Zusammenfassung des Urteils ZKBER.2023.32: Verwaltungsgericht
Die Berufungsklägerin A hat gegen die Berufungsbeklagte B geklagt, um Mängel in ihrer Mietwohnung zu beheben. Nachdem das Amtsgericht die Klage abgewiesen hat, hat A Berufung eingelegt. Die Berufung wurde jedoch abgewiesen, und A muss B eine Parteientschädigung von CHF 2'272.90 zahlen. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 1'500.00. Das Gericht hat entschieden, dass A nicht berechtigt ist, die unentgeltliche Rechtspflege zu erhalten. A hat nun die Möglichkeit, beim Bundesgericht Beschwerde einzureichen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZKBER.2023.32 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Zivilkammer |
Datum: | 24.10.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Berufung; Berufungsklägerin; Recht; Mängel; Berufungsbeklagte; Vorinstanz; Zustand; Mangel; Vergleich; Beweis; Eigenschaft; Verfahren; Parteien; Mietsache; Badewanne; Rechtspflege; Berufungsbeklagten; Miete; Frist; Mieter; Wohnung; Urteil; Gutachten; Entscheid; Eigenschaften; Vertrag |
Rechtsnorm: | Art. 117 ZPO ;Art. 152 ZPO ;Art. 243 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 8 ZGB ; |
Referenz BGE: | 142 III 138; 148 III 30; 149 I 91; |
Kommentar: | Karl Spühler, Schweizer, Viktor, Basler Schweizerische Zivilprozessordnung, Art. 117 ZPO, 2017 |
Geschäftsnummer: | ZKBER.2023.32 |
Instanz: | Zivilkammer |
Entscheiddatum: | 24.10.2023 |
FindInfo-Nummer: | O_ZK.2023.126 |
Titel: | Forderung aus Mietverhältnis (vereinfachtes Verfahren gemäss Art. 243 ff. ZPO) |
Resümee: |
Obergericht Zivilkammer
Urteil vom 24. Oktober 2023 Es wirken mit: Oberrichter Frey Oberrichterin Kofmel Gerichtsschreiberin Hasler In Sachen A.___, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Helfenfinger,
Berufungsklägerin
gegen
B.___, vertreten durch Rechtsanwältin Riccarda Kummer,
Berufungsbeklagte
betreffend Forderung aus Mietverhältnis (vereinfachtes Verfahren gemäss Art. 243 ff. ZPO) zieht die Zivilkammer des Obergerichts in Erwägung: I. 1. A.___ (im Folgenden: Klägerin Berufungsklägerin) erhob am 7. Juli 2021 gegen B.___ (im Folgenden: Beklagte Berufungsbeklagte) beim Richteramt Dorneck-Thierstein eine Klage betreffend Forderung aus Mietverhältnis im vereinfachten Verfahren und stellte die folgenden, anlässlich der Verhandlung angepassten Rechtsbegehren:
1. Es seien sämtliche Platten und Fugen im Bereich der Badewanne und der Badewannenarmaturen vollständig zu ersetzen und fachmännisch neu zu verlegen. Dabei sollen die Platten bündig zueinander liegen. 2. Es seien die Abdichtungen rund um die Badewanne fachmännisch zu ersetzen, so dass keine Spalten zwischen Badewanne und Ummauerung entstehen. 3. Es seien die durch die Arbeiten beschädigten Boden- und Wandplatten fachmännisch zu ersetzen. 4. Es sei die Badewanne fachmännisch zu reinigen, eventualiter fachmännisch zu ersetzen. 5. Es sei der Schimmel im Badezimmer fachmännisch zu beseitigen. 6. Es seien alle in den Rechtsbegehren aufgeführten Arbeiten durch Fachkräfte ausführen zu lassen, wobei die angerufene Instanz diese bestimmt resp. von der Mieterin nach Rücksprache mit und Genehmigung der Klägerin zu bestimmen sind. 7. Es sei der monatliche Nettomietzins mit Wirkung ab 01. April 2021 bis zur vollständigen Behebung der Mängel um 30% herabzusetzen. 8. Es sei der Mieterin die integrale unentgeltliche Prozessführung und die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung des Unterzeichnenden als Rechtsvertreter zu bewilligen. 9. Unter solidarischer Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Vermieter.
Als Verfahrensantrag beantragte sie u.a., es sei vom Gericht ein Gutachten einzuholen, um die Qualität der ausgeführten Arbeiten gemäss Vergleich vom 8. Februar 2021 feststellen zu lassen.
2. Am 5. September 2022 erfolgte die Stellungnahme der Berufungsbeklagten. Sie beantragte die vollumfängliche Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten sei, und die Herausgabe der hinterlegten Mietzinsen an die Beklagte, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin.
3. Am 5. Oktober 2022 erliess die Amtsgerichtspräsidentin die Beweisverfügung und lud die Parteien sowie den Zeugen C.___ zur Verhandlung im vereinfachten Verfahren, evtl. Hauptverhandlung, vor. Am 1. Februar 2023 fand die Verhandlung im vereinfachten Verfahren statt. Anlässlich dieser Verhandlung wurde der Zeuge C.___ befragt und die Parteien hielten ihren ersten Parteivortrag. Im Anschluss erliess die Amtsgerichtspräsidentin eine ergänzende Beweisverfügung, wobei ein Augenschein bewilligt wurde. Zum Schluss fand noch die Parteibefragung statt.
4. Am 14. März 2023 fand unter der Leitung der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein ein Augenschein an der [...] im Badezimmer der Mietwohnung der Berufungsklägerin statt. Nach dem Augenschein wurde die Verhandlung im Gerichtssaal fortgesetzt und von den Vertretern der Parteien die Schlussplädoyers gehalten.
5. Mit Urteil vom 15. März 2023 wies die Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein die Klage vollumfänglich ab und wies die Mietschlichtungsstelle Dorneck-Thierstein an, der (Berufungs-)Beklagten die hinterlegten Mietzinse vollumfänglich herauszugeben. Der (Berufungs-)Klägerin gewährte sie ab Prozessbeginn die unentgeltliche Rechtspflege und verpflichtete sie, der (Berufungs-)Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 10'897.15 zu bezahlen. Die Gerichtskosten von CHF 3'500.00 auferlegte sie der (Berufungs-)Klägerin, unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Rechtspflege.
6. Frist- und formgerecht erhob die Berufungsklägerin am 28. Juni 2023 bei der Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn Berufung gegen das Urteil der Amtsgerichtspräsidentin von Dorneck-Thierstein vom 15. März 2023 und verlangte dessen Aufhebung. Zudem wiederholte sie die bereits bei der Vorinstanz gestellten Rechtsbegehren (mit Ausnahme von Rechtsbegehren Nr. 6) mit folgenden Änderungen: Das Rechtsbegehren Nr. 4 lautet neu wie folgt: Es sei die Badewanne fachmännisch zu ersetzen. Sie beantragte zudem die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
7. Am 2. August 2023 reichte die Berufungsbeklagte die Berufungsantwort ein und beantragte die vollumfängliche Abweisung der Berufung sowie des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege der Berufungsklägerin, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Berufungsklägerin.
8. Die Streitsache ist spruchreif. In Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) kann über die Berufung ohne Durchführung einer Verhandlung aufgrund der Akten entschieden werden. Für die Erwägungen der Vorinstanz und die Parteistandpunkte wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen. II. 1. Die Grundlage der Streitigkeit zwischen den Parteien bildet ein vor der Schlichtungsbehörde abgeschlossener Vergleich vom 8. Februar 2021. Mit diesem Vergleich verpflichtete sich die Berufungsbeklagte, bis Ende März 2021 die darin aufgeführten Mängel im Badezimmer der Berufungsklägerin (u.a. Schimmel beseitigen, Lavabo ersetzen, Badewanne emailieren, Fugen erneuern, Lüftung auf Funktionstüchtigkeit überprüfen und allenfalls reparieren ersetzen) fachmännisch beseitigen zu lassen. Die Berufungsklägerin ist der Ansicht, dass die Mängel nicht fachmännisch beseitigt worden seien, weshalb sie die Mietzinse seit März 2021 bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht in Thierstein hinterlegt hat.
2.1 Mit Klage vom 7. Juli 2021 machte die Berufungsklägerin geltend, der Vergleich vom 8. Februar 2021 sei nicht eingehalten worden, da die Mängel nicht fachmännisch beseitigt worden seien. Entsprechend beantrage sie, es sei ein Gutachten einzuholen, um die Qualität der ausgeführten Arbeiten gemäss Vergleich vom 8. Februar 2021 feststellen zu lassen.
2.2 Nun rügt die Berufungsklägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da sich die Vorinstanz im angefochtenen Urteil nicht zu diesem Antrag geäussert habe. Die Vorinstanz habe den Antrag weder gutgeheissen noch abgewiesen.
2.3 Weiter macht die Berufungsklägerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, da die Vorinstanz auf ein Schreiben der [...] vom 30. Juni 2022 (Urkunde Nr. 4 der Beklagten) abgestellt habe (worin im Wesentlichen ausgeführt werde, die Lüftung sei bei regelmässiger Reinigung des Filters durch die Mieterin zu 100 % funktionsfähig), obwohl die Berufungsklägerin dessen Tauglichkeit als Beweismittel in Frage gestellt habe, insbesondere da das Schreiben nicht unterschrieben sei und offensichtlich kein Vertreter der [...] bereit sei, hinter diesen Aussagen zu stehen diese als korrekt zu bestätigen. Somit habe die Vorinstanz auch diesbezüglich das rechtliche Gehör verletzt.
2.4 Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Dessen Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Berufung und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides (BGE 149 I 91, E. 3.2 S. 100; 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285). Diese Rügen sind deshalb vorweg zu behandeln.
2.5 Der Beweisführungsanspruch (auch Recht auf Beweis genannt) ist in Art. 152 Abs. 1 ZPO festgehalten, wird auch aus Art. 8 ZGB abgeleitet und ist zudem vom Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV umfasst. Danach hat die beweispflichtige Partei einen bundesrechtlichen Anspruch darauf, für rechtserhebliche bestrittene Vorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, wenn ihr Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des anwendbaren Prozessrechts entspricht. Dieser Anspruch schliesst eine vorweggenommene (antizipierte) Würdigung von Beweisen nicht aus (vgl. zum Ganzen: Urteil des Bundesgerichts 5A_86/2023 vom 22. August 2023, E. 6.2.3).
2.6 Der Berufungsklägerin ist beizupflichten, dass die Vorinstanz den Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens weder explizit abgewiesen noch gutgeheissen hat. Allerdings geht aus den Protokollen und Beweisverfügungen hervor, dass die Amtsgerichtspräsidentin den Antrag auf Einholung eines Gutachtens implizit abgewiesen hat. Sie hat mit ergänzter Beweisverfügung vom 1. Februar 2023 einen Augenschein vor Ort angeordnet. Aus dem eingehend begründeten Urteil geht klar hervor, weshalb die Vorinstanz aufgrund des durchgeführten Augenscheins davon ausging, dass die von der Berufungsklägerin behaupteten Mängel entweder keine Mängel im rechtlichen Sinne darstellten so geringfügig seien, dass die Mieterin selbst sie auf eigene Kosten zu beheben habe. Die Vorinstanz erachtete damit die Einholung eines Gutachtens als nicht notwendig, da sie sich mittels Augenscheins ein hinreichendes Bild der Arbeiten im Bad machen konnte. Ein Gutachten hätte am Resultat des Entscheids nichts geändert. Im Sinne einer zulässigen antizipierten Beweiswürdigung sah die Vorinstanz somit von der Einholung eines Gutachtens ab, was nicht zu beanstanden ist. Indem die Vorinstanz keine Ausführungen zur antizipierten Beweiswürdigung machte, hat sie ihre Begründungspflicht nicht verletzt. Die Begründung eines Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur dann möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1 S. 35; 112 Ia 107 E. 2b, m.w.H.). Diesen Anforderungen genügt das Urteil der Vorinstanz und die Klägerin war denn auch in der Lage, es sachgerecht anzufechten. Im Übrigen ist festzuhalten, dass ein Gutachten auch nicht sachdienlich gewesen wäre, da unter den Parteien umstritten ist, welche Qualität sie im Vergleich vom 8. Februar 2021 vereinbart hatten. Wenn sich die Parteien nicht einig sind, welcher Zustand geschuldet ist, kann auch ein Gutachter nicht beurteilen, ob der Zustand dem Vereinbarten entspricht.
2.7 Was das Schreiben der [...] GmbH vom 30. Juni 2022 anbelangt, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Berufungsklägerin ein Rechtsschutzinteresse daran hat, eine Gehörsverletzung feststellen zu lassen. Das Schreiben betrifft die Lüftung, die vorliegend nicht mehr Streitgegenstand ist. Sollte es um die Ausscheidung von Kosten bei einer allfälligen Anerkennung des Mangels durch die Berufungsbeklagte gehen, würde sich eine Ausscheidung von Kosten ohnehin nicht rechtfertigen. Auf diesen Punkt ist nicht weiter einzugehen.
3.1 Die Berufungsklägerin rügt ferner, die Berufungsbeklagte habe im Vergleich vom 8. Februar 2021 zugesichert, dass die von ihr anerkannten Mängel im Badezimmer fachmännisch beseitigt würden, was nicht passiert sei. Damit liege eine schriftliche Zusicherung der Berufungsbeklagten über den Zustand der Mietsache vor, nämlich die der fachmännischen Mängelbeseitigung. Die Nichterfüllung dieser zugesicherten Eigenschaft stelle damit mindestens einen mittleren Mangel dar. Entgegen der Meinung der Vorinstanz sei vorliegend nicht entscheidend, ob man bei einem tieferen Mietzins ästhetische und weitere Mängel akzeptieren müsse. Gestützt auf den Vergleich sei im konkreten Einzelfall einzig und allein relevant, ob die Arbeiten fachmännisch ausgeführt worden seien nicht. Die Vorinstanz hätte nicht prüfen müssen, ob ein leichter, mittlerer schwerer Mangel vorliege.
3.2 Die Feststellung eines Mangels setzt voraus, dass die Mietsache im Istzustand mit der Mietsache im vertraglich geschuldeten Zustand (Sollzustand) verglichen wird. Der geschuldete Zustand entspricht dem, was der Vermieter zu gegebener Zeit – bei Mietbeginn während der Mietdauer – schuldet. Dieser Zustand umfasst alle für die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch massgeblichen wie auch die besonders zugesicherten, allenfalls darüber hinausgehenden Eigenschaften. Ob und mit welchem Inhalt solche Eigenschaften für die Bestimmung des vertragsgemässen Zustandes zu berücksichtigen sind, ist durch die Feststellung des übereinstimmenden Parteiwillens und durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Wegen der oft nur rudimentären vertraglichen Festlegungen der Eigenschaften, die der Mietsache insgesamt zukommen sollen, kommt dem Zustand der Mietsache, wie er vom Mieter vor Vertragsabschluss (insbesondere im Rahmen einer Besichtigung des Mietobjektes) zur Kenntnis genommen wurde, für die Bestimmung des vertragsgemässen Zustandes eine entscheidende Bedeutung zu. Denn so, wie der Mieter die Mietsache bei Vertragsabschluss kennt, akzeptiert er sie mit den ihr zukommenden Eigenschaften; denn er erklärt sich bereit, sie als Vertragsgegenstand anzunehmen und hiefür den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Bekannte Eigenschaften der Mietsache können in der Regel nicht Gegenstand von Mängeln bilden, denn dieser Zustand der Mietsache entspricht dem vertragsgemässen. Der Mieter kann vernünftigerweise und nach Treu und Glauben nichts anderes erwarten als den Vertragsgegenstand, für den er sich entschieden hat. So ist die Altbauwohnung nicht deswegen mangelhaft, weil ihr der Komfort einer modernen Wohnung fehlt; ebenso ist es kein Mangel der in der Nähe der Autobahn gelegenen Wohnung, dass sie den Immissionen des Strassenverkehrs ausgesetzt ist; das Ladenlokal leidet nicht deswegen an einem Mangel, weil die Passantenlage schlecht ist (Tschudi Matthias, in: Schweizerischer Verband der Immobilienwirtschaft - SVIT [Hrsg.], Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 4. Aufl., Zürich - Basel - Genf 2018, Vorbemerkungen zu Art. 258–259i OR N 27 f.).
Eine Zusicherung ist die ernsthaft gemeinte, vertraglich bindende Erklärung des Vermieters, dass das Mietobjekt eine bestimmte Eigenschaft aufweist (z.B. «absolut ruhige Lage», «Wohnung total renoviert, mit neuer Küche», «kein Konkurrenzgeschäft in der Liegenschaft»). Im Gegensatz zu den vorausgesetzten beruhen die zugesicherten Eigenschaften nicht auf der Gebrauchsvereinbarung, sondern auf einer davon zu unterscheidenden, eigenen («speziellen») vertraglichen Abrede. Gleichwohl sind sowohl zugesicherte als auch vorausgesetzte Eigenschaften stets vereinbarte Eigenschaften und bilden zusammen den geschuldeten Zustand der Mietsache. Das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft stellt ebenso einen Mangel dar wie das Fehlen einer vorausgesetzten Eigenschaft, denn im einen wie im anderen Fall fehlt der Mietsache eine Eigenschaft, die sie nach dem Vertrage eigentlich haben müsste. Dies gilt auch dann, wenn die Gebrauchstauglichkeit durch den Mangel nicht betroffen ist; wenn der Mietsache also eine zugesicherte Eigenschaft fehlt, die mit der Gebrauchstauglichkeit nichts nur am Rande etwas zu tun hat. Obschon vom Gesetz vernachlässigt, gelangen die Mängelrechte gemäss Art. 258/259a ff. OR auch in diesen Fällen zur Anwendung, wobei diesfalls nicht aufgrund des Schweregrades der Gebrauchsschmälerung, sondern – in allgemeiner Art – anhand der Interessenbeeinträchtigung, die der Mieter durch den Mangel erleidet, darüber zu entscheiden ist, ob ein schwerer, mittlerer leichter Mangel vorliegt und welche Mängelrechte dem Mieter in Abhängigkeit davon zu Gebote stehen. So wird z.B. die Aufnahme eines Konkurrenzbetriebs in der Mietliegenschaft trotz gegenteiliger verbindlicher Zusicherung einen schweren Mangel begründen, ebenso wie die fehlende zugesicherte Rollstuhlgängigkeit der Wohnung. Ein mittlerer Mangel liegt z.B. vor, wenn die vertraglich zugesicherte Hauswartung zeitweilig ausfällt. Ein leichter Mangel kann in einer untergeordneten Abweichung vom zugesicherten Zustand liegen, z.B. in einem falschen Farbton eines Anstrichs (Tschudi Matthias, a.a.O., Vorbemerkungen zu Art. 258–259i OR N 35 ff.).
3.3 Die Berufungsklägerin behauptet, mit dem Vergleich sei beabsichtigt worden, ihr einen besonderen Zustand des Bades zuzusichern. Dies wird von der Berufungsbeklagten bestritten. Die Parteien sind sich nicht einig, welchen Zustand die Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin mit dem Vergleich zugesichert hat. Für die Bestimmung des vereinbarten Zustands ist der übereinstimmende Parteiwille festzustellen und der Vertrag auszulegen. Sinn und Zweck der vereinbarten Mängelbehebung war in erster Linie die Beseitigung des Schimmels, was von der Berufungsklägerin nicht bestritten wird. Von ihr wird auch kein anderer Zweck zum Abschluss des Vergleichs genannt. Dass die Berufungsbeklagte mit diesem Vergleich der Berufungsklägerin einen anderweitigen besonderen Zustand, der gar noch über das mietvertraglich Geschuldete hinausginge, hätte zusichern wollen, ist nicht nachgewiesen. Ein solcher Parteiwille ergibt sich aus den Akten nicht. Einig in Bezug auf die «fachmännische» Ausführung der Arbeiten sind sich die Parteien insofern, als dass damit die Ausführung durch Fachpersonen gemeint war. Für die Bestimmung des geschuldeten Zustandes ist sodann auch, entgegen der Meinung der Berufungsklägerin, relevant, ob es sich um eine Luxuswohnung eine günstige Mietwohnung handelt. Gemäss Mietvertag vom 5./6. Februar 2008 zog die Berufungsklägerin am 1. April 2008 in die 3.5-Zimmer-Wohnung an der [...] in [...] ein. Im Vertragsformular findet sich der Hinweis, dass es sich um einen Mietvertrag über eine mit Bundeshilfe zur Verfügung gestellte Wohnung handelt. Der monatliche Bruttomietzins beträgt CHF 1'381.00. Damit handelt es sich um eine günstige Wohnung, die zumindest bei Mietbeginn subventioniert wurde. Selbstverständlich kann bei einer solchen Wohnung nicht die gleiche Qualität verlangt werden wie bei einer Luxuswohnung. Für die Ermittlung des übereinstimmenden Parteiwillens beim Abschluss des Vergleichs spielen diese Gesamtumstände eine nicht unerhebliche Rolle. Mit der «fachmännischen» Erneuerung von gewissen Teilen des Bads kann wohl keine Aufwertung des mietvertraglich vereinbarten Zustands gemeint gewesen sein. Die Berufungsklägerin legt während des ganzen Verfahrens nicht dar, wie die Wohnung bei Mietbeginn bzw. vor der Mängelbehebung ausgesehen hat. Sogar wenn erwiesen wäre, dass ihr Bad damals einwandfrei und makellos gewesen ein besonderer Zustand zugesichert worden wäre, müsste vorliegend – ein Mangel angenommen und entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin – ohnehin geprüft werden, um welche Art von Mangel (leicht, mittel, schwer), wenn überhaupt, es sich bei den ausgeführten Arbeiten handelt. Mit den Feststellungen der Vorinstanz, dass es sich teilweise um reine Schönheitsfehler handle und die einwandfreie Benutzung des Badezimmers in keinster Weise beeinträchtigt werde, setzt sich die Berufungsklägerin nicht auseinander und wiederholt in appellatorischer Weise lediglich das, was sie bereits vor der Vorinstanz vorgebracht hat. Auf die Feststellungen der Vorinstanz ist damit abzustellen. Nur der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass beispielsweise nicht im Geringsten belegt ist, ob es sich bei der Verlegung der Platten und Fugen im Bereich der Badewanne und der Badewannenarmaturen um eine von der Berufungsklägerin behauptete «Verschlimmbesserung» handelt. Ohnehin wurden die von der Berufungsklägerin behaupteten Mängel nicht substantiiert dargelegt. Das Vorbringen, wonach die «Hicks» im Boden von den Fachpersonen, die die Badewanne rausgetragen hätten, stammen, stellt eine reine Behauptung dar. Der Mangel – Schimmel – wurde vollständig beseitigt, was auch die Berufungsklägerin nicht bestreitet. Ihre Behauptung, der Schimmel werde wieder kommen, ist rein hypothetisch und nicht zu hören. Gemäss Videoaufzeichnung erscheint das Bad sauber und gepflegt. Erst bei näherem Hinschauen sieht man beispielsweise die Risse in den Platten in den Fugen, von denen die Berufungsklägerin behauptet, sie stammten von den Fachpersonen, die die Mängelbeseitigung vorgenommen hätten. Leichte Mängel Schönheitsfehler, wie sie die Vorinstanz festgestellt hat, sind ohnehin hinzunehmen. Die Berufungsklägerin geht – ohne auch nur auszuführen, weshalb – davon aus, dass es sich bei der angeblichen Nichteinhaltung des Vergleichs um einen mittelschweren Mangel handelt. Inwiefern es sich um einen mittelschweren Mangel handeln sollte, erschliesst sich dem Gericht nicht.
4. Ferner rügt die Berufungsklägerin, die Berufungsbeklagte habe es unterlassen, innert Frist eine Stellungnahme bzw. ein Fristerstreckungsgesuch einzureichen, womit sie die gerügten und eingeklagten Mängel anerkannt habe. Aufgrund der Präklusivwirkung sei die Berufungsbeklagte mit der Prozesshandlung, die sie bis zum Ablauf der Frist hätte vornehmen sollen, ausgeschlossen. Die Vorinstanz führte dazu aus, die Beklagte hätte das Recht auf eine kurze Nachfrist gehabt, falls sie eine Frist zur Stellungnahme verpasst hätte. Dazu erwidert die Berufungsklägerin lediglich, es sei nicht erwiesen, ob die Verwaltung innert einer kurzen Nachfrist mit einer Eingabe reagiert hätte. Dies ist vorliegend nicht relevant. Im Übrigen hätten der Berufungsbeklagten ohnehin die Säumnisfolgen in der Nachfristansetzung angedroht werden müssen, wozu es aufgrund der Eingaben der Berufungsbeklagten gar nie hat kommen müssen, da gar keine Frist verpasst wurde. Von einer Säumnis und einer daraus resultierenden Anerkennung der gerügten und eingeklagten Mängel durch die Berufungsbeklagte kann keine Rede sein.
5. Im Weiteren erhebt die Berufungsklägerin den Vorwurf, es sei nicht erstellt, dass das nicht unterzeichnete Schreiben der ehemaligen Liegenschaftsverwalterin vom 23. September 2021 tatsächlich von dieser stamme, da das Layout und Design des Schreibens frappant von ihren bisherigen Schreiben abwichen. Die Vorinstanz habe die entsprechenden Anträge zur Verifikation der Schreiben der ehemaligen Verwalterin der Liegenschaft der Berufungsbeklagten nicht behandelt. Das Schreiben ist unterschrieben und mit Stempel versehen und sieht genau so aus, wie das Schreiben vom 30. August 2021. Die Vorinstanz hatte keinen Anlass abzuklären, ob dieses Schreiben tatsächlich von der ehemaligen Liegenschaftsverwalterin stammte. Auch ist mit Blick auf E. 4 nicht ersichtlich, was die Berufungsklägerin daraus zu ihren Gunsten ableiten will. Ihre Kritik ist rein appellatorisch.
6. Schliesslich führt die Berufungsklägerin über mehrere Seiten aus, inwiefern sie davon ausgeht, dass die Berufungsbeklagte die Mängel anerkannt habe. Eine Anerkennung der Mängel durch die aktuelle Liegenschaftsverwaltung kann dem Schreiben vom 22. November 2021 nicht entnommen werden. Die Liegenschaftsverwaltung, handelnd durch Herrn C.___, schrieb, sie sei gewillt, die Angelegenheit rasch möglichst aussergerichtlich zu regeln. […] Die Besichtigung finde am 23. November 2021 statt. Folglich könne ein Überblick über die vorhandenen Mängel verschafft werden, und die entsprechenden Handwerker könnten anschliessend aufgeboten werden. Sie ersuche um eine Fristerstreckung für die Mängelbehebung. Bei der für die Liegenschaftsverwaltung handelnde Person handelt es sich um einen juristischen Laien. Aus dem Schreiben geht klar hervor, dass diese Person zum Zeitpunkt dieses Schreibens noch keinen Zugang zum Mietobjekt hatte und dementsprechend gar nicht wusste, ob tatsächlich Mängel bestehen. Wie bereits die Vorinstanz ausführte, spielen nachfolgende während der Sistierung des Verfahrens aussergerichtlich geführte Vergleichsgespräche für das vorliegende Verfahren keine Rolle und können nicht als Anerkennung der Mängel gewertet werden. Die Berufungsbeklagte führte glaubhaft aus, dass sie die Berufungsklägerin einfach habe zufriedenstellen wollen, diese aber nie zufrieden gewesen sei (Protokoll der Parteibefragung der Berufungsbeklagten vom 1. Februar 2023, Rz. 63 ff.). Es ging folglich nicht darum, die Mängel anzuerkennen, sondern dem Prozess ein Ende zu setzen. Vergleichsverhandlungen würden ja geradezu verunmöglicht werden, wenn damit gerechnet werden müsste, es handle sich beim Vorschlag, wie die Sache beendet werden könnte, um eine Anerkennung der Klage.
7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Berufung vollumfänglich abzuweisen ist.
8. Die Berufungsklägerin verlangte mit Berufung vom 28. Juni 2022 die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 117 ZPO). Für die Beurteilung der fehlenden Aussichtslosigkeit als zweite Voraussetzung der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist eine gewisse Prozessprognose notwendig, wobei auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen ist. Als aussichtslos sind dabei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. z.B. BGE 142 III 138, E. 5.1; 139 III 475, E. 2.2; 138 III 217, E. 2.2.4). Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; denn eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten gegeben sind, beurteilt sich nach den Verhältnissen und der Prozesslage bei Einreichung des Gesuchs (vgl. Viktor Rüegg / Michael Rüegg, in: Karl Spühler et. al. [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel 2017, Art. 117 N 18). Das Verfahren bei der Rechtsmittelinstanz war von Anfang an aussichtslos, womit auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Berufungsklägerin im obergerichtlichen Verfahren abzuweisen ist.
9.1 Die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens werden auf CHF 1’500.00 festgesetzt und werden bei diesem Ausgang des Verfahrens der Berufungsklägerin auferlegt.
9.2 Die Berufungsklägerin hat der Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung zu bezahlen. Die Rechtsvertreterin der Berufungsbeklagten hat eine detaillierte Honorarnote eingereicht. Diese erscheint angemessen. Demzufolge hat die Berufungsklägerin der Berufungsbeklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 2'272.90 (inkl. Auslangen und MwSt.) zu bezahlen.
Demnach wird erkannt: 1. Die Berufung wird abgewiesen. 2. Der Antrag von A.___ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren wird abgewiesen. 3. A.___ hat die Kosten des Berufungsverfahrens von CHF 1'500.00 zu bezahlen. 4. A.___ hat B.___ für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 2'272.90 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Der Streitwert liegt unter CHF 15'000.00. Sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, kann gegen diesen Entscheid innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich. Soweit sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, kann gegen diesen Entscheid innert 30 Tagen seit Erhalt beim Bundesgericht subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 115 bis 119 Bundesgerichtsgesetz massgeblich. Wird gleichzeitig Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben, so sind beide Rechtsmittel in der gleichen Beschwerdeschrift einzureichen.
Im Namen der Zivilkammer des Obergerichts Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin Hunkeler Hasler |
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