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Urteil Verwaltungsgericht (SO - ZKBER.2023.52)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:ZKBER.2023.52
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Zivilkammer
Verwaltungsgericht Entscheid ZKBER.2023.52 vom 09.11.2023 (SO)
Datum:09.11.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Zusammenfassung:Die B.___ GmbH und die A.___ AG haben Mietverträge für verschiedene Objekte abgeschlossen. Die B.___ GmbH kündigte diese Verträge aufgrund von Zahlungsverzug. Die B.___ GmbH reichte beim Richteramt Dorneck-Thierstein ein Gesuch um Ausweisung und Vollstreckung gegen die A.___ AG ein. Das Richteramt entschied zugunsten der B.___ GmbH und verpflichtete die A.___ AG, die Mietobjekte zu räumen und zu verlassen. Die A.___ AG legte Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde. Die A.___ AG muss nun die Gerichtskosten tragen und der B.___ GmbH eine Parteientschädigung zahlen.
Schlagwörter: Berufung; Recht; Berufungsklägerin; Lagerraum; Kündigung; Stock; Strom; Berufungsbeklagte; Ausweisung; Apos; Gesuch; Zahlung; Frist; Kündigungen; Stromnebenkosten; Rechtsschutz; Gesuchsgegnerin; Bundesgericht; Sachlage; Urteil; Produktions; Parterre; Parkplätze; Fällen; Verfahren; Nebenkosten; Schweizerischen; Ausweisungs; Miete
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 14 OR ; Art. 257 ZPO ; Art. 257d OR ; Art. 292 StGB ; Art. 316 ZPO ; Art. 317 ZPO ;
Referenz BGE:141 III 23; 141 III 262;
Kommentar:
Thomas Sutter, Thomas Sutter-Somm, Sutter-Somm, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung ZPO, Zürich, Art. 257 OR ZPO, 2014
Entscheid
 
Geschäftsnummer: ZKBER.2023.52
Instanz: Zivilkammer
Entscheiddatum: 09.11.2023 
FindInfo-Nummer: O_ZK.2023.136
Titel: Ausweisung und Vollstreckung

Resümee:

 

Obergericht

Zivilkammer

 

Urteil vom 9. November 2023        

Es wirken mit:

Präsidentin Hunkeler

Oberrichterin Kofmel

Oberrichter Müller    

Gerichtsschreiberin Zimmermann

In Sachen

A.___ AG, vertreten durch Advokat Dieter Roth,

 

 

Berufungsklägerin

 

gegen

 

 

B.___ GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Simon Bloch,

 

Berufungsbeklagte

 

 

 

betreffend Ausweisung und Vollstreckung


zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

1. Die B.___ GmbH als Vermieterin einerseits sowie die A.___ AG andererseits unterzeichneten am 1. resp. 3. Dezember 2021 Mietverträge über folgende Mietobjekte an der [...] in [...]

-       Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock), Bruttomietzins monatlich CHF 950.00

-       Produktions / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2), Bruttomietzins monatlich CHF 2'575.00

-       Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18, Bruttomietzins monatlich CHF 150.00

-       1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord), Bruttomietzins monatlich CHF 3'150.00

-       Büroräume (ca. 200 m2), Bruttomietzins monatlich CHF 2'765.00

2. Am 23. Mai 2023 kündigte die B.___ GmbH die Mietverhältnisse betreffend «Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock)», «Produktions / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2)», «Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18» sowie «1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord)» per 30. Juni 2023 zufolge Zahlungsverzugs.

3. Am 19. Juli 2023 liess die B.___ GmbH (nachfolgend: Gesuchstellerin) beim Richteramt Dorneck-Thierstein ein Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) betreffend Ausweisung und Vollstreckung gegen die A.___ AG (nachfolgend: Gesuchsgegnerin) mit folgenden Rechtsbegehren stellen:

1.    Es sei die Gesuchsgegnerin zu verpflichten, die folgenden Mietobjekte unverzüglich zu räumen und zu verlassen, unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel an die Gesuchstellerin.

a.    Mietvertrag vom 01. / 03.12.2021: Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock)

b.    Mietvertrag vom 01. / 03.12.2021: Produktions- / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2)

c.     Mietvertrag vom 01. / 03.12.2021: Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18

d.    Mietvertrag vom 01. / 03.12.2021: 1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord)

2.    Im Unterlassungsfalle sei das Oberamt Dorneck-Thierstein richterlich anzuweisen, umgehend die zwangsweise Ausweisung zu veranlassen, nötigenfalls unter Anwendung von Polizeigewalt und unter zwangsweiser Verschaffung von Zugang in die Liegenschaft.

3.    Es sei der Gesuchsgegnerin bzw. deren Organe die Ungehorsamstrafe nach Art. 292 StGB anzudrohen für den Fall, dass die Mietobjekte innert der gesetzten Frist nicht ordnungsgemäss geräumt und verlassen werden. Diese lautet: «Wer der von einer zuständigen Behörde einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.»

4.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. 7.7 % MwSt zu Lasten der Gesuchsgegnerin.

4. Die Gesuchsgegnerin beantragte mit Stellungnahme vom 18. August 2023 die vollumfängliche Abweisung des Ausweisungs- und Vollstreckungsbegehrens der Gesuchstellerin vom 19. Juli 2023, soweit darauf einzutreten sei. Unter o/e-Kostenfolge zu Lasten der Gesuchstellerin.

5. Mit Entscheid vom 13. September 2023 hiess die Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein das Ausweisungsbegehren gut und wies die Gesuchsgegnerin, unter Androhung der Strafe nach Art. 292 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) an, die Mietobjekte «Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock)», «Produktions- / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2)», «Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18» und «1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord)» an der [...], in [...], bis spätestens Freitag, 27. Oktober 2023, 12:00 Uhr, zu räumen und zu verlassen, und der Gesuchstellerin in ordnungsgemässem, geräumtem Zustand unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel zu übergeben. Die Gesuchsgegnerin wurde ferner verpflichtet, die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 (inkl. allfällige Vollstreckungskosten) zu tragen und der Gesuchstellerin eine Parteientschädigung von CHF 1’731.80 zu bezahlen.

6. Dagegen liess die Gesuchsgegnerin (nachfolgend auch: Berufungsklägerin) am 28. September 2023 Berufung beim Obergericht des Kantons Solothurn einreichen. Sie stellt folgende Begehren:

1.    Es seien die Dispositiv-Ziffern 2-8 des Urteils des Richteramts Dorneck-Thierstein vom 13. September 2023 aufzuheben.

2.    Unter o/e-Kostenfolge zu Lasten der Berufungsbeklagten.

7. Die Gesuchstellerin (nachfolgend auch: Berufungsbeklagte) beantragt in ihrer Berufungsantwort vom 16. Oktober 2023 die vollumfängliche Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten ist. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zzgl. 7.7 % MwSt.

8. Gestützt auf Art. 316 ZPO kann über die Berufung ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorderrichterin wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.

II.

1.1 Das Gericht gewährt nach Art. 257 Abs. 1 ZPO Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten sofort beweisbar (lit. a) und die Rechtslage klar ist (lit. b). Mit Blick darauf, dass ein Urteil, mit dem nach Art. 257 ZPO Rechtsschutz gewährt wird, der materiellen Rechtskraft fähig ist, wird von der gesuchstellenden Partei verlangt, dass sie sofort den vollen Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen erbringt, so dass klare Verhältnisse herrschen (BGE 141 III 23 E. 3.2 S. 25 f.). Eine klare Rechtslage ist gegeben, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Soweit die Gültigkeit der Kündigung des Mietvertrags im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu beurteilen ist, beziehen sich die Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 ZPO auch darauf. Sind sie nicht erfüllt, ist kein Rechtsschutz in klaren Fällen zu gewähren; auf das Gesuch ist diesfalls nach Art. 257 Abs. 3 ZPO nicht einzutreten (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_609/2020 E. 4, mit Verweis auf BGE 141 III 262 E. 3.2 S. 265).

 

1.2 Die Vorderrichterin erwog zusammenfassend und im Wesentlichen, die Parteien hätten am 1. resp. 3. Dezember 2021 die in Erwägung I. 2 aufgeführten Mietverträge betreffend die im Eigentum der Berufungsbeklagten stehenden Mietobjekte unterzeichnet. Die Berufungsbeklagte habe mit den Kündigungsandrohungen vom 12. April 2023 Mietzinsausstände von insgesamt CHF 23'995.55 eingefordert und dazu jeweils eine Frist von 30 Tagen gesetzt sowie im Falle der Nichtbezahlung die Kündigungen im Sinne von Art. 257d Obligationenrecht (OR, SR 220) angedroht. Die Berufungsklägerin habe keine Mietzinszahlungen geleistet, weshalb die Berufungsbeklagte am 23. Mai 2023 mittels den offiziellen vom Kanton Solothurn genehmigten Kündigungsformularen die Mietverträge per 30. Juni 2023 gekündigt habe. Die Kündigungen betreffend «1. Raum + 2. Raum (1. Stock, Raum West + Raum Nord)» und «Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17 und 18» seien angefochten worden. Anlässlich der Schlichtungsverhandlung vom 21. August 2023 sei der Berufungsklägerin die Klagebewilligung erteilt worden. Über ein Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO dürfe das Ausweisungsgericht auch dann entscheiden, wenn die vorangehende ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstands von der Mieterin angefochten worden und das resultierende mietrechtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt sei (vgl. BGE 141 III 262 E. 3.2 S. 263). Zudem habe die Berufungsklägerin die weiteren Kündigungen vom 23. Mai 2023 betreffend «Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock)» sowie «Produktions- / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2)» wegen Zahlungsverzugs der Berufungsklägerin nicht angefochten. Sämtliche Kündigungen seien gültig und die Berufungsklägerin habe folglich seit dem 30. Juni 2023 keinen Rechtsgrund mehr, sich in den genannten Räumlichkeiten an der [...] in [...] aufzuhalten. Demnach sei sowohl der Sachverhalt als auch die Rechtslage genügend liquid, um dem Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 Abs. 1 ZPO zu entsprechen.

 

1.3 Die Berufungsklägerin bringt dagegen vor, dass die Gültigkeit der Kündigungen weiterhin bestritten werde, weshalb diese auch als missbräuchlich angefochten worden seien. Insbesondere seien vorliegend Stromnebenkosten strittig, wobei die Kündigung betreffend «1. Raum ca. 300 qm + 2. Raum ca. 135 qm (1. Stock, Raum West + Raum Nord» ausschliesslich damit begründet worden sei, dass die Stromnebenkosten nicht bezahlt würden. Bereits vor der Vorinstanz sei geltend gemacht worden, dass die Berufungsbeklagte die Stromnebenkosten einseitig und vertragswidrig erhöht habe, weshalb weiterhin die Höhe der Stromnebenkosten bestritten werde. Da der Berufungsbeklagten kein Gegenbeweis gelungen sei, sei der Sachverhalt nicht liquid, weshalb die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen nicht erfüllt seien. Auch das Bundesgericht gehe davon aus, dass die Sachlage bei strittigen Nebenkosten oft komplexer sei und nicht von einer klaren Sachlage ausgegangen werden könne (vgl. Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Art. 257 N 38). Ausserdem seien die Kündigungen nicht unterzeichnet worden, obschon es sich dabei um eine Gültigkeitsvoraussetzung handle und gemäss Art. 266o i.V.m. Art. 14 Abs. 1 OR zur Nichtigkeit der Kündigungen führe. Die Berufungsklägerin sei für die Fortführung ihres Geschäfts darauf angewiesen, in der gemieteten Liegenschaft mindestens noch ein Jahr lang verbleiben zu können. Zudem habe sie an die Berufungsbeklagte in den letzten Wochen grosse Beträge an Miete und Nebenkosten beglichen, darunter auch etliche der in der Höhe strittigen Stromkostenrechnungen. Diese Zahlungen würden aufzeigen, dass die Berufungsklägerin willens und in der Lage sei, das Mietverhältnis weiterzuführen und für die Mietkosten aufzukommen.

 

1.4 Vorliegend ist unbestritten, dass die Berufungsklägerin gegenüber der Berufungsbeklagten finanzielle Ausstände hatte, diese abgemahnt wurden und ihr deswegen gekündigt wurde (vgl. Stellungnahme zur Klage vom 18. August 2023). Nach Art. 257d OR kann der Vermieter, wenn der Mieter nach Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse Nebenkosten im Rückstand ist, schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage. Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. Den Mietverträgen betreffend «Lagerraum, ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock)», «1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord)» und «Produktions / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2)» zufolge, wird der Strom nach Aufwand monatlich in Rechnung gestellt. Mit Schreiben vom 12. April 2023 wurde die Berufungsklägerin für ausstehende Stromnebenkosten und Mietzinse gemahnt und zugleich eine Zahlungsfrist gesetzt und die Kündigung angedroht. Die Stromnebenkosten wurden, wie in den Mietverträgen vorgesehen, nach Aufwand in Rechnung gestellt, aber in der Folge durch die Berufungsklägerin nicht bezahlt. Gegen die Stromnebenkosten opponierte die Berufungsklägerin zunächst nicht und wollte diese bezahlen, was aus dem Whatsapp-Verkehr der Parteien, welcher nach dem 12. April 2023 stattgefunden hat, hervorgeht (vgl. Urkunde Nr. 35 zur Klage). Auch in der Berufung bringt die Berufungsklägerin keine stichhaltigen Argumente vor, weshalb die Stromnebenkosten «einseitig und vertragswidrig» hätten erhöht worden sein sollen und weshalb die Höhe der Stromnebenkosten bestritten werde. Die Berufungsbeklagte zeigte dagegen die offenen Stromrechnungen mittels Urkunden Nrn. 16 ff. zur Klage ausführlich auf. Daran vermag auch die nachstehend zitierte, von der Berufungsklägerin vorgebrachte Rechtsprechung, nichts zu ändern: «Auch das Bundesgericht geht im Übrigen davon aus, dass die Sachlage bei strittigen Nebenkosten oft komplexer ist und nicht von einer klaren Sachlage ausgegangen werden kann (vgl. Sutter-Somm / Hasenböhler / Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Art. 257 N 38)». Denn der genaue Wortlaut der angerufenen Lehre und Rechtsprechung lautet wie folgt: «Befindet sich der Mieter mit der Zahlung von Nebenkosten im Verzug, so berechtigt dies gem. Art. 257d Abs. 1 OR zwar ebenfalls zu einer ausserordentlichen Kündigung. Allerdings präsentiert sich in solchen Fällen die Sachlage oft komplexer, weshalb sich ein Vorgehen im Verfahren nach Art. 257 ZPO als risikoreich erweist (vgl. etwa BGer. 4A_127/2014 E. 5 und 6) (Thomas Sutter-Somm / Cordula Lötscher in: Thomas Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), Zürich / Basel / Genf 2016, Art. 257 N 38)». Entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin ist im Fall strittiger Nebenkosten nicht per se von einer nicht klaren Sachlage auszugehen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt es durchaus zu, dass sich die Sachlage auch bei strittigen Nebenkosten als klar erweisen und zu einer ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257d Abs. 1 OR berechtigen kann, wie dies vorliegend der Fall war. Die Sachlage erweist sich aufgrund der ausgewiesenen Stromrechnungen als klar. Anzumerken bleibt, dass die ausstehenden Mietzinse betreffend «Parkplätze (Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18)» nie bestritten wurden.

 

1.5 In seiner mietrechtlichen Rechtsprechung ist das Bundesgericht wiederholt davon ausgegangen, dass über ein Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO auch dann entschieden werden darf, wenn die vorangehende ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstand (Art. 257d OR) vom Mieter gerichtlich angefochten wurde und das resultierende mietrechtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt ist (vgl. BGE 141 III 262 E. 3.2 S. 263, mit Verweis auf Urteile des Bundesgerichts 4A_252/2014 E. 3 und 4; 4A_265/2013 E. 6; 4A_187/2012 E. 3; 4A_7/2012 E. 2; 4A_585/2011 E. 3). Die Auffassung der Vorinstanz, wonach über die Zahlungsverzugskündigungen vorfrageweise entschieden werden durfte, kann folglich nicht beanstandet werden. Zu Recht stellte die Vorderrichterin zudem fest, dass die Zahlungsverzugskündigungen gültig sind und die Berufungsklägerin seit dem 30. Juni 2023 keinen Rechtsgrund mehr hat, sich in den genannten Räumlichkeiten an der [...] in [...] aufzuhalten.

 

1.6 Neue Tatsachen und Beweismittel werden gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (lit. b). Dass die Kündigungen nicht unterzeichnet worden sein sollen, bringt die Berufungsklägerin erstmals im Berufungsverfahren vor und begründet dieses verspätete Vorbringen nicht. Das Vorbringen ist daher unzulässig und unbeachtlich. Anzumerken bleibt, dass aus Urkunde 6 zur Berufungsantwort ohne Weiteres hervorgeht, dass die der Berufungsklägerin zugestellten Kündigungen unterzeichnet waren.

 

1.7 Die Rügen der Berufungsklägerin gehen nach dem Gesagten ins Leere. Die Berufung erweist sich folglich als unbegründet und ist abzuweisen.

 

1.8 Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die Frist zur Ausweisung neu festzulegen. Die Berufungsklägerin hat das Mietobjekt bis spätestens am 8. Dezember 2023, mittags 12:00 Uhr, zu räumen und zu verlassen. Sie wird auf diesen Zeitpunkt richterlich ausgewiesen.

 

2.1 Dem Ausgang des Berufungsverfahrens entsprechend sind die Prozesskosten der unterliegenden Berufungsklägerin aufzuerlegen (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtskosten werden für das Berufungsverfahren auf CHF 1'500.00 festgesetzt. Sie werden mit dem von der Berufungsklägerin geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

 

2.2 Mit Honorarnote vom 27. Oktober 2023 macht der Rechtsvertreter der Berufungsbeklagten eine Entschädigung von insgesamt CHF 1'346.25 (Honorar: 4.84 Stunden à CHF 250.00, Auslagen: CHF 40.00, MwSt.: CHF 96.25) geltend, was keinen Anlass zu Bemerkungen gibt. Die Entschädigung von Rechtsanwalt Simon Bloch ist demnach auf CHF 1'346.25 festzusetzen und von der Berufungsklägerin zu bezahlen.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Berufung wird abgewiesen.

2.    Die Auszugsfrist gemäss Ziffer 2 des Urteils der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 13. September 2023 wird neu auf den 8. Dezember 2023, 12:00 Uhr, festgesetzt. Die A.___ AG hat den Lagerraum ca. 122 m2 (Lagerraum Süd, 1. Stock), Produktions- / Lagerraum im Parterre (ca. 375 m2), Parkplätze Nr. 10, 11, 12, 13, 17, 18 und 1. Raum ca. 300 m2 + 2. Raum ca. 135 m2 (1. Stock, Raum West + Raum Nord) an der [...] in [...], bis spätestens 8. Dezember 2023, 12:00 Uhr, zu räumen und zu verlassen, und der B.___ GmbH in ordnungsgemässem, geräumtem Zustand unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel zu übergeben.

3.    Die A.___ AG hat die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'500.00 zu bezahlen. Diese werden mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

4.    Die A.___ AG hat der B.___ GmbH eine Parteientschädigung für das Berufungsverfahren von insgesamt CHF 1'346.25 zu bezahlen.

 

Rechtsmittel: Der Streitwert liegt über CHF 15'000.00.

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

Hunkeler                                                                           Zimmermann



 
Quelle: https://gerichtsentscheide.so.ch/
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