid zugrunde gelegt worden sei. Damit sei bestätigt, dass es sich bei der Einkommenseinbusse des Ehemannes nur um eine Vorübergehende gehandelt habe.

 

3.3 Der Berufungskläger bestreitet in seiner Replik, dass es sich bei der Erwerbseinbusse um einen freiwilligen Einkommensverzicht handle. Der Antritt der neuen Stelle ändere nichts daran, dass bei einer Dauer der Einkommenseinbusse im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 30. Oktober 2023 von 12 Monaten von einer «relevanten Dauer» im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auszugehen sei. Zudem sei noch keineswegs sicher, dass der Antritt der neuen Stelle dauerhaft sein werde. Gemäss Arbeitsvertrag vom 19. Januar 2024 sei eine Probezeit von sechs Monaten stipuliert worden. Weiter treffe auch nicht zu, dass sich sein Einkommen ab 12. Februar 2024 inkl. 13. Gehalt auf monatlich netto CHF 6'800.00 belaufe. Der eingereichten Lohnabrechnung Februar 2024 sei zu entnehmen, dass sich der Jahreslohn auf brutto CHF 87'997.00 belaufe. Unter Berücksichtigung der Abzüge für Sozialversicherungsleistungen von insgesamt 7.44 % sowie der Abzüge für BVG-Beiträge von insgesamt 10.6 % auf einem versicherten Jahreslohn von CHF 58'597.00 ergebe sich ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 6'269.90. Dieses sei noch immer deutlich tiefer, als das von der Vorinstanz angenommene Einkommen. Sollte das Gericht wider Erwarten zum Schluss kommen, der Antritt der neuen Arbeitsstelle bedeute bereits eine dauerhafte Veränderung, so wäre das Erwerbseinkommen ab 12. Februar 2024 mit lediglich monatlich netto CHF 6'270.00 einzusetzen.

 

4.1 Umstritten ist die Abänderung des Urteils im Abänderungsverfahren Eheschutz vom 30. März 2022 (DTZPR.2022.20) soweit den vom Berufungskläger unbestritten zu leistenden Unterhalt betreffend.  

 

4.2 Unterhaltsurteile können abgeändert werden, wenn nach Eintritt der Rechtskraft des (abzuändernden) Urteils eine wesentliche und dauernde Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dieser Grundsatz gilt gleichermassen für Eheschutzurteile (Art. 179 Abs. 1 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, ZGB, SR 210), vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens (Art. 276 Abs. 1 Schweizerische Zivilprozessordnung, ZPO, SR 272, mit Verweis auf Art. 179 Abs. 1 ZGB), Scheidungsurteile (Art. 129 Abs. 1 ZGB) und Kinderunterhaltsurteile (Art. 286 Abs. 2 ZGB; vgl. zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 5A_874/2019 vom 22. Juni 2020 E. 3.2).

 

4.3 Mit dem Kriterium der Erheblichkeit wird in Unterhaltsangelegenheiten bezweckt, dass nicht jede marginale, sondern nur quantitativ ins Gewicht fallende Veränderungen zu einer Abänderung führen. In der Praxis behilft man sich mit Prozentsätzen, um welche sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verändert haben muss, damit sie als erheblich gilt. Diese Prozentsätze dienen aber nur als Richtgrösse und es muss im Einzelfall geprüft werden, ob deren Anwendung den Umständen angemessen Rechnung trägt. Als Faustregel soll bei besonders günstigen Verhältnissen die Veränderung 20 % und mehr betragen, während bei knappen finanziellen Verhältnissen bereits Veränderungen von 5 % erheblich sein sollen (vgl. zum Ganzen: Aldo Staub, Die Abänderung familienrechtlicher Entscheide, 2022, Rz. 281 ff. m.w.V.).

 

4.4 Mit dem Kriterium der Dauerhaftigkeit wird bezweckt, dass bloss vorübergehende Schwankungen kein Anlass für neue Rechtsstreitigkeiten sein sollen. In Unterhaltsangelegenheiten gilt als Faustregel eine Veränderung von vier Monaten als dauerhaft (Staub, a.a.O., Rz. 232 f. m.w.V.).

 

5.1 Der Ehemann arbeitete vom 1. Mai 2020 bis 31. Januar 2024 als [...] bei der H.___ AG in [...]. Seit dem 12. Februar 2024 arbeitet er für die G.___ (Urkunden Nrn. 6 und 7 Ehemann ZKBER.2024.12).

 

5.2 Im Abänderungsverfahren betreffend Eheschutz (DTZPR.2022.20) gingen die Parteien übereinstimmend von einem monatlichen Nettolohn des Ehemannes (inkl. 13. Monatslohn) in der Höhe von CHF 6'759.00 aus. Dieser monatliche Nettomonatslohn ergibt sich aus dem Lohnausweis 2021 (Nettolohn von CHF 85'909.45 abzüglich Kinderzulagen von CHF 4'800.00 : 12 [Urkunde Nr. 14 Ehemann DTZPR.2022.20; Urkunde Nr. 6 Ehemann DTZPR.2022.450]). Den Lohnabrechnungen Oktober 2021 bis Dezember 2021 kann entnommen werden, dass der Ehemann damals Pikettdienst leistete (Urkunde Nr. 15 Ehemann DTZPR.2022.20).

 

5.3 In den Akten finden sich weitere Informationen zum vom Ehemann erzielten Nettolohn. So ist dem Lohnausweis für das Jahr 2022 ein monatlicher Nettomonatslohn in der Höhe von CHF 6'165.05 zu entnehmen (CHF 78'780.80 abzüglich Kinderzulagen von CHF 4'800.00 : 12 [Urkunde Nr. 2 Ehemann ZKBES.2023.170]). Den Lohnabrechnungen für das Jahr 2022 ist zu entnehmen, dass der Ehemann bis und mit September 2022 Pikettdienst leistete, danach nicht mehr (Urkunde Nr. 15 Ehemann DTZPR.2022.20; Urkunden Nrn. 7, 26 und 33 Ehemann DTZPR.2022.450). Für das Jahr 2023 findet sich kein Lohnausweis in den Akten. Den Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis September 2023 kann entnommen werden, dass der Ehemann bis und mit Mai 2023 keinen Pikettdienst leistete, in den Monaten Juni bis Oktober 2023 hingegen schon. Vom 29. September 2022 bis 5. Januar 2023 bezog der Ehemann Krankentaggelder (Urkunde Nr. 33 Ehemann DTZPR.2022.450). Für die Monate Januar bis September 2023 kann ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von CHF 6'046.80 errechnet werden (Januar CHF 7'001.50; Februar CHF 5'915.95; März CHF 6'350.55; April CHF 5'912.00; Mai CHF 5'916.80; Juni CHF 7'519.35; Juli CHF 6'075.05; August CHF 6'594.00; September CHF 6'736.65, total CHF 58'021.85; abzüglich 9 x CHF 400.00 Kinderzulage [CHF 3'600.00]). Zuzüglich des Anteils am 13. Monatslohn resultierte für die Monate Januar bis September 2023 ein monatlicher Nettolohn in der Höhe von rund CHF 6'550.00 (BVG-Abzug auch auf 13. Monatslohn).

 

5.4 Der Berufungskläger hat ab 12. Februar 2024 eine neue Arbeitsstelle bei den G.___ (Urkunden Nrn. 7 und 8 Ehemann ZKBER.2024.12). Gemäss Arbeitsvertrag beläuft sich der monatliche Bruttolohn auf CHF 6'769.00. Der 13. Monatslohn wird pro rata ausbezahlt. Gemäss Lohnabrechnung Februar 2024 betragen die Abzüge für Sozialversicherungsleistungen 7.44 % auf dem Jahreslohn von CHF 87'997.00 (ausmachend monatlich CHF 503.60), diejenigen für die BVG-Beiträge 10.6 % auf dem versicherten PK-Jahreslohn von CHF 58'597.00 (ausmachend monatlich CHF 477.75). Die monatlichen Sozialabzüge belaufen sich demnach auf total CHF 981.40. Zuzüglich eines Anteils am 13. Monatslohn resultiert ein monatlicher Nettolohn von rund CHF 6'270.00 (BVG-Abzug auch auf 13. Monatslohn).

 

6.1 Mit den sich bei den Akten befindenden Urkunden ist eine Einkommensreduktion auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehemannes dargelegt. Strittig und zu prüfen ist im Nachfolgenden, ob diese durch eigenmächtiges widerrechtliches Verhalten des Ehemannes herbeigeführt worden ist. Diesfalls würde eine Reduktion der Unterhaltspflicht nicht in Betracht fallen (unabhängig davon, ob die Reduktion als erheblich zu qualifizieren wäre nicht).

 

6.2 Vermindert der Unterhaltspflichtige sein Einkommen in Schädigungsabsicht, so ist eine Abänderung der Unterhaltsleistung selbst dann auszuschliessen, wenn die Einkommensverminderung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BGE 143 III 233 E. 3.4).

 

7.1 Der «Bestätigung» der H.___ AG vom 5. Dezember 2022 ist Folgendes zu entnehmen: A.___, geboren am [...] 1982 […] ist seit dem 1. Mai 2020 bei der Firma H.___ AG als [...] tätig und steht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes und seiner teilweisen Arbeitsunfähigkeit, ist es Herrn A.___ zurzeit nicht möglich für die Firma H.___ AG Pikettdienst zu leisten. Wir haben ihn aus diesen Gründen und auch aufgrund unserer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber, voraussichtlich bis zum 30. Juni 2023 vom Pikettdienst befreit. Somit entfallen seine Zusatzleistungen von CHF 350.00 pro Pikettwoche während 8 – 10 Wochen pro Jahr bis auf weiteres (Urkunde Nr. 31 Ehemann DTZPR.2022.450).

 

7.2 Gemäss dem Ärztlichen Zeugnis von Dr. med. F.___, Allgemeine Innere Medizin FMH, [...], vom 14. September 2023 wird dem Ehemann bestätigt, dass er aus medizinischen Gründen im Moment keinen «Picketdienst» zusätzlich zur normalen Arbeitszeit machen könne (Urkunde Nr. 42 Ehemann DTZPR.2022.450).

 

7.3 Die «Bestätigung» der H.___ AG genügt für sich alleine nicht, um eine gesundheitliche Beeinträchtigung nachzuweisen, was im Übrigen auch vom Ehemann nicht bestritten wird. Aber auch im Zusammenhang mit der Bestätigung des Hausarztes des Ehemannes genügt sie nicht, um eine solche (glaubhaft) zu belegen. Dr. F.___ bestätige am 14. September 2023 lediglich, dass der Ehemann im Moment keinen Pikettdienst leisten könne. Aus der Formulierung «im Moment» lässt sich nichts zu Gunsten des Ehemannes ableiten. Insbesondere ist damit keine gesundheitliche Einschränkung seit Oktober 2022 belegt. Die Vorderrichterin ist daher zu Recht von einer lediglich momentanen Einkommensminderung zufolge fehlender Pikettleistung des Ehemannes ausgegangen. Wäre die Einkommensminderung tatsächlich gesundheitlich bedingt gewesen, hätte erwartet werden können, dass der Ehemann entsprechende (weitere) ärztliche Atteste eingereicht hätte, hat er doch gemäss eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen während mehreren Monaten keinen Pikettdienst geleistet.

 

8.1 Aufgrund des Gesagten ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Einkommensminderung unfreiwillig erfolgte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Ehemann bereits während des Zusammenlebens mit der Ehefrau freiwillig auf Einkommen verzichtete. Entsprechend ist dem Eheschutzurteil vom 5. März 2021 (DTZPR.2020.426) zu entnehmen, dass der Ehemann im Jahr 2020 gemäss Lohnausweis bei der H.___ AG monatlich netto CHF 5'934.00 verdiente. Bei seinem früheren Arbeitgeber der I.___ AG habe er mehr verdient. Anlässlich eines ersten Eheschutzverfahrens im Jahr 2018 wurde von einem monatlichen Nettoeinkommen des Ehemannes in der Höhe von CHF 7'327.00 ausgegangen (Urkunde Nr. 2 Ehemann DTZPR.2022.450). Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind unterhaltspflichtige Elternteile zur vollen Ausschöpfung ihrer Erwerbskraft verpflichtet (vgl. statt vieler BGE 147 III 265 E. 7.4).

 

8.2 Die Berufung des Ehemannes erweist sich aufgrund des Gesagten als unbegründet, sie ist abzuweisen.

 

 

III.

 

1. Beide Parteien haben für das obergerichtliche Verfahren die integrale unentgeltliche Rechtspflege beantragt. Da beide ausgewiesen prozessarm sind, sind diese Gesuche zu bewilligen.

 

2. Gemäss Art. 106 ZPO sind die Prozesskosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen. U.a. in familienrechtlichen Prozessen können die Kosten nach Ermessen auferlegt werden (Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO). Vorliegend gibt es keinen Grund von der ordentlichen Kostenverteilung abzuweichen.

 

3. Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens von CHF 1'000.00 sind dem Ausgang entsprechend dem Ehemann und Berufungskläger zu auferlegen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege trägt diese Kosten der Staat Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald der Berufungskläger zur Nachzahlung in der Lage ist.

 

4. Die von den Rechtsvertretern der Parteien eingereichten Kostennoten geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Kostennote von Advokat Roman Felix wird auf CHF 1'728.10 festgesetzt, diejenige von Rechtsanwalt Lorenz Altenbach auf CHF 2'172.30.

 

5. Der Berufungskläger hat an die Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Altenbach, eine Parteientschädigung von CHF 2'172.30 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege beider Parteien hat der Staat Rechtsanwalt Lorenz Altenbach eine Entschädigung von CHF 1'499.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) und Advokat Roman Felix eine solche von CHF 1'728.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald der Berufungskläger und/oder die Berufungsbeklagte zur Nachzahlung in der Lage ist/sind (Art. 123 ZPO).

 

6. Sobald die Berufungsbeklagte zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO), hat sie ihrem Rechtsvertreter die Differenz zum vollen Honorar zu leisten. Diese beträgt CHF 673.20. Der Rechtsvertreter des Ehemannes macht keinen Differenzanspruch geltend.

Demnach wird erkannt:

1.      Die Berufung wird abgewiesen.

2.      Die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 werden A.___ auferlegt. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege erliegen diese auf dem Staat Solothurn. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch innert 10 Jahren, sobald A.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO).

3.      A.___ hat B.___, vertreten durch den unentgeltlichen Rechtsbeistand Lorenz Altenbach eine Parteientschädigung von CHF 2'172.30 zu bezahlen. Zufolge unentgeltlicher Rechtspflege beider Parteien hat der Staat Solothurn an Rechtsanwalt Lorenz Altenbach eine Entschädigung von CHF 1'499.10 und an Advokat Roman Felix eine solche von CHF 1'728.10 zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald A.___ und/oder B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist/sind (Art. 123 ZPO). Sobald B.___ zur Nachzahlung in der Lage ist (Art. 123 ZPO), hat sie ihrem Rechtsvertreter die Differenz zum vollen Honorar zu leisten. Diese beträgt CHF 673.20.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert beträgt mehr als CHF 30'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

Hunkeler                                                                           Zimmermann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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