Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2023.5 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 11.08.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Zusammenfassung: | Die Zivilkammer des Obergerichts entschied in einem Verfahren betreffend Vaterschaft und Unterhalt über die Angelegenheiten zwischen A.___ (Berufungskläger und Beklagter) und B.___ (Berufungsbeklagter und Kläger). Der Berufungskläger, der die Vaterschaft anerkannte, stellte Anträge bezüglich gemeinsamer elterlicher Sorge, Obhut und Kontaktregelung. Die Kindsmutter, die als gesetzliche Vertreterin des Kindes fungierte, war nicht formell in das Verfahren einbezogen, was zu einer Gesetzeslücke führte. Das Obergericht entschied, dass das erstinstanzliche Urteil nichtig sei und wies den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden aufgrund des familienrechtlichen Charakters der Streitsache nicht erhoben. Die Berufungsbeklagte beantragte die unentgeltliche Rechtspflege, die jedoch abgelehnt wurde, da die beantragten vorsorglichen Massnahmen aussichtslos waren. |
Schlagwörter: | Berufung; Urteil; Recht; Unterhalt; Apos; Ziffer; Kindsmutter; Berufungskläger; Berufungsbeklagte; Phase; Vater; Verfahren; Obhut; Vaters; Eltern; Berufungsbeklagten; Vaterschaft; Kindsvater; Antrag; Kindes; Bezug; Urteils; Sorge; Phasen; Gericht; Olten-Gösgen; Sohnes; Massnahmen; Berufungsklägers |
Rechtsnorm: | Art. 169 ZPO ; Art. 191 ZPO ; Art. 277 ZGB ; Art. 285 ZGB ; Art. 296 ZGB ; Art. 298 ZGB ; Art. 298 ZPO ; Art. 298b ZGB ; Art. 298c ZGB ; Art. 303 ZPO ; Art. 304 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 318 ZPO ; Art. 336 ZPO ; Art. 76 ZPO ; Art. 84 ZPO ; |
Referenz BGE: | 136 III 571; 137 III 617; 142 III 629; 145 III 436; |
Kommentar: | Ingeborg Schwenzer, Cottier, Basler Kommentar ZGB I, Art. 296 Abs. 1; Art. 298 OR ZGB ZG, 2022 |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2023.5 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 11.08.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.91 |
Titel: | Vaterschaft / Unterhalt |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 11. August 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichter Müller Gerichtsschreiberin Trutmann In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwältin Denise Wettstein,
Berufungskläger
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Frey,
Berufungsbeklagte
betreffend Unterhalt / Obhut / Betreuungsanteile zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. A.___ (Berufungskläger und Beklagter) ist der aussereheliche Vater von B.___ (Berufungsbeklagter und Kläger). Der Sohn reichte im März 2018 beim Richteramt Olten-Gösgen eine Vaterschafts- und Unterhaltsklage gegen den Berufungskläger ein. Am 18. April 2019 hiess die Amtsgerichtspräsidentin von Olten-Gösgen die Klage gut, stellte die Vaterschaft des Beklagten fest, teilte die elterliche Sorge und die Obhut der Mutter zu und setzte die Unterhaltsbeiträge des Vaters fest. Dieses Urteil focht der bis dahin nicht am Verfahren teilnehmende Vater mit Berufung an. Er erreichte dessen Aufhebung und Rückweisung an die Vorinstanz. Widerklageweise verlangte der Vater 2020 bei der Vorinstanz die gemeinsame elterliche Sorge mit Zuteilung der Obhut an die Kindsmutter sowie die Regelung des Kontaktrechts, wozu das Gericht gemäss Art. 298b Abs. 3 Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) in Kombination mit einer Unterhaltsklage als Folge einer Kompetenzattraktion zuständig ist. 2021 beantragte der Vater dann die Zuteilung der (alleinigen) Obhut über den Sohn an sich. 2. Der Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen fällte am 21. September 2021 in dem vom Sohn gegen den Vater geführten Verfahren folgendes Urteil: 1. Das gemeinsame Kind B.___ geb. 2017, wird unter die gemeinsame elterliche Sorge und die alleinige Obhut der Mutter gestellt. 2. Die elterliche Sorge von A.___ wird wie folgt beschränkt: Ihm wird das Mitspracherecht in Bezug auf die neuen Ausweisdokumente für B.___, geb. 2017, entzogen. 3. Der Kontakt des Sohnes B.___ zum Vater wird der freien Vereinbarung der Eltern überlassen, mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Sohnes. Kommt keine Einigung zustande, so gilt folgende Konfliktregelung: Der Vater hat das Recht, den Sohn B.___ jedes zweite Wochenende, beginnend am 9. Oktober 2020, von Freitag, 17.00 Uhr (aktuell direkte Abholung in der KITA), bis Sonntag, 18.00 Uhr, sowie in den Jahren mit geraden Jahreszahlen über Ostern, jeweils von Donnerstagabend, 18.00 Uhr, bis Ostermontag, 18.00 Uhr, und an Weihnachten, d.h. vom 24. Dezember, 12.00 Uhr, bis 26. Dezember, 12.00 Uhr, und in den Jahren mit ungerader Jahreszahl über Pfingsten, von jeweils Freitagabend, 17.00 Uhr, bis Pfingstmontagabend, 18.00 Uhr, sowie an Neujahr vom 31. Dezember, 12.00 Uhr, bis 1. Januar, 18.00 Uhr, zu sich auf Besuch zu nehmen. Ausserdem steht ihm das Recht zu, den Sohn jährlich während der Schulferien für drei Wochen ferienhalber zu sich zu nehmen. Der Termin der Ferien ist unter den Eltern jeweils mindestens zwei Monate im Voraus abzusprechen. 4. Für B.___, geb. 2017, wird eine Beistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB errichtet (Bestätigung der mit Verfügung vom 10. Mai 2021 superprovisorisch errichteten Beistandschaft). Der mit Entscheid des Familiengerichts [...] vom 18. Mai 2021 eingesetzten Beiständin werden folgende Aufgaben übertragen: - den Eltern bei auftretenden Problemen und/oder Sorgen in Bezug auf B.___ als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen; - der Mutter im Bedarfsfall bei der Organisation von Entlastungsmöglichkeiten Hilfe zu leisten; - bei Diskussionen/Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Besuchs- und Ferienrecht zwischen den Eltern zu vermitteln; - für die kindswohlverträgliche Umsetzung des Besuchs- und Ferienrechts gemäss Vereinbarung vom 8. Oktober 2020 besorgt zu sein; - bei der zuständigen Behörde allenfalls weitere notwendige Kindesschutzmassnahmen zu beantragen. 5. Der Vater hat an den Unterhalt seines Sohnes B.___ folgende monatlichen und monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeiträge zu bezahlen: - Phase 1 ab März 2017 bis und mit Mai 2017: CHF 1'266.00 (Barunterhalt); - Phase 2 ab Juni 2017 bis und mit September 2017: CHF 1'276.00 (Barunterhalt); - Phase 3 Oktober 2017 und November 2017: CHF 1'256.00 (Barunterhalt); - Phase 4 ab Dezember 2017 bis und mit April 2018: CHF 2'861.00 (CHF 854.00 Bar- und CHF 2'007.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 5 ab Mai 2018 bis und mit Oktober 2018: CHF 3'860.00 (CHF 654.00 Bar- und CHF 3'206.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 6 ab November 2018 bis und mit Oktober 2019: CHF 2'814.00 (CHF 850.00 Bar- und CHF 1'964.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 7 ab November 2019 bis und mit Februar 2020: CHF 3'350.00 (CHF 747.00 Bar- und CHF 2'604.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 8 ab März 2020 bis und mit Juli 2021: CHF 3'273.00 (CHF 678.00 Bar- und CHF 2'596.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 9 ab August 2021 bis und mit Dezember 2026: CHF 2'089.00 (CHF 1'021.00 Bar- und CHF 1'069.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 10 ab Januar 2027 bis und mit Juli 2029: CHF 2'272.00 (CHF 1'181.00 Bar- und CHF 1'091.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 11 ab August 2029 bis und mit Dezember 2032: CHF 1'407.00 (CHF 1'360.00 Bar- und CHF 47.00 Betreuungsunterhalt); - Phase 12 ab Januar 2033: CHF 1'329.00 (Barunterhalt). Die Kinder- bzw. Ausbildungszulagen sind in diesen Beiträgen nicht inbegriffen; sie sollen B.___ jedoch zusätzlich zukommen. Bereits bezahlte Unterhaltsbeiträge werden an die Unterhaltspflicht angerechnet. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber B.___ dauert bis zu dessen wirtschaftlichen Selbständigkeit, längstens jedoch bis zur Mündigkeit, unter Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB. 6. Die Unterhaltsbeiträge gemäss Ziffer 5 hievor basieren auf den Berechnungen der beiliegenden Berechnungsblätter. Sie bilden Bestandteil des vorliegenden Urteilsdispositivs. 7. Die Parteikosten werden wettgeschlagen. 8. Die Gerichtskosten von insgesamt CHF 1'500.00 (inkl. vorsorgliche Massnahmen) werden dem Beklagten zur Bezahlung auferlegt. 3. Gegen dieses Urteil erhob der Kindsvater mit Eingabe vom 16. Januar 2023 form- und fristgerecht Berufung. Er stellt die folgenden Anträge: 1. Die Ziffer 1 bezüglich alleinige Obhut der Mutter, Ziffer 3, Ziffer 4, 5 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 6 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 7 und Ziffer 8 des Urteils vom 21.09.2021, des Richteramts Olten-Gösgen, Vaterschaft / Unterhalt seien unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben und zwecks Vervollständigung von wesentlichen Teilen des Sachverhalts an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Eventualbegehren 1. Die Ziffer 1 bezüglich alleiniger Obhut der Mutter, Ziffern 3 und 4, Ziffer 5 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 6 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffern 7 und 8 des Urteils vom 21.09.2021, des Richteramts Olten-Gösgen, Vaterschaft / Unterhalt seien unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben und wie folgt abzuändern, beziehungsweise zu ergänzen: 2. Ziffer 1: Das gemeinsame Kind B.___ geb.[…] 2017 sei unter die alleinige Obhut des Vaters zu stellen. 3. Ziffer 3: Der Kontakt des Sohnes B.___ zur Kindsmutter sei nach richterlichem Ermessen festzusetzen. 4. Ziffer 4: bezüglich Aufgaben des Beistands sei der 4. Spiegelstrich wie folgt anzupassen: - Für die kindswohlverträgliche Umsetzung des Besuchs- und Ferienrechts besorgt zu sein. 5. Ziffer 5: in Bezug auf Phasen 9, 10, 11 und 12 des Urteils vom 21.09.2021: Die Kindsmutter sei zu verurteilen, zugunsten ihres Sohnes B.___ geb. 2017, einen monatlich im Voraus zahlbaren indexierten Unterhaltsbeitrag zzgl. allfälliger Familienzulagen in richterlich zu bestimmender Höhe zu leisten, erstmals per 01. Januar 2023. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber B.___ dauert bis zu dessen wirtschaftlicher Selbstständigkeit, längstens jedoch bis zur Mündigkeit, unter Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB. 6. Ziffer 6: betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12 des Urteils vom 21.09.2021: Die Unterhaltsbeiträge gemäss der abgeänderten bzw. ergänzten Ziffer 5 hievor basieren auf den Berechnungen der [nach] richterlich zu erstellenden Berechnungsblättern. Sie bilden Bestandteil des zu erlassenden Urteilsdispositivs. 7. Ziffer 7 und 8: Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Berufungsbeklagten. Subeventualbegehren zu 1 bis 7 hievor 1. Die Ziffer[n] 3, 4 und 5 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 6 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 7 und Ziffer 8 des Urteils vom 21.09.2021 des Richteramts Olten-Gösgen, seien unter Kosten- und Entschädigungsfolgen wie folgt abzuändern beziehungsweise zu ergänzen: 2. Ziffer 3: Der Kontakt des Sohnes B.___ zum Kindsvater sei der freien Vereinbarung der Eltern überlassen, mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Sohnes sowie die Distanz zwischen den Wohnorten der Eltern. Kommt keine Einigung zustande, so gilt folgende Konfliktregelung: Der Vater hat das Recht, den Sohn B.___ - An einem Wochenende im Monat, von Freitagabend 18.00 Uhr bis Sonntagabend 20.00 Uhr zu sich auf Besuch zu nehmen. - In den Jahren mit geraden Jahreszahlen über Ostern, jeweils von Donnerstagabend 18.00 Uhr bis Ostermontag 20.00 Uhr und an Weihnachten, d.h. vom 24. Dezember 12.00 Uhr bis 26. Dezember 12.00 Uhr. - In den Jahren mit geraden Jahreszahlen über Pfingsten, von jeweils Freitagabend, 18.00 Uhr bis Pfingstmontagabend, 20.00 Uhr sowie an Neujahr vom 31. Dezember 12.00 Uhr, bis 1. Januar 18.00 Uhr. - Der Kindsvater hat das Recht, die Hälfte der Schulferien mit B.___ zu verbringen. - Die Eltern arbeiten die Ferienregelung jeweils bis spätestens 31.10. eines jeden Jahres aus. Sollte keine Einigung erzielt werden, darf der Kindsvater die Ferien in den Jahren mit ungeraden Jahreszahlen und die Kindsmutter in den Jahren mit geraden Jahreszahlen wählen. 3. Ziffer 4: bezüglich den Aufgaben des Beistands sei der 4. Spiegelstrich wie folgt anzupassen: - für die kindswohlverträgliche Umsetzung des Besuchs- und Ferienrechts besorgt zu sein. 4. Ziffer 5: in Bezug auf Phasen 9, 10, 11, 12 des Urteils vom 21.09.2021: Der Kindsvater sei zu verurteilen, zugunsten seines Sohnes B.___ geb. 2017, einen monatlich im Voraus zahlbaren indexierten Unterhaltsbeitrag zuzüglich allfälliger Familienzulagen in folgender Höhe zu leisten: - Phase 9 ab August 2021 bis und mit Dezember 2022: Einen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von monatlich CHF 2'089.00 (CHF 1'021.00 Bar- und CHF 1'096.00 Betreuungsunterhalt); - Neue Phase 10 ab Januar 2023 bis und mit Juli 2023: Einen Barunterhalt in der Höhe von monatlich maximal CHF 1'872.00; - Neue Phase 11 ab August 2023 bis und mit Dezember 2026: Einen Barunterhalt in der Höhe von monatlich maximal CHF 1'722.00; - Neue Phase 12 ab Januar 2027 bis und mit Juli 2029: Einen Barunterhalt in der Höhe von monatlich maximal CHF 1'892.00; - Neue Phase 13 ab August 2029 bis und mit Dezember 2032: Einen Barunterhalt in der Höhe von monatlich maximal CHF 1'041.00; - Neue Phase 14 ab Januar 2033: Einen Barunterhalt in der Höhe von monatlich maximal CHF 1'001.00. 5. Ziffer 6 betreffend die Phasen 9, 10, 11, 12 des Urteils vom 21.09.2021: die Unterhaltsbeiträge gemäss der abgeänderten, bzw. ergänzten Ziffer 5 hievor basieren auf den Berechnungen der beiliegenden Berechnungsblätter. Sie bilden Bestandteil des zu erlassenden Urteilsdispositivs. 6. Ziffer 7 und 8: Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Berufungsbeklagten. Subsubeventualbegehren zu Ziffern 1 – 6 hievor: Die Ziffern 3 und 4, Ziffer 5, betreffend Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 6 betreffend die Phasen 9, 10, 11 und 12, Ziffer 7 und Ziffer 8 des Urteils vom 21.09.2021 des Richteramts Olten-Gösgen, Zivilabteilung, seien unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben und an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
4. Am 20. März 2023 liess sich die Kindsmutter unaufgefordert vernehmen. Sie schildert ihre Lage und stellt den Antrag, es sei ein gerechtes Urteil zu fällen.
5. Der Berufungsbeklagte liess sich am 23. März 2023 ebenfalls form- und fristgerecht vernehmen. Er stellt die folgenden Rechtsbegehren: 1. Es sei festzustellen, dass Ziffer 2 und Ziffer 5 bezüglich Phasen 1 – 8 des Urteils des Richteramts Olten-Gösgen, datiert vom 21.09.2021 in Rechtskraft erwachsen sind. Es sei weiter festzustellen, dass somit eine Unterhaltspflicht im Betrag von CHF 151'688.00 rechtskräftig besteht. 2. Der Berufungskläger sei zu verpflichten, gestützt auf Art. 99 Abs. 1 lit. c und/oder lit. d ZPO eine angemessene Sicherheit für die Parteientschädigung des Berufungsbeklagten in angemessenem, richterlich näher zu bestimmendem Umfang, zu leisten. 3. Der Berufungskläger sei im Sinne von vorsorglichen Massnahmen zu verpflichten, gestützt auf Art. 303 Abs. 2 lit. b ZPO angemessene – in richterlich näher zu bestimmendem Umfang – Beiträge an den Unterhalt des Kindes zu leisten, zuzüglich gesetzlichem Zins seit wann rechtens. 4. Sämtliche von der Berufungsklägerseite im Rahmen der Berufung eingereichten, in den Prozess eingebrachten und so ins Recht gelegten Beweismittel seien gestützt auf Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO aus dem Verfahren bzw. aus dem Recht zu weisen. 5. Die vom Berufungskläger eingereichten Beweismittel 2, 4, 6 (soweit auf [...]), 7b, 8, 11 (soweit auf [...]), 13, 13a, 14, 15 und 16 seien durch den Berufungskläger in beglaubigter deutscher Übersetzung, eventualiter in privater Übersetzung einzureichen. 6. Dem Berufungsbeklagten sei für das gesamte obergerichtliche Verfahren, einschliesslich vorsorglicher Massnahmen, die unentgeltliche Rechtspflege und unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren. 7. Es sei eine mündliche Berufungsverhandlung vor dem Obergericht des Kantons Solothurn durchzuführen anlässlich welcher die Kindsmutter (als Partei ev. als Zeugin) und der Kindsvater anzuhören und eine Parteibefragung durchzuführen sei. 8. Für das betroffene Kind sei der Unterzeichnete als Rechtsbeistand im Sinne von Art. 299 Abs. 1 und 2 lit. a Ziff. 1 und 2 [ZPO] betreffend die Frage hinsichtlich Zuteilung der elterlichen Sorge und Obhut einzusetzen. 9. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Berufungsklägers.
6. Am 24. März 2023 wurde die Eingabe der Kindsmutter den Parteien zur Stellungnahme zugestellt und ihnen wurde Gelegenheit gegeben, sich zur prozessualen Stellung der Kindsmutter zu äussern.
7. Der Berufungskläger liess sich am 6. April 2023 zu den prozessualen Anträgen des Berufungsbeklagten und am 26. April 2023 zur prozessualen Stellung der Kindesmutter vernehmen. Er stellt die folgenden Anträge: - in Bezug auf den Antrag auf Sicherheitsleistung betr. die Parteientschädigung: der Antrag sei abzuweisen. - in Bezug auf den Antrag auf vorsorgliche Massnahmen: der Antrag sei abzuweisen. - in Bezug auf die prozessuale Stellung der Kindsmutter: 1. Er stelle fest, dass die Kindesmutter in ihrem Schreiben vom 23.03.2023 selbst kein Gesuch um Teilnahme am Prozess stelle, sondern das Gericht lediglich bitte, ein gerechtes Urteil zu fällen. Ihre Eingabe sei deshalb aus den Akten zu weisen. 2. Die Prozessparteien seien, namentlich auf der Klägerseite zu Beginn des Verfahrens festzulegen, und nicht erst im Rechtsmittelverfahren. 3. Nichtsdestotrotz stelle der Berufungskläger den Entscheid über die Stellung der Kindsmutter im vorliegenden Prozess ins richterliche Ermessen. 4. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass er in seiner Rechtschrift die falsche Adresse der Kindsmutter unter den Beweismitteln aufgeführt habe. Diese wohne aktuell nicht mehr in [...], sondern in [...]. 8. Am 1. Mai 2023 liess sich der Berufungsbeklagte unaufgefordert zur Eingabe des Berufungsklägers vom 6. April 2023 vernehmen und beantragt: 1. Von dieser Eingabe sei Kenntnis zu nehmen. 2. Alle nicht in deutscher Sprache seitens der Gegenpartei eingereichten Dokumente seien durch den Berufungskläger auf dessen Kosten übersetzen zu lassen, dem Gericht einzureichen und dem Berufungsbeklagten zur Kenntnis zu bringen und unter angemessener Fristansetzung zur Stellungnahme zu unterbreiten. 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 9. Am 1. Juni 2023 ging die Kostennote der Rechtsvertreterin des Berufungsklägers und am 5. Juni 2023 diejenige des Vertreters des Berufungsbeklagten ein. Diese wurden umgehend der Gegenpartei zur Kenntnis zugestellt. 10. Die Streitsache ist spruchreif. Gestützt auf Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann darüber ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen. II. Der Berufungsbeklagte stellt diverse Verfahrensanträge, die vorab zu behandeln sind, zumal sie Einfluss auf die weitere Behandlung des vorliegenden Rechtsstreits haben können: 1. Der Berufungsbeklagte beantragt, es sei festzustellen, dass die Ziffern 2 und 5 bezüglich der Phasen 1 – 8 des Urteils vom des Richteramts Olten-Gösgen, datiert vom 21.09.2021 in Rechtskraft erwachsen seien. Weiter sei festzustellen, dass somit eine Unterhaltspflicht im Betrag von insgesamt CHF 151'688.00 rechtskräftig bestehe. Der Berufungskläger schliesst auf Abweisung dieses Antrags. Gemäss Art. 336 Abs. 2 ZPO bescheinigt das Gericht, das den zu vollstreckenden Entscheid getroffen hat, dessen Vollstreckbarkeit. Das ist vorliegend das Richteramt Olten-Gösgen. Der Berufungsbeklagte hat sich folglich mit seinem Begehren an das Richteramt zu wenden. Mangels Zuständigkeit des Obergerichts zur Feststellung der Rechtskraft eines erstinstanzlichen Entscheids ist auf diesen Antrag des Berufungsbeklagten nicht einzutreten. 2. Der Berufungsbeklagte verlangt weiter, der Berufungskläger habe gestützt auf Art. 99 Abs. 1 lit. c und/oder lit. d ZPO eine angemessene Sicherheit für die Parteientschädigung in angemessenem, richterlich näher zu bestimmenden Umfang, zu leisten. Der Berufungskläger beantragt die Abweisung dieses Antrags. Er macht geltend, vorliegend handle es sich um ein vereinfachtes Verfahren, was zu einer Ausnahme gemäss Art. 99 Abs. 3 lit. a ZPO führe. Zur Begründung werde auf die entsprechende Verfügung im Verfahren ZKBER.2019.57 verwiesen. Bereits im Verfahren ZKBER.2019.57, das die nämlichen Parteien betraf, wurde das Gesuch des Berufungsbeklagten um Sicherheit für die Parteientschädigung mit dem Hinweis auf Art. 99 Abs. 3 lit. a ZPO abgewiesen. Es kann auf die dortige Begründung verwiesen werden. 3. Der Berufungsbeklagte beantragt weiter, dass der Berufungskläger im Sinn von vorsorglichen Massnahmen zu verpflichten sei, gestützt auf Art. 303 Abs. 2 ZPO angemessene – in richterlich näher zu bestimmendem Umfang – Beiträge an den Unterhalt des Kindes (der Berufungsbeklagte) zu leisten, zuzüglich gesetzlichem Zins seit wann rechtens. Der Berufungskläger macht geltend, dass er regelmässig Unterhaltsbeiträge bezahle. Die Höhe der künftig geschuldeten Unterhaltsbeiträge sei Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb kein Platz für vorsorgliche Massnahmen bestehe. Die Verjährung beginne erst mit dem 18. Geburtstag des unterhaltsberechtigten Kindes zu laufen. Entgegen den Ausführungen des Berufungsklägers spricht grundsätzlich nichts gegen den Erlass von vorsorglichen Massnahmen im Rahmen des Unterhaltsverfahrens, insbesondere wenn, wie hier, die Vaterschaft des Pflichtigen aufgrund der Klageanerkennung feststeht. Dazu müsste er sich allerdings in erster Linie an die Vorinstanz wenden. Im Übrigen gibt es Folgendes zu beachten: Das Bundesgericht hat in BGE 137 III 617 E. 4.3 ausgeführt, ein Rechtsbegehren müsse so bestimmt sein, dass es im Falle der Gutheissung der Klage unverändert zum Urteil erhoben werden könne (Max Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. 1984, S. 107; zur Berufung ausdrücklich Ivo Hungerbühler, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Brunner et. al. [Hrsg.], 2011, N. 14 zu Art. 311 ZPO; Urteil des Bundesgerichts 5A_384/2007 vom 3. Oktober 2007 E. 1.3, in: FamPra.ch 2008 S. 226). Aus diesem Prozessgrundsatz folgt, dass die auf Geldzahlung gerichteten Berufungsanträge zu beziffern sind. Das Erfordernis der Bezifferung einer auf Geldzahlung gerichteten Klage ergibt sich auch aus Art. 84 Abs. 2 ZPO. Das gilt auch für auf Geldzahlung lautende vorsorgliche Massnahmen. Der Berufungsbeklagte verlangt die Zusprechung «angemessener Beiträge an den Unterhalt», ohne einen konkreten Betrag zu nennen. Auch aus der Begründung des Gesuchs geht nicht hervor, welchen Betrag er als angemessene Unterhaltsleistung erachtet. Das unbezifferte Gesuch um vorsorgliche Massnahmen muss nach dem Gesagten abgewiesen werden. 4. Der Berufungsbeklagte verlangt weiter, dass die im Berufungsverfahren eingereichten Beweismittel des Berufungsklägers nicht berücksichtigt werden. Darauf ist im Rahmen der materiellen Beurteilung einzugehen. Das gilt auch für den Antrag, auf Einreichung sämtlicher Beweismittel in deutscher Übersetzung, soweit darüber nicht bereits entschieden wurde. Darauf ist im Folgenden soweit nötig einzugehen. III. 1.1 Der Vorderrichter begründete das Urteil in Bezug auf Obhut und Beistandschaft über den Berufungsbeklagten damit, dass die Kindsmutter in einer vorübergehenden Überforderungssituation die Obhut über den Berufungsbeklagten an den Berufungskläger habe übertragen wollen. Gründe für die Umteilung der Obhut seien nach Aufrechterhaltung der Beistandschaft nicht ersichtlich. Das Kindeswohl sei bei der Kindsmutter, bei der der Berufungsbeklagte bis anhin ausschliesslich gewohnt habe, am besten gewahrt, insbesondere, wenn diese durch die Beiständin unterstützt werde. Das gelte auch bei allfälligen Anständen im Zusammenhang mit dem Besuchs- und Ferienrecht. Im Rahmen der Verhandlung vom 8. Oktober 2020 hätten die Kindseltern den Kontakt zwischen Vater und Sohn einvernehmlich geregelt und diesen ihrer freien Vereinbarung überlassen. Weil sich der Berufungskläger in der Folge angeblich nicht daran gehalten und das Besuchsrecht nicht ausgeübt habe, habe die Kindsmutter die Zustimmung zu diesem Vergleich zurückgezogen. Der Sohn habe deshalb die Nichtgenehmigung der Vereinbarung beantragt. Dem Kindeswohl diene zweifellos am meisten, wenn das Kind Kontakt zu beiden Elternteilen pflege. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Kindsvater den Sohn nicht regelmässig betreuen könne. Die vom Kindsvater geltend gemachten Einwände wegen der grossen Distanz zum Wohnort des Sohnes seien nicht zu hören. Er sei in Kenntnis des Wohnsitzes seines Sohnes in den Kanton [...] gezogen und habe daher wesentlich zu der grossen Distanz beigetragen. Dem vereinbarten Kontaktrecht stehe daher nichts entgegen. 1.2 Bezüglich die Bemessung der Kindesunterhaltsbeiträge verweist der Vorderrichter auf Art. 285 ZGB. Das Einkommen der Kindsmutter sei in der Eingabe des Berufungsbeklagten vom 11. Dezember 2020 zusammengestellt. Der Berufungskläger habe zur Zeit der Geburt des Berufungsbeklagten ein Nettojahreseinkommen von CHF 92'580.00 ausgewiesen. Nach Abzug der Quellensteuer habe ein Nettolohn von CHF 6'420.00 resultiert. Im April 2018 habe sich der Berufungskläger selbstständig gemacht. In dieser Zeit habe er einige Monate in [...] gewohnt, während seine Ehefrau in der Schweiz geblieben sei. Während des Verfahrens habe sich gezeigt, dass es sich beim Berufungskläger mehr weniger um einen notorischen Lügner handle, der in keinster Weise davor zurückschrecke, sich seinen Unterhaltsverpflichtungen wo immer möglich zu entziehen. Ein Umzug nach [...] habe offensichtlich gar nie stattgefunden, wie sich der Bilanz seiner Firma entnehmen lasse. Jetzt versuche er nachzuweisen, dass es ihm nur noch möglich sei, ein monatliches Nettoeinkommen von CHF 6'000.00 zu erwirtschaften. Gemäss dem statistischen Lohnrechner des Bundesamts für Statistik 2018 sei für männliche Personen im Alter des Berufungsklägers mit Niederlassungsbewilligung und einer vergleichbaren Ausbildung von einem erzielbaren monatlichen Bruttolohn von CHF 8'764.00 bzw. CHF 7'500.00 netto, auszugehen. In einem zweiten Schritt gelte es, den gebührenden Bedarf des Kindes, der Kindsmutter und des Berufungsklägers zu bestimmen, wofür die massgebenden Lebensverhältnisse festzustellen seien. Gestützt auf diese Zahlen könne alsdann der Bar- und Betreuungsunterhalt für den Kläger bestimmt werden. Für die Angaben zu den finanziellen Verhältnisse wird auf die Akten verwiesen. 2. Die Kindsmutter wandte sich mit Schreiben vom 20. März 2023 an das Obergericht. Sie moniert, dass sie nicht «direkt kontaktiert» worden sei. Die Ausführungen des Berufungsklägers in der Berufungsschrift könne sie nicht unwidersprochen lassen. Sie macht geltend, dieser habe sie mit dem neugeborenen Kind völlig im Stich gelassen. Trotzdem sei es ihr gelungen, ihr Kind zu erziehen und eine Berufsausbildung zu machen. Es schmerze sie, die falschen Behauptungen des Berufungsklägers zu lesen, der ihr vorwerfe, dass sie ihren Sohn nicht richtig erzogen habe. Schwierig sei für sie, wenn der Kindsvater in die Erziehung eingreife. Er habe nie am Leben seines Sohnes beteiligt sein und diesen nicht anerkennen wollen. Stattdessen sei er nach [...] verschwunden. Er habe seinen Sohn nie unterstützt und ihn nicht mit seiner Familie in Verbindung bringen wollen. Auch als der Sohn in der Schule eine schwierige Phase gehabt habe, habe ihn der Vater nicht unterstützt. Der Kindsvater wolle bis heute keine regelmässigen Besuche des Sohnes. Sie bitte darum, dass das Gericht ein gerechtes Urteil fälle. 3.1 Das Kind hob in eigenem Namen Klage gegen den Vater wegen Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt an. Die Kindsmutter stellte keine eigenen Ansprüche. Sie wirkt im Prozess lediglich als gesetzliche Vertreterin des Kindes. 3.2 Gemäss Art. 298c ZGB kann das Gericht bei Gutheissung der Vaterschaftsklage auch die elterliche Sorge regeln, ohne dass es eines Antrags eines Elternteils bedarf. Dagegen fehlt eine Regelung der Zuständigkeit des Gerichts für die Regelung von Obhut und Betreuungsanteilen der Eltern analog zu Art. 298 Abs. 2 ZGB im Ehescheidungsverfahren und Art. 298b Abs. 3 Satz 1 ZGB im Unterhaltsprozess. Die Lehre geht von einer Lücke aus, da die Leitlinie des Kindeswohls (Art. 296 Abs. 1 ZGB) eine einheitliche Zuständigkeit für die Regelung aller für die Ausübung der elterlichen Sorge wesentlichen Fragen gebietet (vgl. Ingeborg Schwenzer/Michelle Cottier in Basler Kommentar ZGB I, 7. Aufl., Basel 2022, N. 6 f. zu Art. 298 c ZGB). Vorliegend hat das Kind sowohl auf Feststellung der Vaterschaft als auch auf Unterhalt geklagt. Der Berufungskläger hat im Verlauf des Verfahrens die Vaterschaft über den Berufungsbeklagten anerkannt. Dieser Punkt ist rechtskräftig. Nun ist seitens des Kindes noch die Unterhaltsfrage offen, womit von einem Anwendungsfall von Art. 298b Abs. 3 ZGB auszugehen ist. 3.3 Der Kindsvater stellte im Verlauf des Verfahrens Anträge gestützt auf Art. 298b Abs. 3 ZGB, die die Elternebene betreffen (gemeinsame elterliche Sorge, Zuteilung der Obhut über den Sohn, Regelung des Kontaktrechts). Diese richten sich nicht gegen den klagenden Sohn, sondern gegen die Kindsmutter, die nicht Prozesspartei ist. Gemäss obgenannter Bestimmung hat der mit der Vaterschafts- und Unterhaltsklage betraute Richter auf Antrag jedoch auch über diese Fragen zu entscheiden, obwohl sich diese materiell nicht gegen das (allein) klagende Kind, sondern gegen den anderen Elternteil richten. Art. 298b Abs. 3 ZGB regelt lediglich die Zuständigkeit des Gerichts, nicht aber das prozessuale Vorgehen in einer Situation wie dieser, wo sich die (zulässigen) Anträge des Beklagten nicht gegen das klagende Kind, sondern gegen die nicht als Partei in das Verfahren involvierte Kindsmutter richten. Es besteht eine echte Gesetzeslücke. Der Einwand des Berufungsklägers, dass die Parteirollen zu Beginn des Verfahrens zu definieren seien, ist grundsätzlich richtig, führte aber konsequenterweise dazu, dass er zur Beurteilung seiner Anträge ein separates Verfahren gegen die Kindsmutter anzuheben hätte. Das sollte mit der vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Kompetenzattraktion zugunsten des Gerichts gemäss Art. 298b Abs. 3 ZGB gerade vermieden werden. Es ist somit ein Weg zum Einbezug der Drittpartei (Kindsmutter) in das Verfahren zu finden, wenn sich, wie hier, die zulässigen Anträge des beklagten Kindsvaters materiell gegen die nicht als Partei in den Prozess involvierte Kindsmutter richten. Das Bundesgericht hat dazu im Urteil 5A_744/2022 E. 3.4.2 vom 9. Juni 2023, dessen Sachverhalt sich vom vorliegenden nicht unterscheidet, ausgeführt: «Der Zivilprozess bezweckt, bei umstrittenen privatrechtlichen Beziehungen die Entscheidung herbeizuführen, wie die Rechtslage unter den sich Streitenden ist. Der durch Urteil unbestreitbar gemachte Rechtsanspruch kann vollstreckt bzw. durchgesetzt werden (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 1984, S. 3). Ein Urteil entfaltet nur gegenüber jenen Personen (und allenfalls ihren Rechtsnachfolgern) Wirkung, die am Prozess als Partei beteiligt sind; die Rechtskraft eines Urteils erstreckt sich nicht auf Drittpersonen (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 1979, S. 373). Ein Urteil, das in die Rechtssphäre einer Person eingreift, die nicht am Prozess beteiligt worden ist, leidet daher an einem derart schweren Mangel, dass es als nichtig betrachtet werden muss (BGE 136 III 571E. 6.4). Vorliegend hat das Obergericht, nachdem das Verfahren soweit die Feststellung der Vaterschaft betreffend gegenstandslos geworden ist, kraft der Kompetenzattraktion von Art. 304 Abs. 2 ZPO nicht nur über die ursprünglich anhängig gemachte Unterhaltsfrage, sondern auch über die elterliche Sorge entschieden (…). Gleichwohl war die Kindsmutter – dieser tatsächliche Umstand blieb unbestritten und ist für das Bundesgericht daher verbindlich (vorne E. 2.2) – allein als gesetzliche Vertreterin des Kindes am Prozess beteiligt und wurde in keiner Weise förmlich in diesen einbezogen (vgl. vorne E. 3.1 und 3.2). Folglich berührt das angefochtene Urteil die Rechtsstellung der Mutter, obgleich diese nicht ausreichend am Prozess beteiligt war. Hieran vermag nichts zu ändern, dass ihr im Verfahren verstärkte Mitwirkungsrechte eingeräumt worden sind, da dies einem förmlichen Einbezug in den Prozess nicht gleichkommt.» Die Kindsmutter muss sofort in geeigneter Weise förmlich als eigenständige Partei in den Prozess einbezogen werden, damit sie ihre Rechte wahren kann. Nur so kann ein Urteil erlassen werden, das auch die materiell beklagte Mutter bindet.» 3.4 Der Vorderrichter hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass sich die Anträge des Kindsvaters (gemeinsame elterliche Sorge, Beistandschaft, Obhuts- und Betreuungsregelung) materiell nicht gegen das Kind, sondern gegen die Kindsmutter richten. Er hat das Verfahren ungeachtet der veränderten prozessrechtlichen Situation zwischen Sohn und Vater weitergeführt, ohne die Kindsmutter im weiteren Verlauf formell in das Verfahren einzubeziehen. Die Kindsmutter, prozessual gesehen eine Dritte, hatte sich aufgrund dessen nicht prozesswirksam zu den Anträgen des Kindsvaters äussern können. Ihre Meinung konnte folglich formell nicht in den Entscheidprozess einfliessen und das erlassene Urteil wirkt nicht gegen sie als Dritte. Daran ändert nach dem vom Bundesgericht ausgeführten auch ihre Anhörung als Zeugin nichts, da eine Zeugin (Art. 169 ZPO) eine grundsätzlich andere Stellung als eine Prozesspartei (Art. 191 ZPO) hat und das Urteil nicht gegen sie wirkt. Der Kindsmutter wurde das erstinstanzliche Urteil konsequenterweise auch nicht formell eröffnet. 3.5.1 Die nicht anwaltlich vertretene Kindsmutter hat sich nach Eingang der Berufung des Kindsvaters an die Zivilkammer des Obergerichts gewandt und moniert, dass sie nicht «direkt kontaktiert» worden sei. Allein das zeigt, dass sie sich nach wie vor in das Verfahren einbringen möchte, wie sie das schon früher klar gemacht hatte. Die heutige Situation präsentiert sich demnach gleich, wie im Verfahren ZKBER.2019.57, das die gleichen Parteien betraf. Der Einbezug der Kindsmutter in das Verfahren ist unumgänglich, soll das Urteil auch gegen sie eine Wirkung entfalten (Urteil des Bundesgerichts 5A_744/2020 E. 3.4.2). Das Bundesgericht hat bereits in BGE 145 III 436 E. 4 als obiter dictum ausgeführt, dass der Einbezug von Themen der Elternebene in den Vaterschafts- und/oder Unterhaltsprozess, wie die Fragen der Obhut und der Betreuungsanteile, den förmlichen Einbezug des bislang nicht als Partei involvierten Elternteils in das Verfahren verlange, ohne näher darauf einzugehen in welcher Form das geschehen soll. Zu beachten ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Novelle von Art. 298b Abs. 3 ZGB ausdrücklich angestrebt hat, dass im selben Verfahren über die Vaterschaft und den Kindesunterhalt sowie über die Anträge der Elternebene (gemeinsame elterliche Sorge, Obhut, Betreuungsanteile) entschieden wird. Dabei ist eine Lücke in Bezug auf die prozessuale Stellung des nicht in den Prozess involvierten zweiten Elternteils entstanden, welche der Gesetzgeber nicht geregelt hat. Diese gilt es in geeigneter Weise zu schliessen. 3.5.2 Bereits im Verfahren ZKBER.2019.57 wurde aufgrund der Anträge des Kindsvaters auf Elternebene die prozessuale Stellung der Kindsmutter thematisiert und der Vorderrichter angewiesen, dieser die Stellung einer streitgenössischen Nebenintervenientin zuzuerkennen. Die Zivilkammer führte a.a.O. Folgendes aus (E. 3.1): Der Vater, der vorher unbekannten Aufenthalts war, ist nun wieder da und stellt neu und erstmals Anträge zu den Kinderbelangen. Wie bereits festgehalten, sind diese ohnehin von Amtes wegen zu regeln. Der Entscheid darüber entfaltet Rechtskraftwirkungen auch gegenüber der formell nicht als Partei beteiligten Mutter. Diese subjektive Rechtskrafterstreckung erfordert zwingend, dass ihr parteiähnliche Rechte zugestanden werden. Demzufolge kann die am Unterhaltsstreit nicht beteiligte Mutter in Bezug auf die weiteren Kinderbelange auch nicht ohne Weiteres der Kläger- der Beklagtenseite zugeordnet werden. Sie verfolgt ihre eigenen Rechte. Mit der Einführung der Annexzuständigkeit ist für die weiteren Kinderbelange eine echte Lücke in der Zivilprozessordnung entstanden (Samuel Zogg: Selbständige Unterhaltsklagen mit Annexentscheid über die weiteren Kinderbelange – verfahrensrechtliche Fragen, in Die Praxis des Familienrechts, FamPra.ch 2019, S. 23 f.). Weiter hat das Bundesgericht in BGE 142 III 629 für eine gesellschaftsrechtliche Streitigkeit, über die mit einem Urteil zu entscheiden war, das gegenüber allen Aktionären kraft materiellen Rechts direkte Wirkungen entfaltet, entgegen Art. 76 Abs. 2 ZPO die Zulässigkeit der streitgenössischen Nebenintervention bejaht. 3.5.3 Dieser Rückweisungsentscheid bindet die untere Instanz analog einem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts und zwar sowohl in Bezug auf das Dispositiv als auch in Bezug auf die Erwägungen einschliesslich dasjenige, was darin in tatsächlich und rechtlicher Hinsicht stillschweigend vorausgesetzt wird (vgl. Peter Reetz/Sarah Hilber, N. 40 f. zu Art. 318 ZPO mit diversen Hinweisen auf Literatur und Praxis; in: Thomas Sutter-Somm et. al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2015). Der Vorderrichter hat es versäumt, entsprechend den oben zitierten Erwägungen vorzugehen. Die Kindsmutter konnte sich zu den in ihre Rechtsstellung eingreifenden Prozessthemen weder prozessual wirksam äussern noch wurde ihr das in ihre Rechtsstellung eingreifende Urteil formell eröffnet. Das Urteil ist gemäss Urteil des Bundesgerichts 5A_744/2020 E. 3.4.2 nichtig soweit es die Elternebene betrifft. Daran ändert auch die Einvernahme der Kindsmutter als Zeugin im Verfahren nichts. Zeugen sind Personen, die eine Tatsache mit eigenen Sinnen unmittelbar wahrgenommen haben (Sutter-Somm Thomas, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 2017, Rz 794) aber nicht selbst Partei sind (Art. 169 ZPO), mithin kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Das trifft auf die Kindsmutter offensichtlich nicht zu. Es ist unumgänglich, sie entsprechend den Ausführungen im obgenannten Verfahren in den Prozess einzubeziehen. Sodann ist ihr das Urteil formell zu eröffnen. Da der vorinstanzliche Entscheid gemäss der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung bezüglich der elterlichen Sorge, der Obhut und der Kontaktregelung nichtig ist, ändert entgegen der Meinung des Berufungsklägers nichts, dass die Kindsmutter im Berufungsverfahren keinen formellen Einbezug in das Verfahren eingefordert hat. 3.6 Die Unterhaltsregelung hängt von der bisher nicht rechtswirksam entschiedenen Obhutsregelung ab. Aus diesem Grund ist das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen vom 21. September 2021 als Ganzes aufzuheben und zur neuen Entscheidung entsprechend den Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 4. Unter diesen Umständen erübrigt sich auch eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren mit Anhörung des Kindsvaters und der Kindsmutter wie sie der Berufungsbeklagte beantragt hat. IV. 1. Bei diesem Verfahrensausgang ist ausnahmsweise auf die Erhebung von Kosten für das Berufungsverfahren zu verzichten. In Anbetracht des familienrechtlichen Charakters der Streitsache und da der Ausgang derzeit nicht abgeschätzt werden kann, werden die Parteikosten des Berufungsverfahrens wettgeschlagen (Art. 107 Abs. 1 lit. c und e ZPO). 2.1 Der Berufungsbeklagte beantragt die unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich vorsorglicher Massnahmen, und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Rechtsbegehren Ziff. 6 und 8). Dazu ist Folgendes festzustellen: 2.2 In Bezug auf die Gerichtskosten ist das Gesuch gegenstandslos, da den Parteien keine Gerichtskosten auferlegt werden. 2.3 Soweit es die beantragten vorsorglichen Massnahmen auf Kindesunterhalt betrifft, ist das Gesuch sowohl in Bezug auf die Gerichtskosten als auch auf die Prozessführung aussichtslos, zumal diese einerseits in erster Linie bei der Vorinstanz geltend zu machen und andererseits zu beziffern sind. Der Antrag ist daher aussichtslos. Gerichtskosten werden auch dafür ausnahmsweise keine erhoben. 2.4.1 In Bezug auf die Parteivertretung im Unterhaltsverfahren (Ziff. 6) ist festzuhalten, dass der Rechtsvertreter des Berufungsbeklagten von der KESB als Prozessbeistand des Kindes für die Vaterschafts- und Unterhaltsklage eingesetzt wurde. Er ist patentierter Rechtsanwalt. Es ist daher davon auszugehen, dass er in der Lage ist, das Mandat selber zu führen (SOG 1993 Nr. 12). Es bleibt daher kein Raum für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung in diesem Bereich. Die Vaterschaftsklage ist aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch den Berufungskläger bereits rechtskräftig erledigt. 2.4.2 Der Berufungsbeklagte beantragt die unentgeltliche Rechtspflege für den Berufungsbeklagten auch in Bezug auf die Zuteilung der elterlichen Sorge und Obhut (Ziff. 8). Diese Fragen betreffen die Elternebene. Das Kind ist hier nicht Prozesspartei. Es ist jedoch in geeigneter Form anzuhören soweit nicht sein Alter andere wichtige Gründe dagegen sprechen (Art. 298 Abs. 1 ZPO). Dazu ist eine anwaltliche Vertretung i.d.R. nicht nötig. Vom Berufungsbeklagten werden keine Gründe geltend gemacht, die das hier als nötig erscheinen lassen würden. Der Antrag des Berufungsbeklagten, ihm die unentgeltliche Rechtspflege für die Fragen der elterlichen Sorge und Obhut zu bewilligen, wird daher abgewiesen. Demnach wird erkannt: 1. Auf den Antrag von B.___ auf Feststellung der Rechtskraft von Ziffern 2 und 5 bezüglich der Phasen 1 – 8 des Urteils wird nicht eingetreten. 2. Der Antrag von B.___ auf Sicherheitsleistung wird abgewiesen. 3. Der Antrag von B.___ auf Erlass von vorsorglichen Massnahmen (Unterhaltszahlungen) wird abgewiesen. 4. Der Antrag von B.___ auf Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung wird abgewiesen. 5. Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen vom 21. September 2021 (Ziff. 1 – 8) aufgehoben. 6. Die Sache geht im Sinn der Erwägungen, insbesondere zum formellen Einbezug der Kindsmutter in das Verfahren, zur neuen Beurteilung zurück an die Vorinstanz. 7. Für das Berufungsverfahren werden keine Kosten erhoben. Der von A.___ geleistete Kostenvorschuss von CHF 1'500.00 ist ihm zurückzuzahlen. 8. Die Parteikosten werden wettgeschlagen. 9. Das Gesuch von B.___ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Trutmann |
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